Folder Information über Rauchen bei MS - MS

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information über Rauchen
bei Multipler Sklerose
Viele PatientInnen fragen sich, ob ihr Lebensstil den Verlauf der Erkrankung beeinflussen kann
und treten mit diesem Anliegen an viele ExpertInnen heran. Auch in der Fachwelt wird angeregt
über den Einfluss des Tabakkonsums und dem Zusammenhang zur Erkrankung Multiple Sklerose
diskutiert. Daher wurde von MS-Service in diesem Informationsblatt das Wichtigste dazu, in aller
Kürze für Interessierte aus den medizinischen Fachgruppen, von Prof. Thomas Berger, leitender
Neurologe und Experte in der Behandlung von Multiple Sklerose an der Univ. Klinik Innsbruck
und Frau DDr.in Eleonore Bachinger, nationale Tabakexpertin und Gesundheitswissenschafterin,
zusammengefasst.
Dieses Informationsblatt als auch weitere Materialien können bei MS-Service, der Firma Novartis
Pharma GmbH, kostenfrei bestellt werden. MS Service ist ein persönliches, zuverlässiges und
kompetentes Programm für all jene, die in irgendeiner Form mit der Erkrankung Multiple Sklerose
in Kontakt kommen. Österreichweit ist es eine Initiative, die alle MS-PatientInnen – unabhängig von
deren Therapiekonzept oder Verlaufsform – einschließt. Es ist produktunabhängig, mit fachlichen
Informationen zu diversen Themen die gemeinsam mit einschlägigen Organisationen und ExpertInnen
erarbeitet werden.
Weitere Infos und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter
www.ms-service.at oder der kostenfreien
Infoline 0800/203909.
MS
MEIN WISSEN.
MEINE ZUKUNFT.
MEIN LEBEN.
Tabak und Multiple Sklerose
AutorInnen:
DDr.in PH Eleonore Bachinger, MSc
Promovierte Gesundheitswissenschaftlerin und nationale Expertin
für Tabakpolitik
Während das Rauchen als maßgeblicher Risikofaktor für
die Entstehung von Lungenkrebs, Gefäßverschlüssen,
Herz-Kreislauferkrankungen und viele andere Krankheiten
inzwischen mehrfach nachgewiesen und auch in der Bevölkerung weithin bekannt ist, verlief die Diskussion über den
Zusammenhang zwischen Rauchen und Multipler Sklerose
(MS) eher am Rande der wissenschaftlichen Aufmerksamkeit.
Dennoch häuften sich in den letzten Jahren Studien, die sich
mit dem Einfluss des Rauchens auf das Risiko an MS zu
erkranken und den Krankheitsverlauf beschäftigten.
Zusammenhang zwischen Rauchen und MS-Erkrankung
Trotz manch widersprüchlicher Ergebnisse wurde in mehreren Studien nachgewiesen, dass RaucherInnen ein erhöhtes
Risiko aufweisen, an MS zu erkranken.[1,2] Die erhöhten
Raten rangieren dabei zwischen dem 1,3- bis 1,7-fachen
Erkrankungsrisiko für schwere LangzeitraucherInnen
im Vergleich zu Niemals-RaucherInnen.[3,4] Eine 2013
veröffentlichte schwedische Studie von Anna Hedström
und ihren KollegInnen vom Karolinska Institut in Stockholm
belegt, dass RaucherInnen insgesamt ein 1,5-fach höheres
MS-Risiko aufweisen als NichtraucherInnen. Das Risiko
für aktuelle RaucherInnen beträgt das 1,6-fache, für ExRaucherInnen das 1,4-fache.[5]
Rauchen beschleunigt MS Krankheitsverlauf und
erhöht Behinderungsgrad
Der Frage, welchen Einfluss das Rauchen im Detail auf
den Verlauf der Krankheit hat, widmete sich eine groß
angelegte britische Studie vom Queen’s Medical Centre
in Nottingham. Die 2013 publizierte Studie fand großen
Widerhall in der Presse und zeigt, dass die MS-Erkrankung
bei RaucherInnen einen schwereren Verlauf nimmt und
schneller voranschreitet als bei NichtraucherInnen.[6]
PatientInnen, die zum Zeitpunkt des Krankheitsbeginns
oder der Diagnose regelmäßig geraucht haben, weisen den
britischen Neurologen zufolge einen signifikant höheren
Krankheits-Schweregrad auf als PatientInnen, die nicht
oder nur gelegentlich geraucht haben. Die Messung
basiert auf dem „Multiple Sclerosis Severity Score“ (MSSS),
einem Instrument zur Feststellung des durchschnittlichen
Schweregrades der Erkrankung.
