Leseprobe

Kerstin und Noa Kropac
Lauter Kröten und
kein Kuss in Sicht
Ab 11 Jahren
224 Seiten
Format 13,5 x 20,5 cm · Gebunden
ISBN 978-3-401-60176-2
31
Arena Reader Frühjahr 2016 (04.12.).indd 31
07.12.15 17:39
Lisa ist mit ihren Nerven am Ende. Seit Monaten ist sie unsterblich
in Finn verknallt und ihre beste Freundin Viktoria schwärmt heimlich für Max. Leider sind die beiden Jungs absolut ahnungslos und
wollen ihre Verehrerinnen einfach nicht bemerken. Ein „TraumprinzPlan“ muss her! Während sich Viktoria für die Liebe auf Krötenjagd
begibt, steht für Lisa fest: Wer sich einen Prinzen angeln will, muss
sich wie eine Prinzessin verhalten. Doch nach einigen peinlichen
Episoden mit matschigen Schneewittchen-Äpfeln, amoklaufenden
Hunden und ausgelatschten Ugg-Boots ist eins klar: Lisa braucht
dringend einen neuen Plan!
32
Arena Reader Frühjahr 2016 (04.12.).indd 32
07.12.15 17:39
Nach drei gefundenen Oberteilen schwappt vermutlich mehr Adrenalin durch meinen Körper als bei einer
Mathe-Arbeit. Blitzschnell und im Slalomkurs, damit ich
niemandem begegne, hechte ich mit meiner BH-Auswahl
zu Toris Kabine und schnaufe: »Die müssen reichen, das
ist mir zu heftig da draußen!« Tori prustet los und nimmt
dann den ersten BH vom Bügel.
Nach einem halbstündigen Anprobe-Marathon kauft
sie: zwei T-Shirts, das Top vom Plakat, einen gestreiften Strickpullover, einen (!) BH und für mich ein süßes
Federmäppchen mit Snoopy drauf, weil ich die Peanuts
genauso toll finde wie Tori. Damit hat sie noch nicht
einmal alle Gutscheine aufgebraucht. Vergnügt und zufrieden mit unserer Shopping-Beute schwenkend laufen
wir aus dem Laden.
Ich hake mich bei Tori ein. »Lust auf Burger und Pommes?«, frage ich, als mich ein gelbes »M« anlächelt.
»Immer!«, ruft Tori begeistert. Sie ist die Burger-Queen
und verdrückt manchmal sogar zwei. Von den dicken!
Zusammen steuern wir auf den Eingang zu. Heute
scheint zum ersten Mal ein bisschen die Sonne und ich
bin froh, dass es anscheinend endlich doch noch Frühling wird! Denn dann muss ich nicht mehr jeden Tag
traurig sein, dass ich keine Ugg-Boots besitze.
»Hey, schau mal«, flüstert Tori plötzlich, als wir uns
gerade mit unseren Burgern auf eine Bank gesetzt haben.
»Was denn?«, schmatze ich.
»Da ist Max!«, zischt Tori aufgeregt.
Ich schaue mich suchend um. »Wo?«
54
Kerstin und Noa Kropac · Lauter Kröten und kein Kuss in Sicht · LESEPROBE
Arena Reader Frühjahr 2016 (04.12.).indd 33
33
07.12.15 17:39
»Da drüben, an diesem Greenpeace-Stand!«, flüstert
Tori, wobei sie mit dem Kopf bemüht unauffällig in seine Richtung nickt.
»Was macht der denn da? Komm, wir gehen mal gucken!« Ich stehe auf und laufe zielstrebig zu der Bude hin, die mit Fotos von eingesperrten Hühnern und
Schweinen beklebt ist. Wenn es sich nicht gerade um
Finn handelt, ist es für mich ganz leicht, auf einen Typen zuzugehen. Tori bleibt nichts anderes übrig, als mir
zu folgen. Ich spüre, wie sie sich panisch an meiner Jacke festkrallt.
