ZUVERLÄSSIG ODER ZUFÄLLIG

30.06.2015
ZUVERLÄSSIG ODER ZUFÄLLIG
WIRKUNG UND WIRKSAMKEIT VON
PHYTOPHARMAKA
Prof. Dr. Theodor Dingermann
Institut für Pharmazeutische Biologie
[email protected]
30.06.2015
Vorbemerkung
Mit welchen Arzneimitteln „kompetieren“ pflanzliche
Arzneimittel?
• mit chemisch definierten Wirkstoffen?
• mit biotechnologisch hergestellten Wirkstoffen?
• mit „Wirkstoffen“ der alternativen Therapieverfahren?
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30.06.2015
Patienten benötigen wirksame Arzneimittel
Von als „wirksam“ ausgewiesenen Arzneimitteln sollte
erwartet werden, dass sie ihre Wirksamkeit nach
bestimmten Kriterien belegt haben.
Als wichtigstes Kriterium gilt die klinische
Wirksamkeit
Patienten benötigen für eine Therapie
angemessene Arzneimittel
Ferner sollte erwartet werden, dass Arzneimittel
hinsichtlich des Behandlungsanlasses angemessen
eingesetzt werden.
Behandlungsanlässe:
Krankheiten mit einem hohen Selbstheilungspotential
Schwere bis schwerste Infektionen (bakteriell/viral)
Chronische Krankheiten fast ohne Leidensdruck
Chronische Krankheiten mit hohem bis sehr hohem Leidensdruck
Krankheiten ohne realistische Heilungsoptionen
Lebensbedrohliche Krankheiten mit realistischen Heilungschancen
u.a. …
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Therapiestrategien
OP
Mittlerer bis hoher
Symptomen-Score
Biotechs
Wirkstoffkombination
Chemisch definierter
Wirkstoff 2
Geringe
Symptomatik
„watchful
waiting“
Chemisch definierter
Wirkstoff 1
Phytotherapie
Therapiestrategien
Mittlerer bis hoher
Symptomen-Score
Phytotherapie
Chemisch definierter
Wirkstoff 2
Geringe
Symptomatik
Chemisch definierter
Wirkstoff 1
„watchful
waiting“
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Therapiestrategien
Phytotherapie
Stellenwert der Phytopharmaka unter den
Therapieoptionen
Stellenwert der Phytopharmaka:
Umstritten!!
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Das Dilemma der Wahrnehmung von
Phytopharmaka
Es ist eine erstaunliche Tatsache:
Pflanzliche Arzneimittel werden von Laien ebenso wie
von vielen "Fachleuten" nahezu ausschließlich auf die
Arzneipflanzen "reduziert", aus denen sie hergestellt
wurden.
Das Dilemma der Wahrnehmung von
Phytopharmaka
Tee
Man unterscheidet kaum
Fertigarzneimittel
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Eine unangemessene Argumentations-dialektik
Gegner wie Befürworter von Phytopharmaka
argumentieren
fundamental statt differenziert
Eine unangemessene Argumentations-dialektik
Gegner wie Befürworter von Phytopharmaka
reden teils über sehr unterschiedliche Dinge
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Phytopharmaka
Arzneimittel, die als wirksame Bestandteile
ausschließlich pflanzliche Drogen und/oder
Zubereitungen aus pflanzlichen Drogen enthalten
Therapeutisch ernst zunehmende
Phytopharmaka
• enthalten als wirksame Bestandteile Zubereitungen
aus pflanzlichen Drogen in einer bestimmten
galenischen Form,
• sind Bestandteil einer rationalen medikamentösen
Therapie im Sinne der naturwissenschaftlich
orientierten Medizin,
• werden unter strenger Indikationsstellung zur
Behandlung definierter Erkrankungen oder
krankhafter Beschwerden eingesetzt.
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Keine Phytopharmaka sind:
• Homöopathische Arzneimittel,
• Anthroposophische Arzneimittel,
• Isolierte Pflanzeninhaltsstoffe und ihre Derivate
(z.B. Atropin, Codein, Digitoxin usw.).
