© Siemens AG 2015 Referenz Industrielle Kommunikation Kläranlage am Handynetz Fernwirksystem schafft Transparenz für die Prozessabläufe von der Leitstelle bis zu den Außenstationen Wie behält man 53 Abwasserpumpen im Blick, die über eine Fläche von 217 Quadratkilometern verteilt sind und teilweise an Orten stehen, zu denen keine Telefonleitung führt? Der Abwasserverband Haldensleben dachte dabei an das allgegenwärtige GSM-/GPRS-Netz und realisierte eine Lösung, die neue Maßstäbe setzt. Haldensleben ist ein kleines Städtchen zwischen dem Mittellandkanal und dem kleinen Flüsschen Ohre. Hier, rund dreißig Kilometer nordwestlich von Magdeburg, lebt man zwar abseits aller Hektik, aber man ist dennoch hellwach und immer offen für Neues. Das zeigt sich selbst bei etwas so Selbstverständlichem wie dem Abwassersystem. Sein Mittelpunkt ist die Verbands-Kläranlage in der Nähe von Hillersleben. Sie sammelt die Abwässer von Haldensleben und den umliegenden Gemeinden und übernimmt damit die Entsorgung einer Fläche von beeindruckenden 217 Quadratkilometern. Dafür steht ein Leitungsnetz zur Verfügung, das jedes Dorf und jede Siedlung erfasst und für gesicherte Entwässerung sorgt. Die Kläranlage übernimmt die Entsorgung eines Gebietes von rund 217 Quadratkilometern. siemens.de/telecontrol © Siemens AG 2015 Aus Abwasser wird Wasser und Dünger Schritt zur homogenen Steuerung Aufgabe der Kläranlage ist es, das anfallende Abwasser so aufzubereiten, dass es ohne Belastung für die Umwelt in die in unmittelbarer Nähe vorbeifließende Ohre geleitet werden kann. Die unterschiedlichen Prozesse der Kläranlage sind natürlich automatisiert und laufen vollautomatisch ab. Manuelle Eingriffe sind nur noch bei Wartungsarbeiten und technischen Störungen erforderlich. Das gesamte System wird am Bildschirm visualisiert und die laufenden Prozessdaten werden entsprechend den gesetzlichen Anforderungen gespeichert. Erster Prozessschritt ist dabei die Befreiung des Abwassers von allen groben Schwebstoffen mit einem Stufenrechen. Anschließend entfernt ein belüfteter Sandfang mit angegliederter Sandwaschanlage den Sand, der über die Straßenabläufe ins Abwasser gespült wurde. Danach geht es zur Vorklärung. Dabei setzen sich die flockigen und körnigen Bestandteile des Abwassers ab und bilden den sogenannten Primärschlamm. Das vorgereinigte Wasser wird zur Phosphor-Eliminierung dem Anaerobbecken zugeführt. Im nachgeschalteten Belebungsbecken erfolgt die eigentliche biologische Reinigung des Abwassers. Die anschließende Nachklärung entfernt die noch verbliebenen Schlammanteile. Das geklärte Abwasser kann bedenkenlos in die vorbeifließende Ohre geleitet werden. Der in der Nachklärung abgesetzte Belebtschlamm wird teilweise in die Schlammeindicker geleitet, der restliche Schlamm der sogenannte Rücklaufschlamm wird wieder mit dem Rohabwasser vermischt. Im Eindicker erfolgt eine statische Abtrennung des Wassers vom Schlamm. Nun wird der Schlamm über einen Dekanter in die Faultürme geleitet, wo er etwa 20 Tage verweilt. Das hier entstehende Faulgas besteht bis zu 70 % aus Methan, das mithilfe eines Blockheizkraftwerks in thermische und elektrische Energie verwandelt wird. Letztlich wird der ausgefaulte Schlamm ein weiteres Mal durch einen zweiten Dekanter entwässert. Jetzt kann der Schlamm u. a. landwirtschaftlich verwertet werden. Früher diente dazu eine heterogene Mischung von Komponenten und Systemen unterschiedlicher Hersteller. Heute heißen die Stichworte des Leitsystems SIMATIC S7, SCALANCE S 612 und WinCC. „Eine sinnvolle Vereinheitlichung“, meint Frank Teggatz, Technischer Leiter der Kläranlage, und ergänzt: „Wir müssen jetzt nur noch wenige Komponenten vorhalten, um jede Störung in kürzester Zeit beseitigen zu können.“ Das alte System entsprach bei weitem nicht mehr den heutigen Anforderungen an ein Leitsystem mit moderner Ferndatenübertragung und Auswertungsmöglichkeiten. Das neue System sollte auf bezüglich Hardware und Software vereinheitlicht werden und das Eingreifen in die jeweiligen Prozesse von überall aus ermöglichen sowie die erforderlichen Daten für den Aufbau einer vorbeugenden Instandhaltung liefern, ergänzte Verbandsgeschäftsführer Achim Grossmann die Vorgaben des AV Haldensleben Untere Ohre. Eine grundlegende Migration zur Steuerung SIMATIC S7 von Siemens, die 2007 angestoßen wurde und Mitte 2011 zum vorläufigen Abschluss gekommen ist, brachte den Wechsel. Dabei ging es nicht nur darum, das Leitsystem auszuwechseln. Ein wesentliches Ziel war auch die nahtlose Einbindung der 53 Pumpwerke, die über das gesamte Einzugsgebiet der Verbandskläranlage verstreut liegen. …dazu stehen Abwasserpumpen zur Verfügung, die teilweise an Orten stehen, die nicht über Telefonleitung angebunden sind. © Siemens AG 2015 Transparenz unabhängig von Entfernungen Siemens Solution Partner war die H&F Industry Data GmbH aus Rostock-Kavelsdorf. Der Spezialist für Industrieautomation hat schon zahlreiche Kläranlagen mit der erforderlichen Automatisierungstechnik ausgestattet und verfügt daher über umfassende Erfahrung in diesem Bereich. Die besondere Herausforderung in Haldesleben war die Verwirklichung eines nahtlosen Gesamtsystems, das auch sämtliche Pumpwerke einschließt und eine weitsichtige vorbeugende Wartung unterstützte. „Die Lösung besteht aus einer Steuerung SIMATIC S7-300 an jedem Pumpenstandort, die über das Fernwirksystem TeleControl Professional von Siemens mit dem Prozessleitsystem in Hillersleben kommuniziert“, beschreibt H&F Projektleiter Torsten Morwinsky das System. Ein Blick in den Schaltschrank einer Pumpstation macht deutlich, was damit gemeint ist. Die SPS mit TeleControl-Kommunikationsbaugruppe TIM3V-IE ist über ein Ethernet-Kabel mit einem GPRS-Router MD741-1 verbunden und steht somit permanent mit der Leitzentrale in Verbindung. Alle fünf Minuten werden die aktuellen Prozessdaten wie Wasserstand, Durchflussmenge, Pumpverhalten und Strombedarf übertragen. Störmeldungen oder Alarme werden allerdings umgehend zur Leitzentrale übertragen. Bei Unterbrechung der Datenverbindung werden alle Ereignisse und Archivwerte inklusive Zeitstempel in der Fernwirkstation gepuffert. Selbst bei Abschaltung oder Ausfall des Leitsystems läuft die gesamte Anlage autark und ohne Datenverlust weiter. Im Zusammenspiel mit einer unterbrechungsfreien Stromversorgung (USV) ist damit sichergestellt, dass auch im Fall eines Stromausfalls eine lückenlose Prozessdokumentation gewährleistet ist. Die Außenstationen stehen über GPRS in ständiger Verbindung mit der Leitstelle, um Prozessdaten, wie z. B. Wasserstand, zu übermitteln. Die Lösung besteht aus einem Leitsystem WinCC/SINAUT ST7cc in der Leitzentrale, die über eine Kommunikationsbaugruppe TIM 4R-IE (TeleControl Interface Module) eine zuverlässige Übertragung der Steuerungs- und Prozessdaten aus den verteilten Außenstationen ermöglicht. Diese wiederum sind über eine Steuerung SIMATIC S7-300 mit TIM 3V-IE angebunden. H&F ging zwar mit dieser Lösung keine völlig neuen Wege. Dennoch war dieses System bezüglich Fernwirktechnik ein Pilotprojekt. Es stellte sich nämlich heraus, dass die Anbindung von 53 Außenstellen über GRPS eine Dimension darstellte, bei der im Detail völlig neue Herausforderungen hinsichtlich Datensicherheit auftraten. Über eine geschlossene VPN-Technik mit den Switches SCALANCE S und MD741-1 wurde eine sichere IPSec-Verbindung über das Internet aufgebaut. „Wir haben in Hillersleben viel gelernt“, meinte Projektleiter Morwinsky und ergänzte: „Deshalb sind wir ganz gelassen, wenn es in die nächste Projektphase geht und das System deutlich erweitert wird.“ © Siemens AG 2015 Mehr wissen heißt besser reagieren Eine Lösung mit Potenzial Die Einbindung aller Pumpwerke in ein nahtloses Gesamtsystem bringt aber nicht nur Vorteile hinsichtlich Transparenz der Prozessabläufe und einer lückenlosen Prozessdatenerfassung mit sich. Auch Wartung und Notdienst des Abwassersystems konnten auf eine völlig neue Basis gestellt werden. „Früher musste ich bei einer Alarmmeldung zur Kläranlage fahren, um nachzusehen, wo das Problem liegt“, erläutert Teggatz die Situation: „Heute kann ich mich über das Notebook von zu Hause aus in die Leitstelle einwählen und habe über die WinCC-Oberfläche das System vor Augen, als ob ich dort am Schreibtisch sitzen würde.