Gruppe 1_Propaganda und Rassenhygiene

In Memoriam
„Euthanasie“ im Nationalsozialismus
Gruppe 1
Propaganda und Rassenhygiene
Als Arbeitsmaterial benötigt ihr Schreibzeug und einen Notizblock.
Arbeitsaufträge
1. Lest den Informationstext aufmerksam durch. Bearbeitet anschließend die Aufgaben
der Reihe nach.
2. Betrachtet gemeinsam Bild 1. Auf dem Plakat steht geschrieben: „Hier trägst Du mit.
Ein Erbkranker kostet bis zur Erreichung des 60. Lebensjahres im Durchschnitt
50.000 RM.“ Besprecht in eurer Gruppe wie die Personen auf dem Plakat dargestellt
sind. In Text 1 findet ihr ergänzende Informationen. Haltet eure Notizen in
Stichpunkten fest.
3. Diskutiert in eurer Gruppe welcher Zweck mit der Matheaufgabe von Text 2 verfolgt
wird und wie die Bevölkerung während des Nationalsozialismus beeinflusst wurde.
4. Auf dem Plakat von Bild 2 steht in großen roten Buchstaben geschrieben: „Gesunde
Eltern / gesunde Kinder!“. Besprecht gemeinsam was auf dem Plakat zu sehen ist.
Welche Botschaft soll vermittelt werden?
5. An wen richtet sich die Umfrage von Text 3 und wer wird in der Umfrage tatsächlich
angesprochen? Besprecht anschließend in eurer Gruppe welchen Zweck die
Umfrage erfüllen soll und macht euch dazu Notizen.
6. Textfahne 3 zeigt eine Grafik mit der Überschrift „Qualitativer Bevölkerungsanstieg
bei zu schwacher Fortpflanzung der höherwertigen“. Besprecht in eurer Gruppe was
die Grafik darstellt und notiert eure Ergebnisse.
Zusammenfassung:
Erarbeitet einen Kurzvortrag von höchstens 5 Minuten Dauer, in dem ihr eure
Mitschüler/-innen von euren Arbeitsergebnissen informiert. Nutzt für den Vortrag
Eure Notizen sowie das ausgeteilte Bildmaterial und/ oder Abbildungen in der
Ausstellung. Begründet abschließend, welche Menschenrechte verletzt worden sind
und zeigt dies anhand der ausgeteilten Symbolkarten.
In Memoriam
„Euthanasie“ im Nationalsozialismus
Informationstext:
Eugenik1 und Rassenhygiene2 bestimmten seit 1900 zunehmend das Bild vom Menschen.
Der Mensch wurde nach seinem Nutzen für die Gesellschaft „bewertet“. Die
Nationalsozialisten waren der Meinung, dass nur diejenigen Menschen „gut“ sind, die
arbeitsfähig und gesund sind. Menschen, die diesem Ideal nicht entsprochen haben, wurden
aus der Gesellschaft ausgeschlossen, dazu zählten z. B. psychisch Kranke und Behinderte.
Eine extreme Forderung der Nationalsozialisten war die „Vernichtung lebensunwerten
Lebens“, die als staatliche Aufgabe verstanden wurde.
Der Leiter der Heil- und Pflegeanstalt in Kaufbeuren kam dieser Forderung nach. Sein Name
war Dr. Valentin Faltlhauser, er war ab 1934 Beisitzer des Erbgesundheitsgerichtes in
Kempten. Dieses Gericht bestand bis zum 6. September 1944 und entschied über Anträge
zur Sterilisation3. Diese wurden beispielsweise von Ärzten und Hebammen gestellt. Unter
den Opfern der Zwangssterilisation waren sowohl Patienten von Heil- und Pflegeanstalten
und anderen Fürsorgeeinrichtungen sowie Menschen aus der Bevölkerung, in deren Familie
Menschen mit psychischen Erkrankungen oder Behinderungen bekannt waren. In
Kaufbeuren wurden Zwangssterilisationen von Ärzten in den Jahren ab 1934 im Städtischen
Krankenhaus in Augsburg ausgeführt, später auch im Städtischen Krankenhaus in
Kaufbeuren. Auch ungeborene Kinder von werdenden Müttern, die psychisch erkrankt oder
behindert waren, wurden gegen ihren Willen abgetrieben.4 Zwangssterilisationen oder
Abtreibungen wurden beispielsweise bei erblich Blinden, erblich Tauben, Menschen mit
schweren körperlichen Missbildungen, Menschen die schwer alkoholabhängig waren oder
Menschen die an angeborenem Schwachsinn gelitten haben, durchgeführt.
Text 1
Im Jahr 1942 verfasste Rudolf Ramm die Ärztliche Rechts- und Rassenkunde5. Über psychisch
Erkrankte oder Behinderte steht in der Ärztlichen Rechts- und Rassenkunde geschrieben:
„Diese
lediglich
vegetierenden6
Geschöpfe
stellen
eine
schwere
Belastung
der
Volksgemeinschaft dar, insofern sie nicht allein durch die verursachenden Kosten den
Lebensstandard ihrer übrigen Familienangehörigen herabdrücken und außerdem einen
gesunden Menschen während der Dauer ihres Lebens zu ihrer Pflege benötigen.“
1
Duden „Eugenik“: Wissenschaft von der Verbesserung der Erbanlagen in der menschlichen Bevölkerung:
http://www.duden.de/rechtschreibung/Eugenik (zuletzt aufgerufen am 12.08.2015)
2
Hierbei handelt es sich um den deutschen Begriff zu „Eugenik“ und hat dieselbe Bedeutung.
