Stellt Blumen in die Fenster

Das Burgtheater Magazin
Burg
Theater
des Jahres
2015
OKT | NOV 15
Stellt
Blumen in
die Fenster
Wer auf der Flucht ist,
ist in Angst.
Árpád Schilling und Éva Zabezsinszkij 200 km
In dieser
Ausgabe
4
Fragen
Ferdinand Schmalz
6
Thema
Stellt Blumen
in die Fenster
Thomas Arzt
9
Premieren
Die Hamletmaschine
Wassa Schelesnowa
Pünktchen und Anton
15
Auslese
Navid Kermani
16
Mehr.Stimmig –
Več.Glasno
18
Benefiz
Matinee
22
Mauerschau
Ukraine
24
Literatur
Thomas Bernhard
28
Antwort
Philipp Blom
30
Service
Liebe Theaterfreundinnen,
liebe Theaterfreunde,
vor 60 Jahren wurde das im 2. Weltkrieg erheblich beschädigte Burgtheater
wiedereröffnet. Angesichts der dramatischen Zuspitzung der Flüchtlings- und
Asylsituation in Europa, beeindruckender Hilfsbereitschaft der Bevölkerung auf
der einen und gefährlicher Hetze auf der anderen Seite, verzichten wir auf einen
Festakt und stellen den 11. Oktober ins Zeichen der Solidarität. Wir müssen und
wollen deutlich aufzeigen, dass wir von der Begegnung mit anderen Kulturen
profitieren. Ensemble und Direktion werden gemeinsam mit Schriftstellerinnen
und Schriftstellern einen Appell an die „europäische Humanität“ (Stefan Zweig)
richten. Der Erlös der Matinee geht zugunsten der Flüchtlingshilfe der Caritas.
Die aktuelle politische Lage schlägt sich auch im ersten Burg Magazin der
Spielzeit nieder, das sich optisch und inhaltlich leicht erneuert präsentiert.
Utopien, positive wie negative, sind ein Schwerpunktthema dieser Ausgabe.
Wir wollen Fragen stellen. An die Gesellschaft. An Sie, das Publikum. An das
Theater. An uns selbst. Während der Zugverkehr zwischen Budapest und
München auf einmal an den Grenzen stoppte (vor wenigen Monaten noch eine
kaum plausible Vorstellung), notierte der Dramatiker Thomas Arzt seine sehr
persönlichen Eindrücke vom Westbahnhof. Der Regisseur Andreas Kriegenburg
befragt Maxim Gorki nach den letzten verbliebenen Utopien. Maja Haderlap
und Willi Resetarits richten den Fokus auf die Kultur der österreichischen
Minderheiten. Und Martin Pollack blickt in der neuen Rubrik „Mauerschau“
auf die weiterhin schwelende Krise in der Ukraine.
„jede unbeantwortete frage vergrößert den sternenhimmel“, schrieb H. C.
Artmann. Am Ende dieses Magazins steht gleichwohl eine Antwort, die wiederum eine Menge neuer Fragen aufwirft. Falls Sie Fragen oder Antworten, Anregungen oder Kritik haben, schreiben Sie uns bitte an [email protected]
Zu Beginn dieser Spielzeit wurde die Burg in der Kritikerumfrage von Theater
heute zum „Theater des Jahres“ gewählt. Diese Ehrung haben wir uns alle –
die Künstler und Mitarbeiter und Sie als Publikum, das dem Haus in stürmischen Zeiten die Treue gehalten hat – gemeinsam verdient. Sie soll uns Ansporn
für die neue Saison sein. Ich freue mich auf die anstehenden Premieren.
Und ich freue mich vor allem darauf, Sie wieder im Burgtheater begrüßen
zu können.
Herzlich,
Ihre Karin Bergmann
FRAGEN
7 Fragen
an Sie, das
Publikum ...
dosenfleisch/
Ferdinand Schmalz
Mit
Frida-Lovisa Hamann
Dorothee Hartinger
Tino Hillebrand
Daniel Jesch
Katharina Ernst (Percussion)
Regie: Carina Riedl
wieder ab Februar 2016
von Ferdinand Schmalz
1. Sind wir schon da?
2. Sind Sie Autolenker
oder Autodenker?
3. Wie müsste ein Satz lauten,
der dieselbe Wirkung wie eine
Massenkarambolage hat?
4. Aus welcher Richtung
kommt der Fahrtwind?
5. Passt Ihr Leben in
eine Konservendose?
6. Was verstecken Sie
im Handschuhfach?
7. Wann brechen Sie
endlich auf?
Ferdinand Schmalz,
geboren 1985 in Graz
und Nachwuchsdramatiker des Jahres
2014, stellt seine Fragen
einfach mal so in den
Raum. Falls Sie dennoch
Antworten haben sollten:
[email protected]
Das neueste SchmalzStück dosenfleisch
können Sie in jedem
Fall ab Februar 2016
wieder im Kasino sehen.
Anschnallen nicht
vergessen.
4
KASINO
Frida-Lovisa Hamann, Katharina Ernst
Thomas Arzt,
1983 in Schlierbach,
Oberösterreich geboren,
schreibt Theaterstücke.
Beim Heidelberger
Stückemarkt 2012 wurde
sein Stück Alpenvorland
mit dem Autorenpreis
ausgezeichnet. Am 11.
September 2015 schrieb
er diesen Text.
THEMA
Stellt
Blumen in
die Fenster
Fragen, am Tag danach: Wie war’s denn, bei denen,
wie war’s denn, am Westbahnhof?
Thomas Arzt
Ist verwelkt, der Strauß, und mit ihm die Schönheit. Hatt ich
besorgt die Schönheit, für meine Frau, das war vor sieben
Tagen. Wollt los und ihr, weil sie‘s so gern hat, wenn was
strahlt, daheim, und blüht, dann diesen Strauß vom Markt am
Tisch im Wohnzimmer platzieren, für uns daheim. Bin rauf,
die Treppen, grad noch auch das Brot vom Markt und frische
Kipferl mit Rosinen, das war der Samstag, 5. September. Hatt
etwa 30 Euro noch bei mir, für die Besorgung, die waren weg,
ein guter Einkauf kostet, weiß ich doch, der kostet, und auch
der Strauß, die Schönheit, so war die Tür dann offen, hallo,
Schatz, es kocht schon der Kaffee, sagt sie. Und dann haben
wir gepackt. Sie hat gesagt, es reicht Kaffee, lass stehen, die
Nachrichten sind gelaufen, lass stehen, ich schau sie an, sie
sagt, lass stehen, es kommen heut Hundert. Vielleicht sind es
Tausend. Wir wissen, und sagen‘s nicht laut, es sind Millionen.
Ich hab ihre Hand gespürt, eine Hand für die Hundert, die
Tausend, wir fühlen es still, es sind Millionen.
Am Bahnsteig vom Westbahnhof, ich halt sie ganz fest, ein
Gefühl, ich könnt sie verlieren, bin eingestellt auf den Sturm.
Ein Ansturm, die Nachrichten sind gelaufen, die Züge sind voll,
die Busse sind voll, die Ohren sind voll, und die Säcke, die
Taschen, Einkaufswagen mit Brot, nicht Kipferl hier mit Rosinen,
das Einfachste halt, und um 30 Euro, da ist sich sehr viel mehr
ausgegangen, als erwartet, wenn wir nur wollen. Ich hör diese
Sätze, wenn wir nur wollen. Ich seh diese Sätze und fühl das
dann auch, als sie aussteigen, sie, wer sind sie? Sind es die
Hundert? Sind es die Tausend? Die Nachrichten, noch immer
sind sie um uns, wir halten uns nicht mehr, denn wir verteilen
die Äpfel, das Wasser und Schokolade, zwei Mädchen freuen
sich. Ihre Mutter weiß erst nicht, ob sie‘s nehmen soll, oder
nicht. Die Bereitschaft zu helfen ist ein ebenso großer Ansturm,
wie die Bedürftigkeit nach Hilfe. Könnt ich denn anderes tun,
als hier jetzt zu weinen, zu klatschen, zu handeln, es reißt mit,
diese Hilfe, und ich hab das Gefühl, ich versteh das alles noch
gar nicht.
Wir stehen in der U-Bahn, die Hände nach unten, bei uns,
die Rucksäcke leer, der Ansturm vorbei, für uns, weil wir fahren
zurück in die Wohnung, wir wissen und sagen es jetzt unter
uns, es sind Millionen, und die Wohnungstür fällt. Ich setz mich,
ich würde die Grenzen ganz öffnen. Und ich weiß, der Satz,
er ist eine Lüge. Welche Grenzen kann ich denn öffnen? Den
gesamten Kontinent? Das Land, in dem ich wohn? Oder doch
nur mein Fenster zur Straße raus, es fahren die Autos,
Menschen am Weg, zur Arbeit, zu Freunden, zu den Familien,
alles hier doch ein gewohntes Bild, und die Nachrichten laufen.
Ich fürchte die Überfremdung, wer hat ihn gesagt, diesen Satz,
ich möchte ihn abtun, er kommt dennoch wieder. Ich stell den
Strauß endlich in seine Vase, geb neues Wasser, die Schönheit,
daheim. Würd gern, dass sie bleibt.
