DEUTSCHLANDFUNK Hörspiel/Hintergrund Kultur Redaktion: Karin Beindorff Sendung: Dienstag, 19.01.2016 19.15 – 20.00 Uhr „Danke, dass Sie dienen“ Ein Besuch an der US-amerikanischen Heimatfront Von Daniel Cil Brecher Co-Produktion DLF/WDR URHEBERRECHTLICHER HINWEIS Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. © Deutschlandradio - Unkorrigiertes Manuskript - 2 O-Ton Army Werbespot I am an American soldier. I am a warrior and a member of a team. I serve the people of the United States. I will never accept defeat. I will never quit … O-Ton Wiest Welcome, sir, to Airforce Mortuary Affairs Operations … dignity, honor and respect. Sprecher 1: Willkommen beim Leichenschauhaus der Luftwaffe. Unsere Mission hier kann in sechs Worten zusammengefasst werden: Fürsorge, Service und Hilfe; Würde, Ehre und Respekt. Ansage „Danke, dass Sie dienen“ Ein Besuch an der US-amerikanischen Heimatfront Ein Feature von Daniel Cil Brecher O-Ton Barlow We are the Colonel David Hall Chapter Sprecherin 2 Wir sind die Colonel-David-Hall-Ortsgruppe. Wir kümmern uns ganz besonders um Militärs. Im letzten Jahr haben wir Pakete mit persönlichen Dingen an weibliche Soldaten in Kriegsgebieten geschickt. Wir bereiten einmal im Monat das Abendessen für die obdachlosen Veteranen im Heim der Tapferen. Wir bringen die Getränke mit, die Teller und das Besteck. O-Ton Starr Stricken One of my hobbies…. Sprecherin 1: Mein Hobby ist Stricken. Ich habe Mützen gestrickt für die Veteranen im Heim der Brecher: Danke, dass sie dienen 2 3 Tapferen und für Soldaten, die im Krieg sind, und Socken für „Weihnachtssocken für Soldaten“. Ich mache bei allem mit, was mit Soldaten zu tun hat. Autor Jane Starr und Nancy Barlow sind Töchter der Amerikanischen Revolution, Ortsgruppe Lewes. Die Daughters of the American Revolution ist eine patriotische Frauenvereinigung, die amerikanische Traditionen und Tugenden pflegt - vor 125 Jahren gegründet. Ihr Motto: „Gott, Heimat, Vaterland“. Die Damen haben mich zum Tee eingeladen. Würde es mir etwas ausmachen, der einzige Mann zu sein, wurde ich gefragt. Nein, es macht mir nichts aus. Die selbstgebackenen Kuchen und Plätzchen sind ausgezeichnet. Die Ortsgruppe hier im Hafenstädtchen Lewes am äußersten Zipfel des Staates Delaware im Nordosten der USA hat 160 Mitglieder. Das Städtchen selbst, zu Beginn des 17. Jahrhunderts von niederländischen Kolonisten gegründet, hat weniger als 3.000 Einwohner. O-Ton Starr Today when I work at the USO… Sprecherin 1 Wenn ich heute bei der USO, der United Service Organization, arbeite, sehe ich, dass Kinder in den Krieg geschickt werden. Für mich sind das Kinder. Vor einer Woche haben wir auf dem Luftwaffenstützpunkt Dover einen Transport verabschiedet. Es ist eigentlich traurig, dass diese Kids geschickt werden, denn du weißt ja, dass sie vielleicht nicht zurückkommen. Die Selbstmordrate im Militär ist hoch, und diese Kids brauchen unsere Hilfe. Autor Alle Frauen, die sich hier zum Teekränzchen in einem 300 Jahre alten Häuschen am Deich versammelt haben, sind weiß. Viele tragen deutsche Namen und erzählen stolz über ihre deutschen Vorfahren. Morgen, am Samstag, werde ich an der Ehrung der Vietnam-Veteranen teilnehmen, die von den Töchtern, den Daughters, wie sie sich selbst nennen, als Teil des nationalen Gedenkjahres ausgerichtet werden soll. Brecher: Danke, dass sie dienen 3 4 O-Ton Barlow From 2015 ... Sprecherin 2 Von 2015 bis 2017 nehmen wir an den nationalen Gedenkveranstaltungen teil und ehren Vietnam-Veteranen. Morgen werden wir zwei Veteranen ehren, die in Vietnam waren, und einen Veteranen, der auf einem Zerstörer im Atlantik gedient hat. Autor Fast alle Frauen hier haben Väter oder Ehemänner, die im Zweiten Weltkrieg, im Koreakrieg oder in Vietnam gedient haben. Niemand der hier versammelten hat allerdings einen Sohn, der Soldat ist oder war. Das ist kein Zufall. Die US-Streitkräfte sind seit 1973 Berufsarmee. Die 60.000 Freiwilligen, die jährlich für das 1,5 Millionen Soldaten starke US-Militär rekrutiert werden müssen, stammen ganz offensichtlich aus anderen sozialen Milieus. O-Ton Wheeler Home of the Brave was begun in 1992… Sprecherin 2 Das Heim der Tapferen wurde 1992 von acht Vietnam-Veteranen gegründet, die in Kampfeinheiten gedient hatten. Sie wollten eine Bleibe für obdachlose Kameraden schaffen. Autor Michelle Wheeler führt mich durch das Heim der Tapferen. Sprecherin 2 weiter Wir haben hier Platz für 15 Veteranen in unserem Programm für Männer. In unserem anderen Haus, in unserem Programm für weibliche Veteranen, haben wir zur Zeit 8 Frauen und Kinder. Das