Merkblatt - Grad der Behinderung (GdB) Ein Grad der Behinderung ab GdB 50 (= Schwerbehinderung) wirkt sich im Rentenrecht auf den Beginn und auf die Höhe der Altersrente aus. Die Erhöhung (nach Stellen eines Erhöhungsantrages) eines GdB während der Laufzeit einer Erwerbsminderungsrente die auf Zeit gezahlt wird, weist sozusagen die Verschlimmerung der Funktionseinschränkungen nach. Dadurch wird die Chance auf Weiterzahlung der Erwerbsminderungsrente über den Wegfallzeitpunkt hinaus gesteigert. Der Grad der Behinderung, der bei den Versorgungsämtern (Amt für Familie usw.) festgestellt wird, ist eine Größe ohne Maßeinheit. Es heißt also „GdB = 40“, nicht „GdB = 40%“. Die Berufsgenossenschaften stellen einen Grad der Erwerbsminderung (GdE) fest, dieser hat die Maßeinheit „%“. Die Antragsformulare auf „Ausstellung eines Behindertengrades“ bekommt man auf dem Rathaus (formlos schriftlich anfordern oder telefonisch, oder direkt dort ausfüllen) oder auch bei der zuständigen Behörde, Landratsamt-Versorgungsamt, Amt für Familie und Versorgung .... Wichtig in Verfahren bei denen ein GdB festgestellt werden soll, ist das man selbst, aber auch der behandelnde Arzt weiß worum es geht. Dem Antragsteller macht die Krankheit Xxxz zu schaffen, also wird die Krankheit Xxxz im Antrag angegeben und der Arzt schreibt ein bestätigendes Attest. Das wäre dann von Anfang an falsch gelaufen. Das jeweilige Versorgungsamt ist nun gezwungen irgendetwas daraus zu machen und das geht oft daneben und man kann noch nicht einmal einen direkten Vorwurf machen. In derartigen Verfahren geht es nur zweitrangig um die Krankheiten, es geht in erster Linie um die Auswirkungen der Krankheiten auf das tägliche Leben, um die „Teilhabe“ also um das Einbezogensein am täglichen Leben. Ist die Teilhabe beeinträchtigt, gibt es einen Behindertengrad. Z.B. durch einen gut eingestellten Bluthochdruck ist die Teilhabe fast nicht beeinträchtig. Praktisch jede Krankheit wird von unterschiedlichen Betroffenen auch unterschiedlich erlebt und daraus ergeben sich unterschiedliche Auswirkungen auf die Teilhabe. Die Krankheiten, möglichst mit ICD-10-Klassifizierung, sollen benannt werden. Aber ganz wichtig, die Auswirkungen der Krankheiten müssen beschrieben werden. Der Arzt soll also für diesen Zweck (und z.B. auch wenn es um einen Erwerbsminderungsrentenantrag geht) ein Attest ausstellen in dem die Funktionseinschränkungen beschrieben sind. Hierfür gibt es verschiedene Hilfsmittel, bei orthopädischen Beschwerden gibt es z.B. die Neutral-0-Methode und die entsprechenden Messblätter dazu, die man dann beim Versorgungsamt abgeben kann. Wenn eine andauernde Schmerzsituation vorliegt, gibt es z.B. den „Deutschen Schmerzfragebogen“. Man kann praktisch für jede Krankheit einen Weg finden auf dem die Auswirkungen der Krankheit beschrieben werden. Man kann die Auswirkungen der Krankheiten auf sein eigenes Leben auch selbst beschreiben und dieses Zusatzblatt zusammen mit dem Formularantrag abgeben. Ggf. kann der Antragsteller ein ärztliches Attest auch durch eigene Angaben in einem extra Beiblatt ergänzen. Das ist fast immer sinnvoll. Der behandelnde Arzt weiß nur in den wenigsten Fällen wie sich die Funktionseinschränkungen, die er in seinem Attest beschrieben hat im Alltag tatsächlich auswirken. Wenn der Arzt kein derartiges Attest ausstellen möchte, weil die jeweilige Behörde „normalerweise“ von selbst nachfragt, dann kann man anbieten, das Attest aus der eigenen Tasche zu bezahlen, das sind meist 30,-- bis 60,-- €uro. Will der Arzt das dann immer noch nicht, sollten Sie wohl oder übel alles allein machen, die Funktionseinschränkungen und die Auswirkungen auf das Alltagsleben beschreiben und bei der Behörde abgeben. Merkblatt - Grad der Behinderung (GdB), Seite 1 von 3 Die Behörden fragen nicht „normalerweise“ bei den Ärzten an, sie fragen manchmal an und das eher selten. Die vielen Fälle, bei