Bilder voller Mond - galerie | DIE GALERIE

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KULTUR
,,Moon River" (1997, Öl auf Leinwand, l2O x 15O Zentimeter).
FRE|TAG,22. MAt 2015
Repro:
LVZ Walter
Eisler: ,,König der Fische"
I
(2OO7).
Bilder voller Mond
Der Maler Walter Eisler ist gestorben
- Ab heute erinnert eine Ausstellung
UR. ttZ
an seine Kunst
Repro: LVZ
VON MEINHARD MICHAEL
anderer,
h
dieser Hinsicht ein gebrann-
tes Kind.
Der 1954 geborene Maler Wa1ter Eisler,
der nach 12 Jahren in Ber1in und Hamburg erst vor kurzem wieder in seine Geburtstadt zog, gehört zum innersten Bestand der Leipziger Schule, gewisserrnaßen von Geburt an. AIs Sohn des Malers
Bernhard Heisig (1925-20LI) und der
Keramikerin Brunhild Eisler ( 1 930 -2007)
wuchs er nach deren Scheidung bei der
Mutter auf, doch die gefürchtete Strenge
des Vaters erreichte ihn. Walter Eisler
witl dann nicht Künstler werden,
doch
ein technisches Studium beendet er kurz
nach Beginn. AIso doch Maler: im AteIier des Vaters beschäftigt, bereitet er
sich auf das Kunststudium vor, das er
1978-1982 in Leipzig absolviert. Danach
arbeitet er zwei Jahre in der Gruppe, die
mit Werner Tübke das große Bild in Bad
Frankenhausen malt. Seit 1984 waren
Bilder Walter Eislers in Ausstellungen zu
bemerken. Das Gefühl der Bestätigmg,
endlich zu wissen, was er wollte, hatte er
um 1993-1995. Eine erste längere Reise
mit dem Freund und Fotografen Martin
Jehnichen im auch gemalten ,,blue bus"
durch die USA war wichtig dafür: die
Landschaften Edward Hoppers, die verlassenen Industrien, die selbstverständliche realistische Malerei. Er wo1lte das
Gesehene leicht verändert als magisch
erlebbar machen, auch das Wahnhafte
faszinierte ihn, Zauberer und Spieler aIler Art.
Die Bnider, die Maler Walter und Johannes Heisig mussten ihren Platz im
Schatten dieses Vaters erkämpfen, der
bekanntlich als Rektor der Kunsthochschule, als Maler und mit.rigorosem Gemüt für viele andere ein ,Ubervater' dar=
stelIte. Der etwas äItere Johannes entschloss sich für den Angriff mit den Mitteln des Vaters, stilistisch expressiv und
mit gesellschaftlichem Engagement und
hatte schnell Erfo1g. Der ruhigere Walter
Er hat auch angegriffen, auf seine Art,
und den Vater in einer langjährigen Serie wleder und wieder als steife Königsfigur auf dem Schachbrett gemalt: stolze, harte, aber auch verzweifelte, hilfsbedüftige Könige. Mit ironischer Geste
erhöht er ihn zum König, um ihm Gefüh-
le einzuschreiben, und Niederlagen, um
selbst zu handehr. Selbstverständlich
wies Walter Eisler darauf hin, dass diese
Bilder ebenso allgemein Herrschaft und
Isolation, Macht und Zwang allegorisiefen. Doch etliche von ihnen sind gemalte ,Briefe an den Vater'.
Er wusste um seinen Bekanntheitsbonus, er hat ihn genutzt, der Vater hat ihn
lange unterstützt. Walter Eisler wird sogar als charmanter Verkäufer seiner eigenen Bilder beschrieben, und dass er
dabei hartnäckig gewesen sei. Vor zwölf
Jahren war er zugunsten der Universitätskarriere seiner zweiten Frau nach
Berlin gezogen, wo die jüngste Tochter
geboren wurde, dann
mit gleichem
Grund nach Hamburg. Vor vier Jahren
ging das Paar auseinander. Anfang 2014
wurde Walter Eisler bestätigt, dass er
sich auf fortschreitende Alzheimer-De-
menz einzustellen habe. Kurz darauf erfolgte die Diagnose einer Itebserkrankung, die sich später als aggressiv erwies. Seine erste Frau, die Leipziger Fo-
entwurf. Er brauchte Zeit und Raum für
gemeinsamen Töchter regten den Umzug nach Leipzig an, um ihm ein stabiles
Umfeld zu gewährleisten. Die strapaziösen medizinischen Verfahren verzögerten den Wechsel. Erst vor vier Monaten
bezog er ein kleines Atelier in der
Marschnerstraße, unweit der Orte der
Kindheit und Jugend. Vor wenigen Wochen erzählte er einem Freund, dass der
sich. Er hatte eine Kammer, sagen nahe
Freunde und Gefährtinnenr in die niemand blicken konnte. Er war kein aktiver Freund, €r hatte mit sich zrt tun.
