SCHWARZEN PHARAONEN - mitten-im

DIE
SCHWARZEN
PHARAONEN
Als dunkelhäutige Nubier
die Macht im
Reich am Nil ergriffen
Taharqa
Pharao aus Nubien
im 7. Jh. v. Chr.
WALFANG EXTREM Mit Ruderboot und Speer auf der Jagd nach Pottwalen in Indonesien
RELIGION Warum sich im russischen Tatarstan Muslime und Christen vertragen
HEILUNG NACH MASS Wie Biomarker und Big Data die Medizin revolutionieren
AUSGABE 03
APRIL & MAI 2015
E I N E P U B L I K AT I O N V O N
EIN GUTER PLAN
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Warnhinweis gem. § 128 InvFG 2011
Im Rahmen der Anlagestrategie kann überwiegend in Derivate investiert werden. Diese Aussage basiert auf einer Risikobetrachtung, bei der Derivate durch Umrechnung in den
zugrundeliegenden Basiswert (Exposure) berücksichtigt werden. Der Kapitalanlagefonds kann aufgrund der Portfoliozusammensetzung oder der verwendeten Managementtechniken
eine erhöhte Volatilität aufweisen, d.h. die Anteilswerte sind auch innerhalb kurzer Zeiträume großen Schwankungen nach oben und nach unten ausgesetzt. Im Rahmen der Anlagestrategie
kann hauptsächlich in Anteile an anderen Kapitalanlagefonds und/oder Sichteinlagen bzw. kündbare Einlagen investiert werden. Die Fondsbestimmungen des oben beschriebenen Fonds
wurden durch die FMA bewilligt. Wertpapiere oder Geldmarktinstrumente, die von der Republik Österreich, der Bundesrepublik Deutschland, der Französischen Republik, dem Königreich
Niederlande begeben oder garantiert werden, dürfen zu mehr als 35% des Fondsvermögens erworben werden.
Marketingmitteilung iSd WAG 2007. Die Informationen stellen kein Angebot, keine Anlageberatung sowie keine Kauf- oder Verkaufsempfehlung dar und können ein individuelles
Beratungsgespräch nicht ersetzen. Performanceergebnisse der Vergangenheit lassen keine verlässlichen Rückschlüsse auf die zukünftige Entwicklung eines Investmentfonds zu.
Die veröffentlichten Prospekte und die Kundeninformationsdokumente (Wesentliche Anlegerinformationen) stehen Ihnen in deutscher Sprache kostenlos bei der Verwaltungsgesellschaft,
der BAWAG P.S.K. bzw. deren Filialen sowie unter www.bawagpskfonds.at zur Verfügung.
Kostenhinweis: Beim Kauf fällt der einmalige Ausgabeaufschlag in Höhe von bis zu 3,5% an. Darüber hinaus kommt es zu anderen ertragsmindernden Kosten wie individuellen Konto- und
Depotgebühren.
E ditor ’s
L etter
TERR A M ATER | APRIL & M A I 2015
4
ERSTAUNLICHE
BILDER
von Mutter Erde und ihren Bewohnern.
14
16
EIN MENSCH IN GUAPI
Hector Cundumiri Rivas,
Sprachrohr und Medium in Kolumbien.
EIN WUNDER NAMENS
APOTHEKERSKINK
Eine kleine Echse im heißen Sand der Wüste.
18
EIN ORT ZUM
ENTDECKEN
Lord Howe Island:
die perfekte Südseeinsel.
20
SCHWARZE
PHARAONEN
Wie im 7. Jahrhundert vor Christus
Könige aus dem schwarzen Afrika
die Macht über Ägypten erlangten.
46
TERRA MATER
IM ÜBERBLICK
Vier spannende Geschichten, die
Sie im gedruckten Heft erwarten.
48
EIN TAG, DER DIE
WELT VERÄNDERTE
Am 16. Mai 1960 erstrahlte der erste Laser –
seine Anwendung fand er erst viel später.
H
E R Z L IC H W I L L KOM M E N! Wir freuen uns, Ihnen eine Kostprobe des Natur- und Wissensmagazins Terra Mater überreichen
zu dürfen. Wir wollen Sie damit verführen, einen genaueren Blick
auf die Wunder unserer Welt zu werfen. Alles, was Sie dazu brauchen, ist ein
bisschen Zeit.
Als wir im Jahr 2012 auf die kühne Idee kamen, eine neue Zeitschrift auf
den Markt zu bringen, hatten wir von Anfang an das Ziel, einen Gegen­
entwurf zu schaffen zur Atemlosigkeit und der Oberflächlichkeit unserer
heutigen Zeit. Bewusst langsam und ein bisschen altmodisch sollte das Heft
gestaltet sein, mit langen, sorgfältig recherchierten und liebevoll geschriebenen Storys. Traditionell auch unser journalistischer Ansatz: Wir spannen erstklassige Fotografen mit hervorragenden Autoren zusammen und schicken sie
in alle Teile der Welt, damit sie von dort mit authentischen und zeitlos gültigen Geschichten zurückkehren – um dem Untertitel des Magazins gerecht zu
werden: „Die Welt entdecken und begreifen“.
Nun wünschen wir Ihnen viel Vergnügen mit diesen 50 Seiten aus dem
Terra Mater Magazin (eine komplette Ausgabe hat einen Umfang von 164
Seiten). Und sollten Sie auf den Geschmack kommen: Alle zwei Monate
erscheint ein neues Heft und liegt dann beim Zeitschriftenhändler Ihres Vertrauens um 5 Euro auf. Noch bequemer ist nur noch ein Abo: Details dazu
gibt’s auf Seite 44.
Die Redaktion
Um ernst zu sein,
genügt Dummheit,
während zur Heiterkeit
ein großer Verstand unerlässlich ist.
William Shakespeare, englischer Dramatiker (1564 –1616)
IMPRESSUM: HERAUSGEBER: Karl Abentheuer CHEFREDAKTEUR: Andreas Wollinger CREATIVE DIRECTION: Christine Eisl ART DIRECTION: Mag. (FH) Isabel Neudhart
CHEF VOM DIENST: Mag. Gottfried Derka FOTOREDAKTION: Mag. Isabella Russ (Ltg.), Thomas Kronsteiner REDAKTION: Ivo Filatsch, Mag. Andrea Gastgeb, Sebastian Grübl, Sabine
Holzer, Dr. Walter Köhler, Mag. Martin Mészáros, Andrea Pascher GRAFIK: Isabel Erlebach, B. A. AUTOREN: Wolfgang Hofbauer, Fabian von Poser FOTOGRAFEN: Mohammed Abed, Anne
Ackermann, Rich Hardcastle, Yann Hubert, Dr. Trix Jonker, Juan Manuel Castro Prieto, Robbie Shone, Danish Siddiqui, Luca Zanetti ILLUSTRATOR: Ander Pecher
LEKTORAT: Hannes Hessenberger (Ltg.) PRODUKTION: Veronika Felder (Ltg.), Martin Brandhofer, Michael Menitz, Arno Weisböck HERSTELLUNG: Michael Bergmeister LITHOGRAFIE:
Clemens Ragotzky (Ltg.) OFFICE MANAGEMENT: Manuela Gesslbauer (Assistentin der Geschäftsführung), Kristina Krizmanic VERLAGSLEITUNG: Franz Renkin ANZEIGEN: Gerald Daum,
Thomas Hutterer MARKETING: Mag. Barbara Kaiser VERTRIEB: Mag. Klaus Pleninger GENERAL MANAGER: Wolfgang Winter REDAKTIONSANSCHRIFT: Heinrich-Collin-Straße
1/1, 1140 Wien, Tel.: +43/1/90 221-0, Fax-DW: 27930, E-Mail: [email protected], www.terramatermagazin.at MEDIENINHABER, EIGENTÜMER & VERLEGER: Red Bull
Media House GmbH, Oberst-Lepperdinger-Straße 11–15, 5071 Wals bei Salzburg , FN 297115i, Landesgericht Salzburg, ATU: 63611700
Ein Produkt aus dem
3
4 WE LTBILD
Erstaunliche
Momentaufnahmen
von Mutter Erde
MAHLZEIT!
A DD O E L E P H A N T PA R K , SÜ DA F R I K A .
Es ist ein dramatischer Moment und doch
die natürlichste Sache der Welt:
Ein Warzenschwein war so unvorsichtig, den
Weg eines hungrigen Löwen zu kreuzen.
Nur noch wenige Sekunden, dann wird es sein
Leben aushauchen. Und der König der Tiere
wird sich sein Mittagessen schmecken lassen –
wie es einem eben zusteht, der sich
an der Spitze der Nahrungskette befindet.
Foto: Trix Jonker/Caters News
Foto: Trix Jonker
5
WELTBILD
KUNSTGRIFF
GA Z A (STA D T ), PA L Ä ST I NA . Das Leben
im Gazastreifen war noch nie leicht, aber seit
die radikal-islamistische Hamas 2007 die Macht
in diesem Teil der palästinensischen Autonomiegebiete an sich gerissen hat, ist es die Hölle:
Weil von hier aus immer wieder Raketen auf
­Israel abgeschossen werden, hat das israelische
Militär die Zone inzwischen in eine Art Freiluftgefängnis verwandelt. Um der herrschenden
Tristesse wenigstens irgendwas entgegenzusetzen,
hat eine Gruppe lokaler Künstler diese Mauer
im Hafen bunt angemalt.
Foto: Mohammed Abed
6 7
Foto: MOHAMMED ABED/AFP/Getty Images
8 WELTBILD
HOCHGEFÜHL
M A R A S , P E RU. Es ist nicht nur das grandiose
Panorama, das diesen Ort so speziell macht. Es
ist auch seine Geschichte: Wir befinden uns hier
ziemlich genau auf halbem Weg zwischen Cuzco,
einst Hauptstadt der Inkas, und Machu Picchu,
einer der wohl berühmtesten Ausgrabungsstätten
der Welt. Dazwischen erstreckt sich, entlang des
Flusses Urubamba, das Valle Sagrado – das heilige
Tal der Inkas. Das und der Umstand, dass es
auf 3.300 Meter Seehöhe liegt, kann einem schon
den Atem rauben.