Haus hier wird seit 1996 von uns genutzt, aber das Gebäude selbst stammt aus dem Jahre 1872. Seitdem wird es schrittweise renoviert und an das Veteranen-Programm angepasst. Brecher: Danke, dass sie dienen 4 5 Autor Ich habe lange nach dem “Home of the Brave” suchen müssen. Das Heim liegt ziemlich verlassen in einer flachen, sumpfigen Landschaft mit kleinen Bauernhöfen, weißen Getreidespeichern und vielen unbeschilderten Wegen, etwa dreißig Kilometer nördlich der Hafenstadt Lewes. Das Heim steht am Ende eines Landweges, mitten im Nichts. Ein kleines, zweistöckiges Holzhaus mit Veranda, das dringend einen Anstrich nötig hätte. Später hörte ich, dass die Veteranen das Haus ganz billig kaufen konnten, weil hier niemand wohnen wollte. Hier möchte ich nicht mit einem platten Reifen liegenbleiben, schon gar nicht nach Einbruch der Dunkelheit. Wheeler führt mich durch die Aufenthaltsräume, das Esszimmer und die Küche, durch das bunte Durcheinander von gespendeten Möbeln und Geschirr, vorbei an einem halben Dutzend geschenkter Kühlschränke verschiedener Größen- und Altersklassen. O-Ton Wheeler We at times have wonderful supporters… Sprecherin 2 Wir haben wunderbare Förderer, die uns haltbare Lebensmittel spenden. Wir sind den Kirchen, den Veteranen-Verbänden und anderen Organisationen sehr dankbar, dass sie für uns Sachen kaufen. Selbst die Pfadfinder kommen mit selbstgemachten Plätzchen, um unsere großartigen Veteranen zu verwöhnen. Den Rest kaufen wir selbst, damit wir immer Essen zu Verfügung haben. Wenn Leute hier zum ersten Mal ankommen, möchten sie natürlich eine warme Mahlzeit bekommen, gerade wenn sie im Auto gewohnt haben oder auf einer Parkbank. Autor Michelle Wheeler hat mir ein hektographiertes Informationsblatt mit einer Liste der Spender und Finanzquellen in die Hand gedrückt. Es enthält auch eine lange Liste der Dinge, für die noch Spender gesucht werden, hier, in einem der reichsten Bundestaaten der USA: Rasiercreme, Shampoo, Klopapier; Zucker, Kaffee; Konserven mit Corned Beef oder Wiener Würstchen. Wie lange können Obdachlose hier bleiben, will ich wissen. Brecher: Danke, dass sie dienen 5 6 O-Ton Wheeler Anywhere from 6 to 9 months … Sprecherin 2 Zwischen 6 und 9 Monaten mit einem Maximum von zwei Jahren. Das hängt davon ab, wie schnell sie unser Rehabilitierungsprogram durchlaufen. Wir stellen die Kontakte her zum Sozialdienst, zum Arbeits- und Rentenamt. Wir bieten Therapie an, zum Beispiel für Alkohol- oder Drogenabhängigkeit. Wir haben hier Leute von Mitte zwanzig bis Anfang achtzig. Die Probleme, mit denen sie sich auseinandersetzen, reichen von Arbeitslosigkeit, Drogen bis zum Posttraumatischen Stress. Weil sie isoliert waren, im Auto oder auf der Straße gelebt haben, konnten sie nicht die Menschen oder Stellen erreichen, die ihnen helfen können, wieder auf eigenen Beinen zu stehen. Wir haben hier Vietnam-Veteranen und Veteranen aus dem Zweiten Weltkrieg. Die Jüngsten waren beim Irak-Krieg dabei. Autor Auf der Liste der Unterstützer werden staatliche Stellen erst am Ende erwähnt, u.a. das Veteranenministerium, das mit einem Projekt der „Bezahlten BeschäftigungsTherapie“ aufgeführt ist. Maximal drei Bewohner erhalten jeweils fünf Monate lang den Minimallohn von $7.25 pro Stunde, um 12 Stunden in der Woche das Grundstück sauber zu halten. Und wie hält sich das Heim finanziell über Wasser? O-Ton Finan Private donations, foundation grants… Sprecherin 1 Private Spenden, Stiftungsgelder, alles, was wir finden können. Autor Jessica Finan ist die Leiterin der Träger-Stiftung des Heims. Brecher: Danke, dass sie dienen 6 7 Sprecherin 1 Veteranenverbände wie die American Legion und Veterans of Foreign Wars, also Clubs, helfen uns. Wir erhalten auch einen winzigen Finanzierungsstrom über das Ministerium für Veteranenangelegenheiten, aber mit Ausnahme dieses Stromes sind wir ganz privat finanziert. Autor Ich traf Jessica Finan am Ende meines Besuches im Heim. Sie war extra von einem Gespräch mit einem möglichen Spender aus der Landeshauptstadt Dover angereist. Wer über die Versorgung von Veteranen spricht, landet früher oder später beim Thema Veteranenministerium. Das Ministerium für Veteranenangelegenheiten in Washington, eine fast hundert Jahre alte Bundesbehörde, die 1988 zum Ministerium erhoben wurde, ist neben dem Verteidigungsministerium das Ministerium mit dem größten Etat im US-Haushalt – 2014 waren es 150 Milliarden Dollar. Von den 320.000 Mitarbeitern der „Veterans Administration“ arbeiten 80% in Veteranen-Krankenhäusern und Kliniken. Wer mindestens zwei Jahre gedient hat, im Dienst verwundet wurde, an einer Dienst-bezogenen Krankheit leidet oder eine Auszeichnung erhalten hat, wird zuerst behandelt. Die anderen müssen warten - und mitbezahlen. 2014 kamen skandalöse Zahlen ans Licht: 40 Veteranen auf der Warteliste eines Hospitales in Arizona waren gestorben, während sie noch auf einen Arzttermin warteten. Für etwa 23 Millionen US-Amerikaner in diesem hochgerüsteten Land, das seit dem Zweiten Weltkrieg in Korea, Vietnam, Afghanistan und im Irak Kriege geführt hat und in zahlreiche andere Konflikte militärisch eingegriffen hat, ist die Behörde zuständig: für ehemalige Angehörige der Streitkräfte, der Reserve, der Nationalgarden und der Küstenwache. Im Staat Delaware machen die Veteranen zehn Prozent der Bevölkerung aus, aber 33% der Obdachlosen. Wer gedient hat, hat ein doppelt so hohes Risiko, chronisch obdachlos zu werden, wie die Zivilbevölkerung. O-Ton Finan Typically you don’t come back from a war… Brecher: Danke, dass sie dienen 7 8 Sprecherin 1 Du kommst nicht aus dem Krieg zurück und wirst sofort obdachlos. Das dauert ein paar Jahre, bis du mit den deinen Problemen in einen Teufelskreis gerätst: zum Beispiel Verlust des Arbeitsplatzes, der Wohnung, Scheidung. In Zukunft werden wir mit noch mehr obdachlosen Veteranen zu tun haben, wegen der vielen Freiwilligen, die nach dem 11. September 2001 zum Militär gegangen sind. Wir werden viel mehr Obdachlosigkeit sehen. Und unter weiblichen Veteranen steigt sie noch schneller. Früher waren es 10%. Jetzt nimmt ihr Anteil langsam aber stetig zu. O-Ton Army Werbespot The challenges facing the country never stop…. Autor Zurück zu den Töchtern der Revolution. Wir sind im großen Saal im ersten Stock des Restaurants „Irische Augen“ in Lewes. Wenn Irische Augen lächeln, stehlen sie dein Herz, lautet das Lied, mit denen Soldaten in den Ersten Weltkrieg gezogen sind. Heute sind zum feierlicheren Mittagessen und der Ehrung der Vietnam-Veteranen etwa 80 Töchter erschienen und vier Söhne, darunter ich. An den Wänden USamerikanische Fahnen. Auf jedem der großen, runden Tische steht zur Feier des Tages eine dreistöckige Sahnetorte in den Farben Rot-Weiß-Blau, mit den roten Sternen der US-Flagge auf einer Haube von weißen Sahne-Rosetten. Um jedes Gedeck herum ein weiteres Sahnetörtchen mit US-Flagge, eine Broschüre des Verteidigungsministeriums zum Gedenkjahr, zwei Aufkleber mit dem Motto: „Dienstbereit, Tapfer, Opferbereit“ und eine Packung Papiertaschentücher. Die Papiertaschentücher sind in einen Sternenbanner aus Cellophan gehüllt. Drei Veteranen sollen heute geehrt werden, aber nur zwei sind erschienen. Autor Warum wollen die Töchter der Revolution gerade Vietnam-Veteranen ehren, frage ich Claudia Onken, die Vorsitzende der Daughters von Delaware. Brecher: Danke, dass sie dienen 8 9 O-Ton Onken This is the 50th anniversary… Sprecherin 1 Das ist der 50. Jahrestag des Vietnam-Krieges. Ich war damals ein Kind. Die Männer wurden damals nicht so willkommen geheißen wie jene, die im Ersten und Zweiten Weltkrieg gekämpft haben. Meine Mutter hat mir beigebracht, dass ich immer Danke sagen muss, und dass es nie zu spät ist, Danke zu sagen. Aber 50 Jahre, das ist doch ein bisschen spät. Ich habe hier die Urkunde für einen Veteranen, der heute nicht kommen wollte. Ich habe mich mit ihm zum Lunch verabredet, um Danke zu sagen. ... Ich beginne beinah zu heulen ... Die Leute sind damals so schlecht behandelt worden. Einer lag auf einer Trage, und er wurde angespuckt. Deshalb ist es jetzt Zeit, Danke zu sagen. O-Ton Atmo Ehrung Onken: Mr. Kohler, [Applaus] it is an honor and a pleasure to thank you for your service for your country. This is from the State of Delaware, a coin with the state seal from the State of Delaware. Again, we thank you for your service. [Applaus] Autor Geehrt wird jetzt der Marineoffizier a.D. Paul Kohler. Er erhält eine Medaille und eine Urkunde. O-Ton Atmo Ehrung Kohler: It is an honor to be honored here today… O-Ton Kohler I graduated from highschool in 1965 … generally talked about in the family. Sprecher 2: Ich habe 1965 Abitur gemacht. Der Vietnamkrieg war auf seinem Höhepunkt. An meinem 19. Geburtstag wäre ich sofort eingezogen worden. Um nicht ins Heer eingezogen zu werden, um nicht in einem Reisfeld in Vietnam herumstolpern zu müssen, habe ich mich freiwillig zur Marine gemeldet. Ich habe dann vier Jahre in der Marine gedient, auf Zerstörern, wo ich als Sonartechniker nach U-Boten gesucht habe. Brecher: Danke, dass sie dienen 9 10 Die meisten Vietnam-Veteranen wollten damals nicht in Uniform auf der Straße erscheinen. Die Mehrheit der Amerikaner hätte uns sicherlich nicht für unseren Einsatz gedankt. Mein Vater war während des Vietnam-Kriegs in Okinawa und sprach nicht über seinen Dienst. Mein Onkel ist Kriegsgefangener gewesen und erzählte nichts darüber. Meine Familie sprach nicht über den Krieg. Autor Hat sich diese Haltung gegenüber dem Militär inzwischen verändert? O-Ton Kohler I think it has… Sprecher 2: Ich denke schon. Ich denke, dass die Vietnam-Veteranen daran einen großen Anteil hatten. Wir sagten uns: das darf den Irak- und Afghanistan-Veteranen bei ihrer Rückkehr nicht passieren. Autor Für uns sind die, die in den Krieg für unser Land ziehen, Helden, sagt Kohler – ungeachtet der Meinungen über Sinn oder Unsinn eines Krieges. Das ist zur Formel geworden, die allerorts als Lehre aus dem Vietnamkrieg gilt. Und das ist die Formel, mit der heute selbst die schärfsten Kritiker der Einsätze in Afghanistan und Irak ihre Solidarität mit den Soldaten zum Ausdruck bringen. Man unterscheidet zwischen politischer Entscheidung und Dienst in der Armee. O-Ton Werbespot Danke [Musik] Kellnerin: Can I help you? Soldat: Just a cup of coffee Kellnerin: Coming right up. There is no charge. Brecher: Danke, dass sie dienen 10 11 Autor Ein Werbespot von 2012 mit dem Titel „Danke, dass sie dienen“. Ein Soldat betritt ein Lokal und bestellt einen Kaffee. Der Kaffee ist für dich gratis, sagt die Kellnerin. Ein älterer Mann am Tresen beobachtet die Szene. Während der Soldat seinen Kaffee trinkt, kommt ein anderer Gast auf ihn zu und dankt ihm für seinen Dienst am Vaterland. Und der Soldat dankt für ihre Unterstützung. O-Ton Werbespot Danke [Musik] Gast: Thank you for your service. Soldat: Thank you for your support. Autor Die Kamera zoomt nun auf den Arm des älteren Gastes am Tresen. Er hat ein Tattoo, das ihn als Veteranen des 11. Kavallerieregiments, des Blackhorse-Regiments, identifiziert, das 1968 am Zurückschlagen der Tet-Offensive in Vietnam teilgenommen hat. Beklommen beobachtet der Veteran die Dankesbekundungen. Er fühlt sich ausgeschlossen. Doch da taucht plötzlich der junge Soldat neben ihm auf und reicht ihm die Hand. O-Ton Werbespot Danke [Musik] Soldat: Thank you for your service. Veteran: Thank you for your support. Autor Nach Ende des Vietnamkriegs herrschte das Narrativ vor, dass die Öffentlichkeit die Truppen im Stich gelassen und die mangelnde Unterstützung direkt zur Niederlage beigetragen hatte. Die Befürworter des Krieges sahen die Ursachen für die Niederlage nicht in den Kriegszielen oder der Kriegsführung, sondern im Versagen der Heimatfront. Das sogenannte „Vietnam-Syndrom“, der Unwille der Öffentlichkeit, sich Brecher: Danke, dass sie dienen 11 12 erneut auf militärische Abenteuer einzulassen, galt Jahrzehnte lang als Bremse für militärische Einsätze im Ausland. Die Erinnerung an den Vietnamkrieg bildete auch den Rahmen für die politische Argumentation nach dem 11. September 2001, den Krieg gegen den Terror, und die medialen Einstimmungen auf die Kriege in Afghanistan und im Irak. Im Unterschied zur Vietnam-Ära war das Militär inzwischen auf Freiwillige angewiesen. Mit Beginn der Kampfhandlungen erklang dann auch sofort der Ruf nach Unterstützung der Truppen. Wer die Kriege, ihre politischen Ziele, öffentlich kritisierte, setzte sich dem Vorwurf aus, die Soldaten im Stich zu lassen. Die Einsätze in Afghanistan und Irak wurden nicht mehr Kriege genannt, sondern „Konflikte“. Die freie Berichterstattung, die das Drama des Vietnamkriegs relativ ungefiltert weltweit in die Wohnzimmer gebracht hatte, wurde stark eingeschränkt. Eine weitere Lehre aus dem Vietnamkrieg bezog sich auch auf den Umgang mit den Toten. O-Ton Wiest The families are invited out here Sprecher 1 Die Familien werden eingeladen, um hier an der würdevollen Übergabe teilzunehmen. Für Angehörige von Gefallenen, die bei Kampfhandlungen ums Leben gekommen sind, bezahlt die Regierung die Reise. Autor Kapitän Carl Wiest vom Leichenschauhaus am Luftwaffenstützpunkt Dover. O-Ton Wiest So here we are in our command, control and communications center … Sprecher 1 Hier sind wir jetzt in der Kommando- und Kommunikationszentrale. Das ist das eigentliche Nervenzentrum des Leichenschauhauses. Hier kommen die ersten Berichte herein, dass ein Soldat, ein Matrose, ein Flieger oder Marineinfanterist auf einem Kriegsschauplatz gefallen ist. Hier beginnt dann der Benachrichtigungsprozess. Brecher: Danke, dass sie dienen 12 13 Die Familien der Gefallenen werden so schnell wie möglich informiert, dass ihr Angehöriger nach Dover geflogen wird und dass sie