Das Hohelied 2 Küsse mich, ziehe mich (Hld 1,2-4) Dr. Johannes Hartl ________________________________________________________________________________________________ ! 2 Mit Küssen seines Mundes bedecke er mich. Süßer als Wein ist deine Liebe. 3 Köstlich ist der Duft deiner Salben, dein Name hingegossenes Salböl; darum lieben dich die Mädchen. 4 Zieh mich her hinter dir! Lass uns eilen! Der König führt mich in seine Gemächer. Jauchzen lasst uns, deiner uns freuen, deine Liebe höher rühmen als Wein. Dich liebt man zu Recht. (EÜ) ! 1. Der Wert geistlicher Initiative Manche Menschen warten darauf, dass Gott sich ihnen „einfach so“ zeigt. Während das natürlich passieren kann, ist das biblische Grundmuster: „suche, dann wirst du finden“ (Mt 7,7). Es gibt Dinge in Gott, die Gott nur denen gibt, die sie bewusst erbitten (Jak 4,2). ! 2. Die Verheißung persönlicher Berührung Die Bildsprache des Kusses spricht von einer - persönlichen / individuellen - nicht übertragbaren - emotionalen - bräutlichen - nahen - „sensorischen“ Berührung. Die Berührung mit Gott ist ganzheitlich-personal und nicht nur intellektuell-allgemein (vgl. 1 Joh 1,1-4). ! 3. Die entflammende Kraft des Wortes Jesus ist das Wort (Joh 1,1), das aus Gottes Mund (Sir 24,3) hervorgegangen ist. Die Menschwerdung ist der Kuss, in dem Gottes ewiges Wesen den Staub der Schöpfung berührt. Die Worte Jesu sind Geist und Leben (Joh 6,63), die die Kraft haben, uns zu verändern (Jak 1,21). Das Wort Gottes ist bei weitem mehr als Information (so wie ein Kuss mehr ist als die verbale Aussage „ich liebe dich“), es hat die Kraft, das zu bewirken, was es aussagt (vgl. Jes 55,10f.; Hebr 4,12). ! 4. Die überragende Qualität der Liebe Gottes Wein steht in der Bibel für Reichtum (Gen 49,12; 2 Sam 6,19), Überfluss (Dtn 33,28; Spe 3,10), Freude (Ps 4,8; 104,15), Genuss (Jes 24,9), Trost (Spr 31,6), Rausch (2 Sam 13,28), Grundversorgung (2 Sam 16,19), Feier (Neh 8,10) und Luxus (Koh 10,19; Weis 2,7; His 14,8). Die Aussage, dass seine Liebe besser als Wein ist, bedeutet: die Liebe Gottes übertrifft alles Geschaffene. ! 5. Der Duft Jesu Jesus ist der Gesalbte (Maschiach). Er trägt die Salbung, die Hoffnung auf Erlösung ist (Jes 61,1). Was Jesus sagte und tat, hatte eine Anziehungskraft, die nicht rational erklärbar war (vgl. sogar Joh 7,46): das trifft auch auf jene zu, die ihm folgen und „riechen“ wie er (2 Kor 2,14-16), den einen Duft, den anderen Todesgeruch. ! 6. Der Name Jesu Der Name Jesu bezeichnet nicht nur eine Person, in ihm in sein Wesen effektiv und präsent (Hebr 1,4; Apg 4,12; Joh 20.31): er ist ausgegossenes Salböl. ! 7. Aktivität und Passivität im geistlichen Leben Das „Zieh mich!“ und das „ich werde laufen!“ sind abwechselnde Realitäten im geistlichen Leben. Die Lehrer des Karmel (Johannes vom Kreuz, Teresa von Avila) betonen die Notwendigkeit, mit geistlicher Aktivität zu starten, doch dann mehr und mehr der Initiative Gottes Raum zu geben.
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