denen nicht angefragt wird bekommen die Ärzte nicht mit. Wenn Sie selbst etwas schreiben, schreiben Sie nicht gar zu viel. Es soll treffend beschrieben sein, so ausführlich wie nötig. Aber nicht so ausführlich wie möglich. Die Behörde muss erkennen können, was genau Sie durch die Erkrankung / den Unfall nicht mehr, nur verlangsamt oder nur noch in schlechter Qualität ausüben können. Es geht darum eine Quantität darzustellen (wie lange kann irgendetwas noch getan werden) und eine Qualität (vor der Erkrankung konnte ich mich ohne Pause problemlos 4 Stunden am Stück konzentrieren ohne Fehler zu machen, jetzt treten die ersten Fehler schon nach 20 Minuten auf). Sie sollen auch Einschränkungen angeben, an die Sie sich gewöhnt haben und diese als Einschränkungen darstellen. Vergleichsmaßstab ist eine gesunde Person und nicht Ihre persönliche Gewöhnung. Beschreiben kann man z.B.: • Hobbies, die man hatte und seit wann man sie nicht mehr ausüben konnten und warum. • Tätigkeiten in Wohnung, Haus, Hof, Garten die man vorher üblicherweise getan hat und seit wann nicht mehr oder nur noch eingeschränkt (bzw. nur noch an wenigen Tagen im Monat) erledigen kann und warum es nicht mehr geht. • Freunde / Familienbesuche bzw. gemeinsame Unternehmungen, die man früher hatte und was jetzt nicht mehr geht oder nur noch eingeschränkt und warum. Aufführen kann man auch Reisen mit der Familie, die seit xx Jahren nicht mehr durchgeführt werden konnten aus gesundheitlichen Gründen. Wird wegen der Krankheit Hilfe im Haushalt benötigt ? Wenn Sie noch arbeiten, welche Tätigkeiten gehen auf der Arbeit nicht mehr, Arbeitszeit verkürzt, Arbeitsplatz besonders angepasst ... ? Generell ist es ungenügend, wenn geschrieben wird, dass man Dieses oder Jenes nicht mehr ausübt. Ein Gesunder übt auch Dieses oder jenes, was er vor Jahren gemacht hatte oft nicht mehr aus. Aber das war dessen freie Entscheidung. Es muss beschrieben werden, wegen welcher Einschränkungen genau Dieses oder Jenes nicht mehr ausgeübt werden kann. Auch die pauschale Angabe „kann ich aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr“ ist eigentlich ungenügend (allerhöchstens besser als Nichts). Es soll beschrieben werden weshalb genau. Es müssen konkret die Einschränkung benannt werden die aus der jeweiligen Krankheit resultieren. Wenn Sie z.B. nicht mehr auf Leitern steigen können, dann schreiben Sie z.B. anstelle „Erkrankung des Gleichgewichtsorgans“ besser „Schwindelanfälle ohne Vorwarnung. Die Schwindelanfälle treten etwa 2 mal am Tag auf und halten dann jeweils für 10 Minuten an. Es ist ein Drehschwindel und wenn ich mich nicht augenblicklich hinsetzen kann wird mir übel bis hin zum Erbrechen. Deshalb habe ich auch immer Angst, dass mir schwindelig wird und vermeide Situationen die mich und Andere in Gefahr bringen können.“ Man soll so genau wie möglich beschreiben. „Ich habe Schwindelanfälle“ reicht nicht, das soll ergänzt werden, Z.B. „Ich habe etwa 8 mal pro Woche Schwindelanfälle, die jeweils etwa 10 Minuten anhalten. Die Schwindelanfälle kommen immer überraschend, es ist ein drehender Schwindel und ich muss mich sofort hinsetzen. Der Schwindel ist etwa 3 mal in der Woche so stark, dass ich mich übergeben muss.“ Oder, der Satz: „Habe allerdings insgesamt 20 kg zugenommen“ könnte eine höhere Aussagekraft haben, wenn er wie folgt umformuliert werden würde: „Habe seit etwa 2 Jahren insgesamt 20 Kg zugenommen wegen der Medikamente und wiege jetzt 90 Kg (160 cm groß). Dadurch haben sich die Knie- und Hüftprobleme verstärkt.“ Damit wird klar gestellt, dass die Gewichtszunahme vom Zeitraum her gesehen (Geschwindigkeit der Zunahme) weniger „bedrohlich“ ist, als vom Gewicht an sich her gesehen (90 Kg bei 160 cm). Bei Merkblatt - Grad der Behinderung (GdB), Seite 2 von 3 160 cm wäre eine Gewichtszunahme von 50 auf 70 Kg darüber hinaus anders einzuschätzen als eine Gewichtszunahme von 70 auf 90 Kg. Wenn Sie derartig gut verwendbare Angaben bei der Behörde abgeben, fördern Sie damit die Motivation des Sachbearbeiters auch einfach einmal bei Ihnen anzurufen um noch eine Teilfrage abzuklären. Sie können dieses Telefonat auch selbst anregen. „Falls ich etwas vergessen habe anzugeben, können Sie gern bei mir anrufen: 07000-999 999. Dankeschön.