1 „Beschlüsse rechtssicher fassen“ Seminar am 19.09.2015 Deutscher Harmonika Verband, Landesverband Baden-Württemberg e.V. / Bundesakademie für musikalische Jugendbildung in Trossingen Dr. Flügler & Partner Rechtsanwälte | Rechtsanwalt Alexander Otterbach Günterstalstraße 72 | 79100 Freiburg www.fluegler.com 2 I. Grundsätze der Beschlussfassung II. Einberufung der Versammlung III. Beschlussfassung in der Versammlung IV. Fehlerhafte Versammlungsbeschlüsse 3 I. Grundsätze der Beschlussfassung Beschlussfassung ist kein Vertragsschluss oder ein sonstiges Rechtsgeschäft der Mitglieder untereinander sondern ein Akt der körperschaftlichen Willensbildung durch Mehrheitsentscheid. Wahrnehmung des satzungsmäßigen Rechts eines jeden mitbestimmenden Mitglieds auf Mitgestaltung der Vereinsangelegenheiten. 4 1. Beschlüsse im Vorstand … Maßgebliche Vorschrift für den Vorstand ist § 28 BGB: „Bei einem Vorstand, der aus mehreren Personen besteht, erfolgt die Beschlussfassung nach den für die Beschlüsse der Mitglieder des Vereins geltenden Vorschriften der §§ 32 und 34.“ 5 … und in der Mitgliederversammlung Maßgebliche Vorschrift für die MV ist § 32 Abs. 1 BGB: „Die Angelegenheiten des Vereins werden durch Beschlussfassung in einer Versammlung der Mitglieder geordnet.“ 6 2. Gesetzliche und satzungsmäßige Vorgaben Exkurs: § 40 BGB „Nachgiebige Vorschriften“ „Die Vorschriften der §§ 28 und 32 finden insoweit keine Anwendung als die Satzung ein anderes bestimmt.“ 7 II. Einberufung der Versammlung Die Versammlung ist von dem Vereinsorgan und in der Weise einzuberufen, wie dies die Satzung bestimmt. Einberufung durch unzuständige Personen oder unter Verstoß gegen die vorgeschriebene Art und Weise führt i. d. R. zur Nichtigkeit gefasster Beschlüsse. 8 1. Form … Die Form der Einberufung der Mitgliederversammlung soll in der Satzung festgelegt werden (§ 58 Nr. 4 BGB). Die Einladungsform muss jedenfalls so gewählt werden, dass jedes Mitglied Kenntnis von der Anberaumung einer Mitgliederversammlung erlangt oder zumindest ohne wesentliche Erschwernisse erlangen kann. 9 Mögliche Einberufungsformen (bei eindeutigen und genauen Satzungsregelungen): Schriftform ./. Textform Aushang Vereinszeitschrift Tageszeitung 10 Für die Form der Einberufung von Vorstandssitzungen existieren keine gesetzlichen Vorschriften. Freie Wahl der Einberufungsform sofern keine Regelungen in Satzung oder Geschäftsordnung. Vorteil: Effektive Geschäftsführung durch den Vorstand. 11 … und Frist Keine gesetzliche Einberufungsfrist (sowohl für Mitgliederversammlung als auch Vorstandssitzungen). Versammlung muss so rechtzeitig einberufen werden, dass sich die Mitglieder darauf vorbereiten können. Zu kurz bemessene Einberufungsfrist stellt einen Einberufungsmangel dar. 12 2. Ort und Zeit Einberufungsorgan ist – vorbehaltlich besonderer Satzungsbestimmungen - grundsätzlich frei in der Wahl von Ort und Zeit der Versammlung. Den Mitgliedern muss die Teilnahme an der Versammlung ermöglicht werden. Die Eigenart des Vereins ist zu berücksichtigen. 13 3. Mitteilung der Tagesordnung Maßgebliche Vorschrift ist § 32 Abs. 1 Satz 2 BGB: „Zur Gültigkeit des Beschlusses ist erforderlich, dass der Gegenstand bei der Berufung bezeichnet wird.