10 unmittelbar zu treffende Maßnahmen im HCB-Fall Um weitere negative Konsequenzen für Mensch und Umwelt zu vermeiden und den HCB-Skandal rasch aufzuarbeiten schlägt Greenpeace folgende, unmittelbar zu treffende Maßnahmen vor: 1. Weitere Bluttests Nach der Veröffentlichung der Blutanalysen müssen rasch weitere Blutproben von Kindern und jüngeren Erwachsenen genommen und untersucht werden, da diese Gruppen unterrepräsentiert waren bzw. im Falle von Kindern ein besonders hoher Prozentsatz erhöhte HCB-Werte hatte. Aktueller Status: In Umsetzung. 2. Entsorgung der Futtermittel Insgesamt müssen rund 7.000 Tonnen HCB-haltiges Futtermittel – oberhalb und unterhalb des HCB-Grenzwertes - entsorgt werden. Um HCB zu zerstören, braucht es sehr hohe Temperaturen von bis zu 1000 Grad Celsius. Das Land Kärnten hat noch keine konkrete Lösung gefunden, das Futtermittel wird daher bei w&p Zement GmbH, dem Zementwerk in Wietersdorf, zwischengelagert. Wenn während der Zwischenlagerung kein Futtermittelstaub entweicht, sollte diese Methode keine Probleme verursachen. Am wahrscheinlichsten ist eine Entsorgung in einer geeigneten Verbrennungsanlage. Aus Greenpeace-Sicht muss dafür eine Anlage mit zwei unabhängigen heißen Zonen (also z.B. heiße Brennkammer und heiße Rauchgasnachverbrennung) und einer Rauchgasreinigung nach dem neuesten Stand der Technik gefunden werden. In jedem Fall muss vorab ein streng überwachter Verbrennungsversuch mit umfassenden HCBMessungen in Rauchgas, Asche und Filterkuchen durchgeführt werden. Die maximal tolerierbare HCB-Emission im Rauchgas sollte sich an den gemessenen Emissionen der Sondermüllverbrennungsanlage WienSimmering orientieren (ca. 1 Nanogramm pro Kubikmeter Abgas). Aktueller Status: Lagerung in Ordnung, Entsorgung noch offen. 3. Lösung für die Giftmülldeponie Für den verbliebenen Giftmüll muss jedenfalls eine dauerhafte Lösung gefunden werden, da die Deponie eine große Grundwasserbedrohung darstellt. Die Errichtung einer dauerhaften, modernen Giftmülldeponie in Brückl stellt für Greenpeace keine Lösung dar, da es keine Garantie geben kann, dass die Deponie für die nächsten Generationen sicher ist. Am besten sollte HCB zerstört werden. Dafür braucht es Temperaturen von über 900 Grad Celsius, je höher die Temperatur desto besser. Eine Entsorgung des gesamten Deponieinhaltes in der Sondermüllverbrennungsanlage in Wien-Simmering ist ebenfalls keine Lösung, da der Kalkschlamm nicht brennt und daher von einer Tonne Kalkschlamm, die „verbrannt“ wird, am Ende wieder rund 999 Kilo Abfall übrigbleiben (bezogen auf die Trockenmasse). Simmering ist daher nur eine Lösung für die stark belasteten Kalkschlammteile der Deponie. Nach derzeitigem Wissensstand könnte ein Zementwerk auf dem modernsten Stand der (Umwelt-)Technik imstande sein, tatsächlich HCB zu zerstören. Mindestvoraussetzungen dafür sind, dass das Material direkt in die heiße Brennkammer eingebracht werden kann, und es eine zusätzliche heiße Abgasreinigung gibt (z.B. durch Nachverbrennung der Abgase). Zusätzlich muss eine effiziente Quecksilberabscheidung sichergestellt sein. Beide Voraussetzungen sind in Wietersdorfer Zementwerk derzeit nicht gegeben. Bei Zementwerken, die diese Vorgaben erfüllen, könnte Greenpeace einem strengstens behördlich und öffentlich überwachten Verwertungsversuch zustimmen, bei dem HCB mit der besten verfügbaren Analysemethode im Rauchgas gemessen wird. Zudem könnte auch w&p seine Rauchgasreinigung um viel Geld ausbauen und das Material ökologisch verträglich verwerten. Angesichts der Geschichte dieses Tals erachtet Greenpeace jedoch dafür eine Zustimmung der Bevölkerung als zwingende Voraussetzung. Sollte eine Verwertung derzeit nicht möglich sein, ist eine gesicherte, dem neuesten Stand der Technik entsprechende Deponierung der Plan B. Das Material sollte dabei soweit technisch machbar getrennt von anderen Abfällen gelagert werden, um eine etwaige Verwertung / Zerstörung zu einem späteren Zeitpunkt zu ermöglichen. Die Transportkosten des Deponiematerials in ein anderes Bundesland dürfen bei der Entscheidung keine Rolle spielen! Aktueller Status: offen 4. Weitere HCB-Messungen von Lebensmitteln Das laufende HCB-Testprogramm muss bis auf weiteres bei allen tierischen Produkten fortgeführt werden, und zwar solange bis HCB nicht mehr nachgewiesen werden kann. Diese ist besonders wichtig, um jene Menschen mit zu hohen HCB-Werten im Blut ausreichend zu schützen. Aktueller Status: Im Laufen, allerdings wurden die Messungen bei Rinderschlachtkörpern teilweise vorzeitig gestoppt. 