Foto: Juan Manuel Castro Prieto/Agence VU/www.picturedesk.com
Foto: Juan Manuel Castro Prieto
9
10 WELTBILD
MIT SACK UND PACK
M U M B A I , I N DI E N. Jedes Jahr übersiedelt
die Familie der fünfjährigen Nasreen von ihrem
Heimatort Nagpur in Zentralindien für ein paar
Monate nach Mumbai. Ihr Vater, ein Messerschleifer,
erhofft sich hier bessere Verdienstmöglichkeiten.
Doch weil sich die vierköpfige Reisegruppe keine
Wohnung leisten kann, bezieht sie in Bandra,
einem Vorort im Westen der großen Stadt, Quartier –
unter einer Autobahnbrücke, die wenigstens vor
Regen Schutz bietet. Sie sind nicht die Einzigen:
Viele Wanderarbeiter finden hier Unterschlupf.
Foto: Danish Siddiqui/Reuters
Foto: Danish Siddiqui
11
WELTBILD
DAS WAR EIN KINDERSPIEL
L ON D ON, E NGL A N D. Um Insekten zu
­ onservieren, wenden Sammler und Museen seit
k
gut 300 Jahren die gleiche Methode an: Man
­t rocknet sie und spießt sie auf Stecknadeln. Mühsam wird die Sache nur, wenn jemand mit den
­Exponaten ­etwas anstellen will – zum Beispiel, um
sie zu untersuchen oder digital zu erfassen. Drei
12 ­Mitarbeiter des National History Museum in London
haben nun für dieses Problem eine verblüffend
­simple Lösung gefunden: Sie haben sich aus dem
­Lego-Spielzeug-Baukasten bedient und einen
stabilen, leicht bedienbaren und billigen InsektenManipulator konstruiert. Der erleichtert jetzt die
­Katalogisierung der 27 Millionen Insekten im Haus.
WIE DAS DUFTET!
Fotos: Power & Syred/Science Photo Library/www.picturedesk.com, Natural History Museum London
P ORT SK E W E T T, WA L E S. Der betörende
Geruch des französischen Lavendels (Lavandula
dentata) ist ja allgemein bekannt. Doch wo genau
kommt er her? An der Unterseite ihrer Blätter
bildet die Pflanze Spaltöffnungen, sogenannte
Stomata, die den Gasausstoß regeln. Mit freiem
Auge sind sie freilich nicht zu erkennen. Erst
mithilfe eines Elektronenmikroskops und
in 6.000-facher Vergrößerung offenbart sich
dieses Wunder der Natur.
13
EIN MENSCH IN
Guapi
Hector Cundumiri Rivas
Nachrichtensprecher und Marktschreier in Kolumbien
Was haben Sie heute gefrühstückt?
Fisch mit Kochbananen.
Wie sieht ein ganz normaler Arbeitstag bei Ihnen aus?
Ich stehe gewöhnlich um sechs Uhr auf, dann helfe ich meiner Frau bis acht im
Haushalt. Danach fahre ich mit meinem Fahrrad ins Gemeindeamt und hole mir
das Nachrichten-Bulletin ab, dann radle ich überall im Ort herum und verbreite
die Neuigkeiten. Nach der Mittagspause mache ich normalerweise mit meinem
Megafon bis zum Abend Werbung für Geschäftsinhaber im Einkaufsviertel.
Eine Erinnerung, die Sie geprägt hat?
Früher habe ich als Polizist in der Stadt Cartago gearbeitet. Da haben mich die
Kollegen sehr schlecht behandelt, weil ich schwarz bin. Rassismus ist an sich
gesetzlich verboten, aber keiner machte was dagegen. Ich will so was nie wieder
erleben. Darum bin ich auch nach Guapi zurückgekehrt, wo ich unter
meinen Leuten von der afrokolumbianischen Gemeinde bin.
Was ist Ihr wertvollster Besitz?
Ein kleiner Kiosk, den ich mir von meinen Ersparnissen gekauft habe.
Eines Tages möchte ich darin ein eigenes Geschäft eröffnen.
Ihr größter Wunsch?
Ich würde gerne Radiojournalist sein und bei einem Radiosender arbeiten.
Woran glauben Sie?
An Gott, weil er immer bei mir ist; an meine Eltern, aber die sind schon tot;
und an mich selbst und die Art, wie ich meine Arbeit mache.
Worauf können Sie unter keinen Umständen verzichten?
Darauf, Zeit mit meiner Familie zu verbringen (Hector hat sieben Kinder von
drei Ehefrauen sowie zwei uneheliche Kinder, Anm. d. Red.).
Wie sieht Ihr Zuhause aus?
Ich wohne noch immer im Haus meiner Eltern, es ist aus Holz und 54 Jahre alt,
jetzt fällt es langsam auseinander. Alle meine zehn Brüder haben bereits
ein eigenes Haus, nur ich nicht. Ich habe zwei Räume, die ich mit meiner Frau
und drei Kindern teile. Manchmal raubt es mir den Schlaf, wenn ich daran
denke, dass ich eigentlich endlich ein eigenes Heim bräuchte.
Welche Musik mögen Sie?
Romantische Lieder aus den 1970er-Jahren. Ich spiele diese Musik auch auf
meinem Fahrrad, damit die Leute wissen, dass ich da bin.
Was haben Sie vergangenes Jahr gelernt?
Wie man Hühner züchtet.
Wovor haben Sie Angst?
Vor dem Straßenverkehr – ich bin auf meinem Fahrrad sehr verwundbar.
Der Schweizer Fotograf Luca Zanetti saß in Guapi, einer Kleinstadt an der Pazifikküste im
Süden Kolumbiens, beim Mittagessen in einem Restaurant, als er draußen ein Megafon losplärren hörte.
So lernte er Hector, 61, und seinen ungewöhnlichen Job kennen.
14 WELTBILD
15
S
I E SI N D E I N bedeutendes Aphrodisiakum,
regen besonders die Geschlechtslust bei jungen
Frauenzimmern an und werden daher von liederlichen Bauerknechten zuweilen auf den Apotheken […]
gefordert, um sie heimlich anzuwenden.“ Das ist der
­
Stand des Wissens vor 260 Jahren, niedergeschrieben in der damals verlegten „Enzyklopädie der
gesamten Volksmedizin“. Und weil die Apotheker
der drängenden Nachfrage gerne nachgaben, importierten sie zermahlene Echsen gleich kübelweise aus Nordafrika. Womit zunächst einmal geklärt
wäre, wie das unscheinbare Tierchen zu seinem
eigenwilligen Namen gekommen ist.
Die Art überlebte die Nachstellungen und
ist heute im feinen Wüstensand, etwa von Tunesien, gut zu beobachten. Hier jagen die ungefähr
20 Zentimeter langen Tiere nach Käfern, Spinnen und Heuschrecken. „Im Wüstensand“ ist übrigens wörtlich zu verstehen: Bei Hitze oder Bedrohung tauchen die Echsen nämlich kurzerhand
im Sand unter. US -amerikanische Forscher haben sie mittels High-Speed-Röntgen verfolgt und
festgestellt, dass die Echsen dort unten ihre Füße
anlegen und sich in Wellenbewegungen vorwärtsschlängeln, sich also wie ein Fisch im Wasser fortbewegen. Womit geklärt wäre, wie der Apothekerskink zu seinem neuen Namen gekommen ist: Er
wird heute auch „Sandfisch“ genannt.
Apothekerskink (Scincus scincus)
Systematik
OrdnungSchuppenkriechtiere
(Squamata)
ÜberfamilieSkinkartige
(Scinocoidea)
FamilieSkinke (Scincidae)
Gattung
Scincus
ArtApothekerskink
Gehhilfe
Die Zehen sind mit
borstigen Fransenschuppen
überzogen, das hilft
bei der Fortbewegung
auf feinem, heißem Sand.
Makellose Haut
Die Schuppen sind sehr glatt und so dicht angeordnet,
dass sich keine Sandkörner ablagern können.
Beides hilft, den Reibungswiderstand zu verringern.
16 WELTBILD
EIN WUNDER NAMENS
Apothekerskink
lat.: Scincus scincus
Keine Klimaanlage
Die Echsen sind wechselwarm,
das bedeutet, dass sie ihre Körpertemperatur
kaum regulieren können. Vor allzu großer
Hitze flüchten sie daher in den Sand.
Maul halten!
Die Kinnlade endet nicht direkt an der
Schnauze, sondern ist ein wenig nach
hinten versetzt. Eine übliche Adaption von
Wüstenbewohnern, so gelangt weniger
Sand in den Mund.
Augen zu und durch
Foto: www.naturepl.com
Während sie durch den Sand flutscht,
schließt die Echse die Augen.
Die sind ansonsten durch Schuppen am Lid geschützt.
Die Nasenlöcher lassen sich ebenfalls verschließen.
17
WELTBILD
EIN ORT ZUM ENTDECKEN
31° 33' 56" S, 159° 5' 18" O
Lord Howe Island
Beste Reisezeit
unternommen, die perfekte Südseeinsel zu entwerfen: Lord Howe
Island, gelegen in der Tasmanischen See zwischen Australien und
Neuseeland, hat alles, was das Auge erfreut – türkisblaues Meer, sattgrün
bewaldete Berge, sanft geschwungene Buchten. Dazu: mit elf Kilometer
Länge und durchschnittlich zwei Kilometer Breite überschaubare Ausmaße
und ein angenehmes Klima – im Sommer zwischen September und April
hat es tagsüber zwischen 23 und 26 Grad. Und damit dieses Paradies auch
ein solches bleibt, ist die Zahl der Touristen begrenzt: Gleichzeitig dürfen sich immer nur 400 davon auf der Insel aufhalten. Gemessen an den
350 Einwohnern stellen sie damit aber immer noch die Mehrheit.
Wie komme ich hin?
Von Sydney oder Brisbane
mit dem Flieger. Die Flugzeit
beträgt etwa 1:50 Stunden.
Achtung: Gepäcklimit 14 kg!
Tipp
Das südlichste Korallenriff
der Erde weist eine ungewöhnliche Artenvielfalt auf –
477 Fischarten sind hier
zu finden. Ein Geheimtipp
für Taucher!
18 September bis April
Australien
Neuseeland
Lord-Howe-Inseln
Foto: Mauritius Images
A
L S H ÄT T E E I N SE T-DE SIGN E R aus Hollywood den Versuch
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ARCHÄOLOGI E
DAS VERGESSENE
REICH DER
SCHWARZEN
PHARAONEN
In einer kurzen Zeitspanne von 90 Jahren herrschten Könige
aus dem schwarzen Afrika über das antike Ägypten,
vom Mittelmeer bis nach Khartoum. Die Pharaonen aus Nubien,
dem heutigen Sudan, schufen eine hoch entwickelte Zivilisation
und bauten doppelt so viele Pyramiden wie die Ägypter.