»Hallo Mädels!«, begrüßt uns Max locker.
Tori sagt nichts. Sie hat offenbar die Sprache verloren.
Stattdessen lächelt sie ihn nur reichlich belämmert an.
Die soll noch mal was über mich sagen, wie albern meine Versuche sind, Finns Aufmerksamkeit zu gewinnen!
Da Tori immer noch lächelnd, aber stumm wie ein
Fisch neben mir steht, übernehme ich das Reden. Betont
lässig frage ich, was Max an diesem Stand macht.
»Wir sind ein Greenteam, die Jugendgruppe von
Greenpeace, und wollen darüber aufklären, wie schädlich Massentierhaltung ist«, erklärt er. »Wie sehr die Tiere leiden. Und wie dringend wir neue Tierschutzgesetze
brauchen.« Dabei stiert er auffällig vorwurfsvoll auf unsere Burger.
Prompt erwacht meine Freundin aus ihrem Zustand
akuter Verstummung und hat einen genialen Geistesblitz – zumindest, was ihren Ruf angeht. Sie drückt mir
ihren angebissenen Burger in die Hand und sagt: »Ich …
ich … äh … halte den Burger nur für Lisa.«
55
34
LESEPROBE · Kerstin und Noa Kropac · Lauter Kröten und kein Kuss in Sicht
Arena Reader Frühjahr 2016 (04.12.).indd 34
07.12.15 17:39
Überrascht sehe ich sie an. Und Tori legt prompt nach:
»Ich bin nämlich auch gegen Massentierhaltung.« Dabei strahlt sie Max begeistert an. »Und gegen Kinderarbeit.« Womit sie mir auch noch ihre H&M-Tüte überbügelt.
Jetzt bin ich die Sprachlose von uns beiden, schließlich
stehe ich plötzlich da wie ein Kinderhasser und gewissenloser Tierquäler, der sich gleich zwei nicht korrekte
Burger reindrückt.
Tori wirft mir unauffällig einen entschuldigenden Blick
zu und ich seufze mal wieder innerlich auf. Oh Mann,
was man für Freundinnen nicht alles tut! Für die eine
zumindest. Ich erinnere mich an die SchneewittchenBlamage auf dem Schulhof und weiß, dass Tori noch so
einiges bei mir guthat. Also zucke ich mit den Schultern
und beiße beherzt in Toris Burger.
Max wendet sich angeekelt von mir ab, ist aber schlagartig ganz angetan von Tori. »Soll ich dir unseren Stand
zeigen?« Im Weggehen streift mich noch einmal sein
vorwurfsvoller Blick. Bestimmt weil wegen mir arme
Rinder leiden müssen. Und der Regenwald. Und die Erdatmosphäre. Mal ganz angesehen von der Ausbeutung
der armen Angestellten.
Während Max in den folgenden Minuten Tori ausführlich jedes einzelne Foto an dem Stand zeigt und dabei
umfangreiche Erklärungen abgibt, trete ich von einem
Bein aufs andere. Mir ist der Appetit auf Burger vergangen. Vor allem, weil Max’ Greenpeace-Kollegen mich bei
jedem Biss anschauen, als hofften sie, ich würde daran
ersticken. Aber nichts da! Mit Ersticken kenne ich mich
56
Kerstin und Noa Kropac · Lauter Kröten und kein Kuss in Sicht · LESEPROBE
Arena Reader Frühjahr 2016 (04.12.).indd 35
35
07.12.15 17:39
aus! Trotzig würge ich den nächsten Burgerbissen herunter. Ich stecke dermaßen in der Klemme: Essen mag
ich den Burger nicht mehr – schon gar nicht zwei. Wegschmeißen kann ich sie aber auch nicht, dann würden
mich diese jugendlichen Greenpeace-Aktivisten vermutlich zur Strafe bei der nächsten Anti-Atom-Demo auf
die Schienen ketten.
