Stalking

Stalking
Harald Dreßing
Zentralinstitut
für Seelische Gesundheit
Mannheim
Stalking
a contemporary challenge for
forensic and
clinical psychiatry
Kamphuis JH, Emmelkamp PMG
Br.J.Psychiatry, 2000
Gliederung
Definition
Historischer Abriss
Praktische Beispiele
Stalkertypologien
Epidemiologische Daten
Prognose
Interventionsprojekte (MMSS)
Definition
Stalking bezeichnet ein Verhaltensmuster, bei dem der
Stalker einen anderen Menschen verfolgt und belästigt,
häufig auch bedroht, unter Umständen auch körperlich
attackiert und in seltenen Fällen sogar tötet.
Das Opfer fühlt sich durch diese Verhaltensweisen
bedrängt und in Angst versetzt.
§ 238 StGB „Nachstellung“
Wer einem Menschen unbefugt nachstellt, indem er
-beharrlich seine räumliche Nähe aufsucht
-unter Verwendung von Telekommunikationsmitteln
oder sonstigen Mitteln der Kommunikation oder über
Dritte Kontakt zu ihm herzustellen versucht
- unter missbräuchlicher Verwendung von dessen
personenbezogenen Daten Bestellungen von Waren
oder Dienstleistungen für ihn aufgibt oder Dritte
veranlasst, mit diesem Kontakt aufzunehmen
- ihn mit der Verletzung von Leben, körperlicher
Unversehrtheit, Gesundheit oder Freiheit seiner
selbst oder einer ihm nahe stehenden Person bedroht
§ 238 StGB „Nachstellung“
-oder eine andere vergleichbare Handlung vornimmt,
und dadurch seine Lebensgestaltung schwerwiegend
beeinträchtigt
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit
Geldstrafe bestraft.
Daten 2010
Etwa 27000 Anzeigen „Nachstelllung“
748 Anklagen
414 Verurteilungen
Sehr geringe Anklagequote!!
Historie
Antike: Daphne
De Clerambault Syndrom: 1942
Tötung des Intimpartners (Rasch 1960)
Konzeptualisierung von Stalking: 1990
Historie
Antike: Daphne
De Clerambault Syndrom: 1942
Tötung des Intimpartners (Rasch 1960)
Konzeptualisierung von Stalking: 1990
Praktische Beispiele
-Belästigung vor der Wohnung oder am
Arbeitsplatz
-Telefonterror, e-mails, SMS
-Bestellungen auf Rechnung des Opfers
-Sachbeschädigung
-aggressive Attacken bis hin zu Tötungsdelikten
Typologien
Es gibt bisher keine allgemein akzeptierte
Typologie der Stalker
Die Typologien berücksichtigen unterschiedliche
Aspekte : Motivation, Täter-Opfer-Beziehung,
psychopathologische Kriterien usw.
Typologie nach Mullen 1999
1.rejected stalker
2.intimacy seeking stalker
3.incompetent stalker
4.resentful stalker
5.predatory stalker
Dreßing und Gass 2007
Ebene 1: Psychopathologie
a) Psychotische Stalker
b) Psychopathologische Entwicklung
c) Stalker ohne krankheitswertige psychische
Störung
Ebene 2: Beziehung zwischen Stalker und Opfer:
a) Intimpartner
b) Person des öffentlichen Lebens (celebrity)
c) Andere Beziehungskonstellation (beruflich,
Nachbar, Bekannter, Fremder)
Ebene 3: Motivation für Stalking
a) positive: Liebe, Versöhnung, Beziehung
b) Hass, Rache, Wut
Dressing H. et al. Nervenarzt, 2007, 78: 764-772
Stalking ist keine neue
Krankheitsentität aber es kann
mit psychischer Krankheit
assoziiert sein!
Stalking und psychische Krankheit
Substanzabhängigkeit/-abusus 35%
Affektive Erkrankungen 25%
Anpassungsstörungen 15%
Wahnhafte Störungen 10%
Schizophrenie 5%
Paraphilie 5%
Zusätzliche Persönlichkeitsstörung: 75%
(Meloy et al. 1995)
Epidemiologie
Tjaden und Thoeness (1998): 8 % der befragten
Frauen, 2% der Männer
Budd und Mattinson (2000): 16 % der Frauen, 7%
der Männer
Purcell(2002): 12,8% der Befragten; 7,2%
Männer; 17,5% Frauen
(Lifetime- Inzidenz-Raten)
1. Epidemiologische Studie in Deutschland
„Mannheimstudie“(Dreßing, Kühner, Gass)
-
-
2000 Mannheimer Bürger wurden
angeschrieben
Untersuchungssample repräsentativ
bezüglich Ausgangsstichprobe
Stalkingdefinition in der Studie:
Mindestens zwei unterschiedliche
Stalkingmethoden
Dauer länger als zwei Wochen
Opfer hat Angst empfunden
-
Dressing et al.: British Journal of Psychiatry, 2005, 187: 168-172
-
Mannheimstudie
11,60%
nie gestalkt
worden
Stalkingopfer
88,40%
Mannheimstudie
Geschlechtsverteilung
90,00%
80,00%
70,00%
60,00%
50,00%
Männer
Frauen
40,00%
30,00%
20,00%
10,00%
0,00%
Opfer
Stalker
Mannheimstudie
Dauer des Stalking
>1 Jahr
< 1 Jahr
<1 Monat
0%
10%
20%
30%
40%
50%
Mannheimstudie
Beziehung zwischen Stalker und Opfer
Sonstige
Professioneller
Kontakt
Familienmitglied
Arbeitskollege
Freund, Bekannter
Fremder
Ex-Partner
0%
5%
10%
15%
20%
25%
30%
35%
Opferstudien
Hall (1997), Pathe (1998)
-Zeichen chronischer Traumatisierung
-Teilweise erhebliche Änderungen im
alltäglichen Leben
-ängstlich-depressive Symptome
-Bis zu 30% haben PTSD
Mannheimstudie
WHO- Well Being Index
18
16
14
12
10
Stalkingopfer
8
6
4
Vergleichsgruppe
2
0
Gesamt
Männer
Frauen
Aktuelle DSM-IV-Diagnosen bei
Stalking-Opfern und Nicht-Opfern
(PHQ-D, N=675)
Nicht-Opfer
Stalking-Opfer
78,1
80
70
60
50
%
50
50
40
28,2
30
20
21,9
10
0
irgend eine DSM-IV
Diagnose
17,1
21,8
4,9
0
1
2+
Anzahl von DSM-IV Diagnosen
Assoziation zwischen Stalking (lifetime) und Risiko
für spezifische DSM-IV Diagnosen (PHQ-D, N=675)
OR
95% CI
Major Depression
5.82
2.22 – 13.24 ***
Minor Depression
1.23
0.39 – 3.87 ns
Panikstörung
5.12
1.60 – 17.02 **
Generalisierte Angststörung 2.69
1.03 – 7.02 *
Alkoholstörung
2.12
0.94 – 4.81 ns
Somatisierungsstörung
2.52
1.33 – 4.77 **
adjusted for sex, age, psychological dependency score
Prognose
-Risiko für gewalttätiges Verhalten: 2,7%55%
-Ex-Partnerstalking: > 50% der Fälle
gewalttätig
-Gewaltanwendung geht in etwa 80 % der
Fälle eine Drohung voraus
-besondere Bedeutung:
psychopathologische Entwicklung!