3
Sterilisation meint die Unfruchtbarmachung einer Frau oder eines Mannes.
4
Für Kaufbeuren ist bislang nicht erforscht, ob Abtreibungen durchgeführt wurden.
5
Die Nationalsozialisten unterteilten die deutsche Bevölkerung in zwei „Rassen“: eine hochwertige Rasse und
eine minderwertige Rasse, zu denen Menschen mit geistiger oder körperlicher Behinderung zählten.
6
Mit „vegetierenden Geschöpfen“ sind Menschen gemeint, die ihr Leben fristen und Not leidend sind. Im Text
sind mit diesem Begriff Menschen mit geistiger oder körperlicher Behinderung gemeint.
In Memoriam
„Euthanasie“ im Nationalsozialismus
Text 2
Das Gedankengut der Nationalsozialisten wurde auch im Schulunterricht verbreitet. Diese
Matheaufgabe stammt aus einem Rechenbuch für Volksschulen der 7./8. Jahrgangsstufe aus
dem Jahr 1941:
„Vorsichtige
Schätzungen
haben
ergeben,
dass
wir
mindestens
60.000
erblich
Schwachsinnige, 100.000 erblich Geisteskranke , 60.000 erblich Fallsüchtige7, 52.000 erblich
Krüppelhafte, 13.000 erblich Blinde und 15.000 erblich Taube haben. Berechne die
Gesamtzahl der Erbkranken! Wieviel Prozent des ganzen Volkes machen sie aus?“8
7
8
Als Fallsüchtige wurden Menschen bezeichnet, die an Epilepsie leiden.
Rechenbuch für Volksschulen - 7./8. Schuljahr, Bonn/Düsseldorf 1941, S. 74 f.
In Memoriam
„Euthanasie“ im Nationalsozialismus
Text 3
Das Leben von psychisch Erkrankten und Behinderten wurde von den Nationalsozialisten als
„lebensunwert“ betrachtet. Den Eltern, die ein psychisch erkranktes oder behindertes Kind
hatten, wurden Umfragen geschickt, die sie beantworten sollten. Eine solche Umfrage hat
Ewald Meltzer (1869-1940) formuliert, der Mediziner war und das „Euthanasie“-Programm
der Nationalsozialisten befürwortet hat.
Umfrage:
[Es] ist erneut die alte Frage aufgeworfen worden, ob man nicht schon aus Erwägung des
Mitgefühls und der Barmherzigkeit heraus das Leben tiefblöder Kinder auf eine ihnen nicht
bemerkbare, völlig schmerzfreie Weise abkürzen soll, weil sie ja selbst keinen Genus vom
Leben, hier und da sogar sehr unangenehme Beschwerden durch ihre Gehirnkrankheit haben
und überdies den Angehörigen durch ihr Siechtum bis zu hohem Alter oft sehr schwere Opfer
an Vermögen und Pflegekraft auferlegen. [...] Es interessiert nun zu wissen, wie Sie als Eltern
eines solchen Unglücks- und Sorgenkindes sich zu dieser Frage stellen. Sie werden daher
ersucht, die angeführten Fragen entweder mit Ja oder Nein oder lieber ausführlich zu
beantworten, indem Sie Ihre Beweggründe für die Bejahung oder Verneinung der Fragen
mitteilen. Der unterzeichnete Anstaltsdirektor hat nämlich aus Briefen und bei Besuchen
gerade von Eltern, die mit rührender Liebe an ihrem Sorgenkinde hängen, je länger desto
mehr bemerkt, dass sie eine solche Abkürzung des Jammerdaseins ihres Kindes gut heißen
würden, schon deswegen weil sie es dann "gut versorgt" wüssten.
Ihre Meinung ist aber deswegen besonders wichtig, weil nur bei Zustimmung vieler von
ähnlichem Unglück betroffener Eltern in absehbarer Zeit einmal eine gesetzliche Regelung
dieser Frage in die Wege geleitet werden könnte.
Frage.
1. Würden Sie auf jeden Fall in eine schmerzlose Abkürzung des Lebens Ihres Kindes
einwilligen, nachdem durch Sachverständige festgestellt ist, dass es unheilbar blöd
ist?
2. Würden Sie diese Einwilligung nur für den Fall geben, dass Sie sich nicht mehr um Ihr
Kind kümmern können, z.B. für den Fall Ihres Ablebens?
3. Würden Sie die Einwilligung nur geben, wenn das Kind an heftigen körperlichen oder
seelischen Schmerzen leidet?
4. Wie stellt sich Ihre Frau zu den Fragen 1 bis 3?9
9
Meltzer, Ewald: Das Problem der Abkürzung "lebensunwerten" Lebens. Halle/Saale 1925.
In Memoriam
„Euthanasie“ im Nationalsozialismus
Bild 1
In Memoriam
„Euthanasie“ im Nationalsozialismus
Bild 2