(Binge Drinking) bei Kindern und Jugendlichen

November 2015
HBSC-Studienverbund Deutschland
Faktenblatt zur Studie
Health Behaviour in School-aged Children 2013/14
Hier gelangen Sie zum Vorgänger aus der Studie 2009/10 und hier zur Übersicht der Faktenblätter
Rauschtrinken (Binge Drinking) bei Kindern und Jugendlichen
Hintergrund
Alkohol gehört zu den gesellschaftlich breit akzeptierten Rauschmitteln, deshalb gilt der risikoarme Umgang mit Alkohol als wichtige Entwicklungsaufgabe im
Jugendalter (1). Rauschhafter Alkoholkonsum (Binge
Drinking), also der (punktuelle) Konsum von mehreren
alkoholischen Getränken bis zum Rauscherleben, gilt
als Risikoverhalten, das vor allem im Jugendalter initiiert und ausgeübt wird (2). Binge Drinking ist mit unmittelbaren negativen gesundheitsrelevanten Folgen
für die Kinder und Jugendlichen assoziiert. So können
durch das Rauschtrinken physiologische Entwicklungsschritte des Gehirns gestört werden, die negative Konsequenzen für die kognitive, soziale und emotionale
Entwicklung auslösen können (3). Zudem ist evident,
dass ein riskanter Alkoholkonsum mit (tödlichen) Unfällen, (sexuellen) Gewalterfahrungen, SuizidVersuchen, ungewollten Schwangerschaften oder
schulischen Leistungseinbrüchen assoziiert ist (4). Im
Vergleich zum regelmäßigen Alkoholkonsum (siehe
Faktenblatt zum Alkoholkonsum) zeigen sich beim
Binge Drinking kaum bzw. nur marginale soziale und
geschlechtsspezifische Unterschiede (5, 6).
Wie wurde Binge Drinking erfasst?
Hauptergebnisse
10,1% der Mädchen und 10,6% der Jungen waren
bislang bei 2 oder mehr Gelegenheiten betrunken
(Lebenszeitprävalenz).
83,4% der Mädchen und 81,7% der Jungen gaben
an, noch nie betrunken gewesen zu sein. Mit steigendem Alter erhöht sich jedoch der Anteil derjenigen, die jemals bei 2 oder mehr Gelegenheiten
betrunken waren. Während im Alter von 11-13
Jahren der Anteil bei unter 6% liegt, geben bereits
22,9% der 15 jährigen Mädchen und 26% der Jungen an, bei 2 oder mehr Gelegenheiten betrunken
gewesen zu sein.
Es lassen sich nur geringfüge Unterschiede nach
familiären Wohlstand feststellen, sowohl bei den
Jungen als auch bei Mädchen.
Es zeigen sich insgesamt nur geringe Differenzen
nach Migrationshintergrund. Es lässt sich jedoch
erkennen, dass Jungen mit ein- oder beidseitigen
Migrationshintergrund tendenziell weniger Rauscherfahrungen angeben als Jungen die keinen
Migrationshintergrund besitzen.
Die Jugendlichen wurden gefragt, ob sie jemals so viel
Alkohol getrunken haben, so dass sie anschließend
betrunken waren. Die Bejahung dieser Frage entspricht der Definition von Binge Drinking (2). Die fünfstufige Antwortmöglichkeit reichte dabei von „nein,
nie“ bis zu „ja – öfter als 10 Mal“. Die Tabellen 1 & 2
am Ende des Faktenblatts zeigen, wie groß der Anteil
der Mädchen und Jungen ist, die „nie“, „1 Mal“, „2-3
Mal“ und „4 oder mehr Mal“ betrunken waren, differenziert nach Alterskategorien, familiärem Wohlstand
und Migrationshintergrund. In Abbildung 1 wird der
Anteil der Mädchen und Jungen dargestellt, die jemals
bei 2 oder mehr Gelegenheiten betrunken waren.
Methodische Erläuterungen zur HBSC-Studie 2013/14 finden Sie auf dem Faktenblatt „Methodik der HBSC-Studie“ unter http://hbscgermany.de/downloads/.
30
Mädchen
25
26,0
Jungen
22,9
Anteil in %
20
15
10
10,1
10,6
5
5,4
3,8
0,1
0,3
0
Gesamt
11 Jahre
13 Jahre
15 Jahre
Alterskategorien
Abbildung 1: Geschlechts- und altersspezifischer Anteil (in %) der Mädchen und Jungen,
die jemals bei 2 oder mehr Gelegenheiten betrunken waren (Lebenszeitprävalenz)
Bewertung und Schlussfolgerungen
Literatur
Die HBSC-Daten der Welle 2013/14 zeigen, dass der
rauschhafte Alkoholkonsum unter den 15-Jährigen
weit verbreitet ist. Im Unterschied zum regelmäßigen
Alkoholkonsum zeigen sich nur minimale geschlechtsspezifische Unterschiede, so dass auch bei Mädchen
der risikoarme und maßvolle Umgang mit Alkohol ein
wichtiges Präventionsziel sein sollte (5); insbesondere
vor dem Hintergrund, dass ein riskanter Alkoholkonsum mit schwerwiegenden gesundheitliche Folgen für
Jugendlichen assoziiert ist (3, 4) und sich im weiteren
Lebensverlauf ein gesundheitsriskanter Lebensstil
wahrscheinlicher etablieren kann (7). Obgleich Rauscherfahrungen zumeist bei den 15-Jährigen auftreten, ist ein frühzeitiges Intervenieren notwendig, um
den maßvollen Umgang mit Alkohol zu vermitteln. Da
Unterschiede im Rauschtrinken bezogen auf den familiären Wohlstand oder auch dem Migrationshintergrund in der untersuchten Altersgruppe der 11-15Jährigen nur minimal sind, sind Empfehlungen für
zielgruppenspezifische
Präventionsprogramme
schwerlich abzuleiten. Insgesamt lässt sich allerdings
vermuten, dass neben individuumsbezogenen Interventionsprogrammen zum maßvollen Umgang mit
Alkohol auch verhältnisbezogene Programme, wie z.B.
im Schulsetting, die Prävention von Binge Drinking
erfolgreich
unterstützen
können
(8).
1. Petermann,
F.
&
Helbig,
S.
(2008).
Entwicklungsaufgabe „Substanzgebrauch“. Bewältigungskompetenzen und Ressourcenförderung bei
Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Sucht
aktuell, 2, 14-19.
2. Siqueira, L. & Smith, V. C. (2015). Binge Drinking.
Pediatrics,136, e718-e726.
3. Jacobus, J. & Tapert, S. F. (2013). Neurotoxic
effects of alcohol in adolescence. Annual review of
clinical psychology, 9, 703–721.
4. Stolle, M., Sack, P-M. & Thomasius, R. (2009). Binge
drinking in childhood and adolescence:
epidemiology, consequences, and interventions.
Deutsches Ärzteblatt International, 106, 323-328.
5. Vieno, A., Lenzi, M., Santinello, M. et al. (2013).
Gender convergence in adolescent drunkenness in
different Italian regions. International Journal of
Public Health, 58, 785-790.
6. Kraus, L., Hannemann, T.V., Pabst, A. et al. (2013).
Stationäre Behandlung von Jugendlichen mit
akuter Alkoholintoxikation: Die Spitze des
Eisbergs? Gesundheitswesen, 75, 456-464.
7. Rossow, I. & Kuntsche, E. (2013). Early Onset of
Drinking and Risk of Heavy Drinking in Young
Adulthood-A 13-Year Prospective Study. Alcohol
Clin Exp Res, 37, E297-E304.
8. Emmers, E., Bekkering, G.E. & Hannes, K. (2015).
Prevention of alcohol and drug misuse in
adolescents: An overview of systematic reviews.
Nordic Studies on Alcohol and Drugs, 32, 183-198.
Tabelle 1: Rauscherfahrungen von Mädchen, nach Alter, familiärem Wohlstand und Migrationshintergrund (in %) 1
Nie
1 Mal
2-3 Mal
4 oder mehr Mal
%
%
%
%
83,4
6,5
5,9
4,2
11 Jahre (n=844)
98,7
1,2
0,1
0,0
13 Jahre (n=997)
88,7
5,9
3,8
1,6
15 Jahre (n=1.035)
65,6
11,6
12,6
10,2
Niedrig (n=437)
83,0
7,3
5,0
4,8
Mittel (n=1.704)
83,7
6,2
6,1
4,1
Hoch (n=603)
82,4
6,5
6,3
4,8
Kein (n=2.019)
83,4
6,4
5,7
4,5
Einseitig (n=320)
83,6
6,9
5,7
3,8
Zweiseitig (n=534)
83,3
6,6
6,4
3,6
82,5
7,1
5,3
5,0
Mädchen gesamt (n=2.876)
Alterskategorien
Familiärer Wohlstand (n=2.744)
Migrationshintergrund (n=2.873)
Gesamt
Jungen und Mädchen
(n=5.846)
Tabelle 2: Rauscherfahrungen von Jungen, nach Alter, familiärem Wohlstand und Migrationshintergrund (in %) 1
Nie
1 Mal
2-3 Mal
4 oder mehr Mal
%
%
%
%
81,7
7,7
4,8
5,8
11 Jahre (n=855)
97,3
2,3
0,1
0,2
13 Jahre (n=1.063)
89,8
6,4
2,8
0,9
15 Jahre (n=1.052)
60,6
13,5
10,7
15,3
Niedrig (n=577)
82,6
5,5
6,0
5,9
Mittel (n=1739)
80,9
8,9
4,7
5,6
Hoch (n=506)
80,8
6,5
5,1
7,5
Kein (n=2.212)
80,4
8,3
5,1
6,2
Einseitig (n=284)
84,5
5,7
4,2
5,7
Zweiseitig (n=471)
86,5
6,2
3,4
3,9
82,5
7,1
5,3
5,0
Jungen gesamt (n=2.970)
Alterskategorien
Familiärer Wohlstand (n=2.822)
Migrationshintergrund (n=2.967)
Gesamt
Jungen und Mädchen
(n=5.846)
1
Angaben in n beziehen sich auf die Grundgesamtheit aller befragten SchülerInnen
Bitte zitieren Sie dieses Faktenblatt wie folgt:
HBSC-Studienverbund Deutschland* (2015). Studie Health Behaviour
in School-aged Children – Faktenblatt „Binge Drinking/Rauschtrinken
von Kindern und Jugendlichen”.
Kontakt
Prof. Dr. Matthias Richter
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(Prof. Dr. Matthias Richter, Leitung), Universität Bielefeld (Prof. Dr. Petra Kolip); Technische Universität Dresden (Prof. Dr. Wolfgang Melzer); Frankfurt University of Applied Sciences (Prof. Dr. Andreas Klocke); Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (Prof. Dr. Ulrike RavensSieberer), Hochschule Magdeburg-Stendal (Prof. Dr. Ludwig Bilz), Universität Tübingen (Prof. Dr. Gorden Sudeck)