Einsiedel probt den Aufstand

Einsiedel probt den Aufstand | Manuskript
Einsiedel probt den Aufstand
Bericht: Anett Glatz, Thomas Datt
Einsiedel bei Chemnitz. Das eingemeindete Dorf bietet Idylle pur. Vor den Toren der Stadt
gibt es nicht nur Ruhe und viel Grün, sondern auch wenig Arbeitslose und kaum Kriminalität.
2.600 Leute wohnen im Ortsteil. Schon bald könnten es deutlich mehr werden. Der Freistaat
Sachsen will demnächst im alten Pionierlager eine Erstaufnahme für Flüchtlinge einrichten.
Viele Anwohner sind besorgt - auch die Röders, deren Haus direkt an der Zufahrtsstraße zum
Lager steht.
Dagmar Röder
Wenn es Leute sind, die vor dem Krieg flüchten müssen, weil sie sonst um ihr Leben
bangen müssen. Dann jederzeit. Wir sind ja auch keine Ausländerfeinde irgendwie. Nur
haben wir eben, was wir schon so gehört haben, doch Bedenken, dass man sich irgendwie
mehr schützen muss noch.
Um möglichen Einbrüchen vorzubeugen, wollen die Röders jetzt ihr Haus sichern.
Hans-Jürgen Röder: Grad die Fenstergriffe werden verschließbar gemacht. Da gibt es jetzt
schon gute Sachen.
Dagmar Röder: Na und eventuell Alarmanlage.
Hans-Jürgen Röder Eventuell ne kleine Alarmanlage. Das holen wir auf jeden Fall mit rein.
Wie die Röders denken die meisten hier. Die Angst: Die Flüchtlinge könnten den kleinen Ort
überfordern.
Einwohnerinnen von Einsiedel
Frau Claus: Bis jetzt ist ja alles ruhig geblieben, aber die Leute sind schon sehr besorgt.
Reporter: Und machen Sie selber sich auch Sorgen?
Frau Claus: Naja, schon. Würde ich mal so …
Reporter: Was geht Ihnen da so durch den Kopf?
Frau Claus: Dass alles ruhig bleibt und alles eigentlich so weitergeht. Der schöne Ort, der
wirklich die Perle des Zwönitztals genannt wird, nun nicht irgendwie den Bach runtergeht.
Pilzsammlerin: Ich hab nichts, und auch viele von uns haben nichts gegen die Asylanten.
Wir haben nur einfach die Angst, dass im Prinzip die ärztliche Betreuung - eine Ärztin hier
im Ort, ein kleiner Edeka hier im Ort. Und 544 anfängliche Asylanten, die dann kommen
sollen. Und ich weiß nicht. Wir sind sicherlich nicht gewappnet.
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Was die Leute im Dorf am stärksten beschäftigt - kommen 544 Flüchtlinge, wie vom Land
angekündigt? Oder wird am Ende die Maximalkapazität von 2.000 Plätzen ausgeschöpft?
Ortsvorsteher Falk Ulbrich führt uns durch das alte Pionierlager - aus seiner Sicht ist das
Gelände als Erstaufnahme nicht geeignet.
Falk Ulbrich, CDU, Ortsvorsteher Einsiedel
Sie können hier oben 500 oder 1000 Leute einfach nicht beschäftigen. Sondern die werden
hier geparkt, die können hier nichts machen. Also hier gibts zwar eine Turnhalle, aber dann
hörts auch auf. Ansonsten kann man schön spazieren gehen. Aber Sie können natürlich hier
übern Winter auch einen halben oder einen Meter Schnee haben. Wir sind hier 430 Meter
hoch. Und dann ist das natürlich schon schlecht.
Zu DDR-Zeiten war hier ein Pionierlager. Bis zu 1000 Kinder verbrachten ihre Sommerferien,
wo künftig das ganze Jahr über Flüchtlinge wohnen sollen. Seit diese Pläne im September
durchsickerten, gibt es heftigen Protest. Seit drei Wochen gehen die Anwohner auf die Straße
- organisiert werden die Demos vom Stammpersonal der Chemnitzer Pegida.
Dann lädt die zuständige Landesdirektion zur Infoveranstaltung - und konnte Fragen zu
Sicherheitsmängeln, maximaler Belegungszahl und Einzugstermin nicht beantworten.
Infoveranstaltung
Kurths, Landesdirektion Sachsen: Da die Landesdirektion für die Objektgewinnung nicht
zuständig ist, kann ich dazu nichts sagen.
