„Asylmissbrauch stoppen“, Grenzen schließen, schneller abschieben: Wir kritisieren die Flüchtlingspolitik von Ministerin Bilkay Öney! D ie Vortragsreihe „Flüchtlingspolitiken im Vergleich – Verantwortung und Herausforderung“ möchten Antworten finden auf die Frage „Tun wir alles, was wir können?“1 Für den heutigen Vortrag wurde Baden-Württembergs Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) eingeladen. Es ist zu erwarten, dass Öneys Antwort lauten wird: „Nein, wir tun nicht genug.“ Wir tun nicht genug, um die „Flüchtlingsflut“ zu stoppen, wir müssen effektiver in der Durchführung von Abschiebungen werden und weiter an der Abschreckungspolitik arbeiten. „ Asylmissbrauch stoppen“ D enn Öney machte in den letzten Monaten mit Forderungen wie, man müsse die Angst vor zu viel Zuwanderung ernster nehmen und mehr Grenzkontrollen durchführen auf sich aufmerksam. „Wenn man aber auf den Straßen fast keine Deutschen mehr sieht, dann schrillen bei den Deutschen […] die Alarmglocken“,2 so Öney, die Stimmung in der Bevölkerung sei gut gegenüber Flüchtlingen, „aber man darf den guten Willen der Bürger nicht missbrauchen. Sie mögen es nicht, wenn das Asylrecht missbraucht wird“3. Mit der Rede über vermeintlichen „Asylmissbrauch“ bedient sie plumpe, rechte, populistische Parolen, die Migrant*Innen kriminalisieren, ihnen individuelle Schutzbedürftigkeit und Grund zur Flucht absprechen. U nsicherheit wegdeklarieren statt Schutzquote erhöhen M inisterin Öney hätte es für besser befunden, wenn Albanien und Kosovo ebenfalls zu sogenannten „Sicheren Herkunftsstaaten“ erklärt worden wären. Im Herbst letzten Jahres wurden durch die Zustimmung von Winfried Kretschmann für das grün-rote Baden-Württemberg im Bundesrat Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien als „Sichere Herkunftsstaaten“ deklariert. Das bedeutet, dass Asylanträge von Geflüchteten aus diesen Ländern pauschal als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt werden. Während die anderen Bundesländer mit rot-grünen bzw. rot-roten Regierungen ihre Zustimmung im Bundesrat verweigerten, ließ sich Winfried Kretschmann vor dem Hintergrund eines vermeintlichen Kompromisses auf diese heftige Einschränkung des individuellen Rechts auf Asyl ein.4 Der „Kompromiss“ wiegt geringfü- gige Vorteile für bestimmte Flüchtlingsgruppen (z.B. den leichteren Zugang zum Arbeitsmarkt) auf mit der Degradierung Anderer zu Flüchtlingen zweiter Klasse und wurde dementsprechend heftig kritisiert; insbesondere weil die als sicher deklarierten Westbalkanstaaten vor allem für Roma und andere Minderheiten keineswegs als „sicher“ bezeichnet werden können.5 Öney hält die so zustande gekommene Regelung für richtig und denkt laut über dessen Erweiterung nach: „Vielleicht hätten wir Albanien und das Kosovo im vergangenen Jahr in einem Zug mit Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien zu sicheren Herkunftsländern deklarieren können.“ Das würde bedeuten, dass noch mehr Schutzsuchenden das Recht darauf, einen Asylantrag zu stellen, verweigert wird. M ehr Grenzkontrollen A ußerdem, so Öney, seien „unsere Grenzen (…) derzeit zu durchlässig“, weshalb sie weitere Maßnahmen vorschlägt: „Kurzfristig helfen nur andere Maßnahmen, auch Grenzkontrollen. Das ist eine unpopuläre Forderung, aber sie ist sinnvoll, auch mit Blick auf die innere Sicherheit.