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Foto: Starpix / picturedesk.com
Martina Ebm, montags Vorstadtweib Caro, ansonsten Nestroys Kathi
und Hamptons Sabina am Theater in der Josefstadt, träumt:
Burgtheater, Berliner Schaubühne, Hollywood und dann wieder
Josefstadt. Will: Hingebend spielen, die Herzen berühren, nie aufhören
zu lernen, bedingungslos lieben und verzeihen. Sie verlockt zum
Beschützen.
Ro Raftl, [email protected]
Ich wüsste nicht, was ich tu, nein, ich wüsste es nicht.“ Tiefe, fast verzweifelte Ratlosigkeit in
Martina Ebms Stimme, wenn sie sich ein Vorstadtweiber-Leben ausmalt, so ein Caro-Leben,
fassadentauglich fadisiert am Pool über der bunten „Frau am Montag“ eingeschlafen. „Mir
geht’s schon schlecht, wenn ich nicht täglich in die Probe gehen kann.“ War der Witz, die
Röntgenbilder vieler kleiner Hundsgemeinheiten, die sie beim Drehbuchlesen auf Anhieb
köstlich fand. Ebm zeigt sie: Tacktacktack. Nur die High-Heels klacken wütend, wenn Caro
wortlos hüftenschwingend am stockbesoffenen Gemahl vorbei die Stiegen hochschießt,
das Seidenbettzeug aus dem Schlafzimmer auf die Couch im Erdgeschoß packt, wortlos
Wasser reicht, das Kopfwehtablettendoserl klimpern lässt. Tacktacktack. Und. Sie spielt das
Geheimnis aus, das ihr dreimal „Alma“ bei Paulus Manker entschlüsselt hat: „Die
faszinierende Macht der Sexualität.“
Aber ja, sie hat sich mit ihrem Vorstadtweib befreundet, mag „Caros Entschlossenheit, sich das
Leben zu richten“. Ok. Das eigene Kind bei der Mutter versteckt, für Villa, Porsche, Shoppingmania
und verachtungsvoll widerspenstige Stiefkinder getauscht. Dafür keine Mühen der Ebene. Ihr Ding
wär das nicht. Doch logisch, dass die fabelhaften Quoten einen scheinbar frisch vom Himmel
gefallenen Stern ziemlich freuen. „Vorstadtweiber“ waren ihre erste Serie, seit sie vor zwei Jahren in
Kurt Palms / Harald Sicheritz’ Filmseller „Bad Fucking“ von sich reden machte. „Hab ja so spät
begonnen, andere haben schon viel mehr gespielt“, sagt sie lieb und fast ein wenig verzagt, so dass
man sie gleich vor sich selber beschützen muss: Das Wissen über die Welt macht vieles wett. Und
Amen.
"Ich wüsste nicht, was ich tu, nein, ich wüsste es nicht," meint Martina Ebm über ihre Rolle als
Caroline Melzer in der ORF-Serie "Vorstadtweiber".
„Urschön, unser Kinderleben am Mondsee. Wir sind draußen herumgetollt, waren nie
eingesperrt, wurden nie gefragt: Wo warst du? Da gab’s nur Vertrauen und bedingungslose
Liebe.“
33 seit 24. Februar, grüne Augen, rotbraunes Haar, Modelfigur. Martina Ebm wirft sich mit
(nackter) Haut und wehendem Haar voll in jede Rolle rein. Bekennt aufrichtig oft gehörte
Schauspielersätze: „Will mit emotionaler Offenheit die Herzen berühren. Darum geht es
mir, berühren zu wollen, damit etwas bei den Menschen ankommt.“ Gut. Hat sie eben für
sich selbst erfunden. Zu Klamotten aber hat sie null Bezug: „Für meine Rollen werde ich
angezogen, kann mitreden, was mir taugt und was nicht. Mir selber wär’s ungemütlich
aufwendig, mich mit Kleidung zu beschäftigen.“
Hingabe. Ja. Total. Doch an andere Passionen. Musik. Seit sie mit Tommy Hojsa an Nestroys
„Zerrissenem“ am Josefstädtertheater zusammengearbeitet hat. Sie gab die Kathi, laut
Kritik als „so kerngesunde, ehrliche Haut, dass man meint, an ihr die Seife riechen zu
können“. Er war der Bühnenmusikchef mit einem Vorleben als Charly Ratzers Pianist in der
Formation Jazz meets Wienerlied. Hat sie musikalisiert. Süchtig gemacht auf Glenn Goulds
Version von Bachs Goldbergvariationen. Mit der Idee gekitzelt, beim Sprechen dem
Rhythmusgefühl zu folgen, sich beim Spielen an Musik zu orientieren. Als neue Nuance in
einem Beruf, den sie über viele Umwege suchen, finden, sich zutrauen musste.