Erst langsam legen Archäologen die Geheimnisse dieser Kultur
im Wüstensand frei. Eine Spurensuche.
Text: Fabian von Poser
Fotos: Robbie Shone
20 Foto: Rich Hardcastle
Taharqa,
der mächtigste der
Schwarzen Pharaonen:
Zum ersten Mal
in seiner stolzen
Geschichte wurde
ganz Ägypten im
7. Jahrhundert vor
Christus von
Eroberern regiert.
21
TIEF IM WÜSTENBODEN
DES SUDAN VERBORGEN,
ERZÄHLEN 2.700 JAHRE ALTE FRESKEN VON
EINER VERSUNKENEN KULTUR.
NUR WENIGE MENSCHEN
HABEN DIESE GRABKAMMER GESEHEN.
22 ARCHÄOLOGI E
23
24 ARCHÄOLOGI E
DIE PYRAMIDEN DER NUBIER
WAREN NIEDRIGER UND SPITZER
ALS JENE DER ÄGYPTER.
DAS LAG DARAN, DASS SIE MIT KRÄNEN
AUS ZEDERNHOLZ ARBEITETEN.
25
26 ARCHÄOLOGI E
AM FUSS DES BERGES
GEBEL BARKAL
BEFINDEN SICH DIE ÜBERRESTE
DES AMUN-TEMPELS.
ER WAR DAS WICHTIGSTE
HEILIGTUM NUBIENS.
PRIESTER ZOGEN
IN FEIERLICHEN PROZESSIONEN
DURCH DIE ALLEE
VON WIDDERSTATUEN,
UM IHREM GOTT ZU HULDIGEN.
27
28 Stolze Herrscher, ganz in Schwarz:
Bis zu ihrer Machtübernahme waren
Nubier in Ägypten bestenfalls als Söldner,
Diener oder Tagelöhner geduldet worden.
ARCHÄOLOGI E
V
I E L L E IC H T WA R E S ein sorgfältig
überlegter Schachzug eines Meisterstrategen. Oder es war heißblütiger, religiöser
Furor – wir werden nie erfahren, was König Piye
dazu brachte, ein neues Kapitel der Weltgeschichte
aufzuschlagen. Überliefert ist nur, was er tat: Im
Jahr 730 vor Christus ließ er seine Soldaten zusammenrufen, gefürchtete Kämpfer allesamt und
ausgerüstet mit den besten Waffen ihrer Zeit. Und
dann zogen sie los: Barken trugen den Herrscher,
seine Kämpfer und die Pferde auf dem Nil flussabwärts. Aus dem Königreich Kusch, im heutigen
Sudan gelegen, nach Norden, in die Heimat der
schillerndsten Zivilisation dieser Epoche: Ägypten.
In Theben, dem politischen und religiösen
Zentrum Oberägyptens, gingen die Männer an
Land, brachten ihrem Gott Amun Opfer dar,
reinigten sich rituell im Nil – und zogen weiter.
Ein Regionalfürst nach dem anderen musste vor
den Kriegern aus Kusch kapitulieren. Nach einem
Jahr hatten die Eroberer das Nildelta erreicht und
Ägypten unterworfen. Piye war nun Herrscher
über Nubien und Ägypten – plötzlich Pharao.
Für Ägypten war dies der Beginn eines erstaunlichen Intermezzos: Zum ersten Mal in seiner
stolzen Geschichte wurde das Land von Eroberern
regiert – ausgerechnet von Kuschiten, dunkelhäutigen Afrikanern, die bis zu diesem Zeitpunkt bestenfalls als Söldner, Diener oder T
­ agelöhner in
Ägypten geduldet worden waren und deren Land
als Hinterhof des Reiches galt – genutzt als Exerzierplatz für Expansionsgelüste und Quelle unermesslicher Goldschätze.
Für die Kuschiten war die Herrschaft über
Ägypten nur eine kurze Episode in ihrer Geschichte, die lange vor jener der Nachbarn im Norden
begonnen hatte – und über die doch bis heute weniger bekannt ist als über Ramses, Tutanchamun,
Kleopatra und Co. Auf welcher Grundlage gelang
den Menschen aus Kusch der Aufstieg zur größten
Macht am Nil? Wie konnten sie ein Reich beherrschen, das zum Zeitpunkt seiner größten Ausdehnung von der Region des heutigen Khartoum im
Sudan bis ins mehr als 2.500 Kilometer entfernte
Israel reichte? Wie bauten sie ihre charakteristischen Pyramiden? Und wohin verschwanden sie
nach wenigen Jahrzehnten wieder?
Lange Zeit konnte niemand diese Fragen beantworten. Als die Herrschaft der Schwarzen zu
Ende ging, bemühten sich die Ägypter, ihre Spuren
möglichst gründlich zu beseitigen. Nichts sollte die
Nachwelt an die Schwarzen Pharaonen erinnern.
Die Rechnung ging auf. Wer immer sich in den
folgenden Jahrtausenden mit der Region am Nil
befasste, war fasziniert von den Gräbern, Mumien
und Schriften entlang des Unterlaufs des Nil, von
Ägypten. Kusch? Uninteressant!
„Als ich vor 50 Jahren hier ankam, wurde ich
gefragt, was ich denn hier suchen würde“, erzählt
der Schweizer Archäologe Charles Bonnet. „Man
sagte mir: ‚Die wahre Geschichte findet doch in
Ägypten statt!‘“ Doch er ließ sich nicht beirren.
Heute gilt der mittlerweile 82-Jährige als Doyen
einer verhältnismäßig kleinen Gemeinschaft von
Archäologen, die sich auf die Spuren der Schwarzen Pharaonen geheftet haben.
Die Hartnäckigkeit wurde belohnt: In den
vergangenen Jahren gelangen Charles Bonnet und
seinen Kollegen wesentliche Erkenntnisse über
die rätselhafte Zivilisation im Norden des Sudan.
Sie fanden die Spuren einer verdrängten reichen
Hochkultur, die sich nicht nur aufs Kriegführen
verstand, sondern auch spektakuläre Bauwerke zuwege brachte und – laut jüngeren Theorien – über
detaillierte astronomische Kenntnisse verfügte.
Lokalaugenschein im heutigen Sudan. Die Expedition beginnt in der Hauptstadt Khartoum, von
hier aus geht es Richtung Norden. Selbst im Dezember ist es extrem heiß, die Luft flirrt über der
weitläufigen Sandlandschaft. Den einzigen Schatten weit und breit spenden ein paar dornige Akazien. Nach 590 Kilometern auf staubiger Piste und
einer Überquerung des Nil erreichen wir die Region um die historische Stadt Kerma.
Vor rund 10.000 Jahren hatten sich Menschen aus dem zunehmend vertrocknenden Umland hierher ans Ufer des Nil geflüchtet. Im Laufe
der Zeit entdeckten sie Landwirtschaft und Viehzucht für sich. Es war ein günstiger Ort, um eine
Zivi­lisation zu begründen: Hier kreuzten sich die
Handelswege von Zentralafrika zum Roten Meer
und von Nord nach Süd, der Handel mit Tierhäuten, Tropenhölzern, Elfenbein und Gold schuf
Afrika
Sudan
Kerma
29
ARCHÄOLOGI E
Wohlstand. Archäologen finden hier Scherben von
mit Ritzdekoren verzierten Tongefäßen – aus einer
Zeit, in der das Töpfern in Ägypten noch völlig
unbekannt war.
Die Kunde von dem reichen Land erreichte
auch den Norden, wo vor 5.000 Jahren das ägyptische Reich entstand. Truppen der aufstrebenden
Großmacht starteten regelmäßig Raubzüge in die
schwarzen Fürstentümer. Vor 4.200 Jahren erlebte­
Ägypten wegen innerer Streitigkeiten das Ende
seiner ersten Blütezeit, das Alte Reich zerfiel und
zog sich nach Norden zurück. So konnte die Region um Kerma erstmals richtig aufblühen, die
Hochkultur der Kuschiten entstand. Im Umkreis
der Stadt stießen Archäologen auf mehr als 130
archäologische Fundstellen aus dieser Zeit.
Die eindrucksvollste von ihnen ist die sogenannte Deffufa, ein massiver Lehmziegelbau von
19 Metern Höhe, der sich eindrucksvoll über das
Niltal erhebt. Seine Funktion ist umstritten. Möglicherweise handelt es sich um den kolossalen Unterbau für einen Tempel oder einen Palast.
Freigelegt hat die Deffufa Archäologe Charles
Bonnet. Wir sitzen in dem Haus, das ihm die su-
danesische Regierung zur Verfügung gestellt hat.
Kisten voller archäologischer Fundstücke füllen
den Raum, an der Wand hängen die Grundrisse
verschiedener Tempel. Vom Nil her weht eine frische Brise durch die offenen Fenster.
Kaum jemand kennt die Geschichte Nubiens
so gut wie Bonnet. Seine wichtigste Grabungsstätte derzeit liegt zwei Kilometer von Kerma entfernt,
nahe der Ortschaft Doukki Gel. Hier gräbt der
Archäologe eine mehr als 4.000 Jahre alte Zeremonienstadt aus. „In dieser Region existierte eine Zivilisation, die stark genug war, um Ägypten Angst
zu machen“, sagt der Archäologe.
Angst? Tatsächlich muss die Beziehung zwischen Kusch und Ägypten kompliziert gewesen
sein, und das über rund drei Jahrtausende: Einerseits gab es regen Waren- und Kulturaustausch
zwischen Nord und Süd. So nutzten die Menschen
in Kusch die ägyptische Schrift. Der ägyptische
Amun-Kult wiederum hat seine Wurzeln in Kerma. Die Verehrung der widderköpfigen Gottheit
war in Kusch tief verwurzelt, seine wichtigsten
Tempel wurden hier errichtet. Andererseits zogen
ägyptische Herrscher wiederholt in den Süden, um
Ausgrabung nahe Kerma: „Hier existierte
eine Zivilisation, die stark genug war, um Ägypten Angst
zu machen“, sagt Archäologe Bonnet.
