Klimaschutz BEGINNT MIT stahl - Stahl

Klimaschutz
BEGINNT MIT STAHL
www.stahl-online.de
Klimapolitik:
Weichenstellung
in Paris?
12_Schulterschluss
Unternehmen, IG Metall und Politik: Gemeinsam für Stahl
14_Existenzgefährdend
Die problematische Reform
des Emissionshandels
20_Nachhaltig positiv
Die einzigartige CO2-Bilanz
des Werkstoffs Stahl
InhaltSverzeichnis
02
CO2
STAHL ist zu
OV
A
I NN
RTUNG
STAHL
UND
KLIMA
HOCHFESTEN STÄHLEN.
19 %
R
O
TW
wiegt ein AUTO
durch den Einsatz von
−25 %
CO2
VE
ON
TI
– um so viel hat
die Stahlindustrie in Deutschland
ihre CO2-EMISSIONEN
bereits seit 1990 GESENKT.
1
1990 2014
CO
TONNE
2 wird
über die gesamte Lebenszeit
von einer Tonne Stahl
durch Wiederverwertung
EINGESPART.
30.000
TONNEN
ELEKTROBLECH werden benötigt,
um die ELEKTROMOBILITÄTSZIELE
der Bundesregierung zu erreichen.
PERSPEK
Knapp
25.000
E
TIV
300 MIO. EURO
– so viel zahlt die Stahlindustrie
JÄHRLICH an EEG-ABGABEN.
WINDKRAFTANLAGEN
werden in Deutschland betrieben.
Sie bestehen zu rund
80 % aus STAHL.
Knapp
40 %
CO2-ZERTIFIKATE
WERDEN DER STAHLINDUSTRIE
2030 FEHLEN, wenn die EU-Kommission
ihren Reformplan zum Emissionshandel umsetzt.
90.000 BESCHÄFTIGTE
hat die Stahlindustrie in Deutschland,
4
insgesamt
MIO. MENSCHEN
arbeiten in stahlintensiven Branchen.
DAS KOSTET DIE BRANCHE
IN DEUTSCHLAND BIS ZU
1 MRD. EURO JÄHRLICH.
03
11
Editorial
Hans Jürgen Kerkhoff über
die Notwendigkeit eines
einheitlichen Klimaschutzes
18 | 19
AUF GRÜNEM GLEIS
Die Bahn ist der wichtigste Verkehrsträger der Stahlindustrie
12 | 13
04 | 05
SCHULTERSCHLUSS
Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften bilden Allianzen für
Stahl
GUT FÜRS KLIMA
Wer das Klima schützen will,
kann auf Stahl nicht verzichten.
Vier innovative Beispiele
14 | 15
06 | 07 | 08
Knappe ZERTIFIKATE
Die Verschärfung des Emissionshandels ist existenzgefährdend
für die Stahlbranche
SUBSTANZ STATT SYMBOLIK
Weltklimagipfel in Paris: Die
Beschlüsse sind wegweisend –
auch für die Stahlindustrie
GELEBTE EFFIZIENZ
Das Sparen von Ressourcen und
Energie ist für die Stahlindustrie
selbstverständlich
20 | 21
NACHHALTIG POSITIV
Die Ökobilanz von Stahl ist
vorbildlich – dank perfekter
Kreislaufwirtschaft
22 | 23
ZAHLEN UND FAKTEN
Was Sie über Stahl und Klima
wissen müssen
16 | 17
09 | 10
WUNSCH UND WIRKLICHKEIT
Warum die CO2-freie Stahl­pro­
duktion eine Illusion ist
WEISSER RAUCH
China poliert sein Klima-Image
– und stößt dennoch mehr CO2
aus als je zuvor
Weitere Informationen zur Stahlindustrie finden Sie online: www.stahl-online.de · www.stahl-blog.de · twitter.com/stahl_online
Herausgeber
Wirtschaftsvereinigung Stahl
Sohnstraße 65
40237 Düsseldorf
Kontakt
Beate Brüninghaus,
Leiterin Öffentlichkeitsarbeit
Tel.: +49 211 6707-115
E-Mail: beate.brueninghaus@
stahl-zentrum.de
Gestaltung
Ketchum Pleon GmbH,
Düsseldorf
Stand
November 2015
Redaktion
Ketchum Pleon GmbH,
Düsseldorf,
Wirtschaftsvereinigung Stahl,
Abteilung Public Affairs und
Neue Medien
Bildnachweise: Titel iStock, S. 2: iStock (1), fotolia (2), S. 3: Illustration Katrin Wolff, S. 4: Wirtschaftsvereinigung Stahl (1), iStock (2), S. 5:
iStock (1), Amazone (2), S. 9: iStock, S. 11: Illustration Katrin Wolff, S. 12: MWEIMH NRW/R. Sondermann (1), Becker&Bredel (2), S. 13: Wirtschaftsvereinigung Stahl, S. 15: Fotolia, S. 16/17: Fotolia, S. 18: iStock, S. 19: Illustrationen Katrin Wolff, S. 22/23: Fotolia.
57 Mio. t
RECYCELBAR.
AN
25 % WENIGER
100 %
ohne Einschränkungen und IMMER WIEDER
440 MIO. TONNEN CO2
können jährlich in der EU
mit INNOVATIVEN STÄHLEN
EINGESPART werden.
70 Mio. t
BIS ZU
Editorial
03
Effektiver Klimaschutz kann
nur gelingen, wenn sich
alle auf vergleichbare Ziele
verständigen
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Weichen, die im Dezember beim internationalen Klimagipfel in Paris gestellt
werden, sind entscheidend – entscheidend für das Klima und entscheidend für
die Stahlindustrie. Ein effektiver Klimaschutz kann nur dann gelingen, wenn sich
alle Emittenten auf ein koordiniertes, gemeinsames Vorgehen zur CO2-Minderung
verständigen. Gelingt dies nicht, ist zu befürchten, dass die von der EU gewählte
Weichenstellung den Industriestandort Europa schwächt und die Stahlindustrie auf
das Abstellgleis führt. Bereits jetzt zeigt sich: Der regional auf Europa begrenzte
Emissionshandel wird zur immer größeren Belastung für den internationalen
Wettbewerb. Die von der EU-Kommission veröffentlichten Pläne zur Verschärfung
des Zertifikatehandels lassen diese Hürde schon jetzt unüberwindbar werden.
Die Stahlindustrie in Deutschland steht zu ihrer Verantwortung für den Klimaschutz.
Sie beteiligt sich in vielfacher Hinsicht an den Anstrengungen der Klima­vorsorge.
Stahlinnovationen ermöglichen klimafreundliche Produkte, Ressourcen- und
Energieeffizienz erreichen vorbildliche Werte und es werden vorwiegend umweltfreundliche Verkehrsträger genutzt. Allerdings hat die Stahlindustrie aufgrund
ihrer prozessbedingten Emissionen heute kaum noch technische Möglichkeiten zur
CO2-Reduzierung.
Stahl wird immer gebraucht und er wird auch immer hergestellt werden – unabhängig vom Ausgang der Pariser Klimakonferenz. Eine Politik, die dafür sorgt,
dass Stahl außerhalb Europas zu schlechteren Umweltbedingungen produziert wird,
schadet dem Klima. Deswegen müssen die klimapolitischen Instrumente – der
Weltgemeinschaft, der EU und Deutschlands – die Leistungsfähigkeit dieser Branche
erhalten, sodass die nachhaltigen Standorte in unserem Land bestehen können.
Hans Jürgen Kerkhoff
Präsident Wirtschaftsvereinigung Stahl
Vorsitzender Stahlinstitut VDEh
GUT FÜRS KLIMA
Innovative Stahl-Lösungen
04
Energie: Der Wind weht vertikal
Windräder bestehen heutzutage zu rund 80 Prozent
aus Stahl – und dieser Anteil dürfte weiter wachsen.
Denn es zeigt sich: Die Herstellung der bis zu 75 Meter
langen Rotorflügel aus faserverstärktem Kunststoff ist
energieintensiv, das Recycling problematisch.
Eine Lösung sehen Ingenieure in kleineren Windkraftanlagen mit vertikalen Rotorblättern aus Stahl.
Bis zu 90 Prozent geringere Material- und
Fertigungskosten sowie die vollständige Recyclingfähigkeit sprechen für die Stahlvariante.
