Forschungsprojekt Sprache und Recht

Prof. Dr. Manfred Herbert
Fakultät Wirtschaftswissenschaften
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Forschungsprojekt Sprache und Recht
Die vielfältigen Bezüge zwischen Sprache und Recht eröffnen ein breites Forschungsfeld, in
dem
Erkenntnisse aus der
Rechtswissenschaft, der
Sprachphilosophie und
der
Sprachwissenschaft eine Rolle spielen. Von den vielen einschlägigen Fragestellungen sind
bislang folgende thematisiert worden oder gerade in Bearbeitung:
1. Philosophische Sprachkritik
In welcher Form auch immer "Recht" vorkommt, es besteht aus geschriebenen oder
gesprochenen sprachlichen Äußerungen: aus Gesetzen, Urteilen, Verträgen, Gutachten,
Plädoyers, etc. Bei derartigen Äußerungen geht man nolens volens zumindest implizit von
einer Sprachphilosophie aus, d.h. von bestimmten Annahmen über die Bedeutung der
verwendeten sprachlichen Zeichen. Dabei handelt es sich um schlechte Philosophie, wenn
diese Annahmen falsch sind. Die philosophische Sprachkritik hat die Aufgabe, eine schlechte
Philosophie aufzudecken und vor hieraus resultierenden Fehlern, etwa bei der juristischen
Begriffsbildung und der Auslegung von Gesetzen, zu bewahren. Insoweit wird versucht,
Erkenntnisse der Sprachphilosophie des 20 Jahrhunderts, insb. des Philosophen Ludwig
Wittgenstein, für die Rechtswissenschaft fruchtbar zu machen.
Folgende Publikationen sind hierzu erschienen:

100 Jahre Doppelwirkungen im Recht, in: Juristenzeitung 2011, S. 503 - 513
1

Rezension von „O‘ Connor Drury, Maurice, The Danger of Words and Other Writings on
Wittgenstein”, in: Philosophischer Literaturanzeiger 1999, S. 173 – 177

Rechtstheorie als Sprachkritik. Zum Einfluss Wittgensteins auf die Rechtstheorie, BadenBaden 1995

Rezension von "Müller, Friedrich (Hrsg.), Untersuchungen zur Rechtslinguistik", in:
Rechtstheorie 24 (1993), S. 533-538

Rezension von „Lüderssen, Klaus, Produktive Spiegelungen. Recht und Kriminalität in der
Literatur“, in: Universitas 1992, S. 1224 - 1225

Rezension von "Depenheuer, Otto, Der Wortlaut als Grenze. Thesen zu einem Topos der
Verfassungsinterpretation", in: Rechtstheorie 22 (1991), S. 541 - 544

Zum Begriff der Lebensform in der Theorie der juristischen Argumentation, in:
Philosophie des Rechts, der Politik und der Gesellschaft, hrsg. v. P. Koller und A.
Schramm, Wien 1988, S. 211 – 216
2. Sprachliches Arbeitsrecht
Im Rahmen ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts haben Menschen das Recht auf den
Gebrauch ihrer Muttersprache. Auch werden sie durch internationale und nationale
Rechtsnormen davor geschützt, wegen ihrer Sprache diskriminiert zu werden. In diesem
Zusammenhang wird untersucht, welche Implikationen diese Rechte speziell für das
Arbeitsrecht haben, was insbesondere im Umgang mit fremdsprachigen Arbeitnehmern in
multinationalen Belegschaften eine immer größere Rolle spielt. Einschlägige Fragestellungen
sind etwa, welche Sprachkenntnisse der Arbeitgeber von fremdsprachigen Arbeitnehmern
verlangen darf, ob Stellen nur mit Muttersprachlern besetzen werden dürfen, ob der
Arbeitgeber Arbeitsverträge, andere rechtsgeschäftliche Erklärungen, Arbeitsanweisungen,
etc. in die Muttersprache des Arbeitnehmers übersetzen muss, ob ein Recht bzw. eine
Pflicht des Arbeitnehmers zu sprachlicher Qualifizierung besteht, ob und unter welchen
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Voraussetzungen eine Betriebssprache eingeführt werden darf, wie die Kommunikation im
multinational zusammengesetzten Betriebsrat abzulaufen hat.
Folgende Publikationen sind hierzu erschienen (jeweils gemeinsam mit J.-D. Oberrath):

Sprache und Arbeitsrecht, in: Gedächtnisschrift für Rainer Wörlen, 2013, S. 477 – 491

Betriebsrat und Sprache, in: Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht 2012, S. 1260 - 1266

Möglichkeiten und Grenzen der Einführung einer Betriebssprache, in: Monatsschrift für
Deutsches Recht 2011, S. 830 - 833

Hinreichende Deutschkenntnisse des Arbeitnehmers im Spiegel der Rechtsprechung, in:
Neue Justiz 2011, S. 8 - 15

Beherrschung und Verwendung der deutschen Sprache bei Durchführung und
Beendigung des Arbeitsverhältnisses, in: Der Betrieb 2010, S. 391 - 395