5. Schadensersatz Die w&p Zement GmbH und die Donau Chemie AG müssen für den gesamten Schaden aufkommen, der durch die HCB-Emission direkt und indirekt entstanden ist. Dazu zählen u.a. der gesamte Schaden für die Landwirtschaft im Görtschitztal, für die lokale Molkerei und - soweit betroffen - für die Tourismusbetriebe. Auch die Kosten für medizinische Untersuchungen sollten von den Unternehmen getragen werden, ebenso ein Teil des entstandenen Verwaltungsaufwandes beim Land Kärnten. Die Verwendung von Steuergeldern sollte möglichst gering sein, wobei zu befürchten ist, dass die Fehler des Landes Kärnten bei der Genehmigung und Kontrolle der Blaukalkverwertung zu einer bedingten (rechtlichen) Mitverantwortung der öffentlichen Hand führen könnten. Aktueller Status: w & p Zement GmbH hat bisher teilweise freiwillig Schadenersatz geleistet (z.B. Futtermitteltausch), Donau Chemie AG nicht. Ein großer Teil ist jedoch noch ungeklärt. 6. Unterstützung der geschädigten Wirtschaftszweige abseits des Schadensersatzes Über den unmittelbaren monetären Schadenersatz hinausgehend braucht es effiziente Maßnahmen, um geschädigten Wirtschaftszweigen in Kärnten zu helfen. Dazu zählt die Wiederherstellung des Vertrauens in Milch aus Kärnten (die Kärntnermilch-Molkerei hat signifikante Umsatzeinbußen außerhalb Kärntens, obwohl niemals HCB in deren Produkten nachweisbar war), Direktvermarkter aus der Region bzw. auch ein positiver Imageaufbau zum Thema „Urlaub in Kärnten“. Aktueller Status: Erste Ideen vorhanden 7. Überprüfung aller anderen Zementwerke & anderer Giftmüllverwerter in Österreich Es ist gängige Praxis, dass Zementwerke viele verschiedene gefährliche bzw. problematische Abfälle übernehmen. Derzeit hat niemand einen Überblick über alle Abfallströme und mögliche Emissionen. Greenpeace hat daher umfangreiche Erhebungen zur Abfallverwertung in österreichischen Zementwerken durchgeführt. Die im Report ‚Brennpunkt Abfallverwertung‘ (www.greenpeace.at/brennpunkt_abfallverwertung) zusammengefassten Recherche-Ergebnisse zu den acht Zementwerken in Österreich geben keine Hinweise auf einen akut gefährlichen Problemfall. Es werden jedoch zahlreiche kritische Lücken im System aufgedeckt, die mittelfristig zu einem ähnlichen Fall wie dem HCB-Skandal führen könnten. Auf Basis der Erhebungen ergeben sich dringende Handlungsfelder für Politik, Behörden und Industrie. Zu den wichtigsten abgeleiteten Maßnahmen zählen mehr Transparenz bei der Abfallverwertung (Genehmigungen, Informationen von den Behörden, tatsächlich eingesetzte Abfallarten), ein Verbot des Einsatzes besonders problematischer Abfälle, strengere Auflagen der Behörden beim Einsatz von Abfallarten, die bedenkliche Verunreinigungen enthalten oder enthalten können, spezifische Rauchgasmessungen beim Einsatz von kritischen Abfällen sowie eine konsequente Eingangskontrolle für Abfälle durch die Zementwerke. Darüber hinaus sollten auch alle anderen Giftmüll-Entsorger überprüft werden, ebenso braucht es eine Überprüfung aller laufenden Altlastensanierungsverfahren. Im geringsten Verdachtsfall müssen auch Futter – und Lebensmittelproben aus den jeweiligen Regionen getestet werden. Aktueller Status: Ist erst teilweise erfolgt. 8. Klärung der politischen Verantwortung Der Untersuchungsausschuss des Kärntner Landtages muss bestmöglich unterstützt werden, um die politische Verantwortung lückenlos klären zu können. Keine Partei darf dabei geschont werden. Denn durch die Historie des Skandals seit 2006 sind VertreterInnen fast aller Parteien involviert: Machbarkeitsstudie 2004-2006 noch unter LH Haider (FPÖ/2004 bzw. BZÖ/2006) und Umweltlandesrat Reinhart Rohr (SPÖ); Bescheide 2010 unter LH Dörfler (FPK) mit Umweltlandesrätin Prettner (SPÖ); Krisenmanagement 2013/14 unter LH Kaiser (SPÖ), Landwirtschaftslandesrat Benger (ÖVP) und Umweltlandesrat Rolf Holub (Grüne). Aktueller Status: U-Ausschuss des Kärntner Landtages läuft, Abschlussbericht sollte im Frühherbst kommen. 9. Volle Unterstützung der Staatsanwaltschaft und der Gerichte Ähnlich wie der Untersuchungsausschuss müssen auch die Staatsanwaltschaft und die Gerichte bei der Klärung der Verantwortungen umfassend unterstützt werden. Aktueller Status: kann von Greenpeace nicht bewertet werden. 10. Volle Transparenz bzw. Information der Öffentlichkeit Die Kärntner Landesregierung muss alle Informationen der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Das umfasst sowohl neue Informationen wie Testergebnisse als auch eingeleitete Maßnahmen, öffentliche Ausgaben, gezogene Schlussfolgerungen, etc. Aktueller Status: Es werden immer wieder neue Infos veröffentlicht, zuletzt die Richtwerte für HCB-Konzentrationen in Lebensmitteln der MedUni Wien. Stand: 28.9.2015
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