Ein weiteres Plus: Der geringe spezifische Platz­
bedarf der Anlagen sorgt bei gleicher Fläche
für einen höheren Energieertrag.
Mobilität:
Basiswerkstoff Nummer 1
Auto und Stahl: Diese Kombination hat eine lange
Geschichte – und eine Erfolg versprechende Zukunft. Stahl bleibt unverzichtbarer Konstruktionswerkstoff. Nach einer Studie von McKinsey wird der
Anteil von hochfesten Stählen im Automobil sogar
steigen. Innovative Stahllösungen finden sich zum
Beispiel bei neuartigen Stahlkolben für Pkw-Motoren. Sie
besitzen im Vergleich zu den üblichen Kolben ein hohes
Potenzial, um Spritverbrauch und CO2-Ausstoß zu mindern.
Beim E-Mobil schützt hochfester Stahl nicht nur die Insassen,
sondern auch die sensible Batterie. Elektrobleche aus Stahl
steigern Wirkungsgrade und Leistung der Elektromotoren.
Und die 100-prozentige Recyclingfähigkeit des Werkstoffs
Stahl trägt wesentlich dazu bei, die Ökobilanz des
Zukunftsautos nachhaltig zu verbessern.
Wer das Klima schützen will, kann auf Stahl nicht verzichten. Laut einer
Studie lässt sich etwa ein Drittel der für Deutschland bis 2020 geplanten
CO2-Reduzierungen nur mithilfe innovativer Stahlprodukte realisieren.
Vier Beispiele für moderne Umwelttechnologie.
05
Effizienz: Weniger ist mehr
Effizienz ist eine der größten Herausforderungen beim Klimaschutz. Moderne, hochfeste Stähle können hierzu einen
wichtigen Beitrag leisten, wie das Beispiel HiperFer-Stahl zeigt:
Der neu entwickelte High Performance Ferritic Steel sorgt
mit seiner hohen Korrosionsbeständigkeit und Formfestigkeit
in Kraftwerken dafür, dass der Wirkungsgrad der Anlagen
steigt und ihr Energieverbrauch sinkt.
Innovative Stahllösungen helfen auch, die Effizienz
von Stromtransformatoren zu erhöhen. Bisher gehen
mehr als vier Prozent der Bruttostromerzeugung bei
Übertragung und Verteilung im Leitungsnetz verloren.
Dieser Verlust lässt sich durch den Einsatz neu
entwickelter Stahlkerne um 35 Prozent verringern.
Durch den so erzielten höheren Wirkungsgrad lassen
sich im Jahr 2020 laut Expertenmeinung rund
2,3 Millionen Tonnen CO2-Emissionen im Vergleich
zum Ausstoß von 2007 einsparen.
Versorgung:
Leicht und schonend
Lange Zeit galten große und schwere Landmaschinen
als Garant für gute Erträge. Doch dank des innovativen
Werkstoffs Stahl sind nun „Leichtgewichte“ angesagt.
Höher- und höchstfeste Stähle sorgen dabei nicht nur
für ein geringeres Gewicht, sie ermöglichen auch
einen niedrigeren Treibstoffverbrauch.
Beide Aspekte spielen in der Land- und Forstwirtschaft
eine immer wichtigere Rolle, denn auch hier wachsen die
Anforderungen an Energieeffizienz und Wirtschaftlichkeit.
Und noch ein weiterer Vorteil fällt ins Gewicht: Der geringere Druck, den die Maschinen auf Acker und Waldboden
ausüben, reduziert die Gefahr der Bodenverdichtung.
Substanz statt Symbolik
Klimapolitik
06
Die Welt schaut auf
Paris. Dort verhandelt
die internationale
Staatengemeinschaft
vom 30. November
bis zum 11. Dezember
2015 über ein Klimaabkommen für die Zeit
nach 2020.
Die Stahlerzeugung ist unbestritten
energieintensiv und verursacht prozessbedingt zwangsläufig CO2. Eine emissionsarme Welt ist aber nur mit nachhaltigen
Werkstoffen wie Stahl zu erreichen. Um
Stahl auch weiterhin in Deutschland und
Europa produzieren zu können, müssen
die Maßnahmen, die regional zur
Emissionsminderung ergriffen werden,
ausgewogen sein und den globalen
Kontext berücksichtigen. Die derzeit
skizzierte klimapolitische Route lässt dies
allerdings nicht erwarten – im Gegenteil.
Verstärktes Engagement
Das Ziel: Die Erde soll
sich im Vergleich zum
vorindustriellen Zeitalter um nicht mehr
als zwei Grad erwärmen. Die anstehenden
Entscheidungen sind
wegweisend – auch
für die Stahlindustrie.
Im Vorfeld der Konferenz von Paris ist ein
Aufbruch spürbar: Das Engagement der
Weltgemeinschaft in Sachen Klimaschutz
scheint sich zu ver­stärken. Die USA und
China, bei der Aushandlung des KyotoProtokolls noch abwesend, signalisieren
die Bereitschaft zur Zusammenarbeit
im Rahmen eines neuen Klimavertrags
und haben bereits erste Versprechen
abgegeben. Global agierende Konzerne
fordern einheitliche Standards bei der
Bepreisung von CO2 und sogar Papst
Franziskus äußert sich mit mahnenden
Worten zur Klimaproblematik.
Kein Zweifel, die Relevanz des Themas
ist deutlich gestiegen. Doch das allein
verspricht noch keinen Erfolg in Paris.
Denn für den notwendigen globalen
Klimaschutz gibt es erst dann eine
verlässliche Perspektive, wenn sich alle
Länder auf verbindliche und vergleichbare CO2-Einsparungen verständigen.
Ein internationaler Emissionshandel mit
transparenten fairen Regeln für alle
Beteiligten und einem angemessenen
CO2-Preis wäre der weitere konsequente
Schritt in Richtung eines nachhaltig
funktionierenden Klimaschutzes.
Ungleiche Ambitionen
Ob die Konferenz in Paris dieses
wünschenswerte Ergebnis hervorbringt,
ist mehr als fraglich. Immerhin: Die
Europäische Union, die für 10,5 Prozent
der globalen CO2-Emissionen verantwortlich ist, hat sich verpflichtet, ihren
Kohlenstoffausstoß bis 2030 um
40 Prozent zu senken. Das wären rund
fünf Prozent der weltweiten CO2-Emissionen. Dass dieses Versprechen ernst
gemeint ist, zeigt nicht zuletzt die
angekündigte deutliche Verschärfung
des europäischen Emissionshandels.
Doch es scheint so, als bleibe der
ambitionierte Ansatz der Europäer auf
absehbare Zeit eine Ausnahme. China
stellt erst ab 2030 Emissionssenkungen
in Aussicht. Bis dahin lässt der mit gut
29 Prozent weltweit größte CO2-Emittent seinen Treibhausgasausstoß weiter
ansteigen. Die von der EU angestrebte
Minderung wird somit unmittelbar durch
die chinesischen Emissionen wieder
zunichtegemacht. Die USA, mit 15 Prozent auf Platz zwei im CO2-Ranking,
streben eine Senkung von rund 26 Prozent an – allerdings bezogen auf das
emissionsreiche Basisjahr 2005. Umgerechnet auf 1990, das Basisjahr der EU,
bedeutet dies eine Reduktion von nur
etwa 15 Prozent.
So folgt der vermeintlich guten Nachricht von der Bewegung in den internationalen Klimaverhandlungen die
schnelle Ernüchterung: Zu viel Symbolik,
zu wenig Substanz – das reicht nicht
aus, um der Herausforderung Klimaschutz effektiv zu begegnen. Die
Anstrengungen der EU allein reichen
nicht aus, um überhaupt in die Nähe
des Zwei-Grad-Ziels zu kommen.
