Die Entwicklung eines Menschen im vorsprachlichen Raum Schwangerschaft, Geburt und Babyzeit Brigitte Meissner, 2010 Die prä- und perinatale Psychologie und Psychotherapie (pP) hat im letzten Jahrhundert weitgehend ein Schattendasein geführt – sie wird in unserem Jahrhundert wahrscheinlich den Grundstein legen für ein neues Menschenbild: wir wissen heute, dass ein Baby seit Beginn der Schwangerschaft ein voll erlebendes menschliches Wesen ist. Auf der einen Seite gibt es das menschliche Bewusstsein, es ist dies der höchst verletzliche kleine Embryo und Fötus, welcher im Bauch seiner Mutter heranwächst. Auf der anderen Seite gibt es die Seele, welche aus dem Jenseits rüber gekommen ist und in ihr wohnt ein göttliches Bewusstsein. Diese Seele weiss alles aus dem Leben und Schicksal der Mutter wie aus demjenigen des Vaters. Wir können ein Baby nur dann verstehen, und damit auch das Wesen eines Menschen, wenn wir uns diese beiden Formen des Bewusstseins gleichzeitig vor Augen halten – dies sind die Grundannahmen und Erfahrungen der pP. Zudem wissen wir aus der wissenschaftlichen Forschung, dass die sensibelste Lebenszeit eines Menschen an seinem Lebensanfang liegt, d.h. in der Schwangerschaft, während der Geburt und in der ersten Lebenszeit. In diesem vorsprachlichen Raum werden all seine grundlegenden Körpergefühle, Emotionen und seine gesamten Bindungsmuster geprägt. Diese frühe Lebenszeit bestimmt grundsätzlich über unsere Neigung zur Gesundheit oder aber zur Krankheit – ein Leben lang. Und diese Phase der frühesten Lebenserfahrung, der grössten Prägbarkeit liegt in einer Zeit, in welcher noch keine kognitive Erinnerung vorhanden sind. Diese beginnen erst mit der Sprache ab dem cirka dritten Lebensjahr. Diese ersten Lebenserfahrungen eines Menschen sind in seinem Körper gespeichert, es ist dies unser Körpergedächtnis. Und diese frühesten Erinnerungen formen unsere Art des Erlebens, unser Denken und unser Handeln – ohne dass wir uns dessen bewusst sind – so erfahren wir von der modernen Neurobiologie. Mit diesem wissenschaftlichen Hintergrund und den Erfahrungen der pP ist es für eine heranwachsendes Baby in der Schwangerschaft genauso wie für ein kleines Menschenkind von hoher Bedeutung, wenn sich Eltern mit sich selber und d.h. Mit der eigenen frühen Verletzlichkeit beschäftigen und damit auseinandersetzen. Dazu eine wichtige Vorbemerkung: wir leben in einer sehr problematischen Gesellschaft, insofern ein Baby in ursprünglichen Kulturen dauernd auf dem Körper der Mutter oder einer anderen Betreuerperson herumgetragen wird, während in allen Hochkulturen Mutter und Baby von einander getrennt werden – seit tausenden von Jahren. Je höher die Kultur, desto radikaler die Trennung. Und genau an diesem so hochsensiblen Lebensanfang werden all die alten Verletzungen von einer Generation auf die nächste übertragen. Dabei haben wir pränatale Therapeuten die Erfahrung gemacht: es sind niemals „schlechte“ oder „böse“ Eltern, wenn irgendwelche Schwierigkeiten in der Schwangerschaft oder bei einem Baby nach der Geburt auftauchen. Im Gegenteil: alle Eltern, die unsere Praxen aufsuchen sind in einem hohen Mass um ihre Kinder bemüht – es sind gute oder sogar „süsse“ Eltern – jedes Mal geht mein Herz weit auf für sie. Treten nun irgendwelche Schwierigkeiten oder Symptome auf, weisen sie auf eine eigene, nicht verarbeitete Verletzung hin beim Vater oder aber bei der Mutter. In der Fachsprache reden wir von frühesten Traumatisierungen. Solche Erfahrungen, solche frühesten Verletzungen aus dem vorsprachlichen Raum tauchen mit einer grossen Heftigkeit wieder auf, entweder wenn wir eine Liebesbeziehung eingehen oder aber durch die Existenz eines Kindes. Dann spätestens „erinnert sich unser Körper“, verbunden mit den entsprechenden Emotionen, was wir als kleinste Menschwesen im „Bauch unserer Eltern“ schon erleben und ev. „durchleiden“ mussten. Nun zeigen die Erfahrungen der pP, Eltern sind nie so offen und bereit wie in dieser ersten Lebenszeit, in der Schwangerschaft, bzw. mit einem kleinen Kind, ihre eigenen frühen Verletzungen zuzulassen, um an ihnen zu arbeiten. Ihre alten Tränen oder ihren versteckten Zorn zuzulassen und zwar deswegen, weil sie spüren: sie entlasten damit ihr Kind. Wenn die Tränen beim Papa oder bei der Mama fliessen, ist ein sonst heftig weinendes Baby meist ruhig am Körper seiner Eltern eingeschlafen. Aber auch ihre Beziehung wird offener und weicher: nicht der Partner ist schuld am eigenen Elend, sondern wenn heftige Emotionen auftauchen, liegt die Ursache in der persönlichen Geschichte, in der eigenen frühen Verletzlichkeit verborgen. Wichtig jedoch ist, dass die Eltern einfühlsam sind für die eigenen Nöte oder aber in einer liebevollen und achtsamen Weise von einem Menschen begleitet werden., welcher die „Sprache“ dieser frühesten Verletzungen versteht. Mit einer solchen Begleitung kommt der göttliche Kern beim Baby und genauso bei beiden Eltern zum Vorschein. Eine Krise am Lebensanfang als Chance zu einer Heilung. Kinder werden so zu unseren grossen Lehrmeistern und Heilern. Franz Renggli arbeitet mit schwangeren Frauen, zudem mit Babys und Kleinkindern und deren Familien. Genauso hilft er erwachsenen Menschen, den Ursprung ihrer frühen Verletzungen ausheilen zu lassen. Er bildet zudem Menschen aus, welche mit diesem frühen Bewusstsein, mit diesen frühen Verletzungen arbeiten möchten. Siehe www.franz-renggli.ch. Zur Zeit arbeitet er an einem Buch über seine Erfahrungen als pP.
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