30 Mi
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ISRAEL
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Jerusalem
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JOR DA NIEN
Kairo
Memphis
S AU DI A R A BI E N
ÄGY P T EN
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Assuan
Abu Simbel
2. Katarakt
3. Katarakt
Doukki Gel
Kerma
Napata
4. Katarakt
Pyramiden
el-Kurru
Machtbereich der
Schwarzen Pharaonen
während der 25. Dynastie
Gebel Barkal
6. Katarakt
Kernland der Kuschiten
Meroë
Naga
S U DA N
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l
500
au
250
5. Katarakt
Atbata
Khartoum
Traditionelle Grenze
zwischen Ägypten
und Nubien
0 km
Nuri
Bl
hier Menschen, Vieh und Schätze zu rauben – das
Wort „Nub“, Kern des Namens „Nubien“, ist die
Hieroglyphe für „Gold“.
Dazu kamen auf Seiten der Ägypter auch
Ressentiments gegenüber den Nachbarn im Süden:
Ägyptische Darstellungen der Nubier zeigen Men­
schen mit karikaturhaft dicken Lippen und flacher
Stirn. Im Grab des Pharaos Tutanchamun fanden
Archäologen Sandalen mit Bildern von Nubiern
auf den Sohlen – so konnte der xenophobe Ägyp­
ter bequem auf ihnen herumtrampeln.
Die Nubier ihrerseits nutzten Phasen des po­
litischen Chaos im Norden, um ihr Herrschafts­
gebiet auszudehnen. Mitte des achten Jahrhunderts
vor Christus war es so weit: Die Herrscherhäuser
Ober- und Unterägyptens waren zerstritten. Und
als die Oberägypter ihre südlichen Nachbarn
um Unterstützung baten, starteten die Nubier ih­
ren ersten große Feldzug in den Norden. König
Kaschta drang dabei bis in die Gegend des heuti­
gen A
­ ssuan vor.
Dabei war es nicht nur Machtgier, die die Ku­
schiten nach Ägypten trieb. Es ging auch um den
Amun-Kult. Verstört mussten sie zusehen, wie sich
die Menschen in Ägypten vom gemeinsam verehr­
ten Gott Amun abwandten. Der Kult, den die Nu­
bier so erfolgreich nach Ägypten exportiert hatten,
drohte in Vergessenheit zu geraten.
Höchste Zeit für einen heiligen Krieg. Kasch­
tas Sohn Piye übernahm diese Aufgabe und be­
herrschte nach seinem legendären Eroberungs­
feldzug fast ganz Ägypten. Als er acht Jahre
später starb, errichteten ihm seine Gefolgsleute
eine P
­ yramide – es war dies der erste derartige
Neubau am Nil seit 500 Jahren – und bestatteten
den einbalsamierten Leichnam nebst ein paar
Lieblingspferden unter dem Monument, in einer
über 19 Treppen erreichbaren Grabkammer.
Bald darauf übernahm Piyes Sohn Taharqa
die Macht. 26 Jahre lang (nach anderen Quellen 31)
hielt er das Reich zusammen. Er hatte auch Glück:
Im sechsten Jahr seiner Regentschaft sorgten unge­
wöhnlich starke Regenfälle und eine seit Jahrhun­
derten nicht erreichte Nilschwemme für besonders
ergiebige Ernten. Den folgenden Wirtschaftsboom
nutzte der Pharao: Er ließ bestehende Tempel res­
taurieren und neue errichten. Besonders beeindru­
e
elm
il
We i ß e r N
Illustration: Ander Pecher
LAND AM STROME
ckend sind die Erweiterungen am Tempel von Kar­
nak in der Gegend des heutigen Luxor sowie der
Ausbau des Amun-Tempels in Napata in Nubien.
Doch längst nicht alles war eitel Wonne und
Wohlstand. Taharqas Herrschaft war überschattet
vom ständigen Kampf gegen die Assyrer, die vom
Nordosten nach Ägypten drängten.
Der Pharao hielt entschlossen dagegen. Auf
einer seiner Strafexpeditionen verfolgte er die An­
greifer bis in die Gegend des heutigen Jerusalem
– vermutlich ist er jener Pharao, von dem im Alten
Testament, im zweiten Buch der Könige, die Rede
ist. Demnach hat er mit seinem Gegenangriff auf
die Assyrer auch gleich die im heutigen Israel be­
lagerten Hebräer gerettet.
31
WIE NUBIER UND ÄGYPTER
UM DIE MACHT AM NIL KÄMPFTEN
Zwei Völker entwickeln sich nebeneinander, miteinander und gegeneinander.
Sie pflegen kulturellen Austausch, führen aber auch heftige Kriege.
Ägypten
4.000–3.000 v. Chr.
ca. 2.700–2.216 v. Chr.
ca. 2.050–1.781 v. Chr.
Prädynastische Zeit
Die Naqada-Kultur kennt
Ackerbau, Bewässerungskanäle, Viehwirtschaft mit
domestizierten Rindern,
Schweinen und Ziegen.
Mehrere Königreiche
ringen um die Vorherrschaft. Beginnender Handel am Nil bis ins Delta.
Altes Reich
3. bis 6. Dynastie. Das Goldene Zeitalter Ägyptens: Eine
perfektionierte Verwaltung bringt Stabilität und Wohlstand. Die Pyramiden von Gizeh entstehen. Vermutlich
führt anhaltende Trockenheit zum Niedergang.
Mittleres Reich
11. und 12. Dynastie. Die Pharaonen führen Feldzüge bis
Palästina und laut einzelnen Überlieferungen weiter nach
Asien durch. Besser gesichert sind Expeditionen in den Süden.
Raumgewinne in Nubien werden mit Festungen manifestiert.
Tempel in Karnak. Die Anlage
wurde 2.200 Jahre lang immer
wieder erweitert und ist heute Teil
des UNESCO-Weltkulturerbes.
Der Pharao
besiegt einen
Widersacher
aus dem
Norden.
Geschichte, geritzt
in ein Elfenbeinplättchen.
2.216–ca. 2.050 v. Chr.
ca. 3.000–2.700 v. Chr.
Frühdynastische Zeit
1. und 2. Dynastie. Das erste
Reich entsteht, es erstreckt sich
vom Nildelta bis rund 850 Kilometer in Richtung Süden (wo
heute Assuan liegt). Insgesamt
acht Pharaonen, rege Handelsbeziehungen mit Nubien.
Tonvase mit stilisierten
Giraffen. Das Zentrum
dieser Kultur lag nördlich des
heutigen Luxor.
Pharao Mentuhotep II.
Er lässt zahlreiche Tempel
in Oberägypten errichten.
Erste Zwischenzeit
7. bis 11. Dynastie. In schneller
­Abfolge wechseln Könige einander
ab, keiner kann dauerhaft oder
gar über den Nord- und dem Südteil des Landes herrschen. Erst
Mentuhotep II. gelingt eine Einigung. Er drängt die Nubier bis zur
heutigen Landesgrenze zwischen
dem Sudan und Ägypten zurück.
Jahre v. Chr.
5.000
4.000
3.000
2.900
2.800
2.700
2.600
2.500
2.400
2.300
2.200
2.000
1.900
ca. 10.000–5.000 v. Chr.
ca. 2.500–1.480 v. Chr.
Klimawandel im
heutigen Nordsudan
Fruchtbare Savannen verwandeln
sich in Wüsten. Menschen suchen
die Nähe des Nils. Jäger und
Sammler werden teilweise
sesshaft, züchten Tiere, betreiben
Landwirtschaft und Handel.
Königreich von Kerma
Mit Kerma entsteht die erste
große Stadt: mit starken
Befestigungsanlagen,
Tempeln, Palästen und mehreren ausgedehnten Nekropolen. Sie entwickelt sich
zum Handelszentrum. Eine
eigene Schrift gibt es nicht.
In ägyptischen Dokumenten
ist stets die Rede vom
„Königreich Kusch“. Seine
Blüte erreicht es zwischen
1.750 und 1.480 v. Chr.
In dieser Zeit haben die
Herrscher Einfluss bis weit
in den Norden, Dokumente
belegen eine Allianz mit
den lokalen Herrschern
(„Hyksos“) im Nildelta.
Deffufa in Kerma. Der Ziegelbau galt
lange Zeit als Kopie ägyptischer Baukunst,
heute als eigenständiges nubisches Bauwerk.
Seine Funktion bleibt – noch – unklar.
ca. 3.500–2.500 v. Chr.
Prä-Kerma-Kultur
Sie hinterlässt Spuren im gesamten
heutigen Sudan: Menschen leben
in größeren Siedlungen, betreiben
Handel mit Gold, Elfenbein und
Ebenholz entlang des Nil bis nach
Ägypten.
Nubien
32 2.100
Sayala-Keule (ca 3.200 v. Chr.). Der goldüberzogene Stab
diente wohl nur rituellen Zwecken. Er wurde 1910 entdeckt und
zehn Jahre später gestohlen. Wer ihn heute hat, weiß niemand.
1.800
1.700
ARCHÄOLOGI E
332 v. Chr.–395 n. Chr.
Ramses II. kämpft
gegen die Hethiter.
Der Pharao war aber
auch für sein ­diplomatisches Geschick berühmt,
mit dem er einen 50-jährigen Frieden schuf.
1.648–1.550 v. Chr.
Zweite Zwischenzeit
13. bis 17. Dynastie.
Die Zentralmacht zerfällt,
nur wenige Herrscher
hinterlassen Spuren.
Zeitweise wird Ägypten
von Kanaanäern aus
dem Gebiet des heutigen
Israel regiert, die sich
im östlichen Nildelta
niederlassen. Pferd
sowie Streitwagen mit
Speichenrädern verbreiten
sich von Ägyptens
Norden bis Nubien.
1.600
1.500
1.400
Griechisch-römische Zeit
Alexander der Große besiegt in der Schlacht bei Issos die
Perser, marschiert durch Gaza bis nach Memphis, wo er
freundlich empfangen wird. Prompt lässt er sich zum Pharao
krönen, huldigt dem alten ägyptischen Gott Amun, um nicht
als Fremdherrscher zu gelten. Er lässt von den Persern
zerstörte Tempel restaurieren, gründet aber auch Alexandria
nach griechischem Vorbild. Seinem Tod folgen die Diadochen­
kriege, danach wird Ägypten Teil des Römischen Reiches.