Und doch, ich fürchte das Fremde, und halte dabei ein kleines
Kind, es ist noch kein Jahr. Es ist der Tag danach und unsere
Freunde, unsere Familien, nun haben sie Kinder, wir selbst jetzt
noch nicht, willst du Kinder? Klar will ich Kinder. Und in welcher
Welt? So planst du, das kostet, das weiß ich, so planst du dein
Leben, ich kann es mir leisten. Auch der Plan, er hat seinen
7
Preis. Ich leiste mir Freiheit. Ich leiste mir Arbeit. Ich leiste mir
Lebensversicherung und die Liebe. Was müsst passieren, hier,
bei mir, dass ich ihn aufgeb, den Lebensplan Zukunft, und dass
ich dann auch vielleicht flüchten müsst, ein Fluchtplan statt
Zukunft, ein Leben wie die. Dann kommen die Fragen, am Tag
danach dann, die Fragen: Wie war‘s denn, bei denen, wir war‘s
denn, am Westbahnhof, ich frag mich das selbst. Ist es der
Anblick gewesen, den man erwartet? Wie sehen sie aus?
Wie ist ihre Lage? Und insgesamt auch, wie ist denn die Lage?
Es ist doch ein Ansturm. Es ist doch, ein Schwall, eine Welle,
ein Strom, ein Sog, eine Hoffnung, die Lüge, wer hat sie denn
denen erzählt, diese Lüge, wir haben doch selbst auch genug
unsre Sorgen, ich denk, ja, das stimmt. Und wir trinken Kaffee.
In mir die Unruhe, was kann ich sagen? Ja, sie alle haben auch
Smartphones und ich weiß nicht, wie würdest du aussehen,
nach einer Flucht? Ich weiß doch gar nicht, was ist eine Flucht?
Ich flüchte vor Antworten. Vor Konsequenzen. Wir sollten die
Grenzen verschließen, für unsere Zukunft, die eigene. Ist doch
so, nicht? Die eigene Zukunft, geht die nicht vor? Es laufen
wieder die Nachrichten, die eigenen. Und ich halte das kleine
Kind, noch kein Jahr. Wird es den Krieg hier erleben? Dieses
Wort kommt nun öfter, der Krieg, er war weg, der Krieg, sehr
weit weg, und dann vielleicht in den Bildern, die Toten im Meer,
die Toten im Kampf, die Toten unter Trümmern, jetzt aber auch,
die Toten im Laster, und das war ganz nah, nah jetzt bei uns.
Wie sieht er nun aus, dieser Krieg? Ist er so stark, dass wir
tatsächlich müssen? Ist‘s unsere Schuld, dieser Krieg? Der ist
doch auch wieder nur inszeniert, sind denn alle bedürftig? Sind
denn alle auf Flucht? Müssen denn alle, ich weiß nicht, ich weiß
nicht, ich weiß, was kann ich denn wissen, ich weiß viel zu
wenig. Die Flipflops tragen sie, weil ihre Füße zu geschwollen
sind für die Schuhe, nicht weil sie grad aus dem Urlaub, oder,
ja, keine Ahnung, ich weiß es ja auch nicht. Ich würd mir
verloren vorkommen ohne mein Smartphone. Es ist die
Verortung meines Lebens auf einer Welt, die grad Angst macht.
Wenigstens wissen, wo ich bin. Es ist ihre Waffe. Es ist auch
ihr Schutz. Steigen in Schiffe, in Züge, in Busse, sie fahren
woanders, als sie gesagt, als sie sich drauf geschrieben auch
haben, sie ist eine Lüge, die Verortung in Europa. Wem kannst
du vertrauen? Ich höre die Angst aus den Stimmen von ihnen,
den Hunderten, Tausenden, ich sag es jetzt lauter, es sind
Millionen.
wissen nicht, ob es reicht. Und wir wissen nicht, ob wir‘s
bereuen. Und wir wissen nicht, ob wir ausgenutzt werden.
Und wir wissen nicht, wen die Welt, in der wir leben, schon alles
sonst so in der Welt bereits ausgenutzt hat. Beschämt ist der
Blick, dann offen und freundlich. Dann neugierig, es fragen
die Menschen im Zug, where are you from? What’s your name?
What have you done, in Syria? Can you translate the meaning
of Weltverbesserung. Weltverbundenheit. Weltbewusstsein.
Ich schau auf mein Smartphone, meine Frau schreibt aus
Hamburg, sie ist dort, wegen der Arbeit, ist es die bessere
Arbeit, die uns immer mehr reisen lässt? In andere Länder,
von denen wir erhoffen. Wir hoffen. Die Hoffnung verschlägt
uns herum, weil irgendwo ist sie verloren gegangen, und irgendwo
muss sie doch auftauchen, wär‘s sonst die Hoffnung? Und ich
les die Nachricht am Smartphone, mein Schatz. Auch hier, in
Hamburg, die Züge sind voll, eine Bewegung durch den ganzen
Kontinent. Und bitte, vergiss nicht die Blumen.
Steig aus dann, in Linz, besuche die Familie, mein Vater,
er arbeitet, meine Schwester, sie arbeitet, wir haben uns lang
nicht gesehen. Möcht erzählen von Unruhe, die aufbricht, und
Ohnmacht, die manchmal frustriert, und den Sätzen, die man
sagen sollte, den Sätzen, die man verschweigt, hab die ganze
Woche keinen Satz schreiben können und mich verkühlt, würd
mich verausgaben wollen, fürs Gute, aber, was ist das Gute?
Und bin ich schon längst denn verausgabt, irgendwie bin ich
recht müde und würd gern einfach ins Bett, ist‘s das Wetter?
Die Kälte? Der Ansturm? Wir waren euphorisch am Samstag,
und nüchtern sitze ich heute. Und wir freuen uns endlich über
Kleines, möcht plötzlich vergessen, die Gedanken nach Außen,
wir reden über alles, nur nicht über das. Es tut gut. Darf ich
die Probleme der Welt zu vergessen wünschen?
Und Nachrichten laufen noch immer, mein Smartphone
erzählt von wieder geöffneten, wieder geschlossenen Grenzen,
ich sitze wieder im Zug, nach Haus. Denke an meine Frau, sie
ist unterwegs. Schreibe, ich bin unterwegs. Und ich freu mich,
daheim dann mal anzukommen, zu duschen, die Gedanken mir
abzuwaschen, die Verwirrung der Tage, dann seh ich, daheim,
am Esstisch, den Strauß. Ist verwelkt, der Strauß, und mit ihm
die Schönheit. Und war klar, das Verwelken, ist das Wissen,
das wir haben, vom Verwelken, vom Dahingehen, und vom
Absterben auch, und ich besorg sie dann doch, die Hoffnung
im Strauß, für die paar Tage, in denen es den Anschein hat,
sie wär eine Blütenlandschaft. Meine Heimat.
Gestern bin ich dann auch in den Zug, ich musste nach Linz,
zur Arbeit, zu Freunden, zur Familie, ich war mit am Weg.
Und doch ist‘s nicht ihrer. Ich reise in Freiheit. Haben sie alle
das Recht auf die Freiheit? Ich würd‘s gern so aussprechen wollen,
ja, das wär die Welt. Die freie. Könntest du das unterschreiben?
Der Zug ist ganz voll, die Gesichter ganz müd, die Körper, sie
sind doch voll Schweiß. Ich riech hier den Schweiß, wenn auch
der Anblick ein anderer, tragen auch gute Kleidung, tragen auch
hier ein Lachen, und reden ganz laut, sagt man denen nicht,
hier wird doch nicht laut geredet, das Reden nur kurz. Dann
fährt der Zug und die Müdigkeit nur, bald werden sie schlafen.
Ein Mann fragt mich zweimal, ganz fest, is this the way? To
Germany? To Germany? Is this the way? Ich sage, yes. Are you
sure? Ich sage, yes. Er klopft auf die Schulter. Setzt sich auf
den Platz. Alles ist ruhig, bedächtig, und sorgsam wurden die
Plätze gefüllt, von den Helfern. Seit Tagen wird noch immer
geholfen. Es sind Menschen, die tun grad ihr Bestes. Und wir
Öffnet die Grenzen, hör ich mich sagen, und verbarrikadiert
euch, hör ich mich sagen, und Angst hab ich vor den Kriegen,
hör ich mich sagen, und Lügen erfordern die Wahrheit, hör ich
mich sagen, und Wut ist kein Argument, aber sie ist nun mal da,
hör ich mich sagen, und stellt Blumen in die Fenster. Wenn sie
auch verblühen. Stellt Blumen in die Fenster. Solang, bis wir
endlich nüchtern darüber reden können. Nicht in Angst.
Und nicht in Euphorie. Stellt Blumen in die Fenster. Wir brauchen
neue Gedanken in neuen möglichen Sätzen. Stellt Blumen in
die Fenster. Wir brauchen dafür den Mut, auch andere Gedanken
mal abzureißen und mit ihnen die Worte vom Vorurteil, dem
rechten, wie dem linken, stellt Blumen in die Fenster. Wir stehen
uns selbst im Weg. Ich versuch, neugierig zu bleiben. Auf das,
was kommt. Ich habe die Hoffnung. Stellt Blumen in die Fenster.