Anteil am weltweiten
CO 2 -AusstoSS in Prozent
07
29,1
14,8
China
15,0
23,3
15,7
USA
10,5
4,3
1,2
1,4
2,1
2,1
1,8
1,5
Kanada
1,6
1,3
Südkorea
1,8
5,1
1,4
1,2
1,0
3,9
Japan
1,0
Italien
1,0
Gleich oder Gesunken 2013
Deutschland
Frankreich
2,0
2002
2,4
Iran
2,0
Angestiegen 2013
5,0
Mexiko
3,3
Quelle: IW Köln, 2015
6,4
Vereinigtes Königreich
1,3
Indien
Brasilien
1,5
Saudi-Arabien
1,4
5,9
Indonesien
1,3
1,1
EU
1,0
Australien
Russland
08
Höhere Kosten beschränken den
Planungsspielraum der Stahlindustrie
in Europa, notwendige Investitionen
und Neuentwicklungen entfallen,
die Branche gerät technologisch auf
das Abstellgleis. Schließlich sind eine
niedrigere Produktion, die Schwächung
ganzer regionaler Industriecluster
und der Abbau von Arbeitsplätzen
zu befürchten.
Massive Belastungen
In der EU und in Deutschland folgen
den politischen Ankündigungen auch
konkrete Taten. Die kostspielige Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Quellen schreitet voran, der Preis
für die CO2-Zertifikate soll deutlich
steigen. Für energieintensive Branchen
wie die Stahlindustrie bringen beide
Entwicklungen massive Belastungen
mit sich. In Deutschland werden die
Mehrkosten bis zu eine Milliarde Euro
pro Jahr betragen.
Schon heute zeigt sich: Der Plan, durch
eine restriktive Verknappung der
Emissionsrechte und hohe Kosten die
Unternehmen zur Verbesserung ihrer
Produktionsprozesse zu zwingen,
geht nicht auf. Die Stahlbranche hat
ihre Effizienz bereits in einem Ausmaß
gesteigert, dass im Rahmen der bestehenden technischen Möglichkeiten
kaum noch Verbesserungen realisierbar sind. Die Folge: Die europäische
Stahlindustrie muss aufgrund ihrer
unvermeidbaren Emissionen und des
zwangsläufig hohen Energieverbrauchs
CO2-Zertifikate zukaufen. Dies bringt
Mehrkosten mit sich, die Unternehmen
an EU-fernen Standorten nicht haben.
Findet die Weltgemeinschaft in Paris
keinen Ausweg aus dem Ungleichgewicht, droht ein unheilvolles Szenario:
Wertvolle Basis
Dem Klima ist dadurch keineswegs
geholfen. Denn Stahl ist Konstruktionswerkstoff und Innovationstreiber
zugleich – und steht für anspruchsvolle und nachhaltige Lösungen.
Bereits heute bildet leistungsfähiger
und innovativer Stahl die wertvolle
Basis für klimafreundliche Produkte.
Lässt sich Stahl in Europa nicht mehr
wirtschaftlich produzieren, wird er
aus anderen Regionen importiert. Und
dort fallen zumeist deutlich höhere
CO2-Emissionen an als in den auch
umwelttechnisch moderneren Stand­
orten in der EU. Eine nachhaltige
Klimapolitik muss sich daher die Frage
stellen, was emissionsintensive Branchen für das Klima leisten können und
welche Rahmenbedingungen sie
benötigen. Die europäische Stahlin­
dustrie übernimmt doppelt Verantwortung: Sie entwickelt den Werkstoff
im Sinne des Klimaschutzes weiter und
arbeitet intensiv an technologischen
Möglichkeiten, den CO2-Ausstoß in
der Produktion noch stärker abzusenken. Für beide Aufgaben benötigen
die Stahlunternehmen Planungssicherheit und das klare Bekenntnis, dass
ihr Verbleib am Standort politisch und
gesellschaftlich erwünscht ist. Denn
nur so kann ein positiver Klimaeffekt
erzielt werden.
Nachhaltiger Klimaschutz
Klimapolitik besteht nicht nur aus
Wünschen, Zielen und symbolischen
Maßnahmen, Klimapolitik braucht
Substanz und konkrete Leistungen.
Die EU und die Bundesregierung
sind gerade deshalb gut beraten, ihre
Vorreiterrolle im Klimaschutz so zu
definieren, dass sie auch den Erhalt
der Grundstoffindustrien beinhaltet.
Für Branchen, die ihre Prozesse bereits
seit vielen Jahren im Sinne des Klimaschutzes optimieren, ist die weitreichende,
politisch vorgegebene CO2-Minderung
mit enormen Anstrengungen verbunden oder gar technisch nicht realisierbar. Ressourceneffizienz, wie sie in der
deutschen und europäischen Stahlindustrie vorbildlich ist, darf nicht bestraft
werden. Und das selbst dann nicht,
wenn das langfristige Ziel Dekarbonisierung heißt. Vielmehr sollten Materialund Prozessinnovationen und damit die
umwelttechnischen und wirtschaftlichen
Stärken der Branche gefördert werden.
Mit Blick auf die Verhandlungen in Paris
bedeutet das: Nur wenn die EU die
richtige Balance zwischen Wirtschaftlichkeit und Klimaschutz vorlebt, besteht
eine realistische Chance, dass ihr Vorbild
weltweit Nachahmer findet.
WUNSCH UND WIRKLICHKEIT
Dekarbonisierung
09
In vielen Branchen gibt es CO2-freie
Alternativen: klimaneutrale Verfahren und Produktdesigns, die technisch realisierbar und wirtschaftlich
sind. Die Stahlindustrie bewegt
sich indes an den Grenzen des
Machbaren – und forscht dennoch
nach Wegen, diese zu überwinden.
Auf Windenergie umsteigen, leichtere Autos bauen, Fassaden
dämmen, Landflächen aufforsten: Den meisten Branchen
stehen CO2-Vermeidungsoptionen zur Verfügung. In der
Stahlindustrie dagegen ist nach dem heutigen Stand der
Technik keine CO2-neutrale Produktion möglich.
Stahl und Klima
Ohne Kohlenstoff kann kein Roheisen gewonnen werden und
ohne Roheisen gibt es keinen Stahl. Den Eisenerzen, wie sie
in der Natur vorkommen, muss Sauerstoff entzogen werden –
dafür werden kohlenstoffhaltige Reduktionsmittel eingesetzt.
Auf diesem Wege werden weltweit etwa 70 Prozent des
Stahls hergestellt. Die restlichen 30 Prozent des Werkstoffs
stammen aus eingeschmolzenem Stahlschrott.
Der Mindestbedarf an Kohlenstoff für die Eisenerzreduktion
lässt sich rechnerisch ermitteln. Die Stahlindustrie spricht vom
sogenannten technisch-naturwissenschaftlichen Minimum.
Im Laufe der vergangenen Jahrzehnte wurden die Verfahren
ständig verbessert, sodass der Reduktionsmittelverbrauch je
Tonne Roheisen erheblich gesenkt werden konnte. „Die
heutigen Hochofentechnologien lassen so gut wie keine
Verbesserungen mehr zu. Wir sind an den technischen
Grenzen angekommen“, sagt Jörn Pufpaff, Mitglied des
Vorstands von ArcelorMittal Bremen GmbH.
Hohe Hürden.
Beim Thema Dekarbonisierung liegen
technologische
Hoffnungen und
wirtschaftliche Risiken
nah beieinander.
Die erfolgte Optimierung der Anlagen bis an das technische
Minimum ist nur ein Grund dafür, warum die weitere CO2Minderung so schwierig ist. „Die Qualität der Rohstoffe
verschlechtert sich kontinuierlich – das nivelliert die
positiven Effekte der Effizienzsteigerung“ erklärt Martin
Baues, Mitglied des Vorstands der Saarstahl AG. Diese Erkenntnis gilt sowohl für Erz und Kohle bei der Hochofenroute
als auch für den Stahlschrott bei der Elektroofenroute.
Das wirtschaftlich realisierbare CO2-Minderungspotenzial
der europäischen Stahlindustrie bis 2050 liegt nur noch
bei zehn Prozent, haben die Boston Consulting Group und
das Stahlinstitut VDEh ermittelt.
10
Nah am Limit.
Die Stahlindustrie hat
über Jahrzehnte hinweg
den Einsatz von
Kohlenstoff in Hochöfen
reduziert und damit das
reale Betriebsoptimum
erreicht.
Einsatz von Kohlenstoff in Hochöfen in Deutschland
1.000 kg Kohlenstoff/t Roheisen
800
reales
Betriebsoptimum
600
400
200
0
1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015
Quelle: Stahlinstitut VDEh
Die Suche nach großen
Lösungen
Nicht ohne Grund werden aktuelle
Forschungsvorhaben der Branche als
„Breakthrough Technologies“ bezeichnet.