Malte Zubrytzki, BI „Gemeinsam für Einsiedel“: Ich möchte mit den Leute bitte sprechen,
die hier was zu sagen haben und nicht ständig irgendwelche Ausflüchte bringen.
Auch die Chemnitzer Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig verzweifelt, weil das Land
verbindliche Auskünfte schuldig bleibt.
Ludwig, Oberbürgermeisterin Chemnitz
Wenn wir den Bürgern in dieser Situation, wo alle irgendwie überfordert sind, mit ihren
Ängsten, mit ihren Sorgen, mit dem: Wo führt das alles hin? Wie schaffen wir das alles? Die
Regel Nr. 1 ist: Das was ich sage, das halte ich.
Der Mangel an Informationen befeuert den Protest. Woche für Woche ziehen mehr Leute
durchs Dorf, auch aus den Nachbarorten. Vergangenen Mittwoch kommen sogar 2.000.
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protestierender Einwohner
Bernd Obermaier, Einwohner Einsiedel: Wir wollen einfach erreichen damit, dass wir als
Anwohner ernst genommen werden. Dass unsere Sorgen und unsere Bedenken irgendwie
ausgeräumt werden.
Günter Boden, parteilos, Ortschaftsrat Einsiedel: Ich kann doch keine Verhältnisse schaffen,
die nicht gewollt sind. Und über die Verhältnisse, die jetzt entstehen, weiß ich noch gar
nicht, wie es ausgeht.
Gegen diese befürchteten Verhältnisse soll auch ein Infostand an der Zufahrtsstraße helfen.
Tag und Nacht besetzt - angemeldet von lokalen Pegida-Aktivisten.
Rechtspopulisten von Pegida und der Wählervereinigung „ProChemnitz“ heizen bei Facebook
vor zehn Tagen die Gerüchteküche an. Die Flüchtlinge seien auf dem Weg nach Einsiedel.
Innerhalb kurzer Zeit folgen Hunderte den mehr oder minder offenen Blockadeaufrufen. Zwei
Lkw machen die Zufahrtsstraße zur geplanten Asylunterkunft dicht. Die Polizei rückt an - auf
ihr Drängen wird die Blockade später beendet.
Doch es gibt durchaus mehr als Protest in Einsiedel. Cafébetreiber Rocco Ehinger geht nicht
gegen die geplante Erstaufnahme auf die Straße. Der Christ sieht seine Aufgabe darin,
Flüchtlingen zu helfen, ihnen seine Religion vorzuleben.
Rocco Ehinger, Cafébetreiber
Ich glaube, die sind auch gerade auf der Sinnkrise, diese Asylanten. Und sind auf der Suche.
Und wenn wir da unsere Tür verrammeln, gehen die nach Syrien zurück und haben bei uns
auch nichts mitgenommen in dem Sinne. Das möchte ich vielleicht gerne, dass auch ein
anderes Bild rüberkommt.
Pfarrer Johannes Dziubek plant mit seiner Gemeinde zwar schon Hilfen für Flüchtlinge. Mit
Kritik an den Protesten hält er sich aber zurück. Er unterstützt den Vorschlag der Einsiedler,
das Pionierlager für Deutschkurse zu nutzen.
Pfarrer Johannes Dziubek
Ich würde mir wünschen, dass die Entscheidung zugunsten einer Fortbildungseinrichtung
getroffen wird. Dass hier Familien, Kinder und Jugendliche dann eine längere Zeit auch da
sind. Wenn eine Entscheidung in dieser Richtung getroffen würde, wäre die Situation sofort
im Ort eine ganz andere.
Doch dazu wird es laut Landesdirektion nicht kommen. Die unmittelbaren Nachbarn des
künftigen Asylbewerberheims haben sich am Sonnabend wieder getroffen.
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Malte Zubrytzki, Sprecher BI „Gemeinsam für Einsiedel“: Und es ist nur uns und Euch zu
verdanken, dass wir bis jetzt keine Asylanten da oben reingekriegt haben. Das muss man
einfach mal so sagen.
Für den Fall der Fälle will man sich wappnen. Nächsten Dienstag soll es Sicherheitshinweise
geben.
Bürger Einladung zu Sicherheitsvortrag
Da wird hier ein Vortrag gehalten, von Herrn Rudolph über Möglichkeiten. Alarmanlagen,
Alarmtechnik für Ein- und Zweifamilienhäuser. Wer Interesse hat, kann ja gerne kommen.
Erst einmal spenden die Bürger Geld für eine Klage. Damit wollen sie die Einrichtung einer
Erstaufnahme in Einsiedel verhindern oder wenigstens verzögern.
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