“ TeleControl Professional lässt sich praktisch überall einsetzen, wo ein Stromanschluss vorhanden ist und erlaubt die Datenkommunikation selbst mit weit entfernt liegenden Komponenten einer Prozessanlage. Der Installationsaufwand vor Ort ist minimal, die Betriebskosten niedriger als bei allen anderen denkbaren Lösungen, und die Verfügbarkeit überall gewährleistet, wo Mobilfunk-, Internet- oder kundeneigene Datenverbindungen hinreichen. Dasselbe trifft auch auf den Hauptsitz des Abwasserverbandes in Haldensleben zu. Auch hier ist die technische Leitung ganz einfach über GPRS mit dem Leitsystem in der Kläranlage verbunden und kann den gesamten Prozess übersehen. Dabei werden kritische Betriebszustände sichtbar, lange bevor sie zu einer Störung führen können. Erhöht sich zum Beispiel kontinuierlich der Strombedarf eines Antriebs, kann dieser beim nächsten routinemäßigen Wartungstermin ausgewechselt werden, bevor er komplett ausfällt und den Prozessablauf gefährden kann. Über eine grafische Visualisierung des Stromflusses wird auch sichtbar, wenn eine Pumpe ungewöhnliche Schaltzyklen oder übermäßigen Leistungsbedarf aufweist. Der Eingeweihte weiß dabei sofort, dass hier vermutlich eine Verstopfung vorliegt, die vor Ort beseitigt werden muss. Erreicht irgendein Prozessparameter in der Kläranlage selbst oder in einer der Pumpstationen einen Grenzwert, wird automatisch Alarm ausgelöst. Tagsüber erfolgt dabei eine Sprachausgabe über das Telefonsystem. Nachts oder an den Wochenenden wird eine SMS-Mitteilung verschickt, die bei Nichterreichbarkeit jeweils den nächsthöheren Mitarbeiter erreicht, bis sie angenommen wurde und somit sichergestellt ist, dass sich jemand um das Problem kümmert. Siemens AG Process Industries and Drives Process Automation Postfach 48 48 90026 NÜRNBERG DEUTSCHLAND www.siemens.de/telecontrol Änderungen vorbehalten PDF Referenz FAV-415-2011 De DR.PN.PA15.XXXX.95.11 Produced in Germany © Siemens AG 2015 Frank Teggatz zeigt sich nicht nur begeistert über die durchgängige Transparenz des gesamten Abwassersystems, die mit dem Fernwirksystem erreicht wurde. Er verweist auch auf die enormen Kosteneinsparungen: „Die Kosten zur Datenübertragung machen heute nur noch die Hälfte von dem aus, was wir früher hatten.“ Beim Abwasserverband Haldensleben hat das Fernwirksystem erstmals bewiesen, dass es auch umfangreicheren Systemen mit vielen externen Stationen gewachsen ist. In Haldensleben plant man daher schon den nächsten Schritt: Das Verbandsgebiet hat sich von 217 auf 346 Quadratkilometer vergrößert – und die Zahl der angeschlossenen Pumpstationen von 53 auf 69. Kompetenz nicht nur rund ums Wasser Die H&F Industry Data GmbH hat ihren Hauptsitz in Rostock-Kavelsdorf und Niederlassungen in BremenWorpswede. Dazu kommen Service Points in Kothen, Reinfeld und Marlow. Das Unternehmen startete 1991 und hat heute 121 Mitarbeiter. Als zertifizierter Siemens Solution Partner deckt H&F den gesamten Bereich der industriellen und kommunalen Prozessautomatisierung ab. Zum Erfahrungsspektrum gehört dabei vor allem die Wasser- und Abwassertechnik. Dazu kommen Anlagen in Bereichen wie Biogasgewinnung, Umwelttechnik, Wasserbau, Versorgungstechnik, Förder- und Lagertechnik. Die Informationen in dieser Broschüre enthalten Beschreibungen bzw. Leistungsmerkmale, welche im konkreten Anwendungsfall nicht immer in der beschriebenen Form zutreffen bzw. welche sich durch Weiterentwicklung der Produkte ändern können. Die gewünschten Leistungsmerkmale sind nur dann verbindlich, wenn sie bei Vertragsschluss ausdrücklich vereinbart werden. Liefermöglichkeiten und technische Änderungen vorbehalten. Alle Erzeugnisbezeichnungen können Marken oder Erzeugnisnamen der Siemens AG oder anderer, zuliefernder Unternehmen sein, deren Benutzung durch Dritte für deren Zwecke die Rechte der Inhaber verletzen kann.
© Copyright 2024 ExpyDoc