Es wird nach Wegen gesucht, bekannte
Prozesse alternativ anzuordnen oder gar
zu verkürzen. Ein Forschungsprojekt im
Rahmen des ULCOS-Konsortiums
(Ultra-Low CO2 Steelmaking) untersucht
beispielsweise, ob sich Roheisen direkt
aus Feinerzen und Kohle herstellen lässt,
ohne die Vorstufen Kokerei und Sintern.
Auch das Belt-Cast-Verfahren, welches
2014 für den Deutschen Zukunftspreis
des Bundespräsidenten nominiert
wurde, bedeutet eine massive Modifikation im Prozess. Ulrich Grethe,
Vorsitzender der Geschäftsführung der
Salzgitter Flachstahl GmbH, erläutert:
„Anders als bei der konventionellen
Herstellung wird der Stahl direkt
horizontal auf ein gekühltes Band
gegossen und anschließend aus­
gewalzt. Das noch in der Entwicklung stehende Verfahren soll die
Erzeugung neuer Hochleistungsstähle ermöglichen, die bei ihrem
Einsatz zum Beispiel im Mobilitätssektor zur Energieeinsparung
führen sollen. Bei großtechnischer
Anwendung des Verfahrens könnten
neben der Produktion neuer Werkstoffe auch Energie und CO2 direkt
bei der Stahlerzeugung eingespart
werden. Dafür ist jedoch noch jahrelange Entwicklungsarbeit notwendig
und es wird keineswegs bei allen
Stahlprodukten anwendbar und in
dem Ausmaß machbar sein, dass es
für die Erreichung der politisch
definierten Reduktions­ziele ausreichend wäre.“
Außerdem entwickelt die Stahlindustrie
Verfahren, die das unvermeidbare CO2
als Grundstoff nutzen, beispielsweise
für Düngemittel, Kerosin oder Karbonfasern. Die unter dem Oberbegriff
„Carbon Capture and Usage“ (CCU)
laufenden Experimente sind jedoch
noch weit davon entfernt, im großen
Maßstab umgesetzt werden zu können.
„Für diese Prozesse wird Wasserstoff benötigt, dessen Gewinnung
energieintensiv ist. Wollen wir CO2
nutzen, statt es auszustoßen, ist
günstige und zuverlässige Energieversorgung unabdingbar“, argumentiert Dr. Herbert Eichelkraut, Mitglied
des Vorstands von ThyssenKrupp Steel
Europe AG.
Aus dem Labor in die Praxis?
Die skizzierten Projekte zeigen, dass
Stahlunternehmen aktiv daran forschen,
den Ausstoß von Kohlenstoffdioxid zu
verringern oder nutzbar zu machen.
Technologische Hoffnungen und wirtschaftliche Risiken liegen dabei eng beieinander:
Zum einen ist die Forschung ergebnisoffen
und es ist unklar, ob sich die Verfahren
im großindustriellen Maßstab umsetzen
lassen. Außerdem können sie, auch wenn
verfügbar, den CO2-Ausstoß der Stahlindustrie senken, aber nicht komplett eliminieren. Zum andern bleibt die Wirtschaftlichkeit entscheidend. Die Verfahren müssen
im Vergleich zu den weltweit etablierten
Prozessen wettbewerbsfähig werden und
auch dauerhaft bleiben.
Wie die politisch gewünschte Energie­
wende, lassen sich die geschilderten
Technologien nicht von heute auf morgen
in den Stahlunternehmen umsetzen.
Es ist Aufgabe der Politik, den globalen
Klimaschutz so zu gestalten, dass der
freie Wettbewerb die technologisch
fortgeschrittenen Stahlstandorte nicht
benachteiligt. Schließlich müssen
Windräder, Autobauteile, Fassaden und
Landmaschinen auch künftig noch
gefertigt werden.
AUF GRÜNEM GLEIS
Transportmittel Bahn
11
Der Stahlstandort Deutschland ist klimafreundlich – nicht nur, weil hier
umweltschonend produziert wird, sondern auch, weil die Stahlindustrie
auf die nachhaltigen Verkehrsträger Binnenschiff und Bahn setzt.
Wer einmal erlebt hat, welche Mengen an
Rohstoffen ein Stahlunternehmen pro Tag
benötigt, dem ist klar: Hier sind zuverlässige und leistungsstarke Transporteure
gefordert. Neben der Binnenschifffahrt ist
der Schienengüterverkehr der mit Abstand
wichtigste Verkehrsträger für die Branche.
Rund 200.000 Tonnen Stahl, Erz, Kohle,
Schrott, Zwischen- und Fertigprodukte
werden täglich mit der Bahn transportiert.
Im Gespräch: Rüdiger Grube,
Vorsitzender des Vorstands der
Deutschen Bahn AG und der
DB Mobility Logistics AG
Herr Grube, wie sieht die Zusammenarbeit zwischen der Stahlindustrie
und der Bahn konkret aus?
Die Stahlindustrie ist eine Kernbranche
des Schienengüterverkehrs der Deutschen Bahn und wichtiger Partner beim
Ziel, mehr Verkehr auf die Schiene zu
bringen. Gerade Stahlerzeugnisse, aber
auch Rohstoffe wie Erze und Kohle sind
Güter, die sich hervorragend für den
Transport auf der Schiene eignen. Für die
Stahlindustrie ist die Schiene geradezu
wie geschaffen.
Dabei ändern sich Prozesse in der
Stahlindustrie und die Anforderungen
an uns als Transport- und Logistikdienstleister ständig. Der Schlüssel
zum Erfolg ist dabei die enge Zusammenarbeit mit unseren Kunden.
Ein Beispiel ist die Güterwagenflotte, die
wir zum Transport von Stahl-Coils oder
Halbzeug einsetzen und gemeinsam
weiterentwickeln. Meine Kollegen und
ich tauschen uns auch regelmäßig mit
der Wirtschaftsvereinigung Stahl über
Instandhaltung und Ausbau unserer
Schieneninfrastruktur und auch die
Lärmsanierung aus.
Die Stahlindustrie
ist bereits
in vielen
Bereichen
auf dem
Weg zu
mehr Nachhaltigkeit.
Wie sieht das
bei Ihnen als Transportpartner aus?
Nachhaltigen Unternehmenserfolg und
gesellschaftliche Akzeptanz sehe ich als
Voraussetzung für unser Geschäft. Über
unsere Strategie DB2020 ist das Prinzip
der Nachhaltigkeit im Unternehmen fest
verankert – und zwar über messbare
Kriterien. Dazu gehören die Zufriedenheit
von Kunden und Mitarbeitern, aber auch
die Reduktion von Emissionen – und
natürlich die wirtschaftliche Stabilität.
Unter der Überschrift Logistik 4.0 treiben
wir die Digitalisierung im Schienengüterverkehr voran. Beispielsweise indem wir
die Betriebsdaten von Loks in Echtzeit an
die Werkstätten übermitteln. So sehen
wir genau, wann eine Inspektion
ansteht. Bis 2020 werden rund 2.000
intelligente DB-Loks durch Europa
rollen. Bei den Waggons investieren wir
ebenfalls verstärkt in Sensorik und
Telematik. Damit steigern wir nachhaltig
die Effizienz und schonen die Umwelt.
Welche Rolle spielt das Thema nachhaltiger Transport bei Ihren Kunden?
Geringe Umweltbelastung, eine gute
Transportqualität und eine wirtschaftlich
vertretbare Entwicklung der Kosten sind
hier wichtige Faktoren. Die Modernisierung unserer Loks und Wagen ist
Grundvoraussetzung für Leistung und
Qualität. Gerade mit einigen unserer
Stahlkunden arbeiten wir außerdem
daran, durch intelligente Zugkonzepte
die Profitabilität zu steigern.
Unsere Kunden wünschen einen
sicheren, verlässlichen und effizienten
Transport ihrer Güter. Aber auch die
eigene Umweltbilanz gewinnt stark an
Bedeutung. Spätestens da führt kein
Weg an der Schiene vorbei.