Totenmaske des
Tutanchamun.
Er regierte im
14. Jh. v. Chr.
2015 brach im
Kairoer Museum
der Bart ab.
ca. 1.550–1.071 v. Chr.
Neues Reich
18. bis 20. Dynastie. Expansion
Ägyptens: Eroberung Nubiens; rege
Bautätigkeit im Tal der Könige.
Ramses III. gilt als letzter großer Pharao.
Danach folgen Bürgerkriege und
Priester, die sich als Herrscher sehen.
1.300
1.200
1.100
1.000
900
1.070–664 v. Chr.
664–332 v. Chr.
Dritte Zwischenzeit
21. bis 25. Dynastie.
Regionale Herrscher­
häuser sorgen für unklare
Verhältnisse. Fürsten
aus Libyen bringen ihre
eigene Kultur ins Land.
Der bisher bestimmende
Amun-Kult verliert
an Bedeutung, nur
in Nubien ist er noch
immer stark, sein
Zentrum ist der dortige
Berg Gebel Barkal.
Spätzeit
26. bis 31. Dynastie.
Assyrische Herrscher
installieren ägyptische
Könige, die sich später
emanzipieren können.
Letzter kultureller
Aufschwung, Ägypten
erobert die Meere, eine
erste Umsegelung
Afrikas gelingt.
Wachsender Einfluss
der Griechen, später
herrschen die Perser.
800
700
600
500
400
300
Stein von Rosetta.
Die Huldigung an König
Ptolemaios V. ermöglichte,
weil sie in drei Schriften
abgefasst wurde, erstmals die
Deutung von Hieroglyphen.
200
Fotos: Robbie Shone, Getty Images, WWW.Picturedesk.com, CaptMondo, Cecil Mallaby Firth, John Campana
1.100–ca. 800 v. Chr.
Königin Teje,
Kopf aus dem
Holz der Eibe
und Leinwand
(ca 1.370 v. Chr.).
Beleg für nubischen Einfluss in
Ägypten.
300 v. Chr. –
350 n. Chr.
Dunkles Zeitalter
Ägypten verliert sein
Interesse am Süden, das
Mittelmeer scheint
interessanter. Aus den
folgenden drei Jahrhunderten gibt es kaum
Funde, die etwas über
das Leben und die Politik
im Süden aussagen.
Pyramiden bei Meroë.
Letzte Bastion einer
eigenen Kultur, sicher vor
den Nachbarn im Norden.
1.480–ca.1.100 v. Chr.
Ägyptische Herrschaft
Eroberer aus dem Norden be­
setzen Kusch. Thutmosis I.
gründet eine neue Stadt,
einen Kilometer von Kerma
entfernt: Doukki Gel. Vermut­
lich von hier aus regiert der
ägyptische Statthalter. Kinder
der lokalen Elite werden an
den Hof des Pharaos ge­
schickt, um den kulturellen
Wandel zu beschleunigen.
Nubier werden in der Verwal­
tung eingesetzt, offenbar wird
auch Heiratspolitik betrieben:
Die aus bürgerlichem Hause
stammende, aber einflussrei­
che Königin Teje, Großmutter
des Tutanchamun, soll eine
Nubierin gewesen sein.
100
800–753 v. Chr.
Nubische Renaissance
Nahe dem heiligen Berg
Gebel Barkal entsteht Napata,
Zentrum eines starken
Königreiches, das geprägt ist
von ägyptischer Kultur.
Siegesstele von
Psammetich II.
bei Kalabscha.
Hier ließ sich der
Pharao für seinen
Feldzug preisen.
Das Königreich
von Meroë
Die Nubier errichten
ihr neues Königreich
tief im Süden, die
Stadt Meroë wird
Regierungssitz.
Weitab von Ägyptern
und später den
Römern erblüht eine
reiche Kultur. Aus
dieser Epoche
sind Schriftstücke
überliefert, die bis
heute nicht entziffert
werden konnten.
591–300 v. Chr.
Unterwerfung
591 v. Chr. führt Psammetich II. einen Präventivschlag
gegen Kusch: Er zerstört Tempel und Denkmäler, lässt
Statuen zertrümmern und verscharren.
ca. 753–664 v. Chr.
Pyramiden in Napata. Hier sind die
Herrscher von Kusch bestattet, die ab ca. 750 v. Chr.
ihre Hauptstadt hierher verlegen.
Die Epoche der Schwarzen Pharaonen
730 bricht König Piye nach Norden auf, erobert und befriedet
Ägypten, vereinigt das Land am Nil vom Mittelmeer bis südlich des
heutigen Khartoum. Damit gründet er die 25. Dynastie von Pharaonen.
33
1
Richtig wohl fühlte sich der
mächtige Krieger aber nur zu Hau­
se in Napata. Die Stadt lag weiter
stromaufwärts als Kerma, also wei­
ter weg von aufmüpfigen Ägyptern
und feindseligen Assyrern. Und sie
hatte noch einen einzigartigen Vor­
teil: Sie lag im Schatten des mäch­
tigen Berges Gebel Barkal.
Wie ein hingeworfener Bro­
cken ragt der mächtige Felsen aus
der ringsum flachen Wüstenland­
schaft. In ihm verschmelzen die re­
ligiösen Wurzeln Ägyptens und Nu­
biens. Dort, wo die Nubier bereits
seit Jahrhunderten den Amun-Kult
pflegten, ließ der ägyptische Pharao
Thutmosis III. im 15. Jahrhundert
vor Christus den ersten Tempel er­
richten. In der markanten, 74 Meter
hohen Felsnadel an der Südflanke
des Berges sahen die Zeitgenossen
eine aufgerichtete Kobra, das Totem­
tier der Pharaonen.
2
3
Im Morgengrauen steigen wir von der Nordsei­
te her auf den Gebel Barkal. Noch weht aus der
Wüste ein kühler Wind. Wer zu spät aufsteht,
kann die Kletterpartie gleich vergessen – schon
am Vormittag ist die Hitze zu groß, um an einen
Aufstieg auch nur zu denken. Vom flachen Plateau
des 104 Meter hohen Berges öffnet sich ein atem­
beraubender Blick in die Unermesslichkeit der nu­
bischen Wüste. Smaragdfarben mäandert der Nil
durch den Sand, an seinen Ufern grüne Felder und
Palmenhaine. Am Fuß des Berges sind alte Mau­
ern und Säulen zu erkennen: Es sind Überreste
des Amun-Tempels, des einst bedeutendsten Hei­
1: Archäologe Charles Bonnet: Er gräbt seit 50 Jahren im Sudan
und gilt als einer der besten Kenner der Geschichte der Nubier.
2: Unverarbeitetes Gold: Mit einfachen Metallsuchgeräten finden
Bauern bis heute Gold im Sand. Das Edelmetall weckte schon in der
Antike Begehrlichkeiten der Nachbarländer.
3: Wandmalerei in der Grabkammer: Nach mythischer Überlieferung
wird hier über das weitere Schicksal des Verstorbenen entschieden.
34 ligtums von Nubien. Nur zu gut kann man sich
von hier oben vorstellen, wie Priester in feierlichen
Prozessionen durch die Allee aus Widderstatuen
zogen, um ihrem Gott zu huldigen.
In diese ihm wohlvertraute Welt flüchtete
sich Taharqa, als er 664 vor Christus in blutigen
Schlachten den Kampf gegen die Assyrer und
­damit auch Ägypten verloren hatte. Hierher zog
er sich zurück, in sicherem Abstand vor dem Feind
aus dem Norden, geborgen im Schatten des heili­
gen Gebel Barkal, in tröstlicher Nähe zu den Grä­
bern seiner Ahnen. Die sind heute noch zu bestau­
nen – in el-Kurru, zehn Kilometer südwestlich des
Berges. Generationen nubischer Könige sind hier
bestattet, darunter auch Kaschta, der Begründer
der Dynastie der Schwarzen Pharaonen. Und Ta­
harqa selbst? Ausgerechnet er, der mächtigste der
Schwarzen Pharaonen, wählte das 20 Kilometer
flussaufwärts gelegene Nuri als letzte Ruhestätte.
Seine Grabkammer liegt unter der größten je im
Sudan gebauten Pyramide, sie war 63 Meter hoch.
Lange wussten die Archäologen nicht, war­
um Taharqa seine Grabstätte an einem so entlege­
nen Ort errichten ließ. Timothy Kendall, Archäo­
loge von der Harvard-Universität bei Boston, ist
nach jahrelanger Forschung überzeugt, dass der
Pharao seine Wahl offenbar nach astronomischen
Erwägungen getroffen hatte. Die Felsnadel des
­Gebel Barkal hatte dabei die Funktion des Zeigers
einer Sonnenuhr – diese Anordnung sollte dem
Pharao die alljährliche Wiedergeburt garantieren
(siehe Kasten S. 58/59).
Taharqas Nachfolger Tanwetamani blieb Kö­
nig von Kusch. Die Zeit der Schwarzen Pharao­
nen war endgültig vorbei. Viel mehr ist über Tan­
wetamani eigentlich nicht zu berichten, wäre da
nicht seine Grabkammer. Vor uns geht Ali Awad
Alkream Mohammed, im Ort bekannt als „Onkel
Ali“, über die Nekropole bei el-Kurru. Und dann
steigt er in den Untergrund, öffnet ein Gittertor,
steigt tiefer. Die Luft ist feucht, es riecht nach Er­
de, es wird dunkel. 33 Stufen später sind wir acht
Meter unter der Erde und stehen in einer recht­
eckigen Zelle. Mit seiner Lampe leuchtet Onkel
Ali an die Wände. Im Scheinwerferkegel kommen
fast 2.700 Jahre alte Fresken zum Vorschein, in
Rot, Gelb, Grün und Blau. Sie zeigen König
ARCHÄOLOGI E
NACH SEINER NIEDERLAGE
GEGEN DIE ASSYRER
ZOG SICH PHARAO TAHARQA
NACH NUBIEN ZURÜCK –
IN DEN SCHATTEN DES
HEILIGEN BERGES GEBEL BARKAL,
WO SEIT JAHRHUNDERTEN
KUSCHITISCHE KÖNIGE
BESTATTET WORDEN WAREN.