“ Haben Sie das Verfahren wegen Ausstellung oder Erhöhung eines GdB auf die oben beschriebene Art und Weise eingeleitet und funktioniert die Behörde dann doch nicht, haben Sie durch diese optimale Vorbereitung dann gute Chancen beim Sozialgericht, wenn die tatsächlichen Einschränkungen dies zulassen. Ob die Entscheidung der Behörde rechtens sein kann oder nicht, können Sie anhand der Versorgungsmedizin-Verordnung überprüfen, die Sie vom Gesundheitsministerium zugesandt bekommen können. Allerdings ist diese Verordnung nicht ganz leicht zu lesen und es wäre dann besser, wenn ein Fachmann eingeschaltet wird der dann für Sie ein eventuelles Widerspruchsverfahren führt und auch vorab die Chanceneinschätzung vornimmt. Man kann bei einem Antrag auf Ausstellung eines Behindertengrades den ganz normalen Behördengang gehen, wie er im „Merkblatt - Rentenantragsverfahren“ (zu finden auf der Webseite www.rentenburo.de) beschrieben ist. Das Merkblatt gilt sinngemäß. Manchmal, besonders bei Erkrankungen, die von den Behörden sozusagen als „Nichtkrankheiten“ eingeschätzt werden, oder auch bei Krankheiten, die falsch eingeschätzt werden, z.B. Krankheiten, die als psychogene Erkrankungen angesehen werden (mit weitaus niedrigeren Auswirkungsgrenzen), die tatsächlich aber somatische Erkrankungen sind, reagieren Behörden „unwillig“ oder auch unsachgemäß, trotzdem alle notwendigen Angaben vorgelegt wurden. Dann ist es oft in der ersten Stufe hilfreich, wenn man freundlich aber bestimmt darauf aufmerksam macht, das von Seiten des Antragstellers die Mitwirkungspflicht erfüllt wurde und das nun nachfolgend auch die Amtsaufklärungspflicht sachgerecht erfüllt werden möge. Reicht das nicht aus, kann man einmal mit dem Sachbearbeiter telefonieren und von ihm die Telefonnummer und den Namen seines Vorgesetzten abfragen. Will er die Angaben nicht herausgeben, kann man erwähnen, das in diesem Falle eine schriftliche Beschwerde erfolgt, die dann beim Leiter der jeweiligen Behörde abgegeben werden wird. Man kann sich auch gleich beim Sozialministerium oder der jeweiligen Aufsichtsbehörde beschweren, aber es ist besser immer Schritt für Schritt vorzugehen, weil man nicht weiß was noch kommt. Ergibt sich später wieder ein Beschwerdegrund und hat man sich schon beim Sozialministerium beschwert, kann es sein, das man als Querulant eingestuft wird und dann geht jede Beschwerde ins Leere. Unbedingt sollte ein Beschwerde, egal ob mündlich oder schriftlich, sachlich formuliert sein und auf dem Boden einiger Sachkenntnis (man muss nicht den jeden Kniff kennen) geschehen. Eine Beschwerde nach dem Motto „Viel Meinung, wenig Ahnung“ hat niemals Erfolg. Das heißt in vielen Fällen, das man zuerst eine Variante der Beschwerde schreibt in der man seinem berechtigten Ärger freien Lauf lässt. Danach „schläft man eine Nacht darüber“. Dann formuliert man um und verwendet nur die Sachinformationen der ersten Variante. Zum Schluss wird die erste Variante sorgfältig vernichtet. Vergessen soll man nicht, das zuallererst alle sozusagen „friedlichen Varianten“ der Verfahrensführung ausgeschöpft werden sollen, bevor man sich z.B. beschwert. Wir halten das im Rentenbüro genauso und haben gute Erfahrungen damit gemacht. Verantwortlich für den Inhalt: © Tibor Jockusch, Rentenberater seit 1987, Rechtsberatung im Sozialrecht Austr. 12, D-73230 Kirchheim, Tel.:07021-71795, Fax: 07021-71263 e-mail: [email protected] // Webseite: www.rentenburo.de Merkblatt - Grad der Behinderung (GdB), Seite 3 von 3
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