am „dignified transfer“, der würdevollen Übergabe-Zeremonie, teilnehmen können, die hier auf dem Rollfeld des Flughafens abgehalten wird. Autor Kapitän Carl Wiest und ich stehen in einem großen, grauen Industriegebäude. Es liegt direkt am Rollfeld und ist die größte Anlage dieser Art in den USA. Hier kommen seit 1952 im Ausland getötete oder, wie es hier selbstverständlich heißt, „gefallene“ Mitglieder der US-Streitkräfte an. Hier werden sie identifiziert und die Überreste dann für die Bestattung und die sogenannte „würdevolle Übergabe“ an die Angehörigen hergerichtet. Im Eingangsbereich plätschert eine große Fontäne, umgeben von einer langen Wand aus Sandstein. Sie trägt die Namen aller Kriege, Konflikte und militärischen Einsätze, deren Opfer hier für die Bestattung vorbereitet wurden. Es sind etwa 50. Seit dem Zweiten Weltkrieg sind die USA praktisch ununterbrochen irgendwo in der Welt militärisch im Einsatz. Mich empfängt eine Gruppe von fünf Offizieren, darunter der stellvertretende Kommandeur, Oberstleutnant Chip Hollinger. O-Ton Hollinger On behalf of Colonel Daniel Merry… Sprecher 2 Ich begrüße Sie im Namen unseres Kommandeurs, Oberst Daniel Merry, und danke Ihnen, dass Sie sich die Zeit und Mühe nehmen, um unsere Mission hier näher kennenzulernen. Unsere Einheit ist global zuständig für alle militärischen Bestattungsangelegenheiten, sowohl für heutige Todesfälle wie für die vergangener Konflikte. Wir halten Teams für globale Einsätze bereit zur Unterstützung von Kampfeinsätzen überall in der Welt, und in Europa. Wir erfüllen damit die heilige Pflicht der Nation, um den Gefallenen Würde, Ehre und Respekt zu erweisen und den Angehörigen Fürsorge, Hilfe und Beistand zu gewähren. Brecher: Danke, dass sie dienen 13 14 Autor In der Kommandozentrale sitzen zwei Diensthabende vor einem halben Dutzend Bildschirmen. Unter anderem laufen hier die Nachrichtensender CNN und Fox News. Von Nachrichtensendern hören wir oft zuerst, ob es irgendwo Tote gegeben hat, erzählt mir Wiest. Die ausländischen Teams der Einheit, unter anderem im Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz, werden dann sofort in Einsatzbereitschaft versetzt. Die Leiche muss in Dover zuerst vom forensischen Team untersucht und identifiziert werden. Alles geht hier sehr schnell. Im nächsten Raum hängt an einer Kleiderstange eine neue Uniform für einen Marineinfanteristen bereit, der gestern bei einer Befreiungsaktion von Geiseln an der irakisch-syrischen Grenze ums Leben gekommen ist. Diese Vorbereitungen finden hier bereits statt, bevor die Leiche im Nahen Osten überhaupt in ein Flugzeug geladen wurde. O-Ton Wiest What you can see here, Sir … Sprecher 1 Was sie hier sehen, ist unsere Fahnenbügelanlage. Wenn die Transportkisten hier in Dover ankommen, sind sie bereits von einer Fahne bedeckt. Aber wir wollen sie hier mit einer frisch gewaschenen und gebügelten Fahne ersetzen, damit alles so perfekt aussieht wie möglich. Es ist diese Flagge, die ihnen am Schluss im Namen einer dankbaren Nation als Erinnerung bleiben wird für das, was ihr Angehöriger für das Land getan hat. Autor Zwischen der tödlichen Wirklichkeit des Krieges in Irak oder Afghanistan und der Zeremonie, die hier vorbereitet und abgehalten wird, liegen Welten. Vieles in dieser Einheit dreht sich deshalb um das Aussehen, die äußerliche Erscheinung von Toten. Viele kommen hier schwer verstümmelt oder verkohlt an. Und es geht um das Ansehen des Militärs, das sich hier gegenüber den schockierten und trauernden Angehörigen tadellos und perfekt präsentieren will. Die Einheit muss sich oft genug, stellvertretend für andere, gegenüber wütenden Familienmitgliedern verteidigen. Denn manche machen das Militär für den Tod ihres Angehörigen verantwortlich. Tadellos ist das Schlüsselwort ebenso für die Haltung, die sich das Leichenschauhaus-Team geben will, als auch für das Ritual auf dem Rollfeld. Tadellos Brecher: Danke, dass sie dienen 14 15 ist das Wort, das Kapitän Wiest ständig gebraucht, eine fast magische Beschwörung von Symbolen und Ritualen, die den Angehörigen wie dem Militär den Tod eines Soldaten akzeptabel machen soll. O-Ton Dean I am Trevor Dean, the chief of Sprecher 2 Ich bin Trevor Dean, Leiter der Sozialleistungsabteilung des Bestattungswesens. Meine Abteilung stellt den Kontakt mit den Angehörigen her. Wir tun das so schnell wie möglich nach der ersten Benachrichtigung, geben dann Auskunft über die Möglichkeiten hier und stellen den Angehörigen einige Fragen, unter anderem, ob sie herkommen wollen. Autor Die meisten Familien, wird mir gesagt, wollen die Ankunft der Transportkiste hier in Dover miterleben. Trevor Deans Abteilung sorgt dafür, dass alles tadellos organisiert wird. An den Flughäfen unterwegs stehen Freiwillige bereit, um die Familien zu begrüßen. Zu diesen Freiwilligen gehören auch die Töchter der Amerikanischen Revolution. 