35
DIE WIEDERAUFERSTEHUNGS-MASCHINE
Wie Pharao Taharqa den Standort für seine Pyramide wählte
Landstrich mit Blickachsen:
Vom Berg Gebel Barkal
aus gesehen geht die Sonne
am altägyptischen Neujahrstag genau hinter Taharqas
Grabstätte auf.
Friedhof el-Kurru
(10 km)
AmunTempel
TaharqaPyramide
Gebel Barkal
SE I T DE R US-A M E R I K A N I SCH E Archäologe George A. Reisner
1917 das Grab des nubischen Pharao Taharqa (ca. 690–664 v. Chr)
in Nuri freilegte, stellten sich Wissenschafter die Frage, warum
der größte aller Schwarzen Pharaonen seine Pyramide an
einem so abgelegenen Ort errichten ließ – mehr als 26 Kilometer vom Friedhof in el-Kurru entfernt, auf dem die übrigen
Mitglieder der Herrscherfamilie begraben liegen. Wollte Taharqa
Abstand wahren, weil es Streit gegeben hatte? Oder war sein Grab
nach Nuri verlegt worden, weil ihm die Herrschaft über Ägypten
entglitten war?
Der US-amerikanische Archäologe Timothy Kendall vertritt die
These, dass Taharqa seine letzte Ruhestätte nach kultischen
Erwägungen erwählte: Von el-Kurru aus konnte man den heiligen
Grabmale im Vergleich:
Taharqas Pyramide war mit 63 Metern die höchste Nubiens. Die
Cheops-Pyramide in Ägypten ist mehr als doppelt so hoch.
Berg Gebel Barkal nicht sehen. Von Nuri aus aber schon.
Das war deshalb von Bedeutung, weil die Nubier glaubten, der
Berg samt seiner markanten Felsnadel sei der Geburts- und
Wohnort ihres Staatsgottes Amun.
Um einen Zusammenhang zwischen Fels und Pyramide zu
belegen, bestieg Kendall 1987 mit dem befreundeten Kletterer
Paul Duval die 74 Meter hohe Felsnadel – ein Wagnis, das seit
der Zeit der Pharaonen offenbar niemand mehr unternommen
hatte. Dabei entdeckte der Wissenschafter, dass der Pharao direkt
unterhalb der Spitze eine Inschrift mit seinem Namen und eine
heute fast völlig verwitterte Statue von sich selbst hatte anbringen
lassen. Doch was hatten Inschrift und Statue mit der Errichtung
der Pyramide in Nuri zu tun?
Kendall glaubt, dass das mit den wichtigsten Terminen im Kalender der Nil-Anrainer zusammenhängt: Das neue Jahr beginnt
nach der Überlieferung an jenem Tag, an dem der Wasserstand
des Nil zu steigen beginnt. Denn dieses Ereignis kündigt das jährlich wiederkehrende Hochwasser an, das für Fruchtbarkeit auf
den Äckern am Ufer sorgt. Deshalb galt dieser Tag in der Mythologie auch als Geburtstag des Osiris, Gott der Unterwelt und
der Wiedergeburt. Jener Tag, an dem der Pegel wieder zu fallen
begann, galt als der Todestag des Gottes. Und: Wie jeder
König verschmolz Taharqa in seinem Tod mit dem Gott.
So weit die Überlieferung.
Entscheidend für Kendalls Theorie sind zwei Daten: In Taharqas
Todesjahr 664 vor Christus fiel der Neujahrstag (nach moderner
Zeitrechnung) auf den 31. Juli. Osiris’ Tod fiel auf den 16. November. Und nun fand der Wissenschafter Erstaunliches heraus:
Am Morgen des 31. Juli geht die Sonne – vom Gebel Barkal aus
betrachtet – direkt hinter Taharqas Pyramide auf. Und am
16. November geht sie – von Taharqas Pyramide aus gesehen
– direkt hinter der Felsnadel des Gebel Barkal unter. Vom Berg
Zustand 1822: So sah die Pyramide
aus, als Europäer sie fanden.
36 Zustand 2015: Mittlerweile ist
Taharqas Grabstätte völlig zerfallen.
ARCHÄOLOGI E
wiederum kann man an diesem
Tag beobachten, wie der
Schatten der Felsnadel kurz vor
Sonnenuntergang in die Mitte
der Pyramide in zehn Kilo­
meter Entfernung zeigt.
„Der Sonnenaufgang hinter der
Pyramide sollte sicherstellen,
dass der mit dem Gott Osiris
Heiliger Berg mit Zinken. Der Berg Gebel
vereinigte Herrscher jedes Jahr
Barkal war nach Vorstellung von Nubiern und
aufs Neue wiederauferstehen
Ägyptern der Hort des Staatsgottes Amun.
würde“, sagt Kendall. Und
am 16. November wird Taharqa durch den immer länger werdenden
Schatten gleichsam zu seinem Grabe getragen. „Taharqas Pyramide war
also wie eine Wiederauferstehungsmaschine“, so der Wissenschafter,
„eine Sonnenuhr mit fast zehn Kilometer Durchmesser.“ Bisher ist keine
vergleichbare Anordnung im Niltal bekannt. Für Taharqas Nachfahren
war Nuri aber offenbar ebenfalls ein guter Platz für ihre letzte Ruhestätte. 54 der folgenden Königinnen und 19 Könige ließen sich über die
Jahrhunderte hier bestatten – aus welchem Grund auch immer.
Fotos: Dr.Angela Lohwasser, Österreichische Nationalbibliothek; Illustration: Ander Pecher
Himmelsmechanik, 1. Teil: Beim Sonnenaufgang am 31. Juli weist der Schatten der
Pyramide exakt in Richtung des heiligen Berges. Zeit für die Auferstehung des Königs.
Himmelsmechanik, 2. Teil: Beim Sonnenuntergang am 16. November fällt der
Schatten des Berges in Richtung Pyramide – er geleitet den König gleichsam ins Grab.
Tanwetamani auf dem Sterbebett. Die Göttin Isis
blickt auf den Toten herab. Im Dämmerlicht der
Lampen erkennen wir die fein gezeichneten Hieroglyphen und die Insignien des Herrschers.
Seit die Antikenbehörde des Sudan Onkel
Ali im Jahr 1966 den Schlüssel zur Grabkammer
anvertraute, ist er der Einzige, der Zutritt zum
­Königsgrab hat. „Das hier“, sagt Ali und schwenkt
die Lampe, „ist die wichtigste Szene.“ Das Licht
fällt auf ein Bild von König Tanwetamani. Neben
ihm sitzt der Ba-Vogel, hinter ihm steht Maat, die
Göttin der Gerechtigkeit. Auf der Waage in der
Mitte der Darstellung liegen das Herz des Tanwetamani in einer Waagschale und eine Feder in der
anderen. Das Herz ist leichter als die Feder. „Ein
gutes Zeichen für das Leben nach dem Tod“, sagt
der Hüter des Grabes.
Im Diesseits mühten sich Tanwetamanis
Nachfolger, Ägypten erneut zu erobern – doch sie
scheiterten. Die einzige Folge ihrer Feldzüge war
der wohl erste Präventivkrieg der Menschheits­
geschichte. Um den Kuschiten ein für alle Mal ihre
Ambitionen auszutreiben, führte im Jahr 591 vor
Christus der ägyptische Pharao Psammetich II.
eine Kampftruppe nach Süden. Die Männer erreichten Doukki Gel – und sie waren gründlich
bei ihrer Mission, die Nubier zu demoralisieren.
Auf die Spuren ihres Wütens stieß erst fast 2.600
Jahre später der Archäologe Charles Bonnet mit
seinem Team von der Universität Genf. Am 11.
Jänner 2003 legte er in einem kuschitischen Tempel Dukki Gel eine drei Meter tiefe Grube frei. Zunächst fanden sie einen massiven Granitbrocken
mit einer Inschrift. Die konnten die Forscher sofort identifizieren: Da stand der Name des Taharqa! Nach und nach gruben die Archäologen weiter, der Rumpf einer Statue kam zum Vorschein.
Später fanden sie Arm, Faust und den Kopf des
Herrschers.
Zusammengesetzt misst die Plastik 2,70 Meter. Das Gesicht zeigt entschlossene Züge, der Körper ist von kräftiger, schwarzafrikanischer Statur.
Es zeigte sich, dass die Schöpfer dieses Denkmals
die hellen Adern im dunklen Stein mit Farbe übertüncht hatten, damit die Pharaonen wirklich makellos schwarz erschienen.
37
ARCHÄOLOGI E
Sudanesische Helfer nahe Kerma.
Hier gibt es noch Arbeit für Jahrzehnte.
38 Religion und Regierung vor 2.000 Jahren:
Ägyptische Götter (li.) treffen Nubiens König.
Nördlich von Kerma: eine Statue von
Taharqa im Staub der Hauptstraße.
Die Pyramiden bei Meroë markieren den
Ort der letzten Hochblüte des Königreiches.
39
Als wir die Pyramiden von Meroë kurz nach Son­
nenaufgang besuchen, liegen sie beinahe so anmu­
tig da wie 1822, als die Franzosen Louis Maurice
Adolphe Linant de Bellefonds und Frédéric Cail­
liaud sie entdeckten. Feuerrot beleuchtet die Sonne
ihre Spitzen. Ganz Meroë scheint zu dieser Tages­
zeit in Flammen zu stehen. Wie zu groß geratene
Zuckerhüte liegen die über 2.000 Jahre alten Grab­
türme im wogenden Dünenmeer.
Das gewaltige Pyramidenfeld ist eines der
größten der Erde. Rund 120 Spitzbauten zählt die
Nekropole von Meroë, insgesamt 220 sollen es im
Sudan sein – doppelt so viele wie in ganz Ägypten.
Immer wieder fragten sich Wissenschafter,
warum die Nubier zwar die Bestattungskultur
der Ägypter kopierten, ihre Pyramiden aber deut­
lich kleiner bauten – in Meroë etwa erreichen sie
nur Höhen bis zu 30 Meter. Zum Vergleich: Die
­Cheops-Pyramide in Gizeh war 147 Meter hoch.
Auch die Neigungswinkel waren mit 65 bis 70
Grad deutlich steiler als die ihrer ägyptischen Pen­
dants mit etwa 50 Grad.
