Liebe Leserinnen und Leser! - Katholikenrat beim Katholischen

Soldat in Welt und Kirche
Globalisierung
der
Gleichgültigkeit
© The Arches / flickr
ISSN 1865-5149
01I16
Reportage vor Ort:
Ein fast vergessener
Auslandseinsatz
4. Berliner PsychotraumaKolloquium
„Vorbeugen.Versorgen.
Veteranen.“
© KMS / Doreen Bierdel
Editorial
Liebe Leserinnen und Leser!
Und plötzlich ging es ganz schnell im zurückliegenden Monat Dezember. Auf Antrag der Bundesregierung stimmte der
Deutsche Bundestag am 4. Dezember mit großer Mehrheit
dem „Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die
Terrororganisation IS“ zu. Das auf zunächst ein Jahr befristete Mandat ist, mit Blick auf seine rechtliche Verankerung, unter Völkerrechtlern in Deutschland umstritten. Eine breite politische Debatte zum beschlossenen Mandat für den Einsatz
steht also noch aus. Es ist zu erwarten, dass – beispielsweise aus den Reihen der parlamentarischen Opposition – im
Laufe des beginnenden Jahres 2016 mit weiteren Initiativen
zu rechnen ist. Die friedensethische und auch völkerrechtliche Diskussion zum Bundestagsbeschluss wird uns wohl
beschäftigen. Und nicht nur diese.
bet als Mittel zum Frieden ein. Für den 4. Oktober 1966 rief
Paul VI. zum besonderen Gebet für den Frieden auf, genau
ein Jahr nach seinem Besuch bei den Vereinten Nationen.
Seitdem hat das Gebet für den Frieden in der Welt seinen
festen Platz in der Kirche.
In Deutschland kommt eine gewisse Besonderheit hinzu:
Seit 1977, damals noch in der Kölner Sankt-Aposteln-Kirche
gefeiert, ist ein Internationaler Soldatengottesdienst im Hohen Dom zu Köln anlässlich des Weltfriedensgebetstags
zum festen Bestandteil im Wirken der Katholischen Militärseelsorge geworden. Sie dokumentiert damit als „Kirche
unter Soldaten“ gleichzeitig ihre innere Verbundenheit mit
der Gesamtkirche und lädt in vielen Diözesen Deutschlands
zusammen mit den örtlichen Bischöfen zu weiteren Soldatengottesdiensten ein.
Das Vorhaben der Bundesregierung, in der Mitte dieses Jahres mit einem neuen Weißbuch aufzuwarten, ist weiterhin
in der Diskussion und wird wohl stärker werden, sobald die
ersten Entwürfe bekannt werden. Mithin also zwei Themen,
an denen die Zeitschrift Kompass. Soldat in Welt und Kirche
im Jahr 2016 nicht vorbeikommen wird.
Am 21. Januar findet im Kölner Dom das Gebet für den Frieden mit Soldatinnen und Soldaten statt. Am selben Tag wird
der Bischof von Würzburg, Dr. Friedhelm Hofmann, ebenfalls
mit Soldatinnen und Soldaten aus der Region den Weltfriedenstag feiern. Das Leitmotiv des diesjährigen Weltfriedensgebetstags, welches wir in der ersten Ausgabe des neuen
Jahres aufgreifen und vertiefen, lautet: „Überwinde die
Gleichgültigkeit und gewinne den Frieden!“ Wir informieren
über die Hintergründe, die Papst Franziskus veranlasst haben, dieses Motto zu wählen, das angesichts der derzeitigen
Lage in der Welt an seiner Aktualität und Bedeutung nichts
verloren hat.
Doch zunächst soll die erste Ausgabe im neuen Jahr wieder
das in den Blick nehmen, woran der Heilige Vater zu Beginn
eines jeden Jahres erinnert. Es gilt am 1. Januar, dem Hochfest der Gottesmutter Maria, für den Frieden in der Welt,
zwischen den Völkern und Staaten und zwischen den Menschen zu beten. Der Beginn des Weltfriedensgebetstags datiert auf das Jahr 1968. Der damalige Heilige Vater, Papst
Paul VI., ordnete bereits in seiner vierten Enzyklika „Christi
matri rosarii“ vom 15. September 1966 das RosenkranzgeImpressum
KOMPASS Soldat in Welt und Kirche
ISSN 1865-5149
Herausgeber
Der Katholische Militärbischof für die
Deutsche Bundeswehr
Redaktionsanschrift
KOMPASS Soldat in Welt und Kirche
Am Weidendamm 2
10117 Berlin
Telefon: +49 (0)30 20617-421/-420
Telefax: +49 (0)30 20617-499
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Verlag, Druck und Vertrieb
Verlag Haus Altenberg
Carl-Mosterts-Platz 1
40477 Düsseldorf
Chefredakteur Josef König (JK)
Redakteur Jörg Volpers (JV)
Bild, Layout und Satz Doreen Bierdel
Lektorat Schwester Irenäa Bauer OSF
2
Zudem wünschen wir den Leserinnen und Lesern
ein gutes Neues Jahr!
Josef König, Chefredakteur
Kompass 01I16
Leserbriefe
Bei Veröffentlichung von Leserbriefen
behält sich die Redaktion das Recht auf
Kürzung vor.
dingt die Meinung des Herausgebers
wieder. Für das unverlangte Einsenden
von Manuskripten und Bildern kann
keