Evaluation - Deutsche Digitale Bibliothek

Evaluation von Planungswirkungen
Die Evaluationsforschung, die sich hiermit beschäftigt, hat z.B. u.a. aufgedeckt, daß staatliche
Förderungsmaßnahmen zur Entwicklung wirtschaftlich peripherer Regionen nur deren partielle
Aufwärtsentwicklung bewirkt haben, es bildeten sich in diesen Regionen neue, höherentwickelte Inseln,
während deren Umland weiter unterentwickelt blieb, bzw. deren Unterentwicklung wurde
vergleichsweise verschärft.1 Eine Ursache dieser disfunktionalen Folgen ist u.a., daß - meist breitgestreut
- finanzielle Anreize gegeben wurden, ohne diese in infrastrukturelle Maßnahmen einzubetten.
In einem optimalen, kybernetisch verstandenen Planungszyklus gehen solche Ergebnisse als Korrektiv
und Problemanstoß in einen erneuten Planungsprozeß ein. Allerdings kann die Macht und
Anziehungskraft der Zentren stärker sein als noch so gut gemeinte Planungen.
Gerade auch was den Evaluationsaspekt betrifft, ist aufschlußreich für die Grenzen von Planung das
partielle Scheitern des Planning-ProgrammingBudgeting-Systems (abgekürzt: PPBS), wie es Mitte der
60er Jahre unter Beteiligung der Rand-Corporation in der US-amerikanischen Administration als
Entscheidungshilfe eingeführt und dann in einigen westeuropäischen Staaten übernommen, mittlerweile
aber wieder allgemein zumindest in seiner rigiden Form aufgegeben wurde. Ziel war eine inhaltliche
Koordination von Aufgaben- und Ausgabenplanungen die einzelnen Haushaltsansätze sollten nicht mehr
wie bisher einfach fortgeschrieben, ggf. um einen bestimmten Prozentsatz erhöht oder je nach Lage
pauschal gekürzt werden. Vielmehr sollte jährlich der Bedarf neu überprüft und evaluiert, die Projekte in
eine Prioritätenliste eingeordnet und je nach dem die Finanzen gekürzt oder aufgestockt werden. Sieht
man einmal davon ab, daß administrative Einheiten dieses Verfahren als Kontrolle und potentielle
Einflußbeschneidung auffassen und sich dagegen wehren, und sieht man davon ab, daß das PPBS eine
Machtverlagerung von der Legislative zur Exekutive zur Folge haben kann, so gibt es zusätzlich nicht
unerhebliche technische Probleme, die vor allem in der Erfassung des Nutzens eines Projektes bestehen.
Das betrifft vor allem die quantifizierende, mit monetären Größen arbeitende Kosten-Nutzen-Analyse
aus der Betriebswirtschaftslehre, da außerhalb des bestehenden Bereichs vielleicht noch die Kosten, aber
schwerlich der oder die Nutzen von Projekten in Geldeinheiten umrechenbar sind. Läßt sich das durch
einen Krankenhausbau gerettete Leben wirklich mit dem Jahresarbeitslohn bemessen, multipliziert mit
der Zahl der Jahre, die der Gerettete nun zusätzlich noch arbeiten kann? Auch sind Opportunitätskosten
bei öffentlichen Vorhaben nur schwer zu erfassen, ebenso sind zu evaluierende Projekte z.T. nicht
vergleichbar. Das Beurteilungskriterium darf zudem nicht nur die Effizienz sein.
Es wird daher zunehmend auf weichere, nicht unbedingt quantifizierende Evaluationsmethoden wie die
Nutzwert- oder die Kosten- Wirksamkeits-Analyse zurückgegriffen, die subjektive Informationen und
Einschätzungen der Planer und Planungsbetroffenen mit einbezieht und die Wirksamkeit von Projekten
mit einer Gesamtbetrachtung von Zielen, Kosten und Gewinnen zu beantworten sucht, wobei rein
quantifizierende Methoden nur noch ein Element unter anderen sind. Positiv am PPBS zu beurteilen ist
nach Böhret sicherlich das durch dieses Verfahren intensivierte Ziel- und Programmbewußtsein, die
bessere Koordination sowie die Aufstellung mehrjähriger Programm- und Finanzpläne. Instrumente
hierzu sind sog. analytische Studien, die Informationen über alternative Möglichkeiten zur
Zielerreichung enthalten, sowie die umfassenderen Programm-Memoranden, die die Zielauswahl und die
sonstigen Empfehlungen der Ministerien oder der Behörden angeben und erläutern. Aufgaben- und
Finanzplanung lassen sich zudem in Form einer Matrix gegenüberstellen. Dies alles steht allerdings
1
Vgl. F. Naschold, Alternative Raumpolitik, Kronberg/Ts. 1978.
unter dem Vorbehalt des oben über die Möglichkeit einer konsistenten. Zielfindung Gesagten. Ebenso ist
mit einzukalkulieren, daß derart die Komplexität des Planungsprozesses erhöht und damit die oben
erwähnten Schwierigkeiten verstärken werden.2
Schlußfolgerungen: Inwieweit ist Politik planbar?
Kommen wir zu einem Resümee: Der Negativkatalog hinsichtlich der Möglichkeit von Planung soll
nicht die Tatsache zum Verschwinden bringen, dass realiter geplant wird, z. T. auch mit Erfolg. Da
Planungen nur partiell realisiert werden und da der Planungsprozeß z.T. im Zickzackkurs abläuft, sollte
nicht larmoyant beklagt werden. Politik hat nun einmal eine andere Rationalität als womöglich
wissenschaftlich deduzierende Planung.
Worauf es ankommt, ist ein geändertes Verständnis von Planungsprozessen, durch das Planung nicht als
ständig defizient erscheint, weil sie an zu hoch gesteckten, letztendlich rationalistischen Kriterien
gemessen wird. Planung ist in Gesellschaftssystemen mit mehreren Entscheidungszentren nicht technokratisch womöglich von Wissenschaftlern exekutierbar, darauf hatte schon Popper3 in seiner Kritik an
Mannheim hingewiesen. Planungen sind nicht als fixe Struktur zu dogmatisieren, sie müssen vielmehr je
nach sich ändernden Umweltbedingungen angepaßt werden. Das wurde - so z.B. vom Bildungsforscher
Helmut Becker - schon frühzeitig als rollende oder iterative Planung bezeichnet.
Im Gegensatz zu Popper darf man sich jedoch höchstens in der Implementation von Planungen mit einer
inkrementalistischen Stückwerkstechnik begründen, nicht aber bei der Ziel- und Programmfestlegung.
Hier bedarf es eines ständigen Diskussionsprozesses über futurologische Entwürfe möglicher Zukünfte
und Optionen, die ganzheitliche Vorstellungen über die Organisation und Entwicklung unserer
Gesellschaft wiedergeben müssen jedoch nicht in substantialistischer Form, sondern stets vorbehaltlich
und revidierbar, da nicht irrtumsfrei.
Derartige Vorstellungen zu in sich stimmigen, widerspruchsfreien Konstellationen konsequent zu
verdichten und Entwicklungsabschnitte ihrer schrittweisen Herausbildung aufzuzeigen (vor dem
Hintergrund qualitativ beschreibender und quantitativer Trendverläufe unter verschiedenen Randbedingungen), versucht das eher intuitive von H. Kahn und A. Wiener entwickelte Szenario-Writing.4
Darüber hinaus muß sich der Wandel des Planungsverständnisses - um mit der BegriffIichkeit von
Habermas zu sprechen5 - in der Abkehr von technokratischen Planungs konzepten widerspiegeln, nach
denen gemäß angeblichen Sachzwängen Wissenschaftler die Planungen aufstellen. Heutzutage geht man
einerseits von einem pragmatischen Planungsmodell aus, nach dem Wissenschaftler und politische
Entscheidungsträger kooperieren, und andererseits von einem partizipativen Modell, nach dem die
Planungsbetroffenen zunehmend in den Planungsprozeß integriert werden - sowohl als Quelle von
Informationen als auch zur Mobilisierung desjenigen sozialen Drucks, ohne den Planung nicht
implementiert werden kann.
Denn Planung ist ein Herrschaftsphänomen und daher politisch zu betrachten - an diese lange Zeit
vergessene Aussage von Freyer und Schelsky ist wieder zu erinnern.6
2
Vgl. insgesamt: C. Böhret, Grundriß der Planungspraxis, Opladen 1975; ders., Entscheidungshilfen für die Regierung,
Opladen 1970.
3
K.R. Popper, Das Elend des Historizismus, Tübingen 1965.
4
Vgl. H. Kahn/A. Wiener, Ihr werdet es erleben, Gütersloh 1970.
5
Habermas, Technik und Wissenschaft als »Ideologie", Frankfurt a.M. 1973 (6. Auflage), S. 120 ff.
Zur Realisierung eines solchen Planungsverständnisses, das ganzheitliche Zukunftsvorstellungen,
inkrementalistische Durchführungstechniken sowie das Aufgreifen sozialer Bewegungen zu integrieren
versucht, ist von seiten der Wissenschaft umfassende Theoriearbeit vonnöten, vor allem hinsichtlich der
Theorien sozialen Wandels, seien sie nun marxistisch oder systemtheoretisch, aber auch hinsichtlich der
Organisations theorie, die Modelle entwerfen sollte, wie in flexiblen Projektgruppen alle an der Planung
beteiligten Akteure, wie Wissenschaftler, Politiker und Betroffene optimal zusammenzufassen sind,
sowie schließlich hinsichtlich der sog. Planung der Planung, d.h.: der Frage, was planbar ist und was
nicht. In diesem Zusammenhang sollen auch z.B. die Überlegungen Herder-Dorneichs7 zu einem
Steuerungsmix Erwähnung finden. Insgesamt sollte dabei weniger das Verifikations- als das
Plausibilitätskriterium im Vordergrund stehen.
Von Seiten einer sich selbstbewussten politischen Führung bedarf es einer Koordination der Instrumente,
vor allem der wirtschaftssteuernden, ohne daß ein Zuviel an Koordination zu Entscheidungsunfähigkeit
führt. Führung ist auch deshalb unabdingbar, um den Forderungsdruck mobilisierter Gruppen
planungskonform kanalisieren zu können.
Dies muß einhergehen mit einem sicherlich nicht steuerbaren Wandel der politischen Kultur, für den es
allerdings Ansatzpunkte gibt. Die politische Aufmerksamkeit der Bürger und der Politiker muß sich
vermehrt auf die großen Fragen und Themen richten.
In diesen Bereichen bestünde noch ein weites Aufgabenfeld für die empirischen Sozialwissenschaften
sowie für eine sich normativ verstehende Politikwissenschaft.
6
Siehe: H. Freyer, Herrschaft und Planung, Hamburg 1933; H. Schelsky, Über die Abstraktheit des Planungsbegriffs in den
Sozialwissenschaften, in: Zentralinstitut für Raumplanung an der Universität Münster (Hrsg.), Zur Theorie der allgemeinen
und der regionalen Planung, Bielefeld 1969,
7
Ph. Herder-Dorneich, Zur Theorie der sozialen Steuerung, Köln 1965