Nach Leistungssport in der Sporthauptschule Mondsee, „in Judo war ich schon sehr gut“,
Musischem im BORG Salzburg, „eine instinktive Entscheidung von mir“, kurzem BWLStudium, kurzem Medizinstudium, Off-Theater-Produktionen mit Selberbühnebauen,
Kostümeschneidern, Sponsorenkeilen, Inszenieren, Spielen. Sehr sparsam leben, in Kaffeehäusern
jobben, und im dritten Anlauf bis zum Diplom zu studieren. „Ich hab meine jüngere
Schwester beneidet. Die wusste immer schon, was sie will. Medizinerin werden wie unser
Arzt-Vater. „Ach“, bricht Martina liebend aus: „Als Überdrüber macht sie jetzt ein
Fernstudium in Harvard. Harvard! Ich bin richtig stolz auf sie.“
Die Mutter der beiden würde man gerne kennenlernen. Lehrerin. Vom Doktorvater
getrennt, als die Mädeln sechs und fünf waren, nach Mondsee übersiedelt – und dort
sämtliche Flicken eines mächtigen Patchworks virtuos harmonisiert. Selten hat man eine
Tochter so jubeln hören wie Martina: „So viele Geschwister dazugekommen, so schön, dass
wir so erweitert sind. Auf Vaters neue Frau und seine Kinder und auf Mutters Freund. Er
warzwölf Jahre jünger als sie, hat uns großgezogen wie ein älterer Bruder. Vaterersatz
wollt’ er nie sein, und als er ein Kind von einer andern bekam, hat Mutter auch das an ihr
Herz genommen. Urschön, unser Kinderleben am Mondsee. Wir sind draußen
herumgetollt, waren nie eingesperrt, wurden nie gefragt: Wo warst du? Da gab’s nur
Vertrauen und bedingungslose Liebe.“ Martina sagt zärtlich, sie sei ein Familienmensch.
Martina Ebm während eines Interviews zum Film "Bad Fucking" im Jahr 2013.
Sich spontan auf Situationen und das Gegenüber einzulassen, hat sie in ihrer Diplomarbeit
zur Magistra der Theater,- Film- und Medienwissenschaften analysiert: Die
Amerikanisierung der Schauspieltheorie Stanislawskis durch Sanford Meisner. „Fragen und
antworten, sehr schnell, wie Ping-Pong-Spielen“, erklärt sie. „Du sollst weder die Frage noch
deine Anwort bewerten, nur das Unterbewusstsein sie bewerten lassen.“ Das nützt sie
beim Spielen. Für ihren „Jackpot“, die Rolle der Sabina Spielrein in Christopher Hamptons
Josefstadt-Neuauflage des mit Keira Knightley verfilmten Stücks „Dunkle Begierde“. Selbst
wenn die Kritiken der Produktion durchwachsen waren, Ebm erotisiert als klinikreife
Hysterikerin. Zieht an. Zuckend schreiend trotzend kindlich tobend, aber ja, samt
Masturbation und Popo-Verhauen, in Zeiten von „Fifty Shades of Grey“ freudig ertragen
vom abendlich aufgeschwanzten Josefstadt-Publikum. Fragil, elegant, therapeutisch – tja –
sexuell befriedet, gelingt der schwierige Drahtseilakt, ihre Intelligenz und Emanzipation von
Jung zu Freud glaubwürdig sichtbar zu machen.
„Viel Schlaf“, sagt Martina/Sabina, „und Yoga, um mich runterzubringen. Die Ambivalenz
zwischen Geschlagenwerdenwollen und Liebessehnsucht hat mich schon sehr beschäftigt“.
Eine besondere Rolle: „Jedes Mal, bevor ich zu spielen beginne, fasst mich die Angst, dass
ich mich diesmal nicht öffnen kann. Tut so weh wie Angst vorm Verlassenwerden. Wenn’s
vorbei ist, wenn ich von der Bühne abgeh’, muss ich weinen. Danach steh’ ich wieder fest
am Boden und kann lustig sein.“
Martina Ebm als "Sabina Spielrein" mit Michael Dangl in "Eine dunkle Begierde" im Theater in der Josefstadt.