“6 So äußerte sich die Ministerin, nachdem im Monat zuvor in nur zehn Tagen über tausend Schutzsuchende im Mittelmeer verunglückten. Die Unglücke gibt es auch deshalb, weil die Grenzen Europas eben nicht durchlässig genug sind und vielen nichts bleibt als die gefährliche Fahrt über‘s Mittelmeer. E s ist zynisch, gerade von Öney eine „Lösung“ für die „Herausforderung“ zu erwarten – jedenfalls dann, wenn mit dieser Lösung nicht die weitere Abschottung Deutschlands und die Legitimierung der erbarmungslosen Abschiebemaschinerie gemeint sein soll. Denn die „Integrationsministerin“ scheint kein Interesse daran zu haben, den tausenden Menschen mit unsicherem Aufenthaltsstatus in Baden-Württemberg eine Perspektive zu bieten. So könnte Baden-Württemberg sich für ein humanitäres Bleiberecht für Roma aus den Westbalkanstaaten einsetzen. Die Initiative dazu kann nach §23 Aufenthaltsgesetz durch die Bundesländer erfolgen, doch dazu kommt es nicht, da die an der Landesregierung beteiligte SPD sich weigert. Die Regierungspartei von Bilkay Öney entschied auch über die Abschiebungen diverser Menschen, da Härtefallanträge durch die Stimmen der SPD negativ beschieden und Abschiebungen damit als probates Mittel der Politik legitimiert werden. S cheinheiligkeit statt Solidarität D abei ist die Integrationsministerin dankbar für Unterstützung. So lud sie eine Woche zuvor haupt- und ehrenamtliche Helfer*innen, die sich bei Aufnahme und Unterbringung von Geflüchteten engagieren, ins Regierungspräsidium Freiburg ein. Charmant und untermalt mit musikalischen Einlagen und Häppchen bedankte sich Öney bei den angereisten Helfer*innen. Motivation und Ziel des Großteils der Bedankten, nämlich Geflüchtete solidarisch zu unterstützen, wird gleichzeitig durch die von der Landesregierung und Bilkay Öney sanktionierte und vom Regierungspräsidium exekutierte Abschiebepolitik alltäglich torpediert. Wer wie Öney fordert, Abschiebungen schneller durchzuführen und die Lücken im Zaun um Europa zu schließen, dem ist nicht abzunehmen, dass der Dank an flüchtlingssolidarische Initiativen aus einer Solidarität mit Geflüchteten rührt. S olidarität mit Geflüchteten hieße, einen sicheren Aufenthaltsstatus für alle hier lebenden Menschen zu fordern. Solidarität mit Geflüchteten heißt auch, die rassistischen „Ängste“ der Bevölkerung nicht als Maßstab für den Umgang mit Schutzsuchenden zu nehmen. Und Solidarität mit Geflüchteten heißt auch, am Abriss der Festung Europa zu arbeiten und nicht die Lücken im Zaun zu schließen, wie es Öney tut. Wir fordern jede und jeden dazu auf, sich mit der Tragweite der Aussagen Öneys kritisch auseinanderzusetzen. Konfrontieren Sie Öney, die SPD und die Landesregierung damit, dass das, was politisch derzeit passiert, einer Solidarität mit Geflüchteten entschieden entgegenläuft. 1 Uni Freiburg, Colloquium politicum, Vortragsreihen, Flüchtlingspolitiken im Vergleich – Verantwortung und Herausforderung. 2 Badische Zeitung, “Menschen sind keine Ware”, 15.4.2015 3 Die Welt, Öney bekommt Zustimmung aus ungewohnter Ecke, 16.04.2015 4 Näheres zum „Kompromiss“ und der Kritik z.B. hier: http://www.sueddeutsche.de/politik/umstrittener-gesetzentwurf-bundesrat-stimmt-fuer-schaerferes-asylrecht-1.2136685 5 Vgl. die zusammenfassende Kritik von Amnesty International: https://www.amnesty.de/2014/8/18/keine-faulen-kompromisse-beim-gesetz-ueber-sichere-herkunftsstaaten 6 Die Welt, „Unsere Grenzen sind derzeitig zu durchlässig“, 30.4.2015 www.freiburger-forum.net [email protected] Abonnieren Sie unseren Mail-Verteiler, um von Aktionen zu erfahren!
© Copyright 2024 ExpyDoc