Ein erweitertes Instrument zur Feststellung des
Schweregrads der Behinderung bei MS-PatientInnen ist
Univ. Prof. Dr. Thomas Berger, MSc
Leiter der Arbeitsgruppe Neuro­
immunologie & Multiple Sklerose
Univ. Klinik für Neurologie an der
­Medizinischen Universität Innsbruck
die „Expanded Disability Status Scale“ (EDSS), die zur
Bewertung neurologischer Defizite bzw. zur Erfassung
des Schweregrads einer Behinderung (insbesondere
in Hinblick auf das Ausmaß der Einschränkung des
Gehvermögens) herangezogen wird. Das Risiko, die EDSSBehinderungsgrade 4 und 6 zu erreichen, war der britischen
Studie zufolge sowohl bei aktuellen als auch bei ehemaligen
RaucherInnen im Vergleich zu Niemals-RaucherInnen
signifikant höher. RaucherInnen wiesen im Gegensatz
zu Niemals-RaucherInnen ein 64 Prozent höheres Risiko
auf, den Schweregrad 4 auf der EDSS-Skala zu erreichen,
bei dem die Betroffenen nicht mehr voll gehfähig sind.
Das Risiko, den Schweregrad 6 zu erreichen, ab dem eine
Gehstrecke von 100 Metern nicht mehr ohne Unterstützung
zurückgelegt werden kann, war für RaucherInnen im
Vergleich zu Niemals-RaucherInnen um 49 Prozent erhöht.
Wenngleich Ex-RaucherInnen im Vergleich zu aktuellen
RaucherInnen ein deutlich niedrigeres Risiko aufweisen, die
Grade 4 und 6 zu erreichen, so ist doch für beide Gruppen
ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Rauchen und
erhöhtem Behinderungsgrad zu verzeichnen.
Auch eine 2008 veröffentlichte österreichische Studie von
der Medizinischen Universität Innsbruck konnte zeigen,
dass die Konversion von Erstschub einer MS zu einem
schubförmigen Verlauf bei RaucherInnen mit einem
nachweisbaren Risiko einhergeht (Risikoquotient für
RaucherInnen im Vergleich zu NichtraucherInnen 1,8).[7]
Rauchen beschleunigt den Wandel von einem schubförmig
wiederkehrenden zu einem progredienten MS Verlauf.
Bereits im Jahr 2005 berichtete eine Harvard Studie von einem erhöhten MS Erkrankungsrisiko von RaucherInnen und
vermutete, dass Rauchen auch einen Risikofaktor darstellte
für den Wandel eines schubförmigen Krankheitsverlaufs
zu einem sekundär progredienten Verlauf.[3]
Eine weitere Harvard Studie bestätigte 2009 die früheren
Ergebnisse bei einer Untersuchung von RaucherInnen,
Ex-RaucherInnen und Niemals-RaucherInnen. Die
Studie berichtet nicht nur von einem deutlich schlechteren
Krankheitsbild von RaucherInnen, sondern fand auch
heraus, dass aktive RaucherInnen im Vergleich zu NiemalsRaucherInnen eine höhere Wahrscheinlichkeit einer primär
progredienten MS aufweisen. In der Langzeitanalyse wech-
shutterstock/PeterPhoto123
selten RaucherInnen schneller als Niemals-RaucherInnen
von einer schubförmigen zur sekundär progredienten MS.[8]
Rauchen und Ausmaß von Gehirnverletzungen von
MS-PatientInnen
Die zitierte amerikanische Studie von Healy et al. fand
bei rauchenden MS-PatientInnen zudem eine schnellere
Zunahme krankhafter Veränderungen im Gehirn und eine
Verringerung des Gehirnvolumens.[8] Die ebenfalls im
Jahr 2009 publizierte US-amerikanische Studie der State
University of New York bestätigt die Ergebnisse der Harvard
KollegInnen.