“ 14 Anforderungen an die Tagesordnung: Die Beschlussgegenstände müssen so bestimmt benannt werden, dass die Mitglieder über die Notwendigkeit ihrer Teilnahme entscheiden und sich sachgerecht vorbereiten können sowie vor Überraschungen geschützt sind. Mitteilung der Tagesordnung ist entbehrlich, wenn in der Satzung hierauf verzichtet wird (str. bei Mitgliederversammlung). 15 Unzulässige/Unbestimmte Tagesordnungspunkte: „Satzungsänderungen“ „Neufassung der Satzung“ „Anträge“ „Verschiedenes“ 16 4. Praxistipp: Beschlussvorlage … am Beispiel einer Satzungsänderung Grundsatz: Die zur Abstimmung gestellten neuen Satzungsteile müssen in der Tagesordnung nicht mitgeteilt werden. Jedoch ist es erforderlich, die zu ändernden Satzungsbestimmungen zumindest zu bezeichnen. Gegenstand der Beschlussfassung sollte immer der genaue (neue) Wortlaut der geänderten Satzungsbestimmung sein. 17 Beschlussvorlage zur Satzungsänderung Die Mitgliederversammlung des Vereins [Name] e.V. möge beschließen: Die Satzung vom [Datum] wird wie folgt geändert: § 2 der Satzung wird aufgehoben und wie folgt neu gefasst: … Nach § 10 der Satzung wird ein neuer § 11 mit folgendem Wortlaut angefügt: … 18 III. Beschlussfassung in der Versammlung 1. Beschlussfähigkeit der Mitgliederversammlung Ordnungsmäßigkeit der Einberufung ./. Beschlussfähigkeit. Keine gesetzlich bestimmte Mindestanzahl von anwesenden Mitgliedern erforderlich. Bestimmung eines Quorums durch die Satzung. 19 …und Beschlussfähigkeit des Vorstands: Problem: Nicht vollständig besetzter Vorstand. Satzungsbestimmung: Erscheinen einer Mindestzahl von Vorstandsmitgliedern oder Anwesenheit einer bestimmten Person. Keine Regelung: Erscheinen eines Vorstandsmitglieds ist ausreichend. 20 2. Praxistipp: Wiederholungsversammlung Absenkung der Anforderungen an die Beschlussfähigkeit in einer Wiederholungsversammlung durch die Satzung. Eventualeinberufung einer Wiederholungsversammlung im Anschluss an eine beschlussunfähige Mitglieder- versammlung. 21 3. Ausübung des Stimmrechts Freie und persönliche Ausübung des Stimmrechts. Übertragung des Stimmrechts und entsprechende Einschränkungen durch die Satzung. 22 4. Ausschluss vom Stimmrecht Maßgebliche Vorschrift ist § 34 BGB: „Ein Mitglied ist nicht stimmberechtigt, wenn die Beschlussfassung die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit ihm oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits zwischen ihm und dem Verein betrifft.“ 23 Gegenstand der Beschlussfassung muss eine Angelegenheit sein, bei der auf der einen Seite der Verein und auf der anderen Seite das Mitglied in seinem privaten Rechtsbereich beteiligt ist: bspw. Kündigung eines Mietvertrags, Abschluss eines Kaufvertrags, Mahnung, Fristsetzung, auch: Entlastung, Abberufung aus wichtigem Grund) Kein Stimmverbot bei Wahrnehmung mitgliedschaftlicher Interessen: Bestellung zum Organmitglied Widerruf der Vorstandsbestellung 24 5. Mehrheitsbegriff Grundsatz: Beschlussfassung gemäß § 32 Abs. 1 Satz 3 BGB „Mehrheit der abgegebenen Stimmen“ Abweichende Regelungen über die Beschlussfassung in der Satzung (vgl. §§ 40, 32 Abs. 1 BGB)? Satzungsverstöße führen i.d.R. zur Unwirksamkeit der Wahlen 25 Exkurs: § 32 Abs. 1 Satz 3 BGB Alte Regelung: „Mehrheit der erschienenen Mitglieder“. Neue Regelung: Mehrheit der abgegebenen Stimmen = einfache Stimmenmehrheit. Stimmenthaltungen und ungültige Stimmen sind nicht mitzuzählen. 