2009, als die Verlustrate in Afghanistan sich als Folge der Truppenaufstockungen zu verdoppeln begann, forderte das Militär zum ersten Mal die Angehörigen auf, auch ihre Kinder mit nach Dover zu nehmen, bis hin zu den Kleinsten. Ist damit die emotionale Belastung aller Beteiligten nicht noch größer geworden, frage ich. O-Ton Dean It’s very tough, it’s very tough… Sprecher 2 Es ist sehr, sehr schwer. Ein ehemaliger Luftwaffen-Oberbefehlshaber sah, dass wir nicht die nötigen Voraussetzungen dafür hatten und half uns, ein Zentrum für die Familien der Gefallenen zu bauen. Wir brauchten zum Beispiel eine Kinderkrippe. Familien kamen mit kleinen Kindern, aber wollten sie nicht mit aufs Rollfeld nehmen. Wir haben dann die Wände mit Schultafelfarbe gestrichen, damit die Kinder Kreide Brecher: Danke, dass sie dienen 15 16 benutzen konnten. Die Wände wurden dann zu einem Ort, an dem die Familien ihr Lebewohl sagen. Autor Die Zeremonie auf dem Rollfeld beginnt mit der Ankunft des Transportflugzeugs. Wenn die Ladeklappe heruntergelassen ist, marschieren sechs Soldaten der Truppengattung des Toten die Rampe hinauf, salutieren und sprechen ein kurzes Gebet. Dann heben sie die Kiste auf ihre Schultern und tragen sie zu einem Lieferwagen, der ein paar Dutzend Meter entfernt auf dem Rollfeld steht. Der Wagen transportiert die Kiste dann ins Leichenschauhaus, zur forensischen Untersuchung. Die Angehörigen stehen auf dem Rollfeld dabei. Die „würdevolle Übergabe“ ist vor allem eine symbolische Handlung. Die Leichen sind noch nicht hergerichtet und nicht präsentabel. Ich frage Dean, ob die Familien überhaupt eine Möglichkeit haben, mit dem Toten allein zu sein. O-Ton Dean No, they don’t … Sprecher 2 Wir müssen danach erst andere Maßnahmen durchführen. Aber sie haben dann Zeit für sich selbst im Zentrum für die Familien der Gefallenen, in den Meditationsräumen. Wir haben hier Seelsorger, die sich um sie kümmern. Wenn die Angehörigen dann nach Hause fahren, nehmen sie ihren Toten nicht mit. Das geschieht erst einige Tage später. Auf diese Weise haben sie Zeit, das Begräbnis vorzubereiten und sich selbst auf die Ankunft ihres Angehörigen. Autor Das Jahr 2009 brachte neben der Mitnahme von Kindern auch andere politische und organisatorische Veränderungen. Barack Obama war Präsident geworden. Zu Beginn des Irak-Kriegs 2003 hatten noch 70% der US-Bürger den Krieg unterstützt. Beim Amtsantritt Obamas 2009 hatten sich die Verhältnisse umgekehrt. 70% waren jetzt dagegen. Obama wollte den Krieg so schnell wie möglich beenden und die Truppen nach Hause bringen. Eine der wichtigsten Veränderungen betraf die Medienpolitik. Am Brecher: Danke, dass sie dienen 16 17 5. April 2009 wurden zum ersten Mal seit mehr als zwanzig Jahren die Medien auf dem Stützpunkt in Dover zugelassen. Fotografen und Fernsehteams machten Aufnahmen von der Ankunft eines Sarges. Die Einschränkungen für die Medien nach dem Ende des Vietnamkrieges hatten von Anfang in der Kritik gestanden. Die Realität der Kriege, ihre menschlichen Kosten seien auf diese Weise heruntergespielt worden, meinten die Kritiker. Aber auch jetzt haben Medien nur beschränkt Zugang zur sog. „würdevollen Übergabe“. Die Begründung lautet jetzt: Schutz der Privatsphäre. O-Ton Zwicharowski When they arrive, the medical examiner … Sprecher 2 Nach ihrer Ankunft kommen sie zuerst zur forensischen Untersuchung, wo die Identität und die Todesursache festgestellt werden. Dann bekommen wir sie zur Präparierung. Autor Eine der schwierigsten Aufgaben, die in dieser nach außen hin so unpersönlich und industriell wirkenden Anlage bewältigt werden müssen, ist die des Bestattungsmeisters. In den USA ist die Aufbahrung in einem offenen Sarg üblich. Bei toten Militärs kommen noch andere Aspekte der öffentlichen Präsentation hinzu – die Aufbahrung in voller Uniform mit allen Insignien und Medaillen und die Gegenwart der US-Flagge: Symbole der Aufopferung für das Vaterland, die dem Tod Sinn geben soll. Sprecher 2 Wir führen dann die notwendigen kosmetischen Korrekturen und Rekonstruktionen aus. Wir haben verschiedene Methoden dafür. Haben wir es mit Überesten zu tun, die sich zur öffentlichen Aufbahrung eignen, dann kleiden und sargen wir sie ein. Wenn der Kopf sich nicht reparieren lässt, benutzen wir den sogenannten