8
Die Hamletmaschine/
Heiner Müller
Mit
Ignaz Kirchner
Christoph Radakovits
Marie-Luise Stockinger
Regie: Christina
Tscharyiski
Wenn man ihn
fragte, ob er einem
Bettler etwas geben
würde, blickte Heiner
Müller aus dem Café
hinaus auf die Straße
und antwortete: „Nein,
ich stecke mir eine
extra dicke Zigarre an,
bestelle mir einen
besonders teuren
Whisky und führe ihm
vor, wie gut es den
Reichen geht.
Das wird seinen
Zorn wecken.“
PREMIERE
16. Oktober
Vestibül
Weitere Termine:
18., 24., 27. Oktober
2., 5., 9., 14. November
PREMIERE
Frieden
in Europa
Heiner Müller
Über eine „negative Friedensutopie“
und die Subversion der Kunst
Heiner Müller
Ich möchte ein Unbehagen aussprechen
und eine Frage stellen, auf die ich keine
Antwort weiß: Wenn wir vom Frieden in
Europa reden, reden wir von einem Frieden im Krieg. Krieg auf mindestens drei
Kontinenten. Der Frieden in Europa ist
nie etwas anderes gewesen. So wie der
Faschismus eine weißglühende Episode
in dem vierhundertjährigen kapitalistischen Weltkrieg war, ein geographischer
Lapsus, Genozid in Europa, statt, was
die Norm war und ist, in Südamerika,
Afrika Asien. Wir reden aneinander vorbei, wenn wir auf der Ebene der Macht
miteinander reden. Wir reden aneinander vorbei, wenn wir unsere Differenzen
zudecken, statt sie zu formulieren.
Wenn wir über die gleichen Waffen
reden, reden wir über die gleichen und
über verschiedene Dinge. Rüstung in der
kapitalistischen Welt erhält und schafft
Arbeitsplätze, das Gegenteil muss noch
bewiesen werden. Rüstung in unserer
Welt senkt nicht nur das materielle
Lebensniveau, das beweist sich in unserem Alltag. Auch die Friedensbewegung,
wenn sie sich als blauäugige Einheit
9
versteht, wiederholt das Trauerspiel
der Kinderkreuzzüge. Hinter der Frage
„Krieg oder Frieden“ steht mit der nuklearen Drohung die schrecklichere Frage,
ob noch ein anderer Frieden denkbar
ist als der Frieden der Ausbeutung und
der Korruption. Der Albtraum, dass die
Alternative „Sozialismus oder Barbarei“
abgelöst wird durch die Alternative
„Untergang oder Barbarei“.
Das Ende der Menschheit als Preis für
das Überleben des Planeten. Eine negative Friedensutopie. Ich hätte gern, dass
auch davon gesprochen wird. Ich möchte
noch nicht glauben, dass in dieser Lage
Subversion mehr kann als Diskussion.
Ich rede nicht von der Subversion der
Kunst, die notwendig ist, um die Wirklichkeit unmöglich zu machen. Danke.
Aus dem Protokoll der Berliner Begegnung
zur Friedensförderung 1981 – Müllers kurz
zuvor fertiggestellte Hamletmaschine durfte
in der DDR erst nach der Wende aufgeführt
werden. Zu seinem 20. Todestag inszeniert
Christina Tscharyiski diesen „Höllenwitz auf
Shakespeare“ (Der Spiegel) nun im Vestibül
des Burgtheaters.
Wassa
Schelesnowa/
Maxim Gorki
Mit
Alina Fritsch
Frida-Lovisa Hamann
Sabine Haupt
Tino Hillebrand
Peter Knaack
Dietmar König
Christiane von Poelnitz
Aenne Schwarz
Martin Vischer
Andrea Wenzl
Regie: Andreas
Kriegenburg
PREMIERE
Christiane von Poelnitz
PREMIERE
22. Oktober 2015
Burgtheater
Weitere Termine:
24., 27., 30. Oktober
2., 5., 13., 15.,
29. November
Andreas Kriegenburg,
geboren 1963 in Magdeburg, arbeitet seit vielen
Jahren erfolgreich als
Regisseur und Bühnenbildner. Von 1999 bis
2001 war er Hausregisseur am Burgtheater.
Andreas Kriegenburg
Utopie
Mütter
Mit Gorkis komischer Tragödie Wassa Schelesnowa kehrt der
Regisseur Andreas Kriegenburg ans Burgtheater zurück. Kurz nach
Probenbeginn sprach seine Dramaturgin Eva-Maria Voigtländer mit
ihm über die Mütter als Zeichen der Zukunft, über Systemfehler,
Wodka und die Oktoberrevolution.
EVA-MARIA VOIGTLÄNDER
Maxim Gorki hat zwei Fassungen
von Wassa Schelesnowa geschrieben. Die erste 1910 noch unter
dem Eindruck der ersten, blutig
niedergeschlagenen russischen
Revolution von 1905 und die zweite 1936, lange nach dem Sieg der
Bolschewiki in der Oktoberrevolution. Sie haben sich für die erste
Variante entschieden. Warum?
ANDREAS KRIEGENBURG
Man kann spöttischerweise eigentlich
sagen, über die zweite ist die Zeit hinweggegangen. Es ist so, dass Gorki sehr
beeindruckt war von der Bewegung
der gesellschaftlichen Umwälzung.
Das Motiv taucht auch in der ersten
Fassung auf, die Euphorie, die formuliert wird gegenüber den Aufständen,
dem gesellschaftlichen Großreinema11
chen, und Gorki versucht ja auch in
der zweiten Fassung, die Möglichkeit
der Veränderung dem Niedergang einer
bestimmten Epoche entgegenzusetzen.
Das hat etwas sehr Optimistisches.
Heute haben wir aber erlebt, dass dieses
Aufbrechen in eine neue Zukunft, Aufbrechen in eine andere gesellschaftliche
Alternative nicht funktioniert hat, sondern dass sich eigentlich das System des
Kapitalismus, das System des Marktes,
der Gewinnmaximierung durchgesetzt
hat gegenüber dem vom Konzept her
eigentlich humanistischeren Prinzip
des gemeinsamen Produzierens.
Insofern ist es für uns viel naheliegender, die dunklere, die bösere, vielleicht
sogar zynischere Variante zu spielen,
die fast keinen Ausblick auf eine gesellschaftliche Umwälzung bietet, sondern
die höchstens den Ausblick auf eine
andere Geschlechterwahrnehmung
aufzeigt. Eine Fassung, die damit endet,
dass wir einen schmalen Hoffnungsstreif am Horizont wahrnehmen.
Die Hoffnung, dass die Müttergeneration etwas vernünftiger und auch humaner handelt und sich so tatsächlich
zu einer Kraft zusammenfindet, die das
permanente Zerbrechen von Familie
aufzuhalten schafft. Die Mütter sind ja
die Einzigen, an die sich das Motiv von
Morgen oder das Motiv von Zukunft
noch knüpft.
Wie haben die Zeitumstände,
in denen Gorki seine erste
Wassa geschrieben hat, Einfluss
genommen auf Ihr Konzept?
Wir leben ja in einer Zeit, die eigentlich
bestimmt ist von zwei völlig gegensätzlichen Bewegungen oder Strömungen.
Oder man sollte eher sagen, bestimmt
von Zuständen: der eine Zustand ist die
„Nichtbewegung“, die immer stärker
oder vertrauter werdende Stabilität
eines Systems, fast das Erstarren eines
Systems. Wir leben in einer Zeit, in
Keiner hat mehr
die Vision: in welcher
gesellschaftlichen
Alternative könnte
man denn leben?
der man sich daran gewöhnt hat, dass
unser gegenwärtiges System eigentlich
alternativlos ist. Ein fataler Vorgang,
der, glaube ich, seinesgleichen sucht
in der Geschichte: Keiner hat mehr
die Vision: in welcher gesellschaftlichen
Alternative könnte man denn leben?
Auf der anderen Seite leben wir in einer
Zeit, in der die gesellschaftliche Stabilität, diese lähmende Gewissheit der
Gesellschaft, ohne Alternative zu sein,
in Frage gestellt wird durch die Flüchtlingsbewegung. Das System, das sich
von innen her ganz sicher fühlt, wird
von außen her so vehement infiltriert,
dass es sich neu befragen muss. Neu
befragen nach dem Begriff Humanität,
nach der Bedeutung von Solidarität.
Das sind zwei Zeitphänomene, die im
Moment aufeinander treffen, und ich
erlebe das als Glücksumstand. Wir
rutschen wieder in eine Zeit, in der man
denkt: es kann sich etwas bewegen, mal
sehen, wo es hingeht. Das kann in verschiedene Richtungen gehen. Das kann
auch dazu führen, dass Europa sagt,
jetzt machen wir die Schotten wirklich
dicht, jetzt müssen wir die Zäune
wieder hochziehen, jetzt müssen wir
die Tore wieder schließen. Oder es
kann sein, dass Europa tatsächlich
ein neues Selbstverständnis gewinnt –
sowohl nach innen, was die Fähigkeit zu Hilfe, zu Liebe, zu Solidarität
betrifft, als auch nach außen, was
die Verantwortung betrifft gegenüber
den eigenen Taten und der eigenen
Mitschuld. Schuld an den Konflikten,
die diese Flüchtlingsströme auslösen.
Ich betrachte es als einen wirklich ergreifenden Moment, dass die Waffenlieferungen aus Deutschland tatsächlich
Tagesgespräch werden können.