Der deutsche Archäologe Friedrich Hinkel,
der viele der Pyramiden in Meroë restaurierte,
fand heraus, dass es an der Bautechnik lag. Wäh­
rend die Ägypter die tonnenschweren Steine mit­
tels Rampen auf die Pyramiden schafften, arbei­
teten die Nubier mit Kränen aus libanesischen
Zedern. Da die Länge der Stämme begrenzt
Schrein des Taharqa: Der mächtigste der
Schwarzen Pharaonen ließ zu Ehren des Gottes
Amun-Re einen Tempel renovieren – und mit
Darstellungen seiner selbst schmücken.
40 Foto: Rich Hardcastle
Nach und nach fanden die Archäologen in
der Grube insgesamt 52 Fragmente von sieben
schwarzen Statuen. Sie waren von Psammetichs
Männern zerschlagen und verscharrt worden.
Doch auch dieser Schlag konnte die Kultur
von Kusch nicht auslöschen. Die Nubier zogen sich
noch tiefer in den Süden zurück, wo sie 300 vor
Christus ihre dritte Hauptstadt gründeten: Meroë.
Ohne ständigen Zoff mit den Ägyptern konnten
sie hier, am Ufer des Nil zwischen dem fünften
und sechsten Katarakt, einige der eindrucksvolls­
ten Zeugnisse der nubischen Hochkultur schaffen.
MODERNE VERANLAGUNGSKONZEPTE
Die Mischfonds der BAWAG P.S.K. bieten Veranlagung mit besonderem Service.
Wünsche erfüllen mit Konzept:
Mit einem Mix aus allen Anlageklassen kann jeder sein persönliches Risiko-/Ertragsprofil
optimieren.
Ob für den eigenen Pool oder die
besten Jahre: Da sich das Zins­
niveau auf einem historischen
Tiefstand befindet, sind Misch­
fonds bei Klein­ und Privatanle­
gern derzeit besonders gefragt.
Vorteile und Risiken für Anleger
Mischfonds enthalten sowohl
Aktien als auch Anleihen: So
erreicht man eine breite Streuung
über verschiedene Anlageklassen,
Märkte und Branchen. Dadurch
reduziert sich das Risiko im
Vergleich zum Investment in
einzelne Wertpapiere. „Die Anleger
profitieren bei gemischten Fonds
von unserem besonderen Service:
Die Veranlagungsprodukte werden von den Fondsmanagern der
BAWAG P.S.K. INVEST mit täglichem Blick auf die Finanzmärkte
aktiv gemanagt.“, beschreibt Silvia
Bleier, Veranlagungsexpertin bei
der BAWAG P.S.K. die Vorteile.
„Erwartet man beispielsweise für
Aktien eine bessere Entwicklung
als für Anleihen, so wird die
Gewichtung im Rahmen der Bandbreiten des Fonds zugunsten dieser
Anlageklasse erhöht - und umgekehrt.“, so die Expertin.
Die Risiken von Mischfonds
resultieren aus der Zinsände­
rung bei Anleihen, die sich aus
der Ungewissheit über die zu­
künftigen Veränderungen des
Marktzinsniveaus ergibt. Das
Zinsänderungsrisiko wirkt sich
in Form von Kursverlusten aus,
wenn das Marktzinsniveau steigt.
Weiters besteht ein Bonitätsrisiko,
worunter man die Gefahr der Zah­
lungsunfähigkeit oder Illiquidität
eines Anleihenschuldners ver­
steht. Das bedeutet eine mögliche,
vorübergehende oder endgültige
Unfähigkeit zur termingerechten
Erfüllung von Zins­ und Tilgungs­
verpflichtungen der Anleihen in
den Mischfonds.
Darüber hinaus beeinflusst der
Aktien­ und Devisenmarkt die
Kursentwicklung der Fonds.
die bereits heute genau wissen,
wann sie ihr Geld benötigen: Die
anfängliche maximale Aktien­
quote beträgt 30% bzw. 50%
und wird in den Folgejahren
sukzessive zu Gunsten konserva­
tiverer Anlageformen reduziert
Jüngste Ereignisse an den Kapitalmärkten
zeigen, wie wichtig eine breite Streuung über
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Silvia Bleier,
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Beratungsgespräch nicht ersetzen. Performanceergebnisse der Vergangenheit lassen keine verlässlichen Rückschlüsse auf die zukünftige Entwicklung eines
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ARCHÄOLOGI E
Pyramiden bei
Meroë: Der Niedergang der Hochkultur begann, als
die Händler keine
­Abnehmer für ihre
Waren mehr fanden.
42 war, konnten auch die Pyramiden nicht endlos in
den Himmel wachsen.
Ab dem dritten Jahrhundert vor Christus
kontrollierte Meroë die Verkehrswege entlang des
Nil. Die Nubier trieben Handel mit dem mittlerweile griechisch-römischen Ägypten und den Staaten am Mittelmeer. Meroë wurde zum Zentrum
für Metallarbeiten, Keramik und Glasmacherei.
Im ersten vorchristlichen Jahrhundert erlebten
Meroë und die nahegelegenen Städte Musawwarat es-Sufra und Naga ihre Hochblüte. Großartige Tempel zeugen noch heute vom einstigen
Reichtum.
Reisenden aus Schwarzafrika muss die Skyline von Naga wie eine Fata Morgana vorgekommen sein. „Wer an dieser Stelle von Süden in das
Königreich gelangte, sollte sofort sehen, welch reiches Land er betritt“, sagt die deutsche Archäo­
login Karla Kroeper, als wir mit ihr durch die
Ausgrabungen spazieren. Gemeinsam mit Dietrich Wildung – langjähriger Leiter des Ägyptischen Museums in Berlin und eine der herausragenden Persönlichkeiten der Sudan-Archäologie
– gräbt sie seit fast 40 Jahren im Land. Mit einem
Team des Berliner Museums haben die beiden die
beein­
druckendsten Relikte der nubischen Kultur im Wüstensand entdeckt: den Amun-Tempel,
flankiert von zwölf kolossalen Widderstatuen, einen dem meroitischen Gott Apedemak geweihten
­Löwentempel und den Hathor-Tempel. Für die Archäologen bietet das Erbe von Kusch­noch Arbeit
für Jahrzehnte. Derzeit graben Kroeper und ihre
Kollegen – seit 2013 unter der Regie des Ägyptischen Museums München – am „Tempel 120“:
Entdeckt hat sie ihn vor einigen Jahren beim
Spazierengehen.
Noch lange träumten die meroitischen Herrscher
davon, Ägypten zurückzugewinnen. Doch zu einer Vereinigung kam es nie mehr. Der Niedergang
des Römischen Reichs ab dem dritten Jahrhundert
nach Christus hatte einen Domino­effekt bis Nubien: Die Waren fanden keine Abnehmer mehr.
Gleichzeitig entstanden neue Handelsrouten von
Zentralafrika ans Rote Meer, die vom christlichen
Königreich von Aksum im heutigen Äthiopien
kontrolliert wurden.
Als der aksumitische König Ezana um 350
nach Christus Meroë zerstörte, waren die Tage
der n
­ ubischen Herrscher gezählt. Die Stadt wurde umgehend verlassen. In Meroë ging die große
Kultur Nubiens Mitte des vierten Jahr­
hunderts genauso lautlos unter, wie sie fast
3.000 Jahre zuvor entstanden war.
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Das verblüffende Rezept der Bonobos zur Konfliktlösung
ARCHÄOLOGIE Auf der Suche nach der vor Japan versunkenen Flotte des Kublai Khan
GEISTERTEILCHEN Wie Neutrinos die Wissenschaft in Atem halten
GIFTIGES GOLD Wie eine Glücksritterstadt in den Anden den Titicacasee verseucht
DIE PARSEN VON MUMBAI Warum Indiens heimliche Elite jetzt auszusterben droht
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DIE PARSEN VON MUMBAI Warum Indiens heimliche Elite jetzt auszusterben droht
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Eine rätselhafte Qualle hat den Tod überlistet. Kann der Mensch das auch?
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Haben Ihnen die „Schwarzen Pharaonen“ gefallen? Wir haben
noch mehr solcher Reportagen! Hier ein Ausblick auf weitere spannende
Geschichten, zu finden in der aktuellen Ausgabe von Terra Mater.
RE LIGION
Besuch bei Freunden
Vater Fjodor Saparow (r.) hat es sich nicht nehmen lassen,
anlässlich des Opferfests, des höchsten aller islamischen Feiertage,
der muslimischen Gemeinde seine Aufwartung zu machen.
Nicht religiöse Toleranz habe ihn dazu bewogen, sagt der christlich-orthodoxe
Geistliche. „Gekommen bin ich als guter Freund und Nachbar.“
Ein Gott für alle
3,8 Millionen Einwohner, 53 Prozent Muslime, 40 Prozent orthodoxe Christen:
Anderswo wäre das eine brisante Mischung.
Doch ausgerechnet in der autonomen russischen Republik Tatarstan
und ihrer Hauptstadt Kasan klappt das Zusammenleben
der Gläubigen ausgezeichnet. Wie machen die das?
EIN GOTT FÜR ALLE
3,8 Millionen Einwohner,
53 Prozent Muslime,
40 Prozent Christen.
Anderswo wäre das eine
brisante Mischung. Doch
ausgerechnet in der autonomen russischen Republik
Tatarstan klappt das
Zusammenleben der
Gläubigen ausgezeichnet.
Wie machen die das?
Text: Diana Laarz
Fotos: Claudia Janke
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67
19.03.15 14:18
067-Kasan 67
19.03.15 14:18
DIE KÖNIGIN
DES WALDES
Ein höchst eigentümlicher
Baum ist das Wahrzeichen
Madagaskars, der riesigen
Insel im Osten Afrikas.
Der Baobab ist nicht nur
eines der mächtigsten
Gewächse der Erde. In
seinem Inneren wohnen
auch jene Geister, die die
Madagassen seit jeher prägen.
L E B E N S RAU M
DIE
KÖNIGIN
DES
WALDES
Fotos: Pascal Maitre/agentur Focus
Ein höchst eigentümlicher Baum ist das Wahrzeichen
von Madagaskar, der riesigen Insel im Osten Afrikas.
Der Baobab, bis zu tausend Jahre alt und so schwer wie ein
Airbus A380, ist nicht nur eines der mächtigsten
Gewächse der Erde. In seinem Inneren wohnen auch jene
Geister, die die Madagassen seit jeher prägen.