Kopfumschlag, und kleiden den Rest in Uniform, damit die Familien Trost finden können. Sie können dann anfassen und fühlen. Für die schlimmsten Fälle benutzen wir den vollen Körperumschlag, wenn die Überreste verkohlt oder nicht mehr zu reparieren sind. Wir lagern dann die Überreste auf ein Bett von Watte, packen sie in Plastik ein, wickeln sie Brecher: Danke, dass sie dienen 17 18 in ein sauberes weißes Tuch und eine Decke und ziehen dann die Uniform so darüber, dass es aussieht, als ob sie wirklich getragen wird. Autor Kann die Uniform Angehörigen Trost für ihren Verlust bieten? O-Ton Zwicharowski The majority chooses uniform … Sprecher 2 Die Mehrheit entscheidet sich für Uniform, wahrscheinlich 90%. Aber manchmal sind die Familien wütend auf das Militär, manchmal haben sie ein Lieblings-T-Shirt, oder der Angehörige war Surfer oder spielte Rugby und soll dann so eine Uniform tragen. Die Familien haben die Freiheit, die Kleidung auszuwählen, die sie wollen. O-Ton Army Werbespot Before there could be a nation there had to be people willing to fight for it, to take on the world’s greatest challenges, whatever they might be. So the US army not only masters tactics and strategy but also … Atmo Hollywood Diner O-Ton Skocik My name is David Skocik ... Sprecher 3 Ich heiße David Skocik und bin Vietnam-Veteran. Mit 17 bin ich zur Luftwaffe gegangen. Mit 17 weißt du noch nicht, was du willst. Ich hatte kein Auto und langweilte mich. Also habe ich mich freiwillig nach Vietnam gemeldet. Das war Anfang 1968. Als ich meiner Mutter erzählte, dass ich ins Ausland geschickt werde, fragte sie mich: wohin? Ich sagte Da Nang. Gott sei Dank, antwortete sie. Ich dachte schon Vietnam. Autor Ich treffe David Skocik zum Frühstück im Hollywood Diner, einem Schnellrestaurant in Dover. Er wurde 1968 auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Da Nang in Vietnam als Fracht-Spezialist stationiert und musste unter Beschuss auf dem Rollfeld arbeiten. Brecher: Danke, dass sie dienen 18 19 Nach acht Monaten kam er zum ersten Mal wieder auf Heimaturlaub. Er verlängerte seinen Einsatz, um Geld für ein Auto zu sparen. O-Ton Skocik The night I returned to this hellhole… Sprecher 3 Am Tag meiner Rückkehr in dieses Dreckloch kamen wir unter schweren Raketenbeschuss. Flugzeuge auf dem Rollfeld und Baracken wurden zerstört. Ich dachte: ich habe einen Fehler gemacht. Da Nang wurde auch Rocket City genannt. Wir lagen in einem Tal und bekamen viel ab. Die Marieninfanterie schützte die Umgebung, aber kam nicht gerne in den Stützpunkt selbst. Hier waren sie den Raketen ausgesetzt. Autor Skocik blieb elf Jahre in der Luftwaffe und ließ sich zum Fluglotsen ausbilden. Nach seinem Ausscheiden schloss er sich den „Vietnam Veterans of America“ an, einer Veteranen-Organisation, die 1978 entstand und die sich von anderen Veteranengruppen durch ihr Engagement für soziale und gesundheitliche Fragen unterschied. Ihre Devise: Wir sorgen dafür, dass zukünftige Generationen von Veteranen es besser haben werden. O-Ton Skocik The Vietnam Veterans of America… Sprecher 3 Die Gründung der Vietnam Veterans of America hatte großen Einfluss auf das Image von Veteranen überhaupt und half, die Frustrationen der Vietnam-Veteranen zu mildern. Eines unserer Anliegen war Agent Orange und die Folgen des Einsatzes dieser Chemikalien. Die gesundheitlichen Schäden waren beträchtlich – ich gehöre zu den Geschädigten. Jahrzehntelang mussten wir vor Gerichten kämpfen, weil die Regierung und die Chemiekonzerne die Probleme nicht anerkennen wollten. Brecher: Danke, dass sie dienen 19 20 Autor Skocik engagierte sich schließlich auch für die Anliegen der Veteranen der Kriege in Afghanistan und im Irak. Fast zwei Drittel aller Veteranen dieser Kriege finden, dass sie nicht die nötige Hilfe bei der beruflichen Eingliederung und bei Gesundheitsproblemen erhalten. Von 50.000 Afghanistan- und Irak-Veteranen, die bis Ende 2014 einen Arzt der Veterans Administration aufgesucht haben, litten 75% unter Posttraumatischem Stress, 67% unter Depressionen. 