Hilfe suchend sehe ich mich nach Tori um, die inzwischen ebenfalls etwas verzweifelt dreinblickt. Max hat
sie zu einem DIN-A4-Bogen bugsiert, auf den sie – ganz
langsam – etwas einträgt. Unauffällig geselle ich mich zu
ihnen und sofort ist mir klar, warum sie so angestrengt
aussieht: Sie soll darauf ihren Namen, ihre Adresse und
ihre Telefonnummer eintragen. Jetzt hat Tori ein Problem. Ihre Nummer kann sie schließlich nicht aufschreiben. Dann weiß Max ja sofort, dass sie die peinliche
SMS-Schreiberin war. Aber sie möchte garantiert von
ihm angerufen werden. Die Arme! Was soll Tori denn
nun machen? Angestrengt denke ich nach. Vielleicht
sollte sie sagen, dass Handys umweltschädlich sind und
Max ihr doch eine Brieftaube schicken könnte?
Stattdessen stammelt sie: »Ich muss in mein Handy
schauen. Immer vergesse ich meine Nummer.« Dabei
pfriemelt sie ungeschickt ihr Handy aus der Tasche.
Ich runzele die Stirn. Seit wann kennt Tori ihre Telefonnummer nicht mehr? Und dann – ich glaube, ich
sehe nicht richtig – trägt sie meine Nummer in seine Liste! Ausgerechnet die Nummer der offiziellen Umweltsau an diesem Stand! Na, da wird Max sich aber freuen,
wenn er Tori sprechen will und mich an der Leitung hat.
57
36
LESEPROBE · Kerstin und Noa Kropac · Lauter Kröten und kein Kuss in Sicht
Arena Reader Frühjahr 2016 (04.12.).indd 36
07.12.15 17:39
Ich stoße Tori meinen Ellenbogen in die Rippen, sodass
die H&M-Tüte wild schaukelt, woraufhin meine beste
Freundin mich schon wieder entschuldigend ansieht.
»Alles okay?«, will Max wissen.
»Ja, alles super«, flötet Tori und sieht ihn aus ihren
meergrünen Augen lange an. Ihre rotblonden Haare
leuchten wie Gold in der Sonne. Ihre Wangen sind leicht
gerötet. Meine Freundin sieht richtig schön aus, denke
ich und bekomme beinahe Herzklopfen vor Freude. Das
läuft hier gerade super.
Max wirkt plötzlich ganz unsicher. Beinahe schüchtern lächelt er sie an. »Wir sehen uns …« – er wirft einen
Blick auf das Papier – »… Viktoria?«
»Mich nennen alle Tori.« Dabei erinnert sie mich plötzlich an das herzensgute Mädchen, das plötzlich von Frau
Holle mit Gold überschüttet wird. Ist ja so was von klar,
wer die Pechmarie ist. Mir sagt nicht einmal jemand
»Tschüss«, als wir endlich gehen.
»Das war doch unglaublich«, quietscht Tori, fröhlich vor
mir her hopsend, sobald wir um die nächste Ecke gebogen sind.
»Das war’s allerdings!«, maule ich und freue mich, als
ich endlich einen Mülleimer entdecke, in dem ich die
beiden kalten Burger versenken kann.
Tori tanzt um mich herum. »Ich könnte dich küssen,
du bist so ein Schatz, Lisa, dass du nichts gesagt hast.«
Dann nimmt sie mir schuldbewusst ihre H&M-Tüte ab.
Nun muss ich grinsen. »Na ja, nach gestern hast du ja
auch ganz schön was gut bei mir!«
58
Kerstin und Noa Kropac · Lauter Kröten und kein Kuss in Sicht · LESEPROBE
Arena Reader Frühjahr 2016 (04.12.).indd 37
37
07.12.15 17:39
Doch dann wird Tori plötzlich ernst. »Aber du weißt
schon, dass du dich jetzt am Telefon erst einmal als Tori
ausgeben musst!«
Verdutzt sehe ich sie an.
