Thema: Gesucht: Brückenbauer - Evangelische Martins

Gottesdienst am Sonntag, 26. April 2015
Thema: Gesucht: Brückenbauer
Text: 1. Mose 32f.; Jesaja 58,7; 1. Tim. 2,5 u.a.
Predigt: Pastor Gero Cochlovius
Liebe Gemeinde,
was für ein Tag war das! Vorgestern, am Freitag! Die neuen Brücken in Hohnhorst und Haste sind
fertig, und der Weg ist frei! Für unsere Orte hier im wahrsten Sinn des Wortes ein
Jahrhundertprojekt. Denn schon am 28. Dezember 1914 wurde diese Maßnahme im Haster
Gemeinderat behandelt. Oh, wie hat man so manches Mal an dem Schranken gewartet. Und
gewartet. Und gewartet. Besonders unangenehm, wenn man es eilig hatte! Doch das ist jetzt
Vergangenheit. Endlich sind die Brücken da. Und es war in der Tat ein tolles Fest am Freitag, als
feierlich die Bänder durchschnitten wurden. Wie gut, dass es Brücken gibt!
Ich finde, es ist ein wunderbarer Anlass, heute in diesem Gottesdienst auch über Brücken
nachzudenken. Brücken verbinden. Brücken führen zusammen. Brücken - sie sind so ein starkes
Symbol, dass sie sich auf jeder Euro-Banknote befinden. Und so geht es heute um Brücken in
unserem Leben, in unserm Glauben, in der Welt und in der Gemeinde nachzudenken.
Vor einiger Zeit fand ich ein Gedicht eines unbekannten Verfassers:
Brücken
schütten Gräben nicht zu,
ebnen Unterschiede nicht ein,
schaffen Hindernisse nicht weg,
erkennen Trennendes an
und ermöglichen dennoch Begegnung.
Über Brücken kann man gehen,
Brücken kann man bauen.
Mir scheint das eine weise Beobachtung zu sein: Ja, es gibt Trennendes - das müssen wir
anerkennen. Hindernisse, Gräben. Zwischen uns Menschen. Auch zwischen Gott und Mensch. Und
doch: Brücken zeigen uns: Das Trennende muss nicht das letzte Wort behalten. Es gibt die Chance
der Begegnung, des Zueinanderfindens.
In der Bibel gibt es manche Brücken zu entdecken, auch wenn das Wort dafür fehlt. 3 wichtige
Brücken möchte ich heute Morgen in den Blick nehmen. Heute Morgen heißt es also nicht wie im
Schlager "Über sieben Brücken musst du gehen", sondern: "Über drei Brücken darfst du gehen…"
1) Die Brücke der Versöhnung
Es ist schon erstaunlich: Schon auf den ersten Seiten der Bibel, im ersten Buch der Bibel, lesen wir,
wie wir Menschen Brücken zerstören. Wie Beziehungen kaputt gemacht werden. Ich werde
erinnert an zwei Knaben, die in diesem Jahr 150 Jahre alt werden: Max und Moritz:
Max und Moritz, gar nicht träge,
Sägen heimlich mit der Säge,
Ritzeratze! voller Tücke,
In die Brücke eine Lücke. Und mir scheint, das ist genau das, was in uns Menschen drin steckt: Brücken zerstören. Seit dem
Sündenfall, wo die Verbindung, die Brücke zu Gott abgerissen ist, zerbrechen auch die
zwischenmenschlichen Brücken auf Schritt und Tritt. Denken wir an Kain und Abel, der erste
Brudermord. Dann aber auch Jakob und Esau, später Josef und seine Brüder und immer weiter.
Mehr als einmal habe ich erlebt, dass Familien so zerstritten sind, dass es nicht einmal bei der
Beerdigung des Vaters oder der Mutter möglich war, sich zu begegnen, sich die Hand zu geben.
Oder ich denke an Freunde, die zusammen eine Firma aufgebaut haben, miteinander durch Dick
und Dünn gegangen sind. Und dann - War es das liebe Geld? War es Streit über die richtige
Strategie? - jedenfalls zerbrach die Freundschaft, es wurde Feindschaft daraus, ja wohl sogar Hass
aufeinander.
Die Bibel ist schonungslos ehrlich. Sie zeigt uns, wie wir Menschen sind. Nehmen wir doch mal die
Geschichte von Jakob und Esau. Kaputter kann eine Beziehung nicht sein als die dieser beiden
Brüder, Zwillinge sogar. Schon von klein auf haben sie sich ständig gestritten. Grund: Sie waren so
ganz unterschiedlich und konnten sich in ihrer Verschiedenheit nicht als Ergänzung sehen, sondern
nur als Bedrohung. Jakob, eher das Muttersöhnchen, Esau, der harte Kerl, der Kämpfer, der Jäger.