Keine therapeutisch ernst zunehmende
Phytopharmaka sind:
Tees
Der Wirkstoffe eines therapeutisch ernst
zunehmenden Phytopharmakons ist nicht die Droge
Droge = relevanter Rohstoff
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Take home message 1
Tees sind keine therapeutisch ernst zunehmenden
Phytopharmaka
Als Phytopharmaka wahrgenommene
Präparategruppen
Tees als Nahrungsmittel (Instant-Tees, Teebeutel)
Teezubereitungen
Traditionell angewandte Phytopharmaka
(traditional use)
So genannte „rationale“ Phytopharmaka
(well established use)
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Der Tee:
traditionelle Arzneiform der Phytopharmaka
Der Tee: traditionell – aber auch optimal?
Traditionell nicht zwingend optimal
Wirkstoff
Extrazellulär
Intrazellulär
Target
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Mischungen
Als Phytopharmaka wahrgenommene
Präparategruppen
Tees als Nahrungsmittel (Instant-Tees, Teebeutel)
Teezubereitungen
Traditionell angewandte Phytopharmaka
(traditional use)
So genannte „rationale“ Phytopharmaka
(well established use)
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Take home message 2
Therapeutisch ernst zunehmende Phytopharmaka
sind Fertigarzneimittel, die als Wirkstoffe Extrakte
enthalten
Extrakte
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Das Verhältnis von Droge zu Nativextrakt
(DEV)
=
Bestandteil der Deklaration
Beispiel: Trockenextrakt
2-8:1
4 - 6,6 : 1
Der pflanzliche Wirkstoff
Der pflanzliche Wirkstoff ist ein komplex
zusammengesetztes Stoffgemisch!
Dessen Zusammensetzung wird entscheidend
beeinflusst durch
• die Qualität und den verwendeten Teil der
Arzneipflanze,
• das Lösungsmittel zur Extraktion der Droge,
• ein konkretes Herstellungsverfahren
Den bestimmten Extrakt aus einer
Arzneipflanze gibt es nicht!
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Verschiedene Aufbereitungsverfahren von
Johanniskraut
DEN bestimmten Extrakt aus einer
Arzneipflanze gibt es nicht
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Zulassungssystematik für Phytotherapie
Normale
Zulassung
„well-established medicinal
use“ Zulassung (seit 2001)
„traditional use“
Registrierung (seit 2004)
-
Verwendung > 10 Jahre
Nachweis der traditionel-len
Verwendung > 30 Jahre,
davon > 15 Jahre in der EU
Wirksamkeit muss durch
präklinische und klinische
Daten nachgewiesen werden
Wirksamkeit: detaillierte
Verweise auf die
veröffentlichte Literatur
Kein Nachweis der
Wirksamkeit nötig, sie muss
lediglich plausibel sein
Unbedenklichkeit muss durch
präklinische und klinische
Daten nachgewiesen werden
Unbedenklichkeit: detaillierte
Verweise auf die
veröffentlichte Literatur
Unbedenklichkeit:
bibliographischer Überblick
-
-
„Traditionell angewendet
als/zur …“
-
-
Definierte Dosisstärken und
Anwendungsarten, bei
geringfügigeren
Gesundheitsstörungen
Zulassung von Phytotherapie:
Der Vollantrag
Zulassung basiert auf vollständige präklinische und
klinische Berichte zu präparatespezifisch durchgeführten
Untersuchungen zum Beleg der Wirksamkeit und
Unbedenklichkeit im beantragten Anwendungsgebiet.
Dieses Verfahren hat wegen seiner hohen Anforderung
kaum Relevanz für die Marktzulassung der ober
genannten Arzneimittel.