98
098-Baobab 98
Text: Michael Stührenberg
Fotos: Pascal Maitre
99
19.03.15 14:09
099-Baobab 99
19.03.15 14:09
ME DIZIN
Menschliche Gewebeproben auf Glas
Jedes Plättchen trägt ein hauchdünnes Scheibchen,
das aus krankmachenden Tumoren geschnitten
wurde. So entsteht ein Verzeichnis der Leiden –
und eine Goldgrube für medizinische Datenmineure.
Heilung nach Maß
Fotos: GeorG oberweGer//PaGe seven ImaGes
Schnellere Computer und intelligente Datenverknüpfung
ermöglichen erstmals einen völlig neuen Ansatz
in der Heilkunde: die Präzisionsmedizin.
Der alte Traum von der personalisierten Therapie
könnte damit endlich Wirklichkeit werden. Und unser
Verständnis von Krankheiten grundlegend verändern.
Text: Christian Heinrich
Fotos: Georg Oberweger
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084-Biomarker 84
85
19.03.15 14:13
085-Biomarker 85
19.03.15 14:13
VÖLK E R KUN DE
Trockentraining:
Wie alle Jungen im Dorf will der
11-jährige Sesu auch einmal
Harpunier werden. Die dafür nötige
Technik übt er täglich am Strand.
Wal-
Verwandtschaften
In Lamalera, einer kleinen Ortschaft auf der
indonesischen Insel Lembata, dreht sich alles um den Wal:
Seit jeher machen die Einwohner mit
archaischen Methoden Jagd auf den Meeresriesen,
er ist Lebensinhalt, Währung und soziales Bindemittel.
Und manchmal bringt er auch den Tod.
Text: Manfred Sax
Fotos: Palani Mohan
132
132-Walfaenger 132
HEILUNG
NACH MASS
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in der Heilkunde: die
Präzisionsmedizin. Der
Traum von der personalisierten Therapie könnte
damit endlich Wirklichkeit werden.
WAL-VERWANDTSCHAFTEN
In Lamalera, einer Ortschaft auf der indonesischen Insel Lembata,
dreht sich alles um den
Wal: Seit jeher machen
die Einwohner mit archaischen Mitteln Jagd auf
den Meeresriesen. Er ist
Lebensinhalt, Währung
und soziales Bindemittel.
Und manchmal bringt
er auch den Tod.
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19.03.15 14:28
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SCHWARZEN
PHARAONEN
Als dunkelhäutige Nubier
die Macht im
Reich am Nil ergriffen
Taharqa
Pharao aus Nubien
im 7. Jh. v. Chr.
WALFANG EXTREM Mit Ruderboot und Speer auf der Jagd nach Pottwalen in Indonesien
RELIGION Warum sich im russischen Tatarstan Muslime und Christen vertragen
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AUSGABE 03
APRIL & MAI 2015
E I N E P U B L I K AT I O N V O N
VI SIONE N
16
EIN TAG, DER DIE WELT VERÄNDERTE
16. 5. 1960
Einem Außenseiter geht ein Licht auf
D
E R F I N DU NG d
es Lasers war
das Ergebnis eines Wettrennens, das
am Vormittag des 16. Mai 1960 von ei­
nem Außen­seiter gewonnen wurde. Der Sieger,
­T heodore Maiman, war damals, als er den ersten
Laserstrahl der Welt abschoss, 32 Jahre alt und
arbeitete als Physiker in den Hughes Research Laboratories in Malibu, Kalifornien. Dort war man
aufgrund von pessimistischen Berichten über die
Machbarkeit des Lasers von Maimans Arbeiten
wenig überzeugt – so wenig, dass er schließlich
mit Kündigung drohen musste. Damit gelang es
dem Grundlagenforscher immerhin, seinen Vor­
gesetzten die lächerliche Summe von 50.000 Dol­
lar und einen Assistenten abzupressen. Das soll­
te sich bezahlt machen: Sein Laser funktionierte.
Obwohl die Bedeutung dieses Ereignisses Anfang
1
IE
der Sechzigerjahre noch nicht ansatzweise begrif­
fen w
­ urde: Die erfolgreiche Bündelung des Lichts
galt als „­ Lösung, die nach einem Problem sucht“.
Laser (Light Amplification by Stimulated Emission
of Radiation – Lichtverstärkung durch stimulierte
Strahlungsemission) ist hoch konzentriertes Licht.
Licht entsteht, wenn ein energiereiches Atom seine
Energie in Form von Lichtteilchen (Photonen) ab­
gibt und dabei an Energie verliert. Das geschieht
in einer Glühbirne spontan, zufällig und nicht ziel­
gerichtet – so kann man mit einer Glühbirne auch
nicht schneiden oder schießen, sondern nur ein
Zimmer beleuchten. Im Laser hingegen geschieht
dieses Aussenden von Photonen stimuliert, in ei­
nem engen Frequenzbereich und gebündelt. Man
kann das vielleicht am besten mit dem Unter­
schied zwischen einer Gießkanne und einem auf
scharf eingestellten Garten­
schlauch veranschaulichen.
Die zentrale Leistung
des Lasers, nämlich die Sti­
mulation von Atomen, damit
sie Licht entsenden, geht in
seiner Theorie auf Albert
Einstein zurück. Der hatte
­bereits 1916 berechnet, dass
man Atome zu einer solchen
Lichtemission in einer be­
stimmten Wellenlänge brin­
gen kann, wenn sie vorher
ein Photon mit dieser Wellen­
länge aufgenommen haben.
Das Licht, so sagte das
Physik­
genie voraus, strahlt
dann in einer bestimmten
Richtung und mit hoher
Intensität.
3
Fotos: www.picturedesk.com, getty images
2
Man experimentierte zunächst in einem Be­
reich des nicht sichtbaren Spektrums: Mikrowellen
(Wellenlänge zwischen 30 Zentimetern und einem
Millimeter) schienen für den Anfang leichter in
den Griff zu bekommen. In den frühen Fünfziger­
jahren konstruierte der Physiker Charles Townes
(*1915) ein Gerät, mit dem er – Einsteins Vorher­
sagen bestätigend – Mikrowellen erzeugen und ver­
stärken konnte, und nannte es Maser (M für Micro­
waves). Der Wunsch, die gleiche Übung auch mit
sichtbarem Licht zu schaffen (mit Wellenlängen im
Nanometerbereich), mündete in Anstrengungen,
die sowohl in den USA durch Townes und seinen
Schwager Arthur Schalow (in den berühmten Bell
Laboratories) wie auch in der Sowjet­union durch die
beiden Physiker Alexander Prochorow und Nikolaj
Bassow unternommen wurden. 1958 konnten
­Townes und Schalow mathematisch zeigen, dass
das, was ihr Maser schaffte, auch mit sichtbarem
Licht gehen müsste. Allerdings setzten sie bei ihren
Versuchen auf Gas als Trägermedium, was nicht
richtig funktionieren wollte.
Indes hatte Theodore Maiman den besseren
Riecher. Er nahm einen Teil seiner 50.000 Dollar
in die Hand, kaufte in einem Fotogeschäft eine
Blitzlampe, bestellte bei einem Kristallhersteller ei­
nen an beiden Enden silberbeschichteten Rubin­
stab – also ein festes Trägermedium statt eines gas­
förmigen – und ließ in der Institutswerkstatt einen
Edelstahlhohlzylinder bauen. Nachdem er alles zu­
sammengesetzt hatte, schaltete er die Blitzlampe
ein und stellte fest, dass der Rubin kurze rote
Lichtimpulse in einem sehr schmalen Spektrum
aussandte. Das Blitzlicht hatte die Atome im Ru­
bin in einen höheren Energiezustand versetzt; bei
ihrem Übergang in einen niedrigeren Energie­
zustand sendeten sie eine Lichtwelle aus, die wie­
4
derum andere Atome stimulierte, in den Grund­
zustand überzugehen und (verstärktes) Licht aus­
zusenden. So gelang der erste Laserstrahl.
Ein unterschätzter Außenseiter hatte in aller
Stille die etablierten Physikergrößen ausgebremst.
Wie wenig etabliert er war, zeigte sich kurz
darauf, als er seine Ergebnisse bei den „Physical
Review Letters“ einreichte und die Redaktion den
Artikel glatt ablehnte. Erst „Nature“ veröffentlich­
te ihn – als Einspalter. Townes sollte später sagen,
das wäre der wichtigste Artikel gewesen, den das
Magazin in fast 100 Jahren abgedruckt hatte.
1964 kam die logische Anerkennung in Form
des Physik-Nobelpreises – allerdings nicht für Mai­
man, sondern für Townes, Schalow und die bei­
den sowjetischen Forscher: Sie hatten schließlich
die Grundlagen für den Laser geschaffen. Maiman
hatte bloß mit seinem Geistesblitz die bessere
­In­tuition für die Praxis. Immerhin: Als Maiman
2007 starb, schrieb Nobelpreisträger Townes in
„Nature“ höchstpersönlich den Nachruf.
Es dauerte einige Zeit, bis sich die Erfindung
bewährte. Militärs schwärmten zwar schon bald
von gewaltigen Laserkanonen, mit denen sie feind­
liche Flugzeuge und Raketen abschießen würden.
Das ist bis heute nicht möglich, vor allem wegen
des zu hohen Energieaufwands.
Populär ist der Laser dafür im zivilen Bereich
geworden: in der Metallindustrie zum Bohren und
Schneiden, in der Medizin unter anderem als Skal­
pell. Laser wird an der Supermarktkassa zum Ab­
lesen von Barcodes verwendet, in CD - und DVD Laufwerken, für Laserpointer und auf Clubbings
für Lichteffekte. Eine vollständige Aufzählung al­
ler Anwendungen würde Seiten füllen. Wir lernen:
Lösungen finden alle irgendwann ihre Probleme.
5
1:Barcode-Leser
an der Supermarktkassa: Laser-Anwendungen gibt es heute
an jeder Ecke.
2: Der Apparat, aus
dem 1960 der erste
Laserstrahl kam:
Rubin statt Gas als
Trägermedium.
3:Maimans
Laser zerlegt und
in Originalgröße:
in aller Stille die
Physikergrößen
ausgebremst.
4: Charles Townes
und sein Student
James Gordon mit
einem Maser (1955):
Einsteins Vorhersagen umgesetzt.
5:Laser-Pionier
Maiman bei einem
Kongress (1985):
Den Nobelpreis
bekamen andere.
Text: Wolfgang Hof bauer
49