Anteile der Verkehrsträger
am Transportvolumen
51 % Bahn
29 % Binnenschiff
20 % Lkw
Quelle: WV Stahl
Breite Allianz für Stahl
Schulterschluss
12
Gipfeltreffen in Düsseldorf.
In der NRW-Landeshauptstadt trafen sich im
September Vertreter von Landesregierung,
Stahlunternehmen und Gewerkschaft.
Hintere Reihe (v. l.):
Knut Giesler, Bezirksleiter der IG Metall NordrheinWestfalen; Garrelt Duin, Minister für Wirtschaft,
Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk des
Landes Nordrhein-Westfalen; Hans Jürgen Kerkhoff,
Präsident Wirtschaftsvereinigung Stahl und Vorsitzender Stahlinstitut VDEh
Vordere Reihe (v. l.):
Frank Schulz, Vorsitzender der Geschäftsführung
ArcelorMittal Holding GmbH; Oliver W. Bell,
Vorsitzender der Geschäftsführung der Deutschen
Edelstahlwerke GmbH; Moderatorin Verena Papke;
Karl-Heinz Schmidt, Betriebsratsvorsitzender
Vallourec Deutschland GmbH; Dr. Nicola Hirsch,
Arbeitsdirektorin und Mitglied der Geschäftsführung
ArcelorMittal Duisburg GmbH; Andreas J. Goss,
Vorstandsvorsitzender der ThyssenKrupp Steel
Europe AG
Gipfeltreffen in Saarbrücken.
Beim Saarländischen Stahlgipfel trafen sich im
Juli Vertreter von Landesregierung,
Stahlunternehmen und IG Metall.
(V. l. n. r.:) Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der
IG Metall; Anke Rehlinger, Ministerin für Wirtschaft,
Arbeit, Energie und Verkehr im Saarland; Albert
Hettrich, Generalbevollmächtigter der Stahl-Holding
Saar und Präsident des Verbandes der Saarhütten;
Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident Wirtschaftsvereinigung
Stahl und Vorsitzender Stahlinstitut VDEh
In ihrer wachsenden Sorge über die weitere
Verschärfung des EU-Emissionshandels
bekommt die deutsche Stahlindustrie Unterstützung von Arbeitnehmern und Politik.
IG Metall, Wirtschaftsvertreter sowie Landesund Bundespolitiker bilden gemeinsam eine
breite Allianz für den Stahl.
13
Der Wirtschaftsminister von NRW,
Garrelt Duin (SPD), fand deutliche
Worte in Richtung Brüssel. „Es darf
keine europäische Klimaschutzpolitik
nach dem Motto geben: Wenn die
Industrie abwandert, ist Gutes für
das Klima getan“, mahnte er anlässlich des ersten Stahlgipfels für Nordrhein-Westfalen. Seine Parteikollegin,
die saarländische Wirtschaftsministerin
Anke Rehlinger (SPD), hatte zuvor
beim Stahlgipfel in Saarbrücken erklärt:
„Mit dem geschlossenen Auftreten
aller regionalen Kräfte wollen wir
ein Zeichen setzen – Richtung Berlin
und Richtung Brüssel.“ Dass sich gleich
mehrere Landesregierungen so deutlich
hinter eine Branche und so klar gegen
die Vorstellungen der EU-Kommission
positionieren, mag manche überraschen – es hat aber einen guten Grund.
Pläne bedrohen die
Existenz
Setzt die EU die von der Kommission
geplante Verschärfung des Emissionshandels mit einer massiven Verknappung
der Freizertifikate für die Stahlindustrie
und höheren CO2- und Strompreisen
um, entstehen den Unternehmen
zusätzliche Kosten, die auf eine Milliarde Euro im Jahr 2030 ansteigen. Das
würde wohl das Aus für viele Standorte
hierzulande und in Europa bedeuten.
Für Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident
der Wirtschaftsvereinigung Stahl, ist
daher klar: „Die von der Kommission
geplante Verschärfung des EU-Emissionshandels ist für die Stahlindus­
trie existenzgefährdend.“ Wegen
fehlender Planungssicherheit werden
schon heute notwendige Investitionen
verschoben – oder ganz gestrichen.
Für die Landesregierungen an Rhein
und Saar geht es längst nicht nur
um die Stahlunternehmen und die
dazugehörigen 90.000 Beschäftigten.
Verschwindet der Industriezweig, sind
rund vier Millionen weitere Arbeitsplätze
in stahlintensiven Branchen betroffen.
Zudem ginge Deutschland ein großes
Stück Innovationskraft verloren. Im
vergangenen Jahr wurden rund 4.300
für Deutschland relevante Stahlpatente
veröffentlicht.
Unterstützung über
Parteigrenzen hinweg
Zunehmend wächst in der Politik die
Erkenntnis: Eine Klimapolitik, die dafür
sorgt, dass Stahl außerhalb Europas
zu schlechteren Umweltbedingungen
produziert wird, schadet dem Klima.
Bundesumweltministerin Dr. Barbara
Hendricks (SPD) äußerte kürzlich
erstmals öffentlich Bedenken: „Es wäre
unsinnig, Unternehmen aus Europa
zu vertreiben, die dann ihre Produktion und ihre Emissionen in andere
Weltregionen verlagern.“
Unterstützung erhält die Stahlindustrie
auch von CDU-Generalsekretär Peter
Tauber. Der forderte nach seinem
Besuch bei ArcelorMittal in Eisenhüttenstadt via Facebook bessere Konditionen
für die heimische Stahlindustrie: „Wir
müssen in der Politik unbedingt
die Rahmenbedingungen – insbesondere beim Thema Energie –
so setzen, dass Deutschland ein
starker Industriestandort bleibt.“
Hoffen auf Einsicht in
Brüssel
In ihrem gemeinsamen Ziel suchen
Arbeitnehmer und Stahlproduzenten
in Deutschland weiterhin den Dialog mit
der Politik. Im Saarland, in NordrheinWestfalen wie auch in Niedersachsen
dürfen sich die Stahlindustrie und ihre
Beschäftigten der Unterstützung sicher
sein. Im Rahmen des NRW-Stahlgipfels
kündigte Duin an, in Kürze das Gespräch
mit den EU-Institutionen zu suchen. Eine
ganze Branche hofft nun, dass damit
auch die Einsicht in der EU-Kommission
Einzug halten wird.
Demonstration
in Berlin.
IG Metall und
Stahlindustrie
protestieren gemeinsam
gegen steigende
Energiekosten.
KNAPPE ZERTIFIKATE
WENIGER IST NICHT MEHR
14
Erste Handelsperiode
Finanz- und
Wirtschaftskrise
Im Kyoto-Protokoll einigten sich 1997
mehr als 150 Staaten auf verbindliche
Ziele zur CO2-Reduktion. Die EU beginnt
2005 mit dem Aufbau eines Emissionshandels. Die erste Handelsperiode gilt als
Pilotphase: Regeln und Budget werden
nur grob festgelegt, die Ausgestaltung
übernehmen die einzelnen EU-Staaten.
Den rund 1.850 emissionshandelspflichtigen Anlagen in Deutschland stehen pro
Jahr 499 Millionen Emissionszertifikate
zur Verfügung.
2005–2007
Die globale Finanzkrise 2008 und der
daraus resultierende Einbruch der
Weltwirtschaft wirken sich auch auf
den Emissionshandel aus. Die deutlich
geringere Wirtschaftsleistung führt
zu weniger Emissionen, aber auch zu
einem Überschuss an Zertifikaten, deren
Preise in der Folge deutlich nachgeben.
Die nicht in Anspruch genommenen
Zertifikate der Stahl­industrie in Deutschland werden bis 2017 aufgebraucht sein.
2008–2012
Zweite Handelsperiode
Zwischen 2008 und 2012 etabliert sich
der Emissionshandel. Die Zahl der
Zertifikate für die rund 1.650 deutschen
Anlagen wird auf 452 Millionen
Zertifikate gesenkt – das sind rund
zehn Prozent weniger als in der ersten
Handelsperiode. Zudem werden
jährlich mehr als 40 Millionen Emissionszertifikate nicht wie zuvor kostenlos
zugeteilt, sondern versteigert.
2008–2009
Die EU hat eine drastische Verschärfung des Emissionsrechtehandels
vorgeschlagen. Dabei ist klar: Die Verknappung der Emissionsrechte in Europa
bringt dem globalen Klimaschutz wenig. Es bleibt offen, inwieweit andere
Standorte dem europäischen Vorbild folgen.