Jakob raffiniert, durchtrieben, zukunftsorientiert. Esau schlicht im Denken, eher auf den Moment
fixiert. Jakob haut ihn zweimal übel übers Ohr, knöpft ihm das Erstgeburtsrecht ab und betrügt ihn
beim alten blinden Vater noch um den Segen. Als Esau das mitbekommt, rastet der aus und will
seinen Bruder umbringen. Jakob bleibt nur die Flucht. Da sind doch alle Brücken zerbrochen! Kann
man sowas jemals wieder kitten? Das wäre doch ein Wunder!
Ja, genau! Und solche Wunder gibt es, wenn Gott eingreift. Dann wird die Brücke gebaut. Die
Brücke der Versöhnung. Es ist spannend, diese ganze Geschichte mal zu lesen. Denn da sieht man,
dass solch eine Brücke der Versöhnung auch nicht über Nacht gebaut wird. Es ist ein langer Weg
dahin. Es dauerte viele Jahre. Jakob musste selber erleben, was es bedeutet, betrogen zu werden:
Er wurde von seinem Onkel Laban ausgetrickst und ausgenutzt. Aber in all den Irrungen und
Wirrungen seines Lebens hielt er an Gott fest, vielmehr wurde er von Gott festgehalten. Und das
war das Geheimnis, das den Bau der Versöhnungsbrücke ermöglichte. Doch zunächst sah es gar
nicht nach Versöhnung aus:
1. Mose 32,7: Die Boten kamen zu Jakob zurück und sprachen: Wir kamen zu deinem Bruder Esau,
und er zieht dir auch entgegen mit vierhundert Mann.
8 Da fürchtete sich Jakob sehr und ihm wurde bange.
Jakob hat Angst vor der Begegnung mit seinem Bruder. Zu Recht. Doch was tut er? Er leugnet
seine Angst nicht. Aber er weiß, wohin mit seiner Angst! Er weiß: Ich bin nicht allein. Gott ist bei
mir! V. 10: Weiter sprach Jakob: Gott meines Vaters Abraham und Gott meines Vaters Isaak, …
11 HERR, ich bin zu gering aller Barmherzigkeit und aller Treue, die du an deinem Knechte getan
hast; …
12 Errette mich von der Hand meines Bruders, von der Hand Esaus; denn ich fürchte mich vor ihm.
Und er klammert sich ans Wort Gottes, an die Verheißungen Gottes: V.13: Du hast gesagt: Ich will
dir wohltun. Du hast gesagt: Ich will dich nicht verlassen.
Was für ein Trost, was für eine Kraft liegt im Wort Gottes! Fürchte dich nicht, du bist mein! Siehe,
ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.
Aber es reicht nicht, Versöhnung nur in Gottes Hand zu legen. Jakob wird auch selber aktiv. Er geht
auf Esau zu. Er tut den ersten Schritt. Aber behutsam. Zunächst sendet er Boten aus. Es ist gut, die
Brücke der Versöhnung langsam, Stückchen für Stückchen zu bauen, dem andern auch Zeit geben.
Dann sendet Jakob Geschenke. Sie sind Zeichen der Wiedergutmachung. Versöhnung gelingt nur,
wenn Schuld nicht einfach totgeschwiegen wird. Man muss sich der eigenen Schuld stellen und die
Schuld nicht nur beim andern suchen. Und dazu gehören Mut und Demut. Beides können wir bei
Jakob lernen. Und es gelingt. Die Brücke der Versöhnung hält. Es steht zwar nichts davon, dass
Jakob und Esau beste Freunde werden, aber immerhin: die Feindschaft ist überwunden. Als später
ihr alter Vater Isaak stirbt, begraben sie ihn gemeinsam.
Wo ist es für uns an der Zeit, die Brücke der Versöhnung zu bauen?
2) Die Brücke der Barmherzigkeit
Man könnte sie auch die Brücke der Liebe nennen. Allerdings ist klingt das Wort Liebe oft so
abgenutzt, fast wie einer fromme Floskel. Ich denke, "Barmherzigkeit" ist die Einstellung, die aus
der Liebe erwächst und die wirklich in der Lage ist, Brücke zu bauen. Brücken zu bauen zu
Menschen in Not. Und Not heißt nicht nur: innere Not. Heißt nicht nur: Sündennot, getrennt von
Gott leben. Es ist schon eine Engführung, wenn wir uns beim Lesen der Bibel nur auf das ewige
Leben konzentrieren und dabei das irdische Leben hier ausblenden, nur auf den Himmel schauen
und dabei die Erde aus dem Blick verlieren. Heute allerdings ist es ja meist umgekehrt. Aber es
gehört beides zusammen. Jesus hat vom Reich Gottes gepredigt, von Himmel und Hölle, von
Schuld und Vergebung. Aber zugleich hat er hungrige Mägen gestillt und hat Kranke geheilt, hat
sich um Arme gesorgt. Und wenn wir einmal schauen, wie oft in der Bibel das Thema "Arm und
Reich" und die Gerechtigkeit oder vielmehr die Ungerechtigkeit dabei angesprochen wird, dann
kann uns das auch nicht kaltlassen. Wenn es jetzt wieder womöglich Tausende an Erdbebenopfern
in Nepal zu beklagen gibt, dann kann uns das doch nicht kaltlassen. Wenn zur Zeit immer wieder
Hunderte von Flüchtlingen im Mittelmeer ertrinken, dann dürfen wir doch nicht gleichgültig sein
und genervt wegschauen! Wie man politisch am besten helfen kann, das sind sehr komplexe
Zusammenhänge, und da gibt es keine einfachen Lösungen. Aber dass uns das Schicksal dieser
Menschen nicht egal sein kann, dass wir ihnen helfen müssen, wenn wir Christen sein wollen, das
steht doch außer Frage! Wo und wie können wir Brücken bauen, Brücken der Barmherzigkeit?
