Nur ein bisschen weniger rauchen bringt nichts

Auflage: 290515
Gewicht: Hintergrundbericht/Reportage
30. April 2015
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BEILAGE "GUT FÜRS HERZ"; SEITE 30/31
Das Herz
Nur ein bisschen weniger rauchen bringt nichts
Ein Infarkt hat selten nur eine einzige Ursache. Weit häufiger ist er die Folge
einer Kombination von Faktoren. Der wichtigste ist das Rauchen.
Text: Susanne Loacker ; Illustrationen: Illumüller
Es ist gemein. Die drei Faktoren, die den grössten Einfluss auf unser Herzinfarktrisiko
haben, können wir nicht beeinflussen: unser Geschlecht, das Alter und die
Familiengeschichte. Unter den beeinflussbaren Risikofaktoren stehen Rauchen,
Bluthochdruck, Diabetes und schädliches Cholesterin (siehe Interview Seite 27) an der
Spitze. Diese Faktoren addieren sich aber nicht bloss, sie potenzieren sich. Sie liegen
50 bis 80 Prozent aller Herzinfarkte zugrunde. Den grössten Einfluss hat das Rauchen.
Rauchen und Bewegungsmangel
In der Schweiz rauchen jeder dritte Mann und jede vierte Frau. Die Faustregel lautet:
Die Jüngeren rauchen mehr, die Älteren weniger. Fast ein Drittel aller Raucher raucht
mehr als 20 Zigaretten pro Tag, bei den Frauen rauchen nur etwa zehn Prozent so viel.
Hingegen ist die Anzahl der Raucher in der Schweiz seit 1992 kontinuierlich
zurückgegangen, während diejenige der Raucherinnen etwa gleich geblieben ist.
Dass Rauchen ein massiver Risikofaktor ist, lässt sich überprüfen, indem man einen
Online-Rechner verwendet und diesen das persönliche Risiko mit oder ohne Zigaretten
kalkulieren lässt. Dabei darf man nie vergessen, dass die Zigaretten nicht das ganze
Risiko darstellen, sondern weitere Konsequenzen nach sich ziehen können: Raucher
neigen dazu, weniger körperlich aktiv zu sein. Dann kommen zum Risiko Rauchen
noch die Risiken Bewegungsarmut und Bluthochdruck hinzu.
Laut dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) ist Tabakkonsum weltweit die
Hauptursache für vermeidbare Todesfälle. Bleibt der Tabakkonsum auf dem heutigen
Niveau, wird er, so das BAG, bis zum Jahr 2020 weltweit jährlich für zehn Millionen
Tote verantwortlich sein. Auch in der Schweiz ist der Tabak der Hauptgrund für
vermeidbare Todesfälle: 14 von 100 Toten gehen auf sein Konto.
Nehmen wir als Rechenbeispiele eine 30-jährige Frau, die nicht raucht und die in der
Familie keine Fälle von Infarkten vor dem 60. Altersjahr hat, und einen 60-jährigen
Mann, der zwar ebenfalls nicht raucht, aber einen Onkel hat, der mit 64 einen Infarkt
erlitt. Gibt man die Daten der beiden bei sonst identischen Angaben etwa zu Blutdruck
und Cholesterin in den Online-Rechner der Swiss Atherosclerosis Association (AGLA)
ein, berechnet er für die Frau ein minimales Risiko, in den nächsten zehn Jahren einen
Infarkt zu erleiden. Der Mann aber hat ein immerhin siebenprozentiges Risiko.
Statistiken bilden nie den Einzelfall ab
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Statistiken bilden nie den Einzelfall ab
Wichtig bei allen Rechenspielen ist, dass man sich jederzeit darüber im Klaren ist,
dass ein statistisches Risiko für den einzelnen Menschen irrelevant ist: Man ist nicht zu
30 Prozent tot oder zu 70 lebendig. Ein Mensch, der ein ganzes Bündel an
Risikofaktoren mit sich herumschleppt, kann kerngesund 95 werden, während ein
Herzinfarkt auch einen gesunden 38-Jährigen erwischen kann.
Dennoch: Lassen wir die 30-Jährige und den 60-Jährigen aus obigem Beispiel zu
Rauchern werden: Das Risiko der Frau wächst von 0 auf 0,1 Prozent, während das des
Mannes von 7 auf 16 Prozent steigt. "Rauchen", erklärt Christophe Wyss, Facharzt für
interventionelle Kardiologie an der Zürcher Hirslanden-Klinik, "ist ein sogenanntes
On-off-Risiko: Ein bisschen weniger rauchen bringt nichts. Eigentlich muss man
einfach aufhören."
www.agla.ch ("AGLA-Risikorechner")
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Wann schadet Stress?
Das Wort "Stress" hat Hochkonjunktur: Job, Haushalt, Familie, die Kombination von zu
vielen Ansprüchen stresst. Doch nicht jeder, der eine Zeit lang viel um die Ohren hat,
ist gestresst. Ausserdem muss man zwischen Distress und Eustress unterscheiden:
Distress ist negativer Stress, der zum Beispiel durch längerfristige Überbelastung,
Krisensituationen oder soziale Probleme entsteht, während Eustress durch Aktivitäten
hervorgerufen wird, die zwar zeitraubend und unter Umständen auch mit einem
Termindruck verbunden sind, die man aber grundsätzlich gerne macht - etwa
Hochzeitsvorbereitungen.
Auch Leute, die gestresst wirken, können tatsächlich ganz zufrieden sein: Ein
Manager, der davon und dafür lebt, mit Vollgas zu arbeiten, und der den damit
verbundenen Erfolg geniesst, muss nicht unbedingt leiden.
Hingegen ist mittlerweile klar belegt, dass Menschen, die in ihrem Job unzufrieden
sind und die für schlechte Bezahlung zu viel leisten müssen, ein massiv höheres
Infarktrisiko haben als Menschen, die grundsätzlich gerne zur Arbeit gehen. Studien
gehen davon aus, dass jeder zehnte Arbeitnehmer deshalb ein doppelt so hohes
Infarktrisiko hat, weil er unter der Kombination aus hohem Leistungsdruck und tiefem
Lohn leidet.
Stress schadet sowohl indirekt als auch direkt: Er sorgt dafür, dass wir rauchen,
trinken, mehr essen und einen höheren Blutdruck haben, was sich alles schädlich auf
das Herz auswirkt. Er kann aber auch auf dem direkten Weg, also biochemisch,
Schaden anrichten: Stress sorgt für einen hohen Adrenalinausstoss, was für die
Gefässe schädlich ist.
Leider jedoch stressen gut gemeinte Ratschläge die betroffene Person oft nur noch
mehr: Wer kaum zur Ruhe kommt, wird vom zusätzlichen Traktandum "jeden Morgen
Fitnessstudio" ganz sicher nicht glücklicher. Allerdings nützen auch die zweimal zwei
Wochen Malediven im Jahr nur begrenzt, wenn man während der übrigen 48 Wochen
unzufrieden und überfordert ist. Ideal wäre es natürlich, sich jeden Tag ein wenig Zeit
zu nehmen - egal, ob man sie nun mit einem Buch, der besten Freundin, den
Kollegen, beim Yoga oder joggend verbringt. Aber auch hier gilt leider: Gesagt ist sehr
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viel leichter als getan.
© Beobachter
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