15
15
Reformvorschlag der EU-Kommission
Um die Anzahl der Zertifikate weiter zu reduzieren, wurde
eine sogenannte Marktstabilisierungsreserve geschaffen.
Zusätzlich hat die EU-Kommission am 15. Juli 2015 einen
Vorschlag vorgelegt, der eine noch schärfere jährliche Kürzung
der Zertifikate vorsieht: 2,2 Prozent ab 2021. Dadurch müssen
Unternehmen mehr Emissionsscheine zukaufen. Zudem
steigt deren Preis. Damit will die EU die CO2-Reduktion weiter
forcieren.
Gefahren der Reform
ab 2013
2015
Dritte Handelsperiode
Die dritte Handelsperiode startet mit
einer weitreichenden Harmonisierung:
Außer einer europaweit festgelegten
Obergrenze für Treibhausgasemissionen gelten erstmals in allen EU-Staaten
dieselben Regeln für die Zuteilung
von kostenlosen Emissionszertifikaten.
Zudem verringert sich die Anzahl der
Zertifikate jährlich um 1,74 Prozent.
Die Stahlindustrie muss seit 2013 für
eine freie Zuteilung der Zertifikate
CO2-Richtwerte akzeptieren, die
außerhalb des Realisierbaren liegen.
Die Reformpläne der EU sind für die deutsche Stahlindustrie
existenzgefährdend: Die starren Vorgaben für weitere
CO2-Einsparungen stoßen bei der Stahlproduktion an technisch-physikalische Grenzen. Zudem führen sie zusammen mit
emissionshandelsbedingten Strompreissteigerungen zu einer
Mehrbelastung von rund einer Milliarde Euro im Jahr 2030.
Unter diesen Belastungen kann die Stahlbranche im globalen
Wettbewerb nicht mehr bestehen. Es wächst die Gefahr des
Abwanderns der heimischen Stahlproduktion in Länder mit
niedrigeren Emissionsvorgaben („Carbon Leakage“).
Forderungen der Stahlindustrie
Die Stahlindustrie in Deutschland ist sich ihrer Verantwortung
für den Klimaschutz bewusst und hat die CO2-Emissionen
seit 1990 bereits um 19 Prozent gesenkt. Nirgendwo auf der
Welt wird Stahl klimaschonender produziert als hierzulande.
Damit dies auch so bleibt, fordert die Stahl­industrie eine
ausreichende kostenfreie Zuteilung für im internationalen
Wettbewerb stehende Branchen. Sie muss so bemessen sein,
dass die zehn Prozent der emissionsärmsten Anlagen nicht
durch den Kauf von Zertifikaten belastet werden. Für die
übrigen Unternehmen entsteht zugleich ein Anreiz, die
eigenen Anlagen weiter zu optimieren.
Hinzu kommt: Die Stromkosten der Stahlindustrie steigen
durch die Einpreisung der CO2-Zertifikate massiv. Dieser
politisch verursachte Wettbewerbsnachteil gegenüber
außereuropäischen Regionen ohne Emissionshandel kann
nur ausgeglichen werden, wenn die heute praktizierte
Strompreiskompensation über 2020 hinaus beibehalten
bleibt. Um weitere Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern, ist zudem eine globale Lösung erforderlich – denn
CO2 kennt keine Grenzen.
WEISSER RAUCH
China poliert sein Klima-Image
16
Globaler Klimaschutz ist ohne China wirkungslos. Im Vorfeld des Pariser
Gipfels verkündet das Land mehr Engagement – und will doch bis 2030
mehr CO2 ausstoßen als je zuvor. Ein Überblick.
Emissions-Weltmeister
Vage Klimaziele
Dicke Luft
China ist der größte KohlendioxidProduzent weltweit und verursacht knapp 30 Prozent des global
freigesetzten Treibhausgases.
Beim Weltklimagipfel in Paris will
China eine aktive Rolle spielen.
Erstmals wurden vorab eigene
Klimaziele formuliert:
2013 lag der CO2-Ausstoß bei
knapp 9 Milliarden Tonnen – in
etwa so viel, wie die Emissionen
von Europa und USA zusammen.
• Ab 2017 will China ein eigenes
Emissionshandelssystem aufbauen, die Pilotphase läuft vorab
in sieben Städten des Landes.
• Der Ausstoß von Kohlendioxid
soll zunächst weiter steigen,
jedoch möglichst noch vor 2030
seinen Höchststand erreichen.
• Die CO2-Emissionen sollen
gemessen an der Wirtschaftsleistung bis 2030 um 60 bis 65 Prozent
im Vergleich zum besonders
schadstoffreichen Jahr 2005 sinken.
Smog in den Städten, verseuchte
Flüsse, zerstörte Wälder: Umweltprobleme sind in China kein Geheimnis mehr. Die Belastungen
gefährden nicht nur die Gesundheit der Menschen, sondern stellen
auch ein Investitionshemmnis dar.
Die Industrialisierung des Riesenreichs lässt sich auch am CO2Ausstoß ablesen: Er stieg seit
1990 um mehr als 280 Prozent.
Grundsätzlich sind die Ankündigungen zu begrüßen. Sie liegen
allerdings noch weit unter den
EU-Verpflichtungen.
Smog über Peking.
Chinas Hauptstadt zählt
zu den Städten mit der
höchsten Luftverschmutzung weltweit.
Auf die immer häufiger aufkommenden Proteste der Bevölkerung
reagiert die Politik zumeist mit
kurzfristigen Maßnahmen wie der
Abschaltung einzelner Kraftwerke
oder partiellen Fahrverboten. Was
bisher fehlt, ist ein klares Konzept.
17
Fehlende Transparenz
Stahlmacht Nummer 1
Unklarer Ausblick
Die EU-Umweltminister fordern,
den Ausstoß von Treibhausgasen
ab 2025 weltweit zu überwachen.
Dazu braucht es aber verlässliche
Daten, sowohl über den Energieverbrauch als auch über Emissionen.
Beides ist in China bisher nicht
der Fall.
Das Reich der Mitte ist der größte
Stahlproduzent weltweit:
Eine Beurteilung der Klimapolitik
Chinas fällt schwer, solange den
Ankündigungen keine konkreten
Maßnahmen folgen. So ist beispielsweise noch völlig unklar, wie der
angekündigte Emissionshandel
überwacht und Absprachen zwi­­­
schen Industrie und lokalen Behörden unterbunden werden sollen.
Experten gehen beispielsweise
davon aus, dass der aktuelle Energieverbrauch etwa zehn Pro­zent
über den offiziellen Angaben der
Zentralregierung in Peking liegt.
• Knapp 50 Prozent des weltweit
erzeugten Rohstahls kommen aus
China.
• Aktuell beträgt die Überkapazität rund 380 Millionen Tonnen –
Tendenz steigend. Dies ist mehr
als doppelt so viel, wie die EU
jährlich produziert
• 94 Prozent der Stahlproduktion
erfolgt über die Hochofenroute,
nur 6 Prozent über die emissionsärmere Elektroroute. In Deutschland liegt das Verhältnis bei 69
zu 31 Prozent.
• Staatliche Unterstützungen
ermöglichen es chinesischen
Herstellern, Stahl zu Dumpingpreisen anzubieten.
Einig ist man sich allerdings, dass
ein Engagement Chinas zur Reduktion der Treibhausgasemissionen
unverzichtbar ist. Denn eines ist
unumstritten: Alle europäischen
Bemühungen gehen ins Leere,
solange die Emissionen in China
ungebremst weiter steigen.
Gelebte Effizienz
Ressourcen und Energie
18
Von Natur aus effizient.
Die beliebte Blattschneideameise zeigt, welch große
Leistungen mit relativ wenig
Energie möglich sind.
Das Prinzip Effizienz ist in der Natur, aber auch in der Industrie zu finden.
Für die Stahlunternehmen in Deutschland ist der schonende Umgang mit
Ressourcen und Energie schon lange selbstverständlich.