Stalking and serious violence
James DV and Farnham FR, 2003
85 Stalker
serious violence (Tötungsdelikte, schwere
Körperverletzung) „general violence“
Stalker mit „Serious Violence“ unterscheiden sich
signifikant von Stalkern mit „General Violence“:
Keine früheren Verurteilungen wegen
Gewaltdelikten
Beschäftigungsverhältnis
kein Substanzmissbrauch
keine Persönlichkeitsstörung
Dreßing und Gass 2007
Ebene 1: Psychopathologie
a) Psychotische Stalker
b) Psychopathologische Entwicklung
c) Stalker ohne krankheitswertige psychische
Störung
Ebene 2: Beziehung zwischen Stalker und Opfer:
a) Intimpartner
b) Person des öffentlichen Lebens (celebrity)
c) Andere Beziehungskonstellation (beruflich,
Nachbar, Bekannter, Fremder)
Ebene 3: Motivation für Stalking
a) positive: Liebe, Versöhnung, Beziehung
b) Hass, Rache, Wut
Dressing H. et al. Nervenarzt, 2007, 78: 764-772
Stalking Risk
Profile (SRP)
(McKenzie, McEwan, Pathé,
James, Ogloff & Mullen, 2009)
Red Flag Risk Factors
-Konkrete Suizidpläne des Stalkers
-Konkrete Tötungsfantasien
-“last resort Thinking“ („wenn ich sie nicht
haben kann, soll auch kein anderer sie haben“; gesetzliche
oder moralische Imperative gelten nicht mehr)
-High-risk psychotic Phenomena (TCO- Symptome)
-Psychopathy (PCL >30 bzw. > 18 PCL-SV)
m
n
le
ag
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t
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hl
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al
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un
Fe
st
h
Dr
oh
Mannheimstudie
Stalking und Gewalt
45%
40%
35%
30%
25%
20%
15%
10%
5%
0%
1.Die Häufigkeit von Stalking in einer deutschen
Bevölkerungsstichprobe ist den Ergebnissen aus
angelsächsischen Studien sehr ähnlich.
2.Ex-Partner Stalking ist das häufigste Phänomen.
3.Aggressives und gewalttätiges Verhalten im
Kontext von Stalking ist ein erhebliches Problem.
4.Stalkingopfer zeigen eine signifikante
Beeinträchtigung des psychischen Befindens
-Dreßing et al.:The Epidemiology and Characteristics of Stalking. Current Opinion
in Psychiatry, 19, 2006, 395-399
-Dreßing et al.: Stalking - a significant problem for patients and psychiatrists.
British Journal of Psychiatry, 189, 2006, 566
-H. Dreßing, C. Kühner P. Gass:What can we learn from the first community based
study on stalking in Germany. International Journal of Law and Mental Health, 30,
2007
Mannheimer Modellprojekt Stop
Stalking
MMSS
Zusammenarbeit mit Polizei Mannheim und Heidelberg
Systematische Befunderhebung
„Stalkingsprechstunde“
Gruppenangebot für Stalkingopfer (Forschungsförderung
durch den „Weissen Ring“)
Ein Ergebnis:
Frühzeitige, klare Intervention kann Stalking
beenden. („Gefährderansprache“)
therapeutische Besonderheiten
• Gefährdungspotenzial
 Sicherheit hat absolute Priorität!
 Grenzen der kognitiven Therapiemethoden
• keine Exposition
• begrenzte Einflussmöglichkeiten (wir können
Stalking nicht beenden)
•aber Stärkung der Selbstwirksamkeit ist möglich
Wissenschaftliche Begleitung der
Gruppengespräche
GSI (Global Severity Index)
t1 (M=1,15, sd = 0,60, range 0,17 – 2,51)
t2 (M = 0,73, sd = 0,63, range 0,00 – 1,89)
P<0,05
Effektgröße ( Mprä – Mpost/ sdprä) von 0,7.
(Gallas… Dressing.: Therapeutisches
Gruppenprogramm für Stalkingopfer.
Psychotherapeut, 2009)
„Falsche Opfer“