„Handelsbeziehungen“, die über Jahrzehnte auch einen Teil der europäischen
oder der deutschen Wirtschafts- und
Exportmacht ausgemacht haben, über
die man immer zynisch hinweggegangen ist bei der eigenen Wirklichkeitswahrnehmung und -beschreibung,
„wuchern“ plötzlich in die Küchenund Alltagsgespräche hinein.
Wir haben jetzt über die Systeme gesprochen. Wie prägt ein
System das Menschenbild? Was
sind diese Gorkischen Menschen
für Menschen im Unterschied zu
den Personen seines Zeitgenossen
und Schriftstellerfreundes Anton
Tschechow? Und wie binden
Sie dieses Menschenbild an
unser heutiges an?
Das Faszinierende an dem Stück
Wassa Schelesnowa ist, dass es ja nicht
daherkommt wie eine direkt und platt
formulierte Kapitalismuskritik, sondern
es ist ja demgegenüber fast spannender
zu beobachten, wie Gorki ein Familiengefüge beschreibt, ein Familiengefüge,
welches entstanden ist in den Zwängen
eines ganz bestimmten Systems und
welches, diesen Zwängen folgend, so
nach und nach moralische Kategorien
eingebüßt hat. Völlig dahingestellt, wie
12
freiwillig oder wie erzwungen das war,
aber wir beobachten, dass die einzelnen Figuren innerhalb der Familie an
einen Punkt kommen, wo sie für sich
Ungeahntes formulieren. Momente,
in denen sie darüber nachdenken, wie
man Familienmitglieder über die Klinge
springen lassen, umbringen kann.
Natürlich diktiert vom System, aber
gleichzeitig auch innerhalb dieses
Gefängnisses Familie, also auch gefangen in der gegenseitigen Verantwortung
und – für die Figur der Wassa gilt
Wir haben einen
Samowar. Wir haben
Teetassen. Wir haben
die Wodkaflasche.
das besonders stark – gefangen in
der Enttäuschung, was „aus ihr kam“
und ihr Erbe sein wird. Das ist ja das
Faszinierende, dass wir nicht so sehr
mit der Analyse eines Systems konfrontiert werden, sondern mit einer ganz,
ganz berührenden Familiengeschichte:
Wie eine Dynastie vergeht.
Sie haben mit den Schauspielern
über „zwei Ebenen von Realismus“ in dieser Inszenierung
gesprochen, einmal die „Bühnenrealität“ und einmal das „Psychogramm einer Familie“. Wie gehen
Sie mit diesen Ebenen um?
Es gibt tatsächlich für mich als
Arbeitsansatz diese zwei gleichberechtigten Ebenen. Auf der einen Seite
haben wir eine weitgehend stilisierte
Bühne. Wir haben natürlich lauter Versatzstücke eines historischen Bezuges
– oder auch des Ambientes: Wir haben
einen Samowar. Wir haben Teetassen.
Wir haben die Wodkaflasche.
Wir haben Figuren, die historisch
kostümiert sind oder „in ihre Zeit hinein“ kostümiert sind, und haben aber
gleichzeitig keine Abbildung von Großbürgerwohnung. Es gibt keine Wände,
keine Begrenzung, sondern diese
fliegende, schwebende, schwankende,
instabile Fläche, eigentlich eine
Art Bretteltheater. Eine Brettelbühne auf der Bühne und dadurch einen
theatralisierten Zugang zur Geschichte.
Gleichzeitig sagen wir aber, wir zeigen
ein sehr intimes Kammerspiel mit nicht
einmal einem Anflug von Ironie der
Figuren. Wir möchten Figuren von
einer sehr, sehr hohen Authentizität
auf der Bühne zeigen. Figuren, die sich
nicht selber noch einmal reflektieren.
Die Schauspieler reflektieren nicht die
Bühne, sondern bleiben tatsächlich
auch in der Bühnenrealität gefangen.
Sie haben von den Müttern
gesprochen, von den Müttern,
die für Sie das Utopische sind.
Was sind denn für Sie die Bindekräfte in dieser Familie?
Es sind diese zwei zueinanderstrebenden oder meinetwegen auch
auseinanderstrebenden Zeiten, die
Gegenwart und die Zukunft. Es gibt
eine unglaublich schöne, unglaublich
sinnige Formulierung. Als Heiner
Müller gefragt wurde, wie er den
Unterschied zwischen DDR und BRD
beschreiben würde, also zwischen dem
Ostsystem und dem Westsystem, sagte
er: „Der Osten bestand nur aus Vergangenheit und Zukunft, weil das System
sich darüber rechtfertigte zu sagen, wir
kommen daher, aus der antifaschistischen Bewegung, und mit dem Schicksal, welches Ihr jetzt erleiden müsst,
erkauft Ihr die rosige Zukunft für
Eure Kinder.“ Dem gegenüber:
Der Westen besteht nur aus Gegenwart.
Das ist das Dilemma, in dem sich auch
diese Figur Wassa befindet, dass sie
quasi von der Gegenwart annektiert ist.
Sie muss immer reagieren auf das, was
jetzt als Allernächstes passiert. Es fällt
ihr unglaublich schwer, weil sie nicht
genügend Material hat, eine Ahnung
aufzubauen, was von ihr bleiben wird,
was
ihre Zukunft sein wird. Das Muttermotiv ist aber: zu gebären, zu schaffen,
sich fortzusetzen, in die Zukunft zu
investieren. Das ist ja das große Motiv
ihrer Schwiegertochter, mit der sie zusammen den Garten bewirtschaftet.
Der Garten als das Motiv der Zukunft,
des Werdens, der Pflege, der Hege.
Das ist das Dilemma, in dem Wassa
lebt, dass sie in ihren Söhnen keinerlei
Investition für die Zukunft spürt und
dass die Söhne tatsächlich auch völlig
Menschen ihrer Zeit sind, Menschen,
die sich überhaupt nicht dafür interessieren, was aus der Firma, was aus
der Familie werden wird. Söhne, die
sich völlig aus den Traditionslinien
herausnehmen und in einer für uns
ganz bekannten Egomanie sagen, erst
einmal muss ich mich verwirklichen,
Trailer
Maxim Gorki
Wassa
Schelesnowa
Gewissen
2 Geld
3 Krankheit
4 Betrug
5 Schulden
6 Mutterliebe
7 Arbeit
8 Erbschaft
9 Kindsmord
10 Freiheit
1
10 Wörter –
Ein Stück
und wer dabei über die Klinge
springt, ist mir eigentlich egal. Da
gibt es einen tiefen Schnitt zwischen
den Geschlechtern. Also, wir haben ja
tatsächlich drei Mütter, die in ihrem
Muttersein immer wieder auch angegriffen werden – entweder sterben
die Kinder oder sie sind missraten
oder verkrüppelt – und die aber mit
ungeheurer Konsequenz und Kraft
danach drängen, eigentlich diese
Mutterrolle sowohl im menschlichen
als auch gesellschaftlichen Sinne
für sich einzulösen.
13
Dann wären diese Gorkischen
Mütterfiguren im Grunde
„utopiefähiger“ als z. B.
Tschechow-Figuren?
Ja, die Tschechow-Figuren – Tschechow ist ja nach meinem Erlebnis in
der Beschreibung des Unterganges viel
genauer, aber bleibt darin auch verhaftet. Gorki ist ja böser, gröber, aber auch
analytischer, wohingegen Tschechow,
denke ich mal, noch blickgenauer ist.
Eine letzte Frage, die sich
schon bei der ersten Lektüre
einstellt, aber umso deutlicher,
je mehr man den Probenfortgang beobachtet: „Ist es eine
Tragödie? Ist es eine Komödie?“
Es ist eine Tragödie mit sehr, sehr
komischen Zügen. Wobei, es auch nicht
wirklich eine Tragödie ist, weil es letztendlich ja ein öffnendes Ende gibt.
Es ist ein Drama. Und da es von
unglaublich vielen „Gefangenheiten“
und der Verweigerung von Freiheit
„Ist es eine
Tragödie? Ist es
eine Komödie?“
handelt, ist es auch ein sehr bedrückendes, bedrängendes Drama. Aber es
hat – und darin findet sich die Qualität
von Gorkis Beobachtungsgenauigkeit –
es hat ja auch sehr, sehr komödiantische Züge. Wenn man in jede Familie
hineinfokussiert, kann man ab einem
bestimmten Beobachtungsabstand
immer auch darüber lachen, wie Vater
und Mutter einander anschreien und
die Kinder die Köpfe einziehen und ihr
Süppchen kochen. Und man entdeckt,
dass man auch mit großer Vergnügtheit
und tatsächlich auch mit einer Heiterkeit den Abend begleiten kann.
Pünktchen
und Anton/
Erich Kästner
Familienstück
ab 7 Jahren
Mit Brigitta Furgler
Dirk Nocker
Robert Reinagl
Sylvie Rohrer
Martin Schwab
Dunja Sowinetz
Adina Vetter
und den Kindern
Fiona-Alexia Fock/
Cilli Raftl/Zoe Raftl,
Noah Fida/Florian Klingler,
Peter Medek/Merlin Miglinci u.a.
Regie: Cornelia Rainer
PREMIERE
7. November
Kasino
Weitere Termine:
9., 14., 15., 19.,
23., 24. November
Schulvorstellungen:
16., 20., 24. November
PREMIERE
Liebe Kinder,
da sitzt ihr nun, alphabetisch oder
nach der Größe sortiert, zum erstenmal
auf diesen harten Bänken.
