Predigt zur Jahreslosung 2016 an Neujahr in Beilstein „Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet“ (Jesaja 66,13). dass mir der Boden unter den Füßen weg zu brechen droht. Dann brauche ich einen, der mir treu zur Seite steht. Dann brauche ich einen, der mich wieder fest macht. Trost heißt Festmachen. Ich sehe vor mir ein Kind, das hinfällt und sich die Knie aufschlägt. Die Mutter eilt herbei, nimmt das Kind in den Arm, wischt ihm die Tränen Im Hebräischen ist das Wort für „Trost“ verwandt mit den Wörtern ab, trocknet die Wunde und klebt ein Pflaster drauf. So geht Trösten. „aufatmen lassen“ und „auferwecken“. Trösten heißt dann, dass mich Und immer wieder sind es die Mütter. Ob aufgeschlagene Knie, jemand aufatmen lässt und mich so aufleben lässt, dass es so ist, als schlechte Zeugnisse oder Liebeskummer, meist es sind die Mütter, zu würde er mich von den Toten auferwecken. Ich stelle mir vor, dass ich denen Kinder kommen, wenn sie Trost suchen. in Beziehungen oder in Strukturen lebe, die mich einengen und mir die Luft zum Atmen nehmen. Dann brauche ich einen, der mich aufatmen Was ist überhaupt Trost? Zuerst denke ich an Zuspruch, Beruhigung, Geborgenheit. Wer mich tröstet, spricht mir Gutes zu, beruhigt mich, schenkt mir Geborgenheit. Ich denke aber auch an Beschwichtigung lässt. Dann brauche ich einen, der mich aus dem, was mich am Leben hindert, herausreißt und in ein neues, weites Leben stellt. Trost heißt aufatmen Lassen. und Vertröstung. Wer so tröstet, lullt mich ein und hindert mich daran, nach vorn zu schauen und Veränderungen anzupacken. Vertröstung Im Griechischen wird „trösten“ mit einem Wort wiedergegeben, das belässt mich im Alten, umsorgt und geliebt zwar, aber dennoch im auch „ermahnen“ heißt. Trösten heißt dann, dass mich jemand Alten. zurechtweist, ermahnt, auffordert. Ich stelle mir vor, dass mein Leben Das Wort „Trost“ spricht mich ganz neu an, wenn ich mich ihm von der Sprache her nähere, wenn ich frage, was in dem deutschen, dem hebräischen und dem griechischen Wort für „Trost“ an Bildern und eingefahren ist, sich in den immer gleichen Bahnen bewegt und sich nur im Kreise dreht. Dann brauche ich einen, der mir einen Ruck gibt. Dann brauche ich einen, der mich ermahnt, mein Leben anzupacken und zu ändern. Trost heißt Ermahnen. Vorstellungen drinsteckt: Das deutsche Wort „Trost“ ist verwandt mit den Wörtern „treu“, „trauen“ und „vertrauen“. Trösten heißt dann, dass mir jemand treu zur Trösten heißt, dass ich mir Zeit für einen Menschen nehme, ihm zuhöre, ihm zuspreche, ihn beruhige. Aber Trösten heißt noch mehr. Trösten heißt auch Festmachen, aufatmen Lassen und Ermahnen. Seite steht und mir wieder neues Vertrauen schenkt. Man könnte auch sagen, eine neue innere Festigkeit, den Vertrauen macht einen Ist solch ein Trost nur Angelegenheit von Müttern? Nein. So wenig wie Menschen fest. Ich stelle mir vor, dass mein Leben erschüttert wird, Gott in Geschlechterzuweisungen aufgeht, so wenig ist Trost nur eine Angelegenheit von Müttern. Gott durchkreuzt alle Rollenzuweisungen. wie einen Mantel über das Kind aus. Auf mich wirkt es so, als ob er Denken Sie an den verlorenen Sohn: Der Vater weist ihn nicht ab, der seine Fittiche über das Kind ausbreitet. Mir fällt die Liedstrophe ein: Vater nimmt in die Arme. Oder denken Sie an das Psalmwort „Wie sich „… in wieviel Not, hat nicht der gnädige Gott, über dir Flügel ein Vater über Kinder erbarmt, so erbarmt sich der Herr …“ Der Vater gebreitet?“ Die Geborgenheit unter dem Mantel, unter den Flügeln erbarmt sich. Erbarmen ist ein weiblich konnotiertes Handeln, im seiner Eltern tröstet das Kind. Aber noch mehr: Der Trost holt das Kind Hebräischen steckt darin das Wort für Mutterschoß. Letztlich geht es auch heraus, heraus aus dem starren, toten Dunkel, das ich links im Bild bei der Rede von Gott als „Vater“ oder „Mutter“ nie um das sehe, hinein ins dynamische, lebendige Licht, das die rechte Bildhälfte Geschlecht, sondern immer um die Beziehung. Wer Gott „Vater“ oder prägt. Ich sehe, was Trost mit einem Menschen macht: Trost birgt, „Mutter“ nennt, drückt damit eine innige Beziehung aus. Die allein Trost holt heraus, Trost setzt in Bewegung. zählt. „Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.“ Ich wünsche Gott, der uns Vater und Mutter ist, tröstet. Gott beschwichtigt und uns, dass uns diese Worte durch das neue Jahr begleiten. Durch all die vertröstet nicht, Gott tröstet. Sein Trost macht uns fest, sein Trost lässt kleinen und großen Herausforderungen, die das Jahr für uns bereithält. uns aufleben, sein Trost richtet unser Leben neu aus. Gottes Trost ist Um einige Herausforderungen wissen wir, andere erahnen wir, weich und hart zugleich: weich, weil Gott voller erbarmender Liebe ist, wiederum andere werden uns überraschen. Ich wünsche uns, dass die hart, weil Gott uns fordert und zum Handeln aufruft. Weich, weil wir in Worte der Jahreslosung uns Luft zum Atmen geben, dass sie uns Gottes Trost geborgen sind, hart, weil Gottes Trost uns ermahnt, an uns innerlich fest machen und dass sie uns mahnen, notwendige zu arbeiten und so manch liebgewordene Gewohnheit aufzugeben. „Ich Veränderungen nicht auf die lange Bank zu schieben, sondern endlich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet“ – das ist ein anzugehen. Gott sei bei uns, als Mutter, als Vater, ganz nah. beruhigendes und ein aufrüttelndes Wort zugleich, Zuspruch und Amen. Herausforderung, Verheißung von Heimat und Aufforderung zum Aufbruch. Das Bild „Geliebt und getröstet“ von Dorothee Krämer setzt die Jahreslosung ins Bild. Ich finde in dem Bild einen Gott, der nicht auf eine Geschlechterrolle festgelegt wird. Ich entdecke ihn in den beiden großen Figuren, sehe ihn als Vater und Mutter. Er breitet seine Liebe Pfarrer Dr. Hans Joachim Stein, Kaisersbacher Str. 11, 71717 Beilstein
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