Rauchen wäre assoziiert mit einer erhöhten Bluthirnschrankenstörung, einem höheren Ausmaß an krankhaften
Veränderungen des Gehirns sowie einer Zunahme der
Atrophie des Gehirns im Falle einer MS- Erkrankung.[9]
Wenngleich Assoziationen keine Kausalitäten und somit
konklusive Schlüsse schwierig sind, so die Innsbrucker
Studie, so wird in den genannten Studien doch das erhöhte
Risiko von rauchenden im Vergleich zu nichtrauchenden
MS-PatientInnen sichtbar.
Auswirkungen des Rauchens auf die MS-Erkrankung
Was ist es nun, was das Rauchen so schädlich macht für
die Entstehung und den Verlauf von MS? Nach Hedström
et al. ist es offenbar nicht das Nikotin, das das MS-Risiko
erhöht, sondern der Zigarettenrauch und (möglicherweise)
die darin enthaltenen Zyanide, die Nervenzellen schädigen.
[5] In ihrer weiteren, erst 2014 publizierten Studie gehen
Hedström und ihre MitautorInnen davon aus, dass die
Lungen, die durch den Tabakrauch gereizt werden, möglicherweise die Aktivität des Immunsystems beeinflussen
und damit die Antikörperbildung anregen könnten. Ein
nachweislicher Effekt des Rauchens besteht in der Bildung
von Antikörpern gegen Interferone, die die Wirksamkeit der
Therapie vermindern.[10,11] Ob das Rauchen auch andere
MS-Therapien beeinflusst, muss noch untersucht werden.
Professor Ralf Gold, Vorstandsmitglied der Deutschen
Gesellschaft für Neurologie (DGN) und Mitglied im Vorstand
des Ärztlichen Beirats der Deutschen Multiple Sklerose
Gesellschaft (DMSG), bemerkt ebenfalls, dass es vor allem
der heiße Rauch und die Teerstoffe sein dürften, die das
Immunsystem der Lunge anregen und auf diese Weise die
Autoimmunität der MS verstärken können.[12]
Rauchen scheint auf diese Art das Immunsystem zu
beeinflussen, wodurch die MS relevante Entzündung
provoziert oder zumindest aufrechterhalten wird – mit
der Konsequenz, dass sich weitere Krankheitsschübe
entwickeln können.
Diskutiert wurde auch die Frage, inwieweit das Alter des
Rauchbeginns, die Länge der Raucherkarriere sowie die
Menge der konsumierten Zigaretten einen Einflussfaktor bei
der MS-Erkrankung bilden. Hier kam man zu differenzierten
Ergebnissen. Rauchen erhöht das MS-Erkrankungsrisiko
unabhängig vom Alter des Rauchbeginns, so Hedström. Es
gibt jedoch eine klare Dosis-Wirkungsbeziehung zwischen
der Gesamtdosis des Rauchens und dem MS-Risiko.
Sowohl Dauer als auch Intensität des Rauchens scheinen
unabhängig voneinander zum erhöhten Erkrankungsrisiko
von MS beizutragen. Selbst das Rauchen von weniger als
5 Zigaretten pro Tag über viele Jahre hinweg impliziert ein
doppelt so hohes Risiko an MS zu erkranken.[5]
Risikofaktor Passivrauch
Doch nicht nur das eigene, aktive Rauchen steht in
Verbindung mit einer MS- Erkrankung. Wie bei den
meisten rauchassoziierten Erkrankungen ist auch bei
MS die Exposition von Passivrauch mit einem erhöhten
Erkrankungsrisiko verbunden. Eine 2011 publizierte Studie
von Hedström et al. berichtet von einem Risikoanstieg durch
Passivrauch von 30 Prozent.
Im Falle einer länger andauernden Exposition (mehr als
20 Jahre) ist sogar ein noch höheres Risiko von 80 Prozent
festzustellen.[13] Zu ähnlichen Ergebnissen kam auch eine
weitere, 2013 publizierte schwedische Studie von Jonatan
Salzer und KollegInnen von der Umeå Universität, die die
Cotininwerte in Blutproben untersuchte. Cotinin ist ein
Abbauprodukt von Nikotin und erlaubt Rückschlüsse auf
die Menge inhalierten Zigarettenrauchs – nicht nur bei
RaucherInnen, sondern auch bei PassivraucherInnen.