Euch ist bänglich zumute, und man
kann nicht sagen, daß euer Instinkt
tröge. Eure Stunde X hat geschlagen.
Das Leben nach der Uhr beginnt, und
es wird erst mit dem Leben selber aufhören. Früchtchen seid ihr, und Spalierobst müßt ihr werden! Aufgeweckt wart
ihr bis heute, und einwecken wird man
euch ab morgen!
Hat es den geringsten Sinn, euch auf
einen solchen Weg Ratschläge mitzugeben? Laßt es mich immerhin versuchen,
denn ich habe nie vergessen, wie mir
zumute war, als ich selber zum erstenmal in der Schule saß. Damit wären wir
schon beim wichtigsten Rat angelangt:
Laßt euch die Kindheit nicht austreiben!
Schaut, die meisten Menschen legen
ihre Kindheit ab wie einen alten Hut.
Sie vergessen sie wie eine Telefonnummer, die nicht mehr gilt. Ihr Leben
kommt ihnen vor wie eine Dauerwurst,
die sie allmählich aufessen, und was
gegessen worden ist, existiert nicht
mehr. Aber müßte man nicht in seinem
Leben wie in einem Hause treppauf
und treppab gehen können? Was soll
die schönste erste Etage ohne das Erdgeschoß mit der knarrenden Haustür
und der scheppernden Klingel? Nun
– die meisten leben so! Sie stehen auf
der obersten Stufe, ohne Treppe
und ohne Haus, und machen sich
wichtig. Früher waren sie Kinder,
dann wurden sie Erwachsene,
aber was sind sie nun? Nur wer
erwachsen wird und Kind bleibt,
ist ein Mensch! Haltet das Katheder
weder für einen Thron noch für eine
Kanzel! Der Lehrer ist kein Schulwebel und kein lieber Gott. Er weiß
nicht alles, und er kann nicht alles
wissen. Wenn er trotzdem allwissend
tut, so seht es ihm nach, aber glaubt
es ihm nicht! Gibt er hingegen zu,
daß er nicht alles weiß, dann liebt ihn!
Denn dann verdient er eure Liebe.
Und da er im übrigen nicht eben
viel verdient, wird er sich über
eure Zuneigung von Herzen freuen.
Nehmt auf diejenigen Rücksicht,
die auf euch Rücksicht nehmen!
Das klingt selbstverständlicher, als
es ist. Und es gelingt nicht immer.
Doch man muß es stets von neuem
versuchen. Seid nicht zu fleißig! Bei
diesem Ratschlag müssen die Faulen
weghören. Er gilt nur für die Fleißigen,
aber für sie ist er sehr wichtig. Das
Leben besteht nicht nur aus Schularbeiten. Der Mensch soll lernen,
nur die Ochsen büffeln. Der Kopf
ist nicht der einzige Körperteil.
Man muß nämlich auch springen,
turnen, tanzen und singen können.
Erich Kästner: Ansprache zum
Schulbeginn
14
Erich Kästner im Alter von acht Jahren. Er war „der
beste Schüler und der bravste Sohn“, so sagte er später
von sich, „ein patentierter Musterknabe“.
AUSLE SE
Jemand, der sich in Gott
versenkt, ist nun mal
keine Zeitungsmeldung.
Der Blick
auf das Fremde
Der vielfach ausgezeichnete Islamwissenschaftler und Autor
Navid Kermani versenkt sich in seinem neuen Buch in die christliche
Bilderwelt – und verspürt „Ungläubiges Staunen“ – eine Auslese.
Was Navid Kermani als
Nicht-Christ am Christentum
bewundert:
Ganz eindeutig ist es das Moment der
Feindesliebe, das ist ein revolutionärer
Gedanke gewesen, der ja auch in
andere Religionen Eingang gefunden
hat. Ein Gedanke, den Sie im Islam
ganz dezidiert finden, innerhalb des
sufischen Islams speziell, auch im
Koran übrigens. Was die Sufis gesehen
haben am Christentum, war vor allem
dieses Moment der Liebe, die über
das eigene Kollektiv hinausgeht.
Navid Kermani
Navid Kermani
Ungläubiges
Staunen
Buchpräsentation
und anschließendes
Gespräch mit Navid
Kermani und Stefan
Gmünder
In Zusammenarbeit mit
dem C.H. Beck Verlag
AKADEMIETHEATER
4. November, 20 Uhr
Ein Beispiel dafür, wie er
mit den Kirchen in Berührung
gekommen ist:
Da ist dieses Bild des iranischen Großvaters, der 1963 die Familie in Deutschland besucht und zu den Gebetszeiten
sein Gebet einhalten muss – und er
sucht immer eine Kirche. Und er betet
immer in der Kirche. Er hat seinen
kleinen Teppich dabei, und er betet.
Er hatte 1963 offenbar nirgends ein
Problem. Er konnte sehr gut Französisch. Man sah ihn dann oft noch
schwatzen mit dem Pfarrer oder mit
einer Nonne beim Herausgehen. Weder
der Pfarrer, noch die Nonne, noch der
Mönch, noch mein Großvater fanden
das irgendwie bemerkenswert. Das war
vollkommen normal, dass man mit seinem muslimischen Gebetsteppich auch
in einer Kirche in einer Ecke betete.
15
Wenn christliche Intellektuelle
sich in islamische Mystik
vertiefen würden:
Das sieht man auch an Goethe. In der
Art und Weise, wie Goethe sich in die
islamische Mystik versenkt und einige
der wunderschönsten Gedichte der
Weltliteratur hervorgebracht hat –
das ist ein sehr bereichernder Vorgang, sich auf das Fremde einzulassen,
einerseits weil einem Dinge auffallen,
die man innerhalb der Kultur gar nicht
sieht, weil sie so selbstverständlich
sind, und weil man durch den Blick
auf das Fremde immer wieder sich
selbst neu kennenlernt.
Die mediale Öffentlichkeit
beschäftigt sich eher mit
Salafisten als mit Mystikern:
Ja – weil die Dschihadisten Bomben
legen. Das ist nun mal medial im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Jemand,
der sich in Gott versenkt, ist nun mal
keine Zeitungsmeldung. Aber natürlich haben wir als Schriftsteller und
Wissenschaftler auch die Aufgabe, das
Ganze zu sehen und nicht nur auf die
Zeitungsmeldung zu schauen, sondern
sie in unsere Schriften und Beobachtungen einzuordnen.
Engel des Vergessens/
Maja Haderlap
Mit
Gregor Bloéb
Sven Dolinski
Alina Fritsch
Sabine Haupt
Alexandra Henkel
Michael Masula
Rudolf Melichar
André Meyer
Petra Morzé
Elisabeth Orth
Matthias Jakisic
(Musiker)
Andreas Radovan
(Musiker)
Regie: Georg
Schmiedleitner
9., 17., 18.,
23., 26. Oktober
8., 10., 16.,
19., 22. November
AKADEMIE
Gregor Bloéb, Alina Fritsch, Elisabeth Orth, Alexandra Henkel
Vielstimmiges
Österreich
BasBariTenori
Mehr .Stimmig –
Več .Glasno
Über die Ursprünge des Singens und
lange verdrängte kulturelle Traditionen
Mit Willi Resetarits
und Maja Haderlap
sowie den Chören
„Danica“ und „BasBariTenori“
Lange war sich in Österreich kaum jemand der Mehrsprachigkeit des Landes bewusst. Die bloße Existenz der österreichischen
Volksgruppen rückte lediglich dann in den Fokus der Öffentlichkeit, wenn es wieder mal um die Aufstellung oder leider auch:
die Entfernung zweisprachiger Ortstafeln in Kärnten und im
Burgenland ging. Anlässlich der Dramatisierung von Engel des
Vergessens, ihrem Erfolgsroman über die Geschichte der Kärntner Slowenen, haben wir Maja Haderlap eingeladen, einen Abend
über eine beinahe vergessene kulturelle Tradition zu gestalten.
AKADEMIETHEATER
25. Oktober, 19 Uhr
Maja Haderlap und ihr Gast Willi Resetarits werden gemeinsam
mit dem Gemischten Chor „Danica“/Mešani pevski zbor „Danica“
aus Kärnten und der A-cappella-Formation „BasBariTenori“ aus
dem Burgenland über ihre sehr persönlichen Zugänge zur slowenischen beziehungsweise kroatischen Gesangstradition erzählen.
Am Vorabend des österreichischen Nationalfeiertags möchten wir
ins Bewusstsein rufen, dass das kulturelle Gesicht dieses Landes
ein mehrsprachiges, ein vielstimmiges ist, auch wenn man dies
lange verdrängen und übersehen wollte.
Mehr. Stimmig/Več.Glasno ist ein Abend über die Ursprünge
und Anlässe des Singens – und zweifellos auch ein Anlass zum
Singen – im Akademietheater.
17
Burgtheater
1776 – 1955 – 2015
Benefizmatinee
für Flüchtlinge
Mit Elisabeth Augustin
Klaus Maria Brandauer
Maria Happel
Dorothee Hartinger
Josef Haslinger
Sabine Haupt
Philipp Hauß
Mavie Hörbiger
Daniel Jesch
Johannes Krisch
Katharina Lorenz
Birgit Minichmayr
Nicholas Ofczarek
Elisabeth Orth
Christiane von Poelnitz
Julya Rabinowich
Martin Schwab
und den Musikern
Mohanad Akkash
Hadil Mirkhan
Mohamad Fityan
sowie Wladigeroff
Brothers u.a.
