Präsentation "Migration, Asyl, Armut: Worüber reden wir (nicht)?

Migration, Asyl, Armut:
Worüber reden wir (nicht)?
Jochen Oltmer
www.imis.uni-osnabrueck.de
Flüchtlinge weltweit
Flüchtlinge
IDPs
38,2
40
35
30
25,0
25
20
15
10
21,3 22,5
16,5
17,2
27,5
28,0
22,0
19,6 19,5 20,5 19,1 18,7 18,1
26,0 26,0 27,0 27,5 26,4
25,0 25,0 24,6 25,3
23,3 24,4
19,7
19,3
33,3
28,8
21,3 21,2
17,4
19,5
16,6
15,9 15,2 15,2 15,5 15,2 15,4
15,5 15,1 15,4 15,9 15,9 14,6 13,8 13,8
13,5 14,4
16,7
1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014
Warum ist die Bundesrepublik 2015 Ziel globaler Flüchtlingsbewegungen geworden?
1. Räumliche Nähe wesentlicher Konfliktherde und prekäre
Situation in Erstaufnahmeregionen und -länder
2. Netzwerke: Migration produziert Migration
3. Zusammenbruch der Vorfeldsicherung der EU: Wirtschaftskrise, „Arabischer Frühling“
4. Zusammenbruch der Vorfeldsicherung der Bundesrepublik:
Wirtschaftskrise, Lastenungleichgewichte durch Dublin
5. „Ersatzfluchtziel Bundesrepublik“: Wirtschaftskrise in EU
6. Aufnahmebereitschaft: positive Zukunftserwartungen, Diskurse zu Fachkräftemangel und demographischem Wandel
Zu- und Fortzüge, Deutschland 2013/2014
2013
Europa
Afrika
Amerika
Asien
Australien/Ozeanien
Gesamt
Zuzüge
941.379
53.393
63.905
154.424
7.344
1.226.496
Fortzüge
609.289
22.893
58.020
84.506
7.371
789.193
Saldo
332.090
30.500
5.885
69.918
-27
437.303
2014
Europa
Afrika
Amerika
Asien
Australien/Ozeanien
Gesamt
Zuzüge
1.081.155
75.313
67.799
224.889
7.393
1.464.724
Fortzüge
713.242
27.435
60.698
90.135
7.828
914.241
Saldo
367.913
47.878
7.101
134.754
-335
550.483
Aktuelle Migration zwischen
und in verschiedenen Weltregionen
Quelle: Guy J. Abel/Nikola Sander, Quantifying Global International Migration Flows, in: Science 343. 2014, S. 1520-1522.
Globale Migration in der Gegenwart
Entwicklung der Migration aus dem globalen
Süden in den globalen Norden
Anteil der städtischen Bevölkerung
nach Regionen
Umweltmigration?
Ambivalente Ergebnisse der Debatte um
Migration und Entwicklung
•  Geldüberweisungen von Migranten verbessern Situation
in Herkunftsregion (Bildung/Gesundheitsversorgung, Armut bekämpfen) vs. Hervorbringung neuer Ungleichheiten, Geldentwertung, Fixierung auf Erwerb durch Migration
•  Abwanderung der „besten Köpfe“ vs. Erwerb neuer Kompetenzen/Kenntnisse für Herkunftsgesellschaft
•  Diaspora als Integrationsvehikel vs. Interessenvertreterin
der Herkunftsgesellschaft
•  Debatte wird vor allem im globalen Norden geführt und ist
gekennzeichnet durch dessen Interessen
Perspektiven
1. Auf Abwehr fixierte europäische Migrationspolitik ist gescheitert. Breite Debatte über Ziele nötig, die entwicklungspolitische Interessen berücksichtigt
2. Anstoß von Akteuren aus Zivilgesellschaft nötig/möglich
3. Langfristiger (und nicht nur projektförmig) denken und
handeln, Verträge, kleinteiliger, kooperativer
4. Geldüberweisungen von Migranten fließen häufig in Bildung und Gesundheitsversorgung: Transfer erleichtern,
Diaspora fördern
5. Weitere Forschung zum Zusammenhang dringend nötig
Warum wandern Menschen?
Migration = Wanderung, regionale Mobilität, räumliche
Bewegungen
•  Chancen wahrnehmen, Handlungsmacht erschließen (z.B.
Arbeitsmigration, Bildungswanderungen, Lebensstil-Migration)
•  Gewalt (Flucht, Vertreibung, Deportation; politisch und
weltanschaulich bedingt oder Folge von Kriegen. Ausdruck
staatlicher und gesellschaftlicher Akzeptanz der Beschränkung von Freiheit und körperlicher Unversehrtheit)
•  Katastrophen (z.B. Abwanderung aufgrund von Natur- bzw.
Umweltkatastrophen)
Aufnahme von Flüchtlingen
•  Staaten entscheiden mit weiten Ermessensspielräumen
über Aufnahme
•  Bereitschaft, Schutz zu gewähren, bildet Ergebnis eines
Aushandlungsprozesses, an dem zahlreiche, unterschiedlich machtvolle Akteure beteiligt sind
•  Permanenter Wandel im Blick auf die Frage, wer unter
welchen Umständen als Flüchtling wahrgenommen und
wem in welchem Ausmaß Schutz zugebilligt wird
„Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“
Warum ein Grundrecht auf Asyl 1948/49?
1. Distanzierung von der NS-Vergangenheit
2. Anerkennung der „Erklärung der Menschenrechte“ der
UN von 1948
3. Wiederaufnahme der Diskussion aus der Weimarer
Republik
4. Aufnahme von Deutschen aus der SBZ
Was ist Asyl? Was sind politisch Verfolgte?
Asyl im Aushandlungsprozess
DDR-Zuwanderung: 1951 „Notaufnahmeverfahren“
Ungarn 1956
Algerien späte 1950er/frühe 1960er Jahre
Griechenland 1967
Tschechoslowakei 1968
Chile 1973
Südostasiatische „boat people“ späte 70er/
frühe 80er Jahre
1980: Iran, Türkei, Polen (100.000)
Frühe 90er Jahre: Öffnung des „Eisernen Vorhangs“/
Krieg um Jugoslawien
Asylanträge in der Bundesrepublik
Deutschland 1953-2014
450.000
400.000
350.000
300.000
250.000
200.000
150.000
100.000
50.000
0
1953
1958
1963
1968
1973
1979
1984
1989
1994
1999
2004
2009
2014
Wohin geht die Reise?
Herausforderungen
•  Kontrolle und Übersicht über Daten: Planungsanker
•  Größere Erfahrung auf kommunaler Ebene, anders als
im Bund: maximale Offenheit nötig, Vernetzung der verschiedenen Akteure wichtig
•  Integration: Aushandeln von Chancen der Teilhabe
(Arbeit, Wohnung, Bildung, Sozialleistungen, Kultur,
Vereinen, Politik), Moderatorenfunktion der Politik
•  Homogenitätsvorstellungen/Verteilungskonflikte
•  Anerkennung, Aufenthaltsstatus, Beratung/Mentoren/
Lotsen, Sprache/Dezentralisierung, Werte/Normen/Prinzipien, Bildung