Nehmen, danken, brechen, teilen –Urworte der Eucharistie

Nehmen, danken, brechen, teilen –Urworte der Eucharistie
Gründonnerstag 2016 / Erzabtei St. Ottilien / Erzabt Wolfgang Öxler OSB)
„In der Nacht, da er verraten wurde, nahm Jesus das Brot und sagte Dank,
brach es, reichte es seinen Jüngern und sprach: ‚Das ist mein Leib für euch.’“
Nehmen – danken – brechen – darreichen, das sind die Worte und Gesten Jesu
damals im Abendmahlssaal, das sind die Worte und Gesten in jeder
Eucharistiefeier bis heute. Es sind Urworte und Urgesten, die ich einmal
durchsichtig machen möchte auf unser Leben hin. Denn die Liturgie feiern wir
nur in der rechten Weise, wenn sie etwas mit unserem Leben zu tun hat. Wenn
der Gottesdienst hier drinnen in der Kirche und das Leben draußen im Alltag
zwei Parallelwelten sind, die nichts miteinander zu tun haben, dann läuft etwas
falsch. Versuchen wir, einmal darüber nachzudenken, wie beides zu einer tiefen
inneren Einheit werden kann:
Jesus nahm das Brot – genommen werden, sich nehmen lassen. Wenn wir
diese Geste auf uns selbst beziehen, stellen wir schnell fest: Wir wollen etwas
anderes. Wir wollen unser Leben selbst gestalten, nicht fremdbestimmt sein,
sondern selbstbestimmt; aktiv unserem Leben diese oder jene Richtung geben.
Freilich machen wir im Leben immer wieder auch die Erfahrung, dass diese
Fähigkeit an Grenzen stößt. Es gibt Situationen, denen gegenüber wir machtlos
sind. Aus Gesprächen mit Menschen gewinne ich immer mehr die Einsicht, dass
die größte und tiefste Lebenskunst darin besteht zu lernen, Menschen, Dinge,
schwierige Situationen, Schicksalsschläge, die sich nicht ändern lassen,
anzunehmen, ein inneres Ja dazu zu sagen. Wo das gelingt, kann ein großer
Friede in einen Menschen einziehen, kann jemand eine Gelassenheit ausstrahlen,
die Ausdruck dieses Friedens ist. Wenn dies aus einer Haltung des Glaubens
geschieht, hat ein solcher Mensch gleichsam sich nehmen lassen, sich und alles
Beschwerliche, vielleicht geradezu Unerträgliche in die Hand Gottes gelegt wie
das Brot in der Hand Jesu gelegen hat, damit Er es wandle. Nur was ich
annehme kann ich auch wandeln.
Jesus dankte. Mir will scheinen, dass die zu einer Lebenshaltung gewordene
Dankbarkeit eine der wichtigsten Voraussetzung für die Erfahrung von Glück ist.
Ich bin überzeugt, dass wir glücklich sind in dem Maße, wie wir wissen: Ich bin
beschenkt. Da ist jemand, der mich einfach so, aus reiner Liebe, unendlich reich
beschenkt. Der mich beschenkt mit mir selbst, mit meinem Dasein, mit allem,
was dazu gehört, mit meinen Begabungen, der mich beschenkt mit Sich; sei
dieser Jemand nun ein Mensch oder sei er Gott. Beides ist für uns wichtig: Ich
beschenkt von Mitmenschen, aber auch und im Grunde noch viel mehr von Gott.
Dank war die Haltung Jesu. Danksagung ist die Bedeutung von Eucharistie.
Eucharistie will uns einüben in die Haltung des Dankes.
Jesus brach das Brot. Das Brechen ist wie eine „Verwundung“, damit das Brot
austeilbar wird. Gebrochen, verwundet sind wir alle irgendwo in unserer
Existenz. Gebrochen, verwundet durch persönliche Schuld; gebrochen,
verwundet durch Schuld anderer; gebrochen, verwundet durch Umstände, die
uns zu einer schweren Last werden. Es ist eine allgemeine Erfahrung, dass
Menschen, die die eigene Gebrochenheit gar nicht wahrnehmen, sich mit der
Aura des Perfekten, Unfehlbaren, Unverwundbaren, des Alles-im-Griff-Habens
umgeben. Wer mit seinen Wunden und seiner Schwachheit umgehen kann der
wird im Inneren stark.
Jesus reichte das Brot seinen Jüngern – ausgeteilt werden, sich austeilen
lassen. Unser Leben wird nur reich, wenn es auch zu einem Geschenk wird. Wer
nur sich selbst lebt, den eigenen Wünschen, den eigenen Bedürfnissen, dem
eigenen Egoismus, bringt nicht Segen und Frucht, sondern bleibt steril,
langweilig, unfruchtbar; macht sich selbst gleichsam zum ungenießbaren Stein,
anstatt zum Brot zu werden, zum Brot für andere, zum Brot, das andere nährt.
Das heißt: sich beschenkt wissen und selbst zum Geschenk werden – diesen
nicht endenden Kreislauf möchte die Feier der Eucharistie, die Gabe der
Eucharistie in uns bewirken und befeuern. Das Brot des Lebens zu empfangen,
ohne selbst zum Brot des Lebens für die Mitmenschen zu werden, hieße, die
Gabe der Eucharistie vergeblich empfangen.
Wandlung
Dazu ist jeder Mensch eingeladen. So sitzt auch Judas mit am Abendmahlstisch.
Er der einmal „JA“ gesagt hat und von seinem Nein eingeholt wurde. Papst
Franziskus hat uns da auch in Erinnerung gerufen: "Die Eucharistie ist [...]nicht
eine Belohnung für die Vollkommenen, sondern ein großzügiges Heilmittel und
eine Nahrung für die Schwachen." "Häufig verhalten wir uns wie Kontrolleure
der Gnade und nicht wie ihre Förderer", sagt er uns. Wenn Christus Judas am
Tisch aushält, mit ihm das Brot teilt, mit ihm Mahl hält, dann hält er auch uns
aus, dann hält er auch die aus, die wir so gern als Sünder bezeichnen.
Frag 100 Katholiken: Was ist das Wichtigste an der Kirche? Und sie werden dir
sagen: Die Messe. Frag 100 Katholiken: Was ist das Wichtigste an der Messe?
Und sie werden dir sagen: Die Wandlung. Sag 100 Katholiken: Das Wichtigste
an der Kirche ist die Wandlung. Und sie werden empört sein: Alles soll bleiben
wie es ist. Was Lothar Zenetti damit sagt: auf die Wandlung kommt es an. Auf
die Wandlung, die in den Herzen beginnt und sich nach außen richtet Auf die
Wandlung, die zur Verwandlung der ganzen Kirche wird.
Wandlung steckt für mich in diesen Worten Jesu. Jesus nahm, dankte, brach und
teilte aus. Ich darf mich Gott zur Verfügung stellen. Ich darf Dank sagen für das
was Gott mir geschenkt hat. Das Eigentliche darf durch das Uneigentliche
hindurchbrechen und so darf ich mich gewandelt herschenken.