BURGTHEATER
11. Oktober, 11 Uhr
Ab ca. 13 Uhr finden im
Vestibül und im Pausenfoyer weitere Lesungen
zum Thema statt.
Wien, Burgtheater 1955
Aleppo 2015
BENEFIZ
Wie kann
ein Mensch
illegal sein?
„Der Fortgang unserer Ziele ist unaufhaltsam, ach, wären wir bloß schon
dort, wo die Ziele sind! Bis dahin werden die Ziele weitergegangen sein als
wir, Sie werden es erleben, wir leider
auch. Das Ziel wird dort sein, wo wir
nicht mehr über uns selbst hinausgehen müssen, wo es sich selbst findet
und der Begriff Deutschland dem Ziel
Deutschland entspricht und der Begriff
Schweden dem Ziel Schweden. Unser
Fortgang dorthin ist unaufhaltsam,
da können Sie kontrollieren, soviel Sie
wollen, es wird sich immer auf unser
natürliches Leben beschränken, und
mehr können Sie nicht kontrollieren.
Wenn wir in den Tod hinausgerissen
werden, können Sie es nicht mehr
beeinflussen. Dazu sind Sie zu beschränkt, ja, und da ist schon wieder so
ein Schranken. Wir steigen oben drüber
oder kriechen unten durch, und weiter
gehts, das Hinausgehen über den
Schranken, schon haben wir ihn hinter
uns, und die Leere endigt, oder eine
neue beginnt. Wir werden ja sehn.“
Aus: Elfriede Jelinek
Die Schutzbefohlenen: Appendix
19
Vor 60 Jahren, am 14. Oktober 1955,
wurde das im Zweiten Weltkrieg stark
beschädigte Burgtheater feierlich
wiedereröffnet. Anstelle eines Festakts werden Ensemble und Direktion
gemeinsam mit Schrifstellerinnen
und Schriftstellern im Rahmen
einer Benefiz-Matinee einen Appell
an die „europäische Humanität“
(Stefan Zweig) richten.
Es wird syrische Musik und Lesungen
aus verschiedensten Texten geben –
unter anderem aus Elfriede Jelineks
jüngst publiziertem „Appendix“
zu den Schutzbefohlenen.
Michael Thalheimers Inszenierung
dieses heute fast prophetisch
anmutenden Stücks kehrt zudem
am 10. Oktober auf die Burg-Bühne
zurück. Im Anschluss an jede
Vorstellung sammeln wir weiterhin
für die Flüchtlingshilfe der Caritas.
Eine Sonderausgabe des Burg
Magazins zum 60. Jahrestag der
Wiedereröffnung nach dem Zweiten
Weltkrieg mit einer Festschrift von
Hilde Haider-Pregler liegt ab dem
11. Oktober gratis in allen Foyers auf.
Der Revisor/
Nikolai Gogol
Mit
Franz J. Csencsits
Brigitta Furgler
Maria Happel
Maria Lisa Huber
Dietmar König
Fabian Krüger
Dörte Lyssewski
Michael Maertens
Dirk Nocker
Johann Adam Oest
Martin Reinke
Falk Rockstroh
Hermann Scheidleder
Oliver Stokowski
Liliane Zillner
u.a.
Regie: Alvis Hermanis
9., 23., 26. Oktober
8., 22., 26. November
BURG
Dirk Nocker, Franz J. Csencsits, Hermann Scheidleder, Johann Adam Oest, Michael Maertens. Martin Reinke, Falk Rockstroh, Dietmar König
MAUERSCHAU
Was liegt der Krise um
die Ukraine zugrunde?
Wie reagieren die Menschen auf den ungeheuren Druck von außen,
aber auch von innen?
Um Antworten auf
diese Fragen zu erhalten,
haben wir zwei hervorragende ukrainische
Intellektuelle eingeladen: die Künstlerin und
Schriftstellerin Yevgenia
Belorusets bereist immer
wieder den Osten des
Landes, um mit den
Menschen zu sprechen
und sie zu porträtieren.
Mit ihren Fotos aus dem
umkämpften Donbas hat
sie heuer bei der Kunstbiennale in Venedig für
Aufsehen gesorgt – eines
der Bilder sehen Sie auf
dieser Seite.
Yaroslav Hrytsak ist
einer der führenden
ukrainischen Historiker
und Publizisten.
Grenzgänger
Grenzdenker –
Die Krise um
die Ukraine:
Auswirkungen
und Ausblicke
Yevgenia Belorusets
und Yaroslav Hrytsak
im Gespräch mit
Martin Pollack
Wir
müssen
in der
Wahrheit
leben
Martin Pollack über die Krise in der Ukraine
22
Es lesen Sabine Haupt
und Philipp Hauß.
In Kooperation
mit ERSTE Stiftung
und Die Presse
KASINO
8. Oktober, 20 Uhr
Zeiten der Krise und des Krieges sind
immer eine Herausforderung für die
Literatur. Wir – als Intellektuelle, als
Schriftsteller – müssen eine Entscheidung treffen. Es gibt zwei Möglichkeiten.
Die erste scheint einfach und simpel.
Wir können unsere Augen und Ohren
verschließen, wegschauen und so tun,
als wäre alles nicht so schlimm. Wir
könnten vorspiegeln, dass eine Aggression keine Aggression ist, eine Invasion
keine Invasion. Ich nenne das die Option
der Politiker, denn das ist genau das, was
viele westliche Politiker im Moment tun.
Sie ziehen es vor, die Dinge so zu sehen,
wie sie sie sehen wollen. Das nennt man
Wunschdenken. Aggression und Invasion sind so hässliche Worte und, was
noch wichtiger ist, sie sind schlecht fürs
Geschäft. Daher versuchen sie diese
schmutzigen Worte zu vermeiden, denn
sie zu gebrauchen, würde andere Leute
verärgern, unter anderem den Präsidenten eines großen, wichtigen Landes. Er
beharrt darauf, dass es von seiner Seite
keine Aggression gibt, dass er nie einen
einzigen Soldaten über die Grenze geschickt hat, geschweige denn Panzer, Raketen, Waffen. Sehr viele Politiker ziehen
es vor, ihm zu glauben – oder zumindest
so zu tun. Es wäre schließlich unhöflich,
ihn einen Lügner zu nennen – und es
wäre schlecht, sehr schlecht fürs Geschäft. Und das Geschäft ist, wie wir alle
wissen, sehr wichtig. So einfach ist das. Aus diesem Grunde reagieren so viele
unserer Politiker auf die fortlaufende
Krise, indem sie es vermeiden, das
Offensichtliche beim Namen zu nennen,
indem sie sich nach hinten verbiegen,
drehen und krümmen, um nur ja nicht
zu sehen, was wirklich passiert. Wenn
man sie über die Geschehnisse in der
Ukraine sprechen hört, ist man überrascht, wie viele Möglichkeiten die deutsche Sprache bietet, um die Erwähnung
der Worte Aggression und Invasion zu
vermeiden. Ich komme aus Österreich,
also weiß ich, wovon ich rede. Unsere
Politiker sind ein schändliches Beispiel
für diese Doppelzüngigkeit und dieses
geistige Drehen und Winden.
Wir, als Schriftsteller jedoch, dürfen
diesem Beispiel nicht folgen, es ist uns
nicht erlaubt zu lügen und die Worte zu
verdrehen, bis sie ihre Bedeutung verlieren. Wir müssen die Wahrheit sagen;
ansonsten verlieren wir unsere Würde
und den Grund unseres Seins. Wenn
Literatur anfängt zu lügen, hört sie auf,
23
als Literatur zu existieren und wird zur
Propaganda. Und Propagandaliteratur
ist wertlos, sie ist Schund oder Schlimmeres. Wir dürfen daher nicht teilnehmen an diesem Wettbewerb des Lügens
und Betrügens. Wir müssen unsere
Stimmen erheben, wir müssen schreiben
(und übersetzen) und die Wahrheit
sagen. Wir müssen in der Wahrheit
leben, wie Václav Havel gesagt hat,
und für uns bedeutet das, dass wir die
Wahrheit schreiben müssen.
Es wäre freilich leichter zu schweigen,
in unsere sicheren, bequemen Länder
zurückzukehren und alles zurückzulassen, das Elend und die Aggression und
die Lügen der Propaganda. Aber wir
schulden es unseren Freunden in dieser
Stadt, in diesem Land, nicht zu schweigen. Wir schulden Euch unsere Freundschaft, unsere Solidarität und unsere
Hilfe. Wann, wenn nicht in Zeiten wie
diesen? Und wir sind uns dessen bewusst, dass wir damit in unserem eigenen Interesse handeln. Denn wir wissen,
was auf dem Spiel steht. Nicht nur die
Integrität der Ukraine, nein, unsere eigene Zukunft steht auf dem Spiel, und die
Zukunft Europas. Denn in diesem Konflikt geht es um Europa, um die Seele
unseres Kontinents.
LITERATUR
Thomas
Bernhard –
Eine Biografie
Es lesen Kirsten Dene
und Ignaz Kirchner.
