Innovationspreis des Oldenburger Münsterlandes 2015 Bernhard Aumann und Dr. Arthur Schüßler Wilhelms GmbH (v.l.n.r.) Bernhard Aumann und Dr. Arthur Schüßler, Geschäftsführer der Wilhelms GmbH in Cloppenburg. (Foto: Gerald Lampe, foto-hölzen) Anfang 2013, bei Höchstpreisen für Silomais und zunehmenden Berichten der weltweit steigenden Umweltprobleme durch intensiven Ackerbau, hatten zwei Personen, unabhängig voneinander und aus unterschiedlichen Blickwinkeln, die gleiche Idee. Gartenbaumeister Bernhard Aumann wollte nach Jahren im Agrarbusiness „etwas Gutes machen“ und verschrieb sich der Idee, den Ackerbau nachhaltig zu optimieren. Das ihm vom Garten- und Landschaftsbau her bekannte Nischenprodukt „Mykorrhiza“ wollte er „im großen Maßstab“ anwenden, wofür er Anfang 2013 die Wilhelms GmbH gründete. Dr. Arthur Schüßler bereitete nach mehr als 15 Jahren universitärer Forschung seinen Ausstieg aus der akademischen Laufbahn vor, um das in Deutschland kaum erkannte Potenzial der Mykorrhizapilze für die großflächige Anwendung endlich in Wert zu setzen. Er hatte an der Universität Heidelberg Biologie studiert, dort 1995 in Botanik promoviert und nach seiner Habilitation an der Technischen Universität Darmstadt im Jahre 2003 als HeisenbergStipendiat der DFG in Darmstadt und München an Mykorrhizapilzen geforscht. Nach einem Treffen im Herbst 2013 in München gingen Bernhard Aumann und Dr. Arthur Schüßler, unter dem Motto „Forschung meets Business“, nach Änderung der Gesellschafterstruktur gemeinsam mit der Wilhelms GmbH an den Start. Mykorrhiza gibt es auf der Erde seit 450 Millionen Jahren. Ihre Entdeckung war ein mehrstufiger Prozess. In den Jahren 1840 bis 1880 erschienen verschiedene Einzelbeobachtungen, die mit dem Phänomen zu tun hatten. Der Biologe Albert Bernhard Frank (1885) erkannte dann das Gesamtbild der „Pilzwurzel“ korrekt als eine symbiotische Struktur und prägte damals erstmals den Begriff „Mykorrhiza“ (griechisch für Pilzwurzel). Allerdings ist erst seit rund 20 bis 30 Jahren bekannt, dass auch unsere landwirtschaftlich genutzten Pflanzen einen Großteil der mineralischen Nährstoffe über 10 bis 30 Zentimeter lange Pilzfäden aufnehmen können, die zusammen mit Bakterien Nährstoffe im Boden lösen. Stickstoff und Phosphat sind meist die beiden limitierenden Elemente des Pflanzenwachstums. Daher werden, für Mais, im Frühjahr z.B. 100 bis 200 Kilogramm Mineraldünger pro Hektar ausgebracht, um das Wachstum der Saat zu unterstützen. 50-80 Prozent des ausgebrachten Phosphates werden dabei aber von der Pflanze gar nicht aufgenommen, sondern im Boden festgelegt oder ausgewaschen. Mykorrhizapilze können dieses Phosphat und auch Stickstoff sehr effizient aufnehmen und an die Pflanze liefern. So können 90 Prozent oder mehr des ausgebrachten Phosphates für die Pflanzen verfügbar gemacht werden. 10 bis 20 Gramm Mykorrhizapilze und phosphatlösende Bakterien pro Hektar reichen dazu aus, um bis zu 50 Prozent des Mineraldüngers einzusparen. Gleichzeitig wird in Trockenperioden auch Wasser besser im Boden gespeichert und durch die Pilze aufgenommen und an die Pflanzen geliefert. „Der intensive Ackerbau zerstört auf Dauer die natürlichen Pilzkulturen“, kritisiert Bernhard Aumann. Wie kann man dies ausgleichen, um die „Ressourcenverschwendung in der Landwirtschaft“ zu reduzieren? Wie Gartenbaumeister Aumann wusste, werden Maissaatkörner traditionell gebeizt. „Warum also nicht eine Beize mit Mykorrhiza entwickeln“, fragte er sich. „Die effizienteste Einbringung der Mikroorganismen in den Boden, ist nun mal die Einbringung über das Saatgut.“ Für die anwendenden Landwirte werden deshalb Produkte als „Handbeize” vertrieben. In Größen zwischen 200 und 500 Gramm pro Hektar kann die Pulverformulierung auf das Saatgut per Trommelmischer aufgebracht werden. Für den Einsatz in industriellen Beizanlagen werden alle Produkte auch als „Profibeize” vertrieben. In Größen zwischen 6 und 30 Gramm pro Hektar kann die Formulierung auf das Saatgut maschinell aufgebracht werden. „Dieses spezielle Verfahren wurde mit führenden Beizanlagenherstellern entwickelt und lässt sich auf verschiedenen industriellen Anlagen programmieren“, erläutert Aumann. Dabei ist die Mykorrhizapilz-Beizung kompatibel mit den meisten IndustrieBeizmitteln. „Die Mykorrhiza-Symbiose kann Trockenstresssituationen und mangelnder Nährstoffzufuhr vorbeugen. Phosphor wird den Pflanzen wesentlich effizienter zur Verfügung gestellt. Dadurch kann Mineraldünger deutlich reduziert werden. Überlastete Böden können renaturiert und die Nitratbelastung im Grundwasser langfristig gemindert werden. Zahlreiche Versuche belegen außerdem die qualitative und quantitative Steigerung der Erträge.