35% hatten Schwierigkeiten, überhaupt irgendeine Hilfe zu finden. Bei Veteranen mit körperlichen Verletzungen betrug dieser Anteil sogar 40%. Psychische Probleme spielen jetzt eine so große Rolle, weil die relativ kleinere Anzahl von Soldaten zu viel größerer Belastung für den Einzelnen führt. Berufssoldaten werden jetzt zwei, drei, viermal für jeweils ein Jahr nach Afghanistan oder in den Irak geschickt. O-Ton Skocik I am the president of… Sprecher 3 Ich bin Präsident der Delaware Veteranen-Koalition. Paul Davis und ich haben sie 2011 gegründet, damit unsere Stimme bei den Abgeordneten in unserem Parlament stärker zur Geltung kommt. Wir sehen viel zu oft, dass Wohlfühl-Gesetze verabschiedet werden - besondere Auto-Kennzeichen für Veteranen oder Tage, an denen Veteranen gedankt wird. Wir finden, dass es wichtigere Themen gibt. Autor Die Delaware Veterans Coaltion schlug dem Bundesstaats-Parlament die Gründung einer Stiftung vor, um die Lücken in der immer noch schlechten Versorgung von Veteranen zu schließen. O-Ton Skocik We want you to pass this ... Brecher: Danke, dass sie dienen 20 21 Sprecher 3 Verabschiedet ein Gesetz, sagten wir, um diese Stiftung zu gründen. Aber die Regierung sagte: Wir haben kein Geld. In Delaware gibt es noch viele andere Probleme. Das stimmte. Wir haben uns dann entschlossen, das Geld für die Stiftung selbst durch Spenden aufzubringen. Daraufhin wurde das Stiftungsgesetz verabschiedet und vom Gouverneur unterzeichnet. Autor Skocik verweist auf einen ironischen Widerspruch. Die Vietnam-GIs, die unfreiwillig dienten, wurden für Misserfolge und Übergriffe gegenüber der vietnamesischen Zivilbevölkerung verantwortlich gemacht, während die heutigen Soldaten, die freiwillig dienen, von jeder Kritik ausgenommen seien. In der Vietnam-Ära kannte jeder Bürger jemanden, der in Vietnam diente oder hätte dienen müssen, und die Militärs waren relativ gleichmäßig über alle Teile des Landes und alle sozialen Schichten verteilt. Heute hat der Durchschnittsamerikaner viel weniger Kontakt mit Veteranen. Berufssoldaten stammen heute mehrheitlich aus dem Süden und Westen der USA, aus ländlichen, oft armen Gegenden. O-Ton Army Werbespot So the US army not only masters tactics and strategy but also … O-Ton McAlister The US seemed to come … common in the Seventies and Eighties. Sprecherin 3 Es sah so aus, als ob die USA am Ende des Kalten Krieges als einzige Supermacht übrig geblieben war. Das ließ den Einsatz des Militärs in Zukunft aussichtsreich erscheinen, für die verschiedensten Situationen und Regionen. Zudem schien der Einsatz relativ billig. Das waren zwei Schlüsse, die den Einsatz militärischer Mittel aufwerteten, auf eine Weise, die in den Siebziger und Achtziger Jahren nicht denkbar gewesen wäre. Autor Die Historikern Melanie McAlister, Leiterin der Abteilung für Amerikanische Geschichte an der George Washington Universität in Washington. Brecher: Danke, dass sie dienen 21 22 Welchen Einfluss hatte die Tatsache, dass das US-Militär inzwischen eine Berufsarmee war? O-Ton McAlister When then draft was ended … Sprecherin 3 Die Dienstpflicht wurde abgeschafft, weil die militärische Führung und der Kongress sich der Nachteile bewusst waren. Mit der Dienstpflicht werden zu viele Bürger in die Fragen von Politik und Krieg mit einbezogen, Bürger, die diese Politik vielleicht nicht unterstützen. Kriege werden dadurch möglicherweise schneller problematisiert. Die Entscheidung, zur Berufsarmee überzugehen, war auch ein Entscheidung, um bestimmte Bevölkerungsgruppen vom Militär fern zu halten. Es war klar, dass die Teilnahme von wohlhabenderen und besser ausgebildeten Schichten weniger wahrscheinlich war. Es ging also auch darum, die demographische Zusammensetzung des Militärs zu verändern. Die Gruppen, die sich heute für militärische Berufe entscheiden, sind ökonomisch schwächer, wollen zum Beispiel Geld für die Ausbildung verdienen oder Ordnung in ihr Leben bringen. Auch die regionale Verteilung ist anders. In den Südstaaten ist es viel normaler, nach der Schule ins Militär zu gehen. Es gibt dort eine stärkere Familientradition, Berufssoldat zu werden. In der Berufsarmee sind afro-amerikanische und latein-amerikanische Bevölkerungsgruppen stärker repräsentiert, und die Unterschicht. Eine Folge ist, dass das Interesse für das Thema Militär stärker an den Rand gedrängt wurde. O-Ton Army Werbespot When it’s your job to protect the world’s greatest nation, it’s your responsibility to solve the world’s greatest challenges. This is why we search for the best and brightest … Absage „Danke, dass Sie dienen.“ Ein Besuch an der US-amerikanischen Heimatfront Ein Feature von Daniel Cil Brecher Brecher: Danke, dass sie dienen 22 23 Sie hörten eine Produktion des Deutschlandfunks mit dem Westdeutschen Rundfunk 2016. Es sprachen: Thomas Huber, Daniel Berger, Sigrid Burkholder, Glenn Goltz, Judith Jakob, Volker Niederfahrenhorst und Svenja Wasser Ton und Technik: Michael Morawitz und Jens Müller Regie: Matthias Kapohl Redaktion Karin Beindorff Brecher: Danke, dass sie dienen 23
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