26 Beispiele: 100 Mitglieder: 48 Stimmen für „Ja“, 47 Stimmen für „Nein“, fünf Enthaltungen -> Antrag ist angenommen • 100 Mitglieder: 40 Stimmen für A, 30 Stimmen für B, 25 Stimmen für C, fünf Enthaltungen -> Wahlwiederholung 27 Feststellung des Beschlussergebnisses: Feststellung des Beschlussergebnisses hat keine konstitutive Wirkung – Was die Mehrheit tatsächlich beschlossen hat, ist Beschlussinhalt. Satzung kann bestimmen, Beschlussergebnisses oder dass die die Feststellung des Protokollierung Wirksamkeitsvoraussetzungen der Beschlussfassung sind. 28 6. Arten der Abstimmung Sofern die Satzung Beschlussfassung keine bestimmte (Abstimmung) Form vorschreibt, für die ist die Mitgliederversammlung in der Wahl der Form frei. Bestimmen weder die Satzung noch die Mitgliederversammlung die Abstimmungsform, kann der Versammlungsleiter die Form der Beschlussfassung bestimmen. 29 Ausnahmen: Beschlussfassung auf schriftlichem Wege nur zulässig, wenn alle Mitglieder ihre Zustimmung zu dem Beschluss erklären (§ 32 Abs. 2 BGB). Ausnahmen durch die Satzung: Grundsätzliche oder beschränkte schriftliche Beschlussfassung Beschlussfassung durch moderne Kommunikationsmittel 30 Exkurs: Versammlungsleitung Die Versammlungsleitung obliegt der in der Satzung bestimmten Person. Keine Regelung: Beschluss der Mitgliederversammlung über die Person des Versammlungsleiters. 31 Aufgaben und Befugnisse des Versammlungsleiters: Verantwortlichkeit für den ordnungsgemäßen Verlauf der Versammlung und die sachgemäße Erledigung der Tagesordnungspunkte. Sitzungsleitung hat höchstpersönlich, unparteiisch, in eigener Verantwortung und nach pflichtgemäßem Ermessen zu erfolgen. 32 IV. Fehlerhafte Versammlungsbeschlüsse Keine gesetzliche Regelung für die Behandlung von Beschlüssen, die durch ihren Inhalt oder durch die Art und Weise ihres Zustandekommens gegen gesetzliche Vorschriften oder Satzungsbestimmungen verstoßen. 33 1. Nichtigkeit und Anfechtbarkeit (Analoge) Anwendbarkeit der §§ 241 ff. AktG? Grundsätzliche Nichtigkeit (h. M.): Verstöße gegen Gesetz oder Satzung führt zur Ungültigkeit des Beschlusses. Abmilderung dieser Konsequenzen durch die Rechtsprechung (Relevanztheorie). 34 Materielle und formelle Beschlussmängel Ein materieller Beschlussmangel liegt vor, wenn der Inhalt des Beschlusses fehlerhaft ist. Mängel bei Art und Weise des Zustandekommens eines Beschlusses begründen einen formellen Verstoß. 35 2. Behandlung fehlerhafter Beschlüsse Nichtige Beschlüsse erzeugen keine Rechtswirkung. Anfechtbare Beschlüsse müssen – innerhalb einer angemessenen Frist - gerügt werden. Unwirksamkeit eines Beschlusses kann durch Feststellungsklage gegen den Verein geltend gemacht werden (§ 256 ZPO). 36 „Beschlüsse rechtssicher fassen“ Seminar am 19.09.2015 Deutscher Harmonika Verband, Landesverband Baden-Württemberg e.V. / Bundesakademie für musikalische Jugendbildung in Trossingen Dr. Flügler & Partner Rechtsanwälte | Rechtsanwalt Alexander Otterbach Günterstalstraße 72 | 79100 Freiburg www.fluegler.com Sämtliche Inhalte unterliegen dem Urheberrecht. Vervielfältigung, Bearbeitung und jede Art der Verwertung bedürfen der schriftlichen Zustimmung der Kanzlei Dr. Flügler & Partner. 37
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