“ Die Wilhelms GmbH produziert in Cloppenburg Endomykorrhiza-Pilze und Bodenbakterien und hat unter der Marke „willbest” Lösungen für den Einsatz in der konventionellen Landwirtschaft entwickelt. Alle Produkte lassen sich auch für den ökologischen Landbau verwenden und sind im Agrarfachhandel erhältlich. Seit September 2014 werden Forschungs- und Entwicklungs-Projekte der Wilhelms GmbH aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung im Rahmen des Programmes „KMU Innovativ“ gefördert. Die unterschiedlichen Gesellschafter aus der wissenschaftlichen Forschung und der praktischen Anwendung haben somit eine internationale Kernkompetenz in der Anwendung von Mykorrhizapilz-Produkten geschaffen. „Die Funktionsweise der Mykorrhiza basiert auf den Austausch von Kohlenhydraten gegen mineralische Nährstoffe, wie Phosphat und Stickstoff, zwischen Pilz und Pflanze“, erläutert Dr. Arthur Schüßler. „Unsere unter sterilen Bedingungen ‚in vitro‘ hergestellten arbusculären Mykorrhizapilze und Bakterien können im Gegensatz zu den im Gartenbau häufig verwendeten Ektomykorrhiza-Pilzen auch für landwirtschaftlich genutzte Pflanzen wie Mais, Soja oder Kartoffeln verwendet werden. Der großflächige Einsatz scheiterte bisher jedoch am unwirtschaftlichen sehr aufwändigen Produktionsprozess.“ Für den landwirtschaftlichen Einsatz bietet die Wilhelms GmbH jetzt erstmals wirtschaftliche Dosierungen für Mais, Kartoffeln, Soja oder Grünland (Kleegras und Luzerne) an. „Wir produzieren in Deutschland natürlich vorkommende, das Pflanzenwachstum und die Pflanzengesundheit fördernde Bodenmikroorganismen“, betont Dr. Schüßler. Diese Bodenbakterien und -pilze enthaltende Produkte werden in speziell entwickelten Verfahren unter anderem für die Beschichtung von Saatgut vorbereitet. Über das beschichtete Saatgut werden die Mikroben dem Ackerboden zugeführt und die Pflanzen können bereits in der Anfangsphase des Wachstums von den Mikroorganismen profitieren. So lassen sich künstliche Düngung und, durch verbesserte Pflanzengesundheit, auch Pflanzenschutzmaßnahmen deutlich reduzieren. Je nach Boden, Umwelt und Pflanze werden Mykorrhizapilze mit unterschiedlichen pflanzenwachstumsfördernden Bakterien kombiniert. „Die resultierenden synergistischen Effekte erhöhen nachweislich die Wirksamkeit der einzelnen Pilze oder Bakterien und ermöglichen, richtig kombiniert, eine ressourcenschonende Verbesserung des Pflanzenwachstums“, bilanziert Arthur Schüßler. Die Kosten pro Hektar beliefen sich in 2015 noch auf 98 Euro pro Hektar. Für 2016 ist eine Reduzierung auf 79 Euro und für 2017 auf unter 70 Euro geplant. Die gegenwärtige Produktionskapazität der Wilhelms GmbH reicht für 100.000 Hektar pro Jahr, in 2018 könnten es nach entsprechenden Investitionen bereits eine Million sein. Sieben Mitarbeiter hat das Unternehmen momentan, zwei weitere sollen kurzfristig dazu kommen. Zum Jahresende treffen nun laufend die Erntedaten im Unternehmen ein. Die meisten Maisfelder erzielten bisher etwa zehn Prozent Mehrertrag, beziehungsweise gleiche oder leicht bessere Erträge trotz reduzierter Düngung. Die Kartoffeln haben bis zu 20 Prozent mehr Stärkeanteil und sind vorwiegend mittelgroße Sortierungen, also für die Vermarktung optimal. Im Februar 2014 gehörte die Wilhelms GmbH zu den Finalteilnehmern des Klimaschutzwettbewerbes „Fit für den Klimawandel“. Im November 2014 war sie Finalteilnehmerin im internationalen Wettbewerb „Future Agro Challenge“ und durfte Deutschland in Athen vertreten. Im Juni 2015 wurde das Team der Wilhelms GmbH im historischen Gebäude der Bremer Handelskammer für ihre innovative Klimaanpassungslösungen als Gewinner ausgezeichnet. Dieser Preis wurde vom Netzwerk “Innovation & Gründung im Klimawandel“ vergeben und wurde gefördert vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, der Metropolregion Nordwest, der Wirtschaftsförderung Stadt Oldenburg und der EWE AG. Für die kommende Verleihung des Deutschen Innovationspreises für Klima und Umwelt in Berlin Ende Januar 2016 ist die Wilhelms GmbH nach Bewertung der Bewerbung durch das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) als eine von 14 Finalteilnehmern nominiert. (v.l.n.r.) Cloppenburgs Bürgermeister Dr. Wolfgang Wiese, Landrat Johann Wimberg, Dr. Stefan Pfeiffer, der den Innovationspreis für die beiden leider kurzfristig erkrankten Preisträger entgegennahm, und Laudator Jürgen Müllender, Vorstand der Öffentlichen Versicherungen Oldenburg (Foto: Ferdinand Kokenge, k-foto)
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