Im Anschluss Gespräch
mit Autor Manfred
Mittermayer und
Hermann Beil
Moderation: Katja Gasser
In Zusammenarbeit mit
dem Residenz Verlag
BURGTHEATER
20. Oktober, 17.30 Uhr
Thomas
Bernhard auf
10.324 Seiten
Präsentation der Thomas
Bernhard-Werkausgabe
Es lesen
Mavie Hörbiger
Dörte Lyssewski
Michael Maertens
Claus Peymann
In Zusammenarbeit mit
dem Suhrkamp Verlag
AKADEMIETHEATER
28. November, 20 Uhr
24
Das Werk
Auf der Erde und in der Hölle: Thomas Bernhard komplett
Der Herbst steht einmal mehr im
Zeichen des Übertreibungskünstlers
und Geschichtenzerstörers, des Weltliteraten Thomas Bernhard. Gemeinsam
mit dem Autor Manfred Mittermayer
werden die Bernhard-Weggefährten
Kirsten Dene, Ignaz Kirchner und
Hermann Beil die im Residenz Verlag
erschienene neue Biografie des
Heldenplatz-Dichters präsentieren,
in der dessen wesentliche Prosatexte
und Dramen in Bezug zu einem –
untrennbar mit der Nachkriegsgeschichte verwobenen – Lebenswerk gesetzt
werden: eine große Erzählung, die von
Bernhards „Herkunftskomplex“ bis zu
seinem viel zu frühen Tod nach jahrelanger Krankheit reicht.
Im November erscheinen zudem endlich
die letzten von 10.324 Seiten – die vom
Suhrkamp Verlag herausgegebene
Bernhard-Werkausgabe in 22 Bänden
ist damit vollendet. Anlässlich der Buchpräsentation bitten wir Sie, liebes Publikum, um Vorschläge: welche BernhardTexte würden Sie gerne hören? Die
Titel mit den meisten Stimmen werden
im Akademietheater von Ensemblemitgliedern gelesen. Wünsche bitte an:
[email protected]
Als kleine Orientierungshilfe
hier eine unvollständige, durch
und durch subjektive Liste mit
zehn Favoriten der Redaktion –
naturgemäß können Sie aber
auch jeden anderen BernhardText vorschlagen.
1. Die Ursache,
Der Keller, Der Atem,
Die Kälte, Ein Kind
Wie man der wurde, der man ist.
Die fünf grundlegenden, autobiografisch
geprägten Texte Bernhards finden
sich in der Werkausgabe erstmals
in einem Band versammelt.
2. Amras
Zwei Brüder, ein Turm und die
„Tiroler Epilepsie“.
3. Ritter, Dene, Voss
„Intelligente Schauspieler“
(Notiz von T. B., Juni 1984)
8. Viktor Halbnarr
„Ein Wintermärchen nicht nur für
Kinder“: Viktor Halbnarr wettet mit
dem Mühlenbesitzer, dass er trotz
seiner Holzbeine in einer Stunde durch
den Schnee von Traich nach Föding
bis zur Kirche laufen könne.
9. Der Stimmenimitator
104 Miniaturen. Jeder Satz weist mindestens einmal ein „naturgemäß“ auf.
10. Holzfällen
Es hat immer Lieblingsschauspieler
gegeben, aber niemals einen Lieblingsburgtheaterdirektor.
4. Alte Meister
Tintoretto im Kunsthistorischen
Museum, der Hass auf die Menschen –
und die Menschen als einziger
Lebenszweck.
Ambiente Qualität Service
www.leporello.at
5. Der Untergeher
„Kein spontaner Akt der Verzweiflung“.
Glenn Gould oder nicht Glenn Gould?
6. Das Kalkwerk
Wer ungestört eine Studie über das
menschliche Gehör verfassen möchte,
zieht am Besten gemeinsam mit seiner
Frau in ein altes, abgeschiedenes
Kalkwerk.
7. Heldenplatz
Zum 100-jährigen Eröffnungsjubiläum der Burg am Ring – und
zum 50. Jahrestags des „Anschlusses“.
25
W
er jetzt kein BernhardBuch hat, kauft sich
keines mehr ... Oder
doch? Die Leporello-Buchhandlung im Burgtheater ist immer
eine Stunde vor Vorstellungsbeginn geöffnet und bietet neben
einer großen Auswahl aus Bernhards Werk auch allerlei anderes
Erlesenes.
NICHT VERSÄUMEN
Ein Schlafplatz
für Mutter und Kind
Der Mann ohne
Eigenschaften
Robert Musil
in Fortsetzungen
gelesen von Ignaz
Kirchner
Benefizabend zugunsten der Caritas.
Dorothee Hartinger spielt Die Wand.
Im Anschluss Podiumsdiskussion
Kasino, 12.10., 19 Uhr
Mit dem Besuch dieser Veranstaltung
zum Preis von € 25,- unterstützen Sie
die Mutter-Kind-Projekte der Caritas.
Zudem können Sie mit einer Spende
von € 33,- einer obdachlosen Mutter
und ihren Kindern eine Nacht im
Mutter-Kind-Haus schenken.
Auch in dieser Spielzeit liest Ignaz
Kirchner (in der Regel jeden 1. Sonntag
im Monat) aus einem der Meisterwerke
der europäischen Literatur.
Burgtheater Blaues Foyer,
1.11. 11 Uhr
Alvis Hermanis’ Erfolgsinszenierung
Platonov wird am 25. November im
Akademietheater wiederaufgenommen.
Ach, diese Lücke,
diese entsetzliche Lücke
von und mit
Joachim Meyerhoff
Dorothee Hartinger
Junge Burg
VorstellBar
Buchpremiere
Von einem, der auszog, Schauspieler
zu werden – und bei den Großeltern
einzieht. Auch im dritten Roman von
Joachim Meyerhoff verbinden sich
Komik und Tragik zu einem fulminanten
Vergnügen.
Akademietheater, 12.11., 20 Uhr
Zum ersten Mal in dieser Saison
zum Thema Flucht-Gedanken:
Die Open Stage für Mutige ab 16
Jahren. Theater spielen, zaubern,
tanzen, singen, slammen, performen
oder ein anderes außergewöhnliches
Talent zum Besten geben und das in
10 Minuten. Alle anderen sind als
Zuschauer herzlich willkommen!
Kasino, 28. November, 20.30 Uhr
Anmeldungen für Beiträge:
[email protected]
+43 676 8996 5996
Auch Spontanbeiträge sind möglich.
Vergabe der Eintrittsbänder zu
€ 7,50 ab 19 Uhr, Einlass ab 20 Uhr
Ignaz Kirchner
Kasino Matinee
Haide Tenner
im Gespräch mit
Karin Bergmann
Theater als Expedition ins
Unbekannte
Was war, was kommt noch in dieser
Saison, und wo steht das Theater
zwischen Vergangenheit und Utopie?
Fragen an Direktorin Karin Bergmann
zum Programm des „Theater des
Jahres 2015“.
Kasino, 8.11., 11 Uhr
Joachim Meyerhoff
26
Unsere neuen
Serviceangebote für Sie
Burgsonntag
Kinderbetreuung
Zur Vorstellung Das Konzert am
29. November um 11 Uhr können
Sie Ihre Kinder gerne mitbringen:
Bühnenfans zwischen 5 und 10 Jahren
sind eingeladen, mit uns ein Theater
zu basteln und geheimnisvolle Orte
des Burgtheaters zu entdecken.
Unkostenbeitrag € 8,- (inkl. Jause)
Information und Anmeldung:
[email protected]
+43 (0)1 51444-4494
Mittagstisch
Nach Vorstellungsende hungrig auf
Restaurantsuche gehen? Im Burgtheater
können Sie direkt Mittagessen.
Wir bieten Ihnen eine kleine, aber feine
Auswahl an warmen und kalten Speisen.
Nur nach Voranmeldung bis 10 Tage vor
der Vorstellung, für Das Konzert also bis
20. November, bei unserer Information.
Information und Anmeldung:
[email protected]
+43 (0)1 51444-4140
Wiederaufnahmen
John Gabriel Borkman
nach Henrik Ibsen von Simon Stone
Akademietheater, 11., 12.10.
18., 24., 29.11
„Eine kleine Unterhaltung braucht das
tägliche Leben.“
Der böse Geist Lumpazivagabundus
Johann Nestroy
Burgtheater, 14., 20.11.
Werner Schwab
Die Präsidentinnen
Die Schneekönigin
frei nach Hans Christian Andersen
Familienstück ab 7 Jahren
Akademietheater, 22.11., 11 Uhr
Platonov
Anton Tschechow
Akademietheater, 25.11., 18 Uhr
Publikumsgespräche
Weiterhin haben Sie auch Gelegenheit,
nach ausgewählten Vorstellungen mit
Ensemblemitgliedern und Dramaturgen
ins Gespräch zu kommen und Ihre
Fragen zur Inszenierung zu stellen:
Die Macht der Finsternis
Akademietheater, 28.10.
Die Schutzbefohlenen
Burgtheater, 18.11.
Die Präsidentinnen
Burgtheater, 26.11.
Burgtheater
Der eingebildete
Kranke
Molière
Antigone
Sophokles
Wassa
Schelesnowa
Maxim Gorki
oder
Werkeinführungen
Für eine optimale Vorbereitung Ihres
Theaterabends besuchen Sie unsere
kostenlosen Werkeinführungen mit der
Dramaturgie, jeweils 45 Minuten vor
Vorstellungsbeginn:
Die Schutzbefohlenen
Burgtheater, 10.10.