Die Studie ergab, dass Passivrauchen das Risiko einer
MS-Erkrankung bereits um 50 Prozent erhöhen kann, bei
jungen Menschen kann sich das Risiko sogar verdoppeln.
[14]
Rauchstopp
Die Analyse der zitierten Studien legt also nahe, dass
regelmäßiges Rauchen mit einem ungünstigeren MS Krank-
heitsverlauf assoziiert ist. Umgekehrt ist der Rauchstopp,
egal ob vor oder nach Einsetzen der Krankheit, verbunden
mit einem langsameren Fortschreiten der Behinderung.
Die wirkliche Bedeutung von Rauchen und MS liegt darin,
dass Rauchen einen externen (in diesem Fall: Lifestyle)
Risikofaktor darstellt, der zwar in absoluter Risikowahrscheinlichkeit einen geringen Risikofaktor darstellt, jedoch
als einziger postulierter Risikofaktor für MS beeinflussbar
und modifizierbar ist – nämlich von den PatientInnen. So
wiesen Di Pauli et al. bereits 2008 darauf hin, dass Rauchen
nicht nur mit einem erhöhten MS-Risiko verbunden ist,
sondern dass das Rauchen ein unabhängiger, jedoch veränderbarer Risikofaktor für den Krankheitsverlauf von MS
darstellt und deshalb in die Beratung von MS-PatientInnen
aufgenommen werden sollte.[7]
Die britische Studie von Ali Manouchehrinia et al. (2013)
fand erstmals Beweise für den möglichen Nutzen eines
Rauchstopps. Die Wissenschaftler untersuchten den
positiven Einfluss des Rauchverzichts auf das Fortschreiten
der Erkrankung. PatientInnen, die bereits vor Ausbruch der
MS mit dem Rauchen aufgehört hatten (auch wenn sie erst
kurze Zeit zuvor zu NichtraucherInnen wurden), profitierten
ganz deutlich von ihrem Rauchstopp. Ihr Krankheitsverlauf
entsprach dem von NichtraucherInnen. Doch selbst bei
PatientInnen, die erst nach Ausbruch ihrer Erkrankung mit
dem Rauchen aufgehört haben, reduzierte sich das Risiko,
einen EDSS-Wert von 4 oder 6 zu erreichen, um etwa ein
Drittel im Vergleich zu jenen, die weiterhin rauchten.[6]
Zu ähnlichen Ergebnissen kam auch die Studie von Anna
Hedström und KollegInnen (2013), die eine klare DosisWirkungsbeziehung zwischen Dauer und Intensität des
Rauchens einerseits und MS-Risiko anderseits feststellte.
Allerdings nimmt der schädliche Effekt des Rauchens
langsam nach dem Rauchstopp ab, und zwar unabhängig von
der Gesamtdosis des Zigarettenkonsums. Ein Jahrzehnt nach
dem erfolgten Rauchstopp klingt dieser Risikofaktor ab.[5]
Ein Rauchstopp zahlt sich also zu jedem Zeitpunkt aus. Der
Verzicht auf das Rauchen verlangsamt das Fortschreiten
der Erkrankung und reduziert den Schweregrad der
Behinderung.
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PMCID: PMC3692034.
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10 Hedström AK, Ryner M, Fink K, Fogdell-Hahn A, Alfredsson L, Olsson T, Hillert J. Smoking and risk of treatment-induced neutralizing
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11 Sena A, Bendtzen K, Cascais MJ, Pedrosa R, Ferret-Sena V, Campos E. Influence of apolipoprotein E plasma levels and tobacco smoking
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12 Der Standard, 15. Juli 2013.
13 Hedström AK, Bäärnhielm M, Olsson T, Alfredsson L. Exposure to
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sclerosis. Mult Scler. 2011 Jul; 17(7): 788–93.
14 Salzer J, Hallmans G, Nyström M, Stenlund H, Wadell G, Sundström P.
Smoking as a risk factor for multiple sclerosis. Multiple Sclerosis Journal.
2013, Vol.19(8), pp.1022-1027.
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