»Na, falls Max anruft! Ich konnte ihm ja schlecht
meine Nummer aufschreiben, sonst hätte er sofort gewusst, dass ich ihm schon einmal gesimst habe.« Sie
umarmt mich von der Seite. »Weißt du, was er gesagt
hat? Er nimmt mich zu der nächsten Greenteam-Sitzung
mit.«
Ich nicke ihr anerkennend zu. »Super! Wo du dich doch
schon immer so für Umweltschutz interessiert hast«, ziehe ich sie auf.
Tori zuckt unbekümmert mit den Schultern und erklärt: »Immerhin kaufen meine Eltern fast nur Bio ein.
Das geht doch schon in die Richtung.« Tori strahlt und
hopst, dass ich schon Angst habe, der BH könnte aus
ihrer Tüte geschleudert werden.
Natürlich freue ich mich für Tori. Total. Für sie ist das
heute bestimmt der schönste Tag in ihrem Leben! Das
wäre es für mich schließlich auch, wenn ich wüsste, dass
Finn sich mit mir treffen wollte.
Beim Gedanken an ihn zwackt es allerdings auch ein
bisschen an meinem Herzen: Warum kann ich nicht auch
so ein Glück haben? Ich möchte jetzt auch gut gelaunt
meine Einkäufe schwenken.
Stattdessen bin ich von Finns Anruf etwa so weit entfernt wie Tori anscheinend vom klaren Denken. »Weißt
du, wie ich unsere Kinder nenne?«, jubelt sie gerade.
»WALeska und ROBBin. Verstehst du? W-A-L und R59
38
LESEPROBE · Kerstin und Noa Kropac · Lauter Kröten und kein Kuss in Sicht
Arena Reader Frühjahr 2016 (04.12.).indd 38
07.12.15 17:39
O-B-B, weil Greenpeace doch immer Wale und Robben
rettet.«
Ich muss über sie schmunzeln, die hat’s ja echt erwischt. Ich sage nur – Wackelpudding im Kopf. »Dann
kannst du sie auch ›Atomausstieg‹ und ›Rettet-die-Bienen‹ nennen«, schlage ich vor. Aber Tori geht auf mein
Necken gar nicht ein – sie kichert bloß.
Ich schüttele den Kopf und ziehe sie weiter auf: »Seit
wann schwindelst du eigentlich so hemmungslos? Das
ist doch nicht schön, seine Beziehungen auf Lügen aufzubauen!« Das habe ich zumindest mal in irgendeiner
schmalzigen Fernseh-Soap gehört und gerade erscheint
es mir ziemlich passend.
Tori winkt großzügig ab. »Du hörst auf deine Uroma.
Und ich auf meine. Und meine hat gesagt: ›Im Krieg und
in der Liebe ist alles erlaubt‹.«
Nachdem ich mich von der immer noch hopsenden Tori
verabschiedet habe, schließe ich ein wenig deprimiert
unsere Haustür auf. Jetzt geht es mir bald wie meiner
Mutter. Alle werden Freunde haben. Nur ich nicht.
Und wenn ich nicht aufpasse, starte ich selbst bald so
einen verzweifelten »Traumprinz gesucht!«-Aufruf wie
sie damals. Ich sehe bereits die Prinzen-Such-Schilder
im Garten stehen … zwischen den Baulöchern meiner
Mutter. Wahrscheinlich würde sich dann eh kein Traumprinz zu uns trauen. Aus Angst, in eine Grube zu fallen.
Ich brauche wirklich ganz dringend ein neues Märchen und damit eine neue Idee, mit der ich Finn dazu
bringe, mich zu retten. (Einerseits ist es ja schön, sich
60
Kerstin und Noa Kropac · Lauter Kröten und kein Kuss in Sicht · LESEPROBE
Arena Reader Frühjahr 2016 (04.12.).indd 39
39
07.12.15 17:39