Beherrschung und Verwendung der deutschen Sprache bei der Begründung des
Arbeitsverhältnisses, in: Der Betrieb 2009, S. 2434 - 2438
3. Sprachenrecht und Mehrsprachigkeitsprobleme in der Europäischen Union
In der Europäischen Union existieren derzeit 24 Amtssprachen, was ein eigenes
Sprachregime erfordert und was zu einer Reihe von Problemen führt, die einsprachige
Rechtsordnungen nicht aufweisen. Einschlägige Fragestellungen sind etwa, in welchen
Sprachen die interne Kommunikation in den Organen und Einrichtungen der Europäischen
Union stattfindet, in welchen Sprachen sie mit den Bürgern kommunizieren müssen, der
Schutz von Minderheitensprachen und die besonderen Schwierigkeiten bei der Auslegung
mehrsprachiger Rechtsordnungen.
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Folgende Publikationen sind hierzu erschienen:

Rezension
von
„Boysen/Engbers/Hilpold/Körfgen/Langenfeld/Rein/Richter/Rier,
Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen. Handkommentar“, in:
Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 2013, S. 127 - 130

Rezension von "Bruha, T./Seeler H.-J.(Hrsg.), Die Europäische Union und ihre Sprachen",
in: Der Staat, Bd. 39 (2000), S. 635 – 638

Rezension von "Loehr, Kerstin, Mehrsprachigkeitsprobleme in der Europäischen Union",
in: Zeitschrift für Rechtsvergleichung, Internationales Privatrecht und Europarecht 2000,
S. 237 – 239
Folgende Problematik wird derzeit untersucht: Gegen Ende 2016 wird voraussichtlich das
europäische Patent mit einheitlicher Wirkung in 25 Staaten der Europäischen Union in Kraft
treten. Ein damit verfolgtes Hauptziel ist die Schaffung von einfachen und kostengünstigen
Übersetzungsregeln. Das Sprachenregime des Einheitspatents sieht wie beim bisherigen
europäischen Patent vor, dass die Verfahrenssprachen vor dem Europäischen Patentamt
Deutsch, Englisch und Französisch sind. Allerdings muss – im Gegensatz zum europäischen
Patent - die Patentbeschreibung nur in der Verfahrenssprache veröffentlicht werden und der
Patentanspruch in die anderen beiden Verfahrenssprachen übersetzt werden. Weitere
Übersetzungen sind nur im Falle eines Rechtsstreits und während eines Übergangszeitraums
von maximal zwölf Jahren erforderlich. Untersucht wird die Fragestellung, ob das
Sprachenregime des Einheitspatents rechtlich zulässig und politisch sinnvoll ist. Meine
Hypothesen sind insoweit:
(1) Die Beschränkung auf drei Verfahrenssprachen ist rechtlich haltbar. Zwar werden die
Amtssprachen der Europäischen Union, die an sich gleichberechtigt sind, unterschiedlich
behandelt. Die Beschränkung auf Deutsch, Englisch und Französisch verfolgt aber ein
legitimes Ziel und ist verhältnismäßig.
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(2) Politisch ist die Beschränkung auf drei Verfahrenssprachen aber nicht konsequent genug,
weil die Ziele des Einheitspatents effizienter erreichbar wären, wenn Englisch die einzige
Amtssprache wäre. Da Englisch die einzige lingua franca in europäischen Patentverfahren
sein dürfte, was statistisch belegungsbedürftig ist, wäre dies auch verhältnismäßig und
rechtlich zulässig.
(3) Die vorgeschlagene Beschränkung auf Englisch als alleinige Verfahrenssprache sollte auf
Verfahren ausgedehnt werden, die nur Unternehmen betreffen (z. B. vor dem
Harmonisierungsamt
für
den
Binnenmarkt
bei
der
Registrierung
von
Gemeinschaftsmarken und Gemeinschaftsgeschmacksmustern). Dies erscheint als ein
sinnvoller Ansatz zur Lösung des Sprachenproblems in der Europäischen Union.
4. Englisch als Gerichtssprache
In Deutschland gibt es seit einigen Jahren Initiativen, die in internationalen
Wirtschaftsstreitigkeiten englischsprachige Gerichtsverfahren einführen möchten, um den
Justizstandort Deutschland im Wettbewerb mit internationalen Schiedsgerichten und angloamerikanischen Gerichten zu stärken. Diese Entwicklung wird rechtlich und rechtspolitisch
bewertet.
Folgende Publikationen sind hierzu erschienen:

Should a Legal Order Admit English as an Official Language Used in Court? A Critical
Examination of the Discussion in Germany, in: Explorations in Law and Language (ed. by
V. K. Bhatia et al.), 2014, S. 175 - 185

Rezension von „Hoffmann, Hermann, Kammern für internationale Handelssachen. Eine
juristisch-ökonomische
Untersuchung
zu
effektiven
Außenhandel“, in Rabels Zeitschrift 2013, S. 426 - 432
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Justizdienstleistungen
im