Zulassung
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Zulassung von Phytotherapie:
„well established use“
Der Antragsteller ist nicht verpflichtet, die Ergebnisse
eigener präklinischer oder klinischer Versuche
vorzulegen, wenn die Wirkstoffe des Arzneimittels für
mindestens zehn Jahre allgemein medizinisch verwendet
wurden und eine anerkannte Wirksamkeit sowie einen
annehmbaren Grad an Sicherheit aufweisen.
In diesem Fall werden die Ergebnisse dieser Versuche
durch eine einschlägige wissenschaftliche
Dokumentation ersetzt.
Zulassung
Zulassung von Phytotherapie:
Registrierung „traditional use“
Für traditionelle pflanzliche Arzneimittel, für die der
Wirksamkeitsbeleg nicht ausreichend erbracht werden
kann, ist ein vereinfachtes Registrierungsverfahren
etabliert.
Hier treten bibliographische Angaben über eine 30jährige medizinische Verwendung („traditional use“) an
die Stelle des Wirksamkeitsbeleges.
Registrierung
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Take home message 3
Traditionell angewandte Arzneimittel sind nur mit
Einschränkungen therapeutisch ernst zunehmenden
Phytopharmaka
Nach wie vor herrscht Intransparenz
Der Zulassungs-/Registrierungsstatus lässt nicht
erkennen. ob extraktspezifische klinische
Untersuchungen vorliegen.
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Das Vorliegen extraktspezifischer klinischer
Studien lässt mehrere Schlüsse zu
Wahrscheinlich basiert die Herstellung des Extrakt auf
einem eng spezifizierten Herstellungsprozess.
The product is the process
Das Vorliegen extraktspezifischer klinischer
Studien lässt mehrere Schlüsse zu
Diese Wahrscheinlichkeit erhöht sich, wenn die Extrakte
als Spezialextrakte durch einen Produktcode eindeutig
identifizierbar sind (z.B. EGb761, STW 3-VI, BNO 1055).
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Das Vorliegen extraktspezifischer klinischer
Studien lässt mehrere Schlüsse zu
Ein eng spezifizierter Herstellungsprozess ist die
Voraussetzung für die Durchführung sinnvoller klinischer
Studien, um von der Test-Charge auf künftige Chargen
extrapolieren zu können.
Arzneipflanzen als „Alleskönner“?
Grundsätzlich besteht durchaus Bedarf für
unterschiedlich getestete Arzneimittel, denn der Einsatz
eines Arzneimittels sollte vom konkreten
Behandlungsanlass geleitet werden.
Nicht selten verlangt dieser Behandlungsanlass aber
eine zuverlässige und nicht etwa eine zufällige
Wirksamkeit.
Die ist dann am ehesten gewährleistet, wenn die
Präparate mit eigenen klinischen Daten aufwarten
können. Dieses Kriterium lässt sich jedoch aus dem
Zulassungs- oder Registrierungsstatus kaum ableiten.
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Sind Klassenunterschiede ein Problem?
Bundesliga
Regionalliga West
ATUS Pörtschach
2. Klasse C
Take home message 4
Jede Apotheke braucht eine Arzneimittelkommission.
Diese erarbeitet Beratungs- und
Empfehlungsstrategien unter genauer Kenntnis der
einzelnen Fertigarzneimittel.
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Take home message 4
Phytopharmaka repräsentieren eine extrem
heterogene Arzneimittelgruppe.
Take home message 4
Daher müssen Phytopharmaka bewusst
wahrgenommen werden.
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Take home message 4
Wählen Sie Phytopharmaka mit Ihrer Kompetenz als
Arzneimittelfachleute (evtl. zusammen mit dem Arzt)
bewusst aus!
Take home message 4
Dann tragen Sie dazu bei, Phytopharmaka einen
angemessenen Stellenwert in der Therapie zu
verschaffen
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ZUVERLÄSSIG ODER ZUFÄLLIG
WIRKUNG UND WIRKSAMKEIT VON
PHYTOPHARMAKA
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
Prof. Dr. Theodor Dingermann
Institut für Pharmazeutische Biologie
[email protected]
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