Doch wenn die Töchter ihn brauchten,
heißt es, wäre er gekommen.
Die Bilder flogen ihm nicht ztr, Die
eingangs erwähnte Zeichnung ist ganz
fremd in seinem Werk. Sein Realismus
schwingt sowohl impressiv in lustvoller
Farbigkeit als auch zur expressiven DelIung und surrealen Steigerung aus. Sein
Konzept hieß erlebte Anschaulichkeit.
Krebs zuerst den Knochen der Wange
Willkommen war, wenn sie Geschichte
zerstört habe, auf die,dsi Vater vor allem
schlug. Man scheut sich, den Skandal zu
hören, um den es hier jedoch ebenso we-
einschloss, Magie sowies o. Zur wichtigsten Motivgruppe wuchsen über zweieinhalb Jahrzehnte Stadtbilder an. Mit Vorliebe malte Walter Eisler lagernde Industriegebäude, oft unter dunkle Himmel
und im nächtlichen Licht. Seine Bilder
sind nicht schwermütig, sie sind voller
tografin Christiane Eisler, und
die
nig geht wie um die kaum zu prufende
Kausalität, sondern die so tragische'wie
magische Klammer, die dieser nun
60-jährige Sohn empfand. Am 10. Mai
ist Walter Eisler gestorben.
-Er war ein lebensfroher Mensch, der
genießen und bewundern konnte. Man
wird sich an ihn a1s liebenswürdig und
warmherzig erinnern, schlagfertig und
voller Humor, seine Ironie blieb freundlich. Manchen galt er als scheu, er stritt
mit ntidmicht, ör ,ersuchte den Gegen-
Mond. Er arbeitete die Volumen oder
Graphen zu vielgliedrigen Plastiken aus.
Er konnte staunen über solche Bauten,
er erlebte ihre unsichtbaren Regungen
und verschob ihre Maße. Daneben porträtierte er gern ältere Häuser, Villen, in
die Jahre gekommene Diven im herbstli-
chen Glanz. Es gibt vehemente Heisigsch-expressive Bilder von Walter Eisfest verankert, dynamisiert von einem HaIt aus - und dann ließ er die ex-
Iel
pressiven Schlenker wieder
sein,
zugunsten festerer Umrisse.
In den letzten Jahren nahmen die magisch-surrealen Momente und sogar na-
iv-summarische Poesie ztJ, Der Aus-
gleich mit dem Vater war längst ge-
schafft, nun zog Walter Eisler sich selbst
das Königsgewand über. In einem Bild
steht der König auf einer MoIe mit
Schachbrettmuster.
Nur die
Sterne
leuchten. Er blickt auf Meer und Himmel und wünscht, ein Fisch käme vorbei
und böte ihm die Erfüllung eines Wunsches an.
versuchte 'sich durch mentale und for-
male Unterscheidung zu behaupten. Er
@ eine Ausstellung mit Malerei von Walter Eisler
hat oft gesagt, dass er eher der Sohn der
Mutter sei und nahm als Künstler ihren
Namen an. Er sagte es wie ein schützendes Wort. Er war sehr selbstkritisch,
gleichsam ein Schutz gegen die Kritik
wird heute, 19 Uhr, in der Leipziger Galerie
Koenitz (Dittrichring 16) eröffnet. Die 20
Werke umfassende Schau mit Arbeiten aus
den letzten 30 Jahren ist bis 27. Juni zu
sehen; geöffnet Mo-Fr, 10-18, Sa 10-16 Uhr
Walter Eisler auf einem Foto vom vergangenen Jahr.
Foto: Christiane EislerÄransit