In Zeiten steigender Energiekosten ist
Energieeffizienz auch für Privathaushalte ein großes Thema geworden. So
spielt bei der Anschaffung von neuen
Haushaltsgeräten immer häufiger die
Energieeffizienzklasse eine entscheidende Rolle. Kaum eine Waschmaschine wird heute mit einem schlechteren
Effizienz-Label als A+ verkauft.
Gegenüber Modellen mit der Einordnung A benötigen neue Exemplare mit
A+++ rund ein Drittel weniger Strom
und kommen mit deutlich geringeren
Mengen Wasser aus.
Was zu Hause mit einem überschaubaren Aufwand verbunden ist, dem
Austausch des bisher genutzten Geräts,
erfordert in einer Branche wie der
Stahl­industrie hohen finanziellen
Einsatz. Dennoch konnte der Verbrauch
von Primärenergie, bezogen auf die
Rohstahlerzeugung, in den letzten
25 Jahren um fast 15 Prozent gesenkt
werden. Auch der Wasserverbrauch ließ
sich in diesem Zeitraum um mehr als
ein Drittel verringern. Diese Erfolge sind
zugleich auch Ansporn: Der schonende
Umgang mit Ressourcen sowie die
Optimierung des Energieverbrauchs
stehen auch weiterhin auf der Agenda
der Stahlindustrie.
der Bundesregierung, dem BDI und
zahlreichen weiteren Branchenverbänden unterzeichnet wurde, war die
Teilnahme der Stahlindustrie selbstverständlich. Das Ziel der „Initiative
Energieeffizienz-Netzwerke“: Einsparungen von 75 Petajoule Primärenergie beziehungsweise fünf Millionen
Tonnen Treibhausgas-Emissionen.
Informationsaustausch in
Netzwerken
Rund ein Dreivierteljahr später laufen
die Vorbereitungen zur Gründung der
ersten Netzwerke auf Hochtouren. In
der Stahlindustrie organisieren Elektro­
stahlproduzenten einen zielgerichteten Informationsaustausch im Rahmen
eines eigenen Netzwerks. Darüber
hinaus planen die Unternehmen der
Stahlindustrie weitere Verbünde und
Beteiligungen, um den Energieverbrauch zu optimieren und das von
Politik und Wirtschaft gemeinsam
gesetzte Ziel zu erreichen.
Ein Weg, die aufgrund des schon
Erreichten nur noch begrenzt vorhanden Effizienzpotenziale zu erkennen
und zu heben, ist der zielgerichtete
Informationsaustausch in sogenannten
Energieeffizienz-Netzwerken. Als im
Dezember 2014 eine Vereinbarung zur
Gründung 500 neuer EnergieeffizienzNetzwerke bis Ende 2020 zwischen
19
Was ist ein Energieeffizienz-Netzwerk?
Drei Fragen an …
In einem Energieeffizienz-Netzwerk treffen
sich Unternehmen zu einem unbürokratischen
Erfahrungs- und Ideenaustausch. Ziel ist es,
gemeinsam die Energieeffizienz zu steigern.
Eine entsprechende Initiative wurde von
der Bundesregierung sowie den Branchenund Spitzenverbänden ins Leben gerufen.
Mehr unter: www.effizienz-mit-stahl.de
Max Aicher, Geschäftsführender
Gesellschafter der Max Aicher GmbH
1. Herr Aicher, was verstehen
Sie unter einer effizienten Stahlproduktion?
Bereits der Einsatz von Stahlschrott, aus
dem wir Stahl herstellen, ist effizient.
Zudem arbeiten wir schon seit vielen
Jahren mit einem zertifizierten Energiemanagementsystem, um Einsparpotenziale systematisch zu erfassen.
2. Was leistet Stahl für die Energieeffizienz?
Ohne Stahl keine Energiewende – also auch kein Strom
aus Wind- oder Wasserkraft. Durch hochfeste Stähle kann
das Gewicht beim Auto verringert werden. So wird
weniger Kraftstoff benötigt. Das sind Beispiele für Effizienz
mit Stahl.
3. Wo sehen Sie weitere Effizienzpotenziale?
Unsere Devise ist: „Recycling statt Entsorgung“. Schon
heute wird zum Beispiel aufbereitete Pfannenschlacke als
Düngekalk in der Landwirtschaft genutzt. Die Verwertung
von Nebenprodukten bedeutet höchste Effizienz.
Maßnahmen werden dort aber nicht nur diskutiert,
sondern auch vor Ort besichtigt. Von der einfachen
Umrüstung der Deckenbeleuchtung in Produktionsstätten auf LED-Technik bis hin zum Betrieb eines
Gichtgaskraftwerks bei der Dillinger Hütte, welches
die im Produktionsprozess entstehenden Kuppelgase
effizient in Strom umwandelt, ist vieles möglich, um
die Effizienz nachhaltig zu steigern. Doch nicht alle
Maßnahmen lassen sich problemlos auf andere
Unternehmen übertragen. Hier ist jeder „Fertigungskomplex“ anders und besteht aus unterschiedlichen
Einzelanlagen, die aufeinander abgestimmt sind.
Effizient bei den Rohstoffen –
effizient im Produkt
Natürlich benötigt man für die Stahlproduktion nicht
nur Energie. Das für die Roheisenproduktion unabdingbare Eisenerz und die Kokskohle müssen heute
vollständig importiert werden – ein entscheidender
Grund, warum die Stahlunternehmen auf einen
schonenden Umgang mit Ressourcen besonders viel
Wert legen, auch beim Transport.
In der Anwendung führt der Werkstoff Stahl dazu,
dass negative Umwelt- und Klimaauswirkungen
immer weiter verringert werden können. Der Einsatz
innovativer Stähle sorgt zum Beispiel in Offshore-Windparks dafür, dass ein Vielfaches der CO2-Emissionen
eingespart werden kann, die bei der Erzeugung des
eingesetzten Stahls freigesetzt werden. In diesem Fall
gar das 23-Fache, wie eine Studie der Boston Consulting Group und des Stahlinstituts VDEh ermittelt hat.
Dr. Michael Süß, Vorsitzender der
Geschäftsführung Georgsmarienhütte
Holding GmbH
1. Warum ist Effizienz so ein
wichtiges Thema in der Branche?
Effektive Nutzung von Ressourcen durch
Prozess- und ökologische Effizienz wirkt
unmittelbar auf die Kosten. Im Stahlwerk
Georgsmarienhütte ist durch die Nutzung
der Abwärme des E-Ofens zur Dampf­
erzeugung der Erdgasverbrauch um rund 25 Millionen Kilowattstunden kWh im Produktionsjahr reduziert worden, was zudem
eine Einsparung von etwa 13.000 Tonnen CO2 bedeutet.
2. Wie bewerten Sie die Rahmenbedingungen
für weitere Effizienzsteigerungen?
Effizienzsteigerung bekommt man nicht zum Nulltarif.
Intelligente Industriepolitik setzt Rahmenbedingungen,
die der Industrie ausreichend Luft zum Atmen lassen.
Alles andere führt zur Deindustrialisierung in Deutschland
mit weitreichenden Folgen für Arbeitsplätze und Wertschöpfungsketten.
3. Wie kann die Politik die Unternehmen zu mehr
Effizienz bewegen?
Das ist die falsche Frage. Effizienzsteigerung ist die Muttermilch
der deutschen Wirtschaft. Politik muss nicht bewegen, sondern
ermöglichen und die Industrie als Partner verstehen.
NACHHALTIG POSITIV
Die CO 2 -Bilanz von Stahl
20
Entscheidend ist nicht die einzelne Zahl,
entscheidend ist das Gesamtergebnis: Weshalb
es sich bei der Ökobilanz besonders lohnt,
genau hinzuschauen, zeigt das Beispiel Stahl.
Eigentlich ist die Ökobilanz eine gute
Sache. Sie soll nachvollziehbar darüber
Auskunft geben, wie stark ein Produkt
die Umwelt belastet. Problematisch wird
es aber, wenn die Ökobilanz – mehrfach
auch als ökologischer Fußabdruck
bezeichnet – auf Einzelzahlen reduziert
wird. So sieht sich Stahl oft pauschal
dem Vorwurf ausgesetzt, klimaschädlich
zu sein. Was dabei übersehen wird:
Bezogen auf den gesamten Lebenszy­
klus schneidet Stahl deutlich besser ab
als viele andere Werkstoffe.