Jesaja sagt es glasklar, wie die Brücke der Barmherzigkeit aussieht: Brich dem Hungrigen dein Brot,
und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus, wenn du einen nackt siehst, so kleide ihn, und
entzieh dich nicht deinem Fleisch und Blut. (Jes. 58,7)
Und was sagt Jesus selbst: Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.
(Mt. 5,7) Oder Lukas 6,36: Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.
Barmherzigkeit. Barmherzigkeit, das ist eine Liebe die aus einem tiefen, inneren Mitleiden heraus
erwächst. Von Jesus heißt es: "Und als er das Volk sah, jammerte es ihn…" (Mt. 9,36). Und da steht
im Griechischen: Es drehten sich ihm die Eingeweide um. Wie geht es uns, wenn wir Menschen in
Not sehen? Bewegt uns das im Innern, bewegt uns das zum Handeln? Zum Brückenbauen?
Liebe Gemeinde in Hohnhorst, wenn wir nun gerade die beiden großen Brücken eingeweiht
haben: Wollen wir nicht das als Auftrag mitnehmen, selber Brücken zu bauen? Brücken der
Versöhnung und Brücken der Barmherzigkeit?
Aber wir wissen auch, dass unsere menschlichen Brücken nicht vollkommen sind. Manche werden
im Lauf der Jahre so marode, dass sie einsturzgefährdet sind. In Hamburg z.B. macht man sich
große Sorgen um die Köhlbrandbrücke und muss sie mit Millionenaufwand sanieren oder sogar
neu bauen. Hoffen wir, dass unserer beiden neuen Brücken schön lange halten! Auch unsere
Brücken der Versöhnung und der Barmherzigkeit sind nicht unbegrenzt belastbar. Aber es gibt
eine Brücke, die in Ewigkeit hält. Ich sagte vorhin: Das Wort Brücke kommt in der Bibel eigentlich
nicht vor. Ich muss mich etwas korrigieren.
An einer Stelle kommt es doch vor, zumindest habe ich es in einer Bibelübersetzung gefunden.
Und damit sind wir bei der dritten Brücke:
3) Jesus - die Brücke zu Gott
1. Tim. 2,5: „Denn es gibt nur einen, der zwischen Gott und Mensch die Brücke schlägt: Jesus
Christus, der sich selbst gegeben hat für alle Menschen zur Erlösung“
Die Qingdao-Haiwan-Brücke in China ist mit 42 km Länge die längste Autobrücke der Welt. 5000
Pfeiler wurden gebaut! Die Brücke mit dem Namen Jesus ist noch größer: Sie überbückt den
unendlich großen Abstand zwischen Himmel und Erde, zwischen Gott und Mensch.
Und diese Brücke brauchen wir auch, daran führt kein andrer Weg vorbei! Unser Problem heute
ist: Wir erkennen den Abstand zwischen Gott und uns gar nicht mehr. Heute denkt man oft: Ich bin
doch wunderbar. Wo ist denn da ein Abstand zu Gott? Nein, Gott ist in mir! Manches fernöstliches
Gedankengut legt nahe: Ich bin doch Teil der göttlichen Energie. Ein Teil von Gott. Mir sagte mal
jemand, der sich mit Reiki beschäftigte: Ich habe die göttliche Energie in mir. Dass wir Menschen
aber alle von Gott getrennt sind, dass will man nicht mehr gerne hören. Dass wir Sünder sind, das
darf man ja kaum noch sagen! Sünde kommt von Sund - eine Meeresenge, z.B. der Fehmarnsund.
Da ist was zwischen dem einen und dem anderen Landstück. Was Trennendes. Und so ist es auch
zwischen Gott und Mensch. Das sagt die Bibel und da können wir keine Abstriche machen! Sie ist
Gottes Wort. Doch die entscheidende Botschaft ist doch die: Es gibt eine Brücke! Wie es die
Fehmarnsundbrücke gibt, so gibt es auch die Brücke über den Sund der Sünde: Jesus! Und der
Glaube an ihn, der rettet uns in Zeit und Ewigkeit. Diese Brücke ist zugleich die Brücke der
Versöhnung zwischen Gott und uns. Und die Brücke der Barmherzigkeit Gottes. Und es ist unsere
Chance, über diese Brücke zu gehen, im Glauben, im Vertrauen, dass sie hält und trägt. Über den
Tod hinaus. Jesus ist der größte Brückenbauer und ist selbst diese Brücke. Ich wünsche mir, dass
wir von ihm lernen und selber Brückenbauer werden.
Amen.