„Was heißt und zu welchem Ende studiert man Musikpädagogik?“

„Was heißt und zu welchem Ende studiert man Musikpädagogik?“
Antrittsvorlesung von Christoph Khittl mit anschließendem Symposion
am 12. und 13. Mai 2016
Schiller, 1789, eröffnet seine Vorlesungen an der Universität Jena mit dem Titel: „Was heißt
und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?“.
Wir befinden uns am Höhepunkt der Aufklärung und im Jahr der Französischen Revolution.
Die Frage nach einem Menschheitsziel hin zum Besseren, wie sie die Schlagworte der franz.
Revolution (liberté, egalité, fraternité ) prägnant zusammenfassen, erscheint zu diesem
Zeitpunkt legitim. Dieser Zukunftsoptimismus färbt auch auf die Wissenschaften ab, die sich
gerade als Disziplinen zu konstituieren beginnen unter dem Ideal und mit dem Ziel einer
universellen Bildung des Menschen.
Am 7. Nov. 1991 hielt Wolfgang Roscher als neuer Rektor der (damaligen) Hochschule für
Musik und darstellende Kunst Mozarteum eine Inaugurationsrede: „Was heißt und zu
welchem Ende studiert man Musikpädagogik?“ Dies – für viele als programmatische Ansage
– sollte die Musikpädagogik in das Zentrum seiner Amtszeit als Rektor stellen (Rede
eingescannt im Anhang!).
Im Unterschied zu 1789 erscheint die Aufklärung im Jahr 1991 als historische Station: Seit
den 1970er Jahren sickert „postmodernes Wissen“ und Denken in die einzelnen Disziplinen
und Fachbereiche, auch wenn gerade die Jahre um 1990 von einem gewissen Optimismus der
deutschen Wiedervereinigung und dem Fall des Eisernen Vorhangs gekennzeichnet sind, die
kurzzeitig auch eine Entwicklung hin zur Humanität und Demokratisierung erhoffen lassen...:
Positionen der vergangenen Dekaden musikpädagogischer Bemühungen? ... Und wie würden
wir von 1789 über 1991 bis ins aktuelle Jahr die Frage beantworten, die im Titel gestellt
wird? Würden, könnten, oder wollten wir sie überhaupt heute beantworten?
Als weitere Diskurs- und Zeitachse, die zum Nachdenken einlädt, sei in diesem
Zusammenhang auf Leo Kestenbergs Begründung der Musikpädagogik in den 1920er Jahren
erinnert. Musikpädagogik wird hier definitiv als akademische Disziplin begründet auf dem
Dreisäulenmodell von Kunst – Wissenschaft – Pädagogik. Auf diesem Fundament müssen bis
heute musikpädagogische Studiengänge aufgebaut sein, wollen sie im akademischen Umfeld
(auch in Zeiten von Bologna) ernst genommen werden.
Welche Signale setzen aber nun Christopher Wallbaums systematische Überlegungen aus
dem Jahr 2006, wenn er – oberflächlich besehen gar nicht unähnlich zu Kestenberg, aber
scheinbar doch relativierend oder erweiternd Musik als „(geschichts-)wissenschaftliche“, als
„ethisch-weltanschauliche“ und „ästhetische Praxis“ versteht (und den Begriff
Musikpädagogik bzw. Kunst dabei wohl bewusst vermeidet)?
Die Positionierung Wallbaums ist im größeren musikpädagogischen Diskussionsrahmen zu
verstehen, denn Wallbaum grenzt sich von der 2004 ausgerufenen „Bildungsoffensive“ der
Konrad-Adenauer-Stiftung ab, die zwar eine „Neuorientierung des Musikunterrichts“
einfordert und dabei doch überwiegend konservative Argumente vorbringt, die an eine primär
kunstwerkorientierte Musikdidaktik anknüpfen samt verbindlichem Werke-Kanon aus dem
Fundus der europäischen Kunstmusiktradition.
Oder sollte sich Musikpädagogik heute kulturwissenschaftlich definieren, nachdem die
„Großen“ und daraus resultierenden vielen „Kleineren musikpädagogischen Erzählungen“
ihre Legitimationskraft mehr behaupten als realisieren? Wäre Musikpädagogik nicht von sich
aus schon eine mehr transdisziplinäre Disziplin ohne eindeutig festgelegte
Bezugswissenschaften, ohne eindeutigen Bezugspunkt (abgesehen von dem, was man als
Musik bezeichnet), in der sich je nachdem alle beteiligten und beitragenden Disziplinen
durchwirken (im Sinne von „trans-“) und dabei auch qualitativ und substantiell verändern.
Im 2006 in der ZfKM erschienen Artikel „Musikpädagogik als kritische Kulturwissenschaft.
Eine Annäherung“ zeichnet J. Vogt ein solch trans- bzw. metadisziplinäres Bild und schlägt
vor, Musikpädagogik als Kulturwissenschaft so zu begreifen, „dass sie als Deutungsinstanz
vergangener und gegenwärtiger Musikkultur(en) erscheint und, im Rahmen ihrer
Möglichkeiten, als sinnproduzierende Instanz innerhalb dieser Musikkultur(en) arbeitet.“
Darüber hinaus würde eine solche Musikpädagogik dabei zur „kritischen Musikpädagogik“,
„wenn sie den Sinn der Tradition nicht nur pragmatisch rekonstruierte, d. h. auf seinen
aktuellen Gebrauchswert hin untersuchte, sondern (...) auch das ‚Andere’ dieser Kulturen, ihr
Verdrängtes, Unterdrücktes und Ausgeschlossenes zur Sprache brächte.“ (Vogt, 2006,S. 23).