Die vier „R“
Stahl befindet sich in einem kontinuierlichen Kreislauf aus Produktion, Verwendung, Reparatur, Aufbereitung, Wiederverwertung und Recycling. Die Vorzüge
lassen sich in vier Schlagworten zusammenfassen:
• Reduce: Innovative, leistungsfähige
Stähle können mit immer weniger
Materialeinsatz und Gewicht die
gleiche oder sogar eine verbesserte
Funktionalität erbringen.
• Reuse: Wegen seiner hohen
Beständigkeit lassen sich Bauteile aus
Stahl gut wiederverwenden.
• Remanufacture: Gebrauchte
Stahlprodukte können zu hochwertigen
Neuprodukten aufgearbeitet werden.
• Recycle: Stahl wird immer wieder und
vollständig recycelt. Kein anderer
Werkstoff wird weltweit in so großem
Umfang wiederverwertet.
Der Leichtbau-Irrtum
Die Vorzüge von Stahl lassen sich gut
am Beispiel der Automobilindustrie
veranschaulichen. Hier gilt: Je leichter
ein Auto ist, desto weniger Kraftstoff
verbraucht es und desto niedriger ist
sein CO2-Ausstoß. Folglich könnte man
meinen, dass jeder leichtere Werkstoff
eine bessere Wahl sei als Stahl. Ein
typischer Leichtbau-Irrtum. Denn die
vollständige Ökobilanz eines Autos
muss neben der Nutzungsphase auch
Produktion einschließlich Rohstoffgewinnung bis hin zum Recycling berücksichtigen. Und hier zeigt sich: Bei der
Herstellung von vielen Leichtbauwerkstoffen wird wesentlich mehr Energie
eingesetzt als bei der Stahlerzeugung.
Hochfeste Stähle liefern die vergleichbare Leistung bei deutlich kleinerem
Energieaufwand. Hinzu kommt: Für die
Herstellung vieler Autobauteile, unter
anderem für Motoren, ist Stahl unverzichtbar und vergleichsweise günstig.
Das Beispiel verdeutlicht: Für eine faire
Beurteilung der eingesetzten Materialien ist eine ganzheitliche Betrachtung,
die auch technische Anforderungen
und die Realität der Massenmobilität
berücksichtigt, unabdingbar.
Und immer wieder neu
Auch bei einem weiteren Posten der
Ökobilanz schneidet Stahl deutlich
besser ab als konkurrierende Werkstoffe.
Denn Stahl lässt sich zu 100 Prozent
recyceln – und das immer wieder neu.
Dadurch verkleinert sich der ökologische
Fußabdruck, denn die CO2-Emissionen
bei der Herstellung einer Tonne recycelten Stahls liegen sehr viel niedriger als
bei der Primärproduktion. Bezogen auf
den Lebenszyklus, das heißt hochgerechnet auf die Gesamtlebenszeit einer
Tonne Stahl, fallen weniger als 1.000
Kilogramm CO2 an. Übrigens: Beim
Thema Stahlrecycling gehört die
Stahlindustrie in Deutschland zu den
Spitzen­reitern; beträgt der Anteil von
Stahlschrott am Rohstahl weltweit
37 Prozent, sind es hierzulande rund
45 Prozent.
Nicht Abfall, sondern
Wertstoff
Und auch das ist Teil der sauberen Bilanz:
Bei der Stahlerzeugung hergestellte
Nebenprodukte werden ver­marktet.
Durch die Nutzung sogenannter Kuppelgase zur Eigenstromerzeugung werden
jährlich rund 10,9 Terawattstunden
Energie gewonnen – das entspricht dem
Jahresverbrauch einer deutschen
Großstadt. Die bei der Roheisenherstellung parallel erzeugten 14 Millionen
Tonnen Hochofenschlacke sind gefragt
als Ersatzbaustoff im Straßenbau oder
als Düngemittel in der Landwirtschaft.
Und das schont nicht nur Ressourcen,
es hilft auch dem Klima.
Erfolgreiche
Kreislaufwirtschaft.
Wiederverwenden und
Wiederverwerten charakterisiert
den umweltfreundlichen
Werkstoff Stahl.
KREISLAUFWIRTSCHAFT
IN DER STAHLINDUSTRIE
21
ROHSTOFFE
STAHLHERSTELLUNG
1
2
SCHROTT AUS
RÜCKLAUFPRODUKTEN
SCHROTT AUS
DER FERTIGUNG
RECYCLING
5
STAHLVERARBEITUNG
AUFBEREITUNG UND
WIEDERVERWERTUNG
3
NUTZUNGSPHASE
4
ZAHLEN UND FAKTEN
22
CO2
BIS ZU
440 MIO. TONNEN CO2
OV
A
können jährlich in der EU
mit INNOVATIVEN STÄHLEN
EINGESPART werden.
−25 %
I NN
25 % WENIGER
ON
I
T
wiegt ein AUTO
durch den Einsatz von
HOCHFESTEN STÄHLEN.
30.000
TONNEN
ELEKTROBLECH werden benötigt,
um die ELEKTROMOBILITÄTSZIELE
der Bundesregierung zu erreichen.
Knapp
25.000
WINDKRAFTANLAGEN
werden in Deutschland betrieben.
Sie bestehen zu rund
80 % aus STAHL.
40 %
CO2-ZERTIFIKATE
WERDEN DER STAHLINDUSTRIE
2030 FEHLEN, wenn die EU-Kommission
ihren Reformplan zum Emissionshandel umsetzt.
DAS KOSTET DIE BRANCHE
IN DEUTSCHLAND BIS ZU
1 MRD. EURO JÄHRLICH.
In Deutschland werden jährlich rund 43 Millionen Tonnen Stahl produziert.
Zudem sind mehr als die Hälfte der deutschen Warenexporte stahlintensiv.
Rund 2.500 Stahlsorten sind derzeit genormt und registriert.
23
STAHL ist zu
100 %
ohne Einschränkungen und IMMER WIEDER
VE
19 %
R
AN
O
TW
RTUNG
STAHL
UND
KLIMA
70 Mio. t
CO2
– um so viel hat
die Stahlindustrie in Deutschland
ihre CO2-EMISSIONEN
bereits seit 1990 GESENKT.
1990 2014
1 TONNE CO2 wird
über die gesamte Lebenszeit
von einer Tonne Stahl
durch Wiederverwertung
EINGESPART.
PERSP
IV
EKT
E
300 MIO. EURO
– so viel zahlt die Stahlindustrie
JÄHRLICH an EEG-ABGABEN.
Knapp
90.000 BESCHÄFTIGTE
hat die Stahlindustrie in Deutschland,
4
57 Mio. t
RECYCELBAR.
insgesamt
MIO. MENSCHEN
arbeiten in stahlintensiven Branchen.
ENERGIEEFFIZIENZ
BEGINNT
MIT STAHL
a
T h e m U nter
m
u
z
z
Me h r ee f f i z i e n de
hl.
gi
E n e r zienz-mit-sta
www.stahl-online.de
effi
www.
Durch eine Vielzahl von Anstrengungen ist es der Stahlindustrie in Deutschland gelungen, Stahl energieeffizienter zu
produzieren. Für die Produktion einer Tonne Rohstahl, werden heute 15 Prozent weniger Energie als noch vor 25
Jahren benötigt. Doch Stahl unterstützt auch in der Anwendung den Klimaschutz. Windräder bestehen beispielsweise
zu mehr als 80 Prozent aus dem Werkstoff. 74 Millionen Tonnen CO2-Emissionen lassen sich allein durch zukunfts-
weisende Stahlanwendungen jährlich vermeiden. Das entspricht etwa einem Drittel der von der Bundesregierung an-
gestrebten Gesamteinsparungen. Jede Tonne Stahl vermeidet sechs Mal mehr CO2 als bei ihrer Produktion entsteht.
Eine Initiative von ArcelorMittal • Benteler • BGH Edelstahlwerke • Buderus Edelstahl • Deutsche Edelstahlwerke • Dillinger Hütte • Dörrenberg Edelstahl • Feralpi Stahl • GMH
Gruppe Georgsmarienhütte • Hüttenwerke Krupp Mannesmann • Max Aicher Unternehmensgruppe • Outokumpu • Saarstahl • Salzgitter • Stahlwerk Thüringen • ThyssenKrupp