Die Macht der Finsternis
Akademietheater, 19.10.
Wassa Schelesnowa Burgtheater, 5.11.
Sturm Akademietheater, 9.11.
GESCHENKZYKLUS
Akademietheater
Gerhard Polt und die Well-Brüder
aus’m Biermoos. Gastspiel am
24 & 25. November im Burgtheater
Gastspiele
F. Zawrel – erbbiologisch
und sozial minderwertig
Figurentheater von Simon
Meusburger und Nikolaus Habjan
Akademietheater, 21.10., 17.11.,
20 Uhr
Claus Peymann kauft sich eine
Hose und geht mit mir essen
Thomas Bernhard
Mit Hermann Beil, Maria Happel,
Claus Peymann
Akademietheater, 24.10.,
19.30 Uhr
Gerhard Polt und die
Well-Brüder aus’m Biermoos
Burgtheater, 24., 25.11., 20 Uhr
27
John Gabriel
Borkman
nach Henrik Ibsen
von Simon Stone
Diese Geschichte
von Ihnen
John Hopkins
Bella Figura
Yasmina Reza
Erhältlich ab 2.November
inkl. einer festlichen Zotter
Geschenk-Box
Abonnement-Abteilung
+43 (0)1 51444-4178
[email protected]
Die Präsidentinnen/
Werner Schwab
Mit
Stefanie Dvorak
Regina Fritsch
Barbara Petritsch
Regie: David Bösch
15., 20., 22., 31. Oktober
2., 3., 7., 13., 15., 26. November
AKADEMIE
Regina Fritsch, Stefanie Dvorak, Barbara Petritsch
Antwort
Philipp
Blom,
was ist
Aufklärung?
Aufklärung heißt, gegen sich selbst andenken, gegen
alles was zu einfach ist, gegen das warme Bauchgefühl,
das man bekommt, wenn man will, dass etwas wahr
ist. Es heißt Gedanken konsequent zu Ende zu denken,
auch wenn sie einem nicht geheuer sind.
Früher war die Aufklärung ein Kampf gegen die
Dogmen der Kirche, heute ist die Sache diffiziler. Sind
die Werte, an die wir glauben, natürlich und notwendig
oder kontingent und verhandelbar? Wie sieht unsere
Welt aus, wenn wir Homo Sapiens als ein Tier unter
anderen betrachten? Sind wir wirklich rational oder
werden wir von unserem Begehren getrieben? Haben
wir uns mit Markt und Marketing nicht die Transzendenz ersetzt, die wir mit der Religion verloren haben?
Können wir aus uns heraus eine solidarische und
nachhaltige Gesellschaft schaffen, oder bedarf es einer
Katastrophe, um uns zum Umdenken zu bewegen?
Aufklärung ist unheimlich und unbequem, weil sie
fordert, geliebte Illusionen zu begraben. Wir haben
damit angefangen, aber wir sind höchstens auf halbem
Wege angelangt.
Am Ende unseres
Magazins steht eine
Antwort. Diesmal haben
wir Philipp Blom – mit
Lessing – nach dem
aktuellen Zustand der
Aufklärung gefragt –
ein Thema, das den
Autor und Historiker
seit langem beschäftigt.
Am 15. Oktober
empfängt Philipp Blom
im Rahmen seiner Reihe
Carte Blanche im Kasino
die in Indien geborene
Sozialanthropologin
26
29
29
Shalini Randeria,
Leiterin des Instituts
für die Wissenschaften
vom Menschen (IWM)
in Wien.
Am 17. November
folgt dann der Tiroler
Literaturwissenschaftler
und Übersetzer Raoul
Schrott. Und immer geht
es um die Frage:
„Was ist zu tun?“
SERVICE
HAUPTSPONSOREN
BURG GOLD PARTNER
VORVERKAUF
IMPRESSUM
Austria Trend Hotels
MAC Cosmetics
Ottakringer
OTTO Immobilien
S-Bausparkasse
Schlumberger Wein
und Sektkellerei
Vöslauer
Waagner Biro
Tageskassen:
Burgtheater
Universitätsring 2, 1010 Wien
+43 (0)1 51444-4440
Titelbild: Maria Happel
in Der Revisor/ Nikolai Gogol
Fotos: Herbert Neubauer/
APA/picturedesk.com: S. 6
Margit Broich/Merve Verlag,
Berlin 1982: S. 9
Arno Declair: S. 11
Foto Erich Kästner/Erich
Kästner Archiv (Nachlaß Luiselotte Enderle), München: S. 14
Zeichnung Pünktchen
und Anton/Walter Trier, Atrium
Verlag, Zürich 1930: S. 14
Halim Dogan: S. 15
BasBariTenori: S. 17
Georg Soulek: S. 10, 16, 26, 27
Aleppo/ TT News Agency/
picturedesk.com: S. 18
Archiv Burgtheater: S. 18
Reinhard Werner: U1, S.5, 20,
26, 27, 29
Yevgenia Belorusets: S. 22
Peter Wurst/Residenz Verlag: S. 24
Hans Peter Hösl/Foto Gerhard
Polt und die Well-Brüder: S. 27
Zentrale Kassen
der Bundestheater
Operngasse 2, 1010 Wien
+43 (0)1 51444-7880
In der Volksoper Wien
Währinger Straße 78, 1090 Wien
+43 (0)1 51444-3318
BURG SILBER PARTNER
BURG PLATIN PARTNER
Akris
Austrian Airlines
BAUMIT
Campari
CMS Reich-Rohrwig Hainz
Der Bäcker Felber
Kobza Media Group
Weingut Bründlmayer
WH Medien
Öffnungszeiten:
Mo-Fr 8 bis 18 Uhr
Sa, So & Feiertage 9 bis 12 Uhr
Abendkassen:
Eine Stunde vor
Vorstellungsbeginn.
Im Internet:
www.burgtheater.at oder
www.culturall.com
PROJEKTPARTNER
Kreditkartenhotline:
+43 (0)1 5131513
Mo-So 10 bis 21 Uhr
ERSTE Stiftung
Borealis
Julius Meinl
Juwelier Wagner
Wiener Städtische
Versicherung
AbonnementAbteilung Burgtheater
Burgtheater, Vestibül
Landtmannseite
+43 (0)1 51444-4178
Fax +43 (0)1 51444-4179
[email protected]
Öffnungszeiten:
Mo-Fr von 9 bis 17 Uhr
KOOPERATIONSPARTNER
ADRESSEN
Burgtheater & Vestibül
Universitätsring 2
1010 Wien
Tages- und Abendkasse:
+43 (0)1 51444-4440
Akademietheater
Lisztstraße 1
1030 Wien
Abendkasse:
+43 (0)1 51444-4740
Agensketterl Druckerei
Blumenwerkstatt Rath
Büchereien Wien
Der Standard
Deutscher Literaturfonds e.V.
Hoanzl
Ö1
ORF
Pro Helvetia
Schweizer Kulturstiftung
Radatz Fleischwaren
Schuhmanufaktur
Ludwig Reiter
Staud‘s Wien
Wolford
Zotter Schokoladenmanufaktur
Schriftliche Kartenbestellung aus den
Bundesländern
(ausgenommen Wien)
und dem Ausland
Servicecenter Burgtheater
Universitätsring 2, 1010 Wien
Fax +43 (0)1 51444-4147
[email protected]
Barrierefrei
www.burgtheater.at/barrierefrei
Kasino
Am Schwarzenbergplatz 1
1010 Wien
Abendkasse:
+43 (0)1 51444-4830
Restaurant Vestibül
im Burgtheater
Öffnungszeiten:
Mo-Fr 11-24 Uhr, Sa 18-24 Uhr,
So und Feiertag geschlossen
+43 (0)1 532 49 99
www.burgtheater.at
www.facebook.com/
burgtheater
www.twitter.com/
burgtheater
Buchhandlung Leporello
im Burgtheater
Öffnungszeiten: eine
Stunde vor der Vorstellung
bis Vorstellungsbeginn
30
Burgtheater GmbH,
Universitätsring 2, 1010 Wien
Direktion: Karin Bergmann
Redaktion: Florian Hirsch;
Dramaturgie
Koordination: Annette Friebe
Grafische Gestaltung:
Fanak Mani
Hersteller, Herstellungsund Erscheinungsort:
Leykam Druck GmbH & Co KG,
Bickfordstraße 21,
7201 Neudörfl
Das Burgtheater Magazin
erscheint fünfmal jährlich
als Sonderbeilage der Tageszeitung „Der Standard“.
Herausgeber: Ges.
„Freunde des Burgtheaters“
eingetr. Verein, Goethegasse 1,
1010 Wien
Hinweis: Aus Gründen
der einfacheren Lesbarkeit
wird auf die geschlechtsspezifische Differenzierung verzichtet.
Entsprechende Begriffe
gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich
für beide Geschlechter.
Versteigerung am 4. November 2015,
im Palais Dorotheum
DER PROTAGONIST
Ein Tisch aus dem historischen Bühnenboden des Wiener Burgtheaters
www.der-protagonist.com
Mehr über die Interior-Designerin Ulrike Nachbargauer und ihre “Bühnenschätze” auf www.una-plant.at
150925-UNA-Magazin.indd 1
plant
25.09.2015 12:07:34