„Die Ambivalenz zwischen Geschlagenwerdenwollen und Liebessehnsucht hat mich schon
sehr beschäftigt.“
Dass sie sehr weit gehen kann bei Rollen, dass es ein Aufgeben nicht bei ihr gibt, hatte
schon Manker erkannt und für „Alma“ bis ins Letzte ausgelotet. Sie durfte die KokoschkaSzene mit ihm spielen, „und das war wahnsinnig spannend, weil man bei Paulus nie weiß,
was passiert.“ Fräulein Schindler / Frau Mahler / Gropius / Werfel war Ebm zutiefst
unsympathisch, nach allem, was sie über sie gelesen hatte. Bis zur Frage: Kann ich sie
überhaupt spielen, wenn ich sie so sehr hasse? Angelpunkt wurde endlich „Almas
ungeheure Macht über all jene Männer, die sie sich ausgesucht hat. Und der Wunsch, einen
eigenen Ausdruck für Verlockung zu finden. Alma hat mich sicher als Frau verändert.“ Nein.
Mit Paulus Manker hat sie sich nicht für immer zerstritten. Die Grünäugige schaut
schnitzlerisch: „Aber ich bin auch gut im Verzeihen.“ Außerdem: „Als Berater in
künstlerischen Angelegenheiten ist er super. Wenn ich Tipps brauch’, ruf ich ihn manchmal
an.“
Träume? „Burgtheater, Berliner Schaubühne, Hollywood ... und dann wieder an die
Josefstadt. Aber kein Jungstargetue. Kein „Wie schön und wie gut und wie kostbar bin ich
doch“. Fragen, lernen, wissen wollen. Aufrichtig ohne Koketterie, bescheiden ohne falsche
Bescheidenheit. Selten, und so liebenswert, dass viele glauben, auf sie aufpassen zu
müssen. Regisseur Christopher Hampton war so einer: „Behutsam, vorsichtig, besorgt, ob
mir all diese Hysterie-Exzesse nicht zu viel werden. Der großen Wert darauf gelegt hat, alle
Texte am Tisch genau durchzugehen, damit wir verstehen, was er geschrieben hat. Ich war
so dankbar für sein Vertrauen.“ Es ging so weit, dass Hampton Miss Ebm für den Hauptcast
der weiblichen Hauptrolle in seinem neuen Film „Ali & Nino“ vorschlug (den er in
Aserbaidschan dreht). Wurde nix daraus. Schließlich, Josefstadt-Ensemblemitglied seit
vergangenem Jahr, Vorstellungen und ...
Martina Ebm als "Kathi" und Michael Dangl als "Herr von Lips" in "Der Zerrissene" am Theater in der Josefstadt.
Martina Ebm und ihr Schauspiel-Kollege Martin Zauner bei der Premiere von "Der Zerrissene"
Die Liebe war nicht schuld daran. Sie gedeiht in Freiheit. Auf der Berlinale vor vier Jahren lernte die
Zierliche mit dem hübschen Hintern Umut Dag (Foto) kennen, als sie Regie-Hospitantin am MaximGorki-Theater war. Jetzt leben sie zusammen, im Zweiten, dem angesagtesten Wiener
Künstlerbezirk. Okay, den Volkshochschulkurs Kurdisch hätte Martina während des HamptonDrehs schmeißen müssen.
Sie lernt es, sanft, hingebungsvoll, furios, um sich mit Umuts Eltern in Favoriten gut verständigen zu
können. Voll in ihrem Element. Eine große Familie, die sie mit kurdisch-türkischem Essen verwöhnt.
Menschen, die sie nehmen, wie sie ist, weil Umut sie liebt. Sie hat ihn nach Ostanatolien begleitet,
nach Ezerum, wo er seinen ersten Film gedreht hat: „Kuma“, der 2012 gleich als Eröffnungsfilm der
Berlinale Sektion Panorama lief. Umut Dag ist schon in Wien geboren. Ja. Kinder möchte sie haben.
Heirat hingegen ist keine Option für sie: „Hab es noch nie verstanden. Was verändert sich? Ich
binde mich freiwillig an ihn. Das ist doch die höchste Form der Liebe. Froh bin ich, dass auch sein
zweiter Film „Risse im Beton“ so super ankam. Ich könnt’ nicht mit einem Mann zusammensein, der
nicht für etwas brennt, keine Leidenschaft hat.“ Und ME meint nicht die der Vorstadtmänner für
Kohle, Sex und schnelle Autos.
„Eine dunkle Begierde“mit Michael Dangl als C.G. Jung, Martina Ebm als Sabina Spielrein (im
Bild) sowie Herbert Föttinger als Sigmund Freud.