Bleibt aber in diesem Design nicht gerade die ästhetische Praxis mit all ihren performativen,
situativen Momenten, geschweige denn die Frage nach Kunst und Kunstvollzug völlig
unberücksichtigt?
So kann vielleicht H. J. Kaisers Vorschlag herangezogen werden, wonach Musikpädagogik
ein inter- und transdisziplinäres Projekt sei, das einzig und allein im Bezug auf die ‚Frage
nach dem Verhältnis von Menschen und Musiken in gesellschaftlichen Prozessen, die von
edukativer Intentionalität initiiert und durch diese gesteuert werden’ seine Einheit gewinnt.“
(Abel-Struth, ZfKM 2006, S. 1) ( und vgl. Kaiser 2004, 79).
Vielleicht aber läuft die hier skizzierte musikpädagogische Diskussion im Leerlauf?
Vielleicht nehmen Künstler, Wissenschaftler aus anderen (musikbezogenen) Fachrichtungen
diese musikpädagogische Argumentation gar nicht wahr, oder erachten sie als überflüssig?
Vielleicht können Vertreter von außen, die gleichwohl in der Musik, nicht aber unbedingt in
der Musikpädagogik verankert sind, ganz andere Erwartungen und Vorstellungen entwickeln,
die von der oben gestellten Leitfrage handeln: „Was heißt und zu welchem Ende studiert man
Musikpädagogik?“. Welche Fragen haben nun quasi die (musikpädagogisch betrachtet)
„außenstehenden“ Kolleginnen und Kollegen an das Fach bzw. an die Disziplin
Musikpädagogik? Oder etwas anders gefragt: Wie viel Musikpädagogik steckt in der je
eigenen Tätigkeit als Künstler, Wissenschaftler, Hochschullehrender?
Idee dieses Kurzsymposions rund um meine Antrittsvorlesung am 12. Mai (16 – 18 Uhr) soll
es sein, diese und ähnliche (oder vielleicht auch ganz andere) Fragen in orientierender und
kommunikativer Absicht anzudiskutieren. Dies soll in drei unterschiedlichen Foren und
Formaten geschehen. Zudem wird ein künstlerisch-musikalisches wie gastronomischkulinarisches Programm daran erinnern, was Symposien ihrem Ursprung nach immer auch
waren: Ereignisse, die zum Rausch hin tendieren dürfen, und nicht nur zum Rausch der
Erkenntnis!
PROGRAMMÜBERBLICK
Antrittsvorlesung am Do. 12. Mai 2016, 16 – 18 Uhr mit Empfang
Institut für Musikpädagogik, Metternichgasse 8, 1030 Wien, EG05
Eröffnung durch die Rektorin, Ulrike Sych, Begrüßung durch den Institutsleiter Peter Röbke
Christoph Khittl „Was heißt und zu welchem Ende studiert man Musikpädagogik?“
Symposion „Was heißt und zu welchem Ende studiert man Musikpädagogik?“ am Fr. 13.
Mai 2016, 09 – ca. 19 Uhr
Institut für Musikpädagogik, Metternichgasse 8, 1030 Wien, EG05
Forum 1: „Die Innensicht der Außensicht“ (13. Mai, 09.00 - 12.00)
Hier kommen MusikpädagogInnen zu Wort, die von außen als Gäste kommen, soll heißen
nicht an der mdw forschen und lehren. Geplant sind Vorträge zu max. 20 Minuten, die zu
einer allg. Diskussion anregen mögen. Chair und Diskussionsleitung: Markus Hirsch,
Vorträge von: Werner Jank, Jürgen Oberschmidt, Stefan Zöllner-Dressler
Forum 2: „Die Außensicht der Innensicht“ (13. Mai, 14.00 – 16.00)
Hier kommen Künstler, WissenschaftlerInnen der mdw zu Wort, die jedoch nicht primär
musikpädagogisch forschen und lehren, sondern von außen in den musikpädagogischen
Diskurs schauen und ihn kritisch befragen und bereichern mögen. Geplant sind pointierte
Statements (max. 8 – 10 Min.), die zu einer Podiums- und allgemeinen Diskussion anregen
sollen. Chair und Diskussionsleitung: Peter Röbke, Statements, und Impulse von: Eike
Rathgeber, Martin Eybl, Christian Ofenbauer, Christoph U. Meier, Roman Summereder
Forum 3: „Omnes, omnes generationes“ (13. Mai, 17.00 – 18.30)
In diesem Forum kommt es zu einem exemplarischen Diskursangebot: Christoph Richter, der
die „Große Musikpädagogische Erzählung“ seit den 1970er-Jahren immer wieder neu erzählt
und anregt, trifft auf die musikpädagogischen Erwartungshorizonte, Probleme und Fragen der
„nächsten Generation“ von MusikpädagogInnen und wird in diesem Diskurs auch seine
Anforderungen an eine Musikpädagogik vom Schüler aus darstellen. Moderation: Christoph
Khittl, Vortrag: Christoph Richter, Statements, Impulse „next generation“: Katharina PecherHavers, Ivo Berg, Nikolaus Pesl
Musikbeiträge am Do. 12. Mai:
Musik von Johanna Doderer, Gustav Mahler, Alma Mahler-Werfel. Ausführende: Nikola
Djoric, Sylvia Khittl-Muhr, Dieter Paier
Musikbeiträge am Fr. 13. Mai:
Auftritt der Inklusionsband des IMP zwischen 16.30 – 17.00: „All-Stars-Inclusive“,
musikalische Leitung: Marlene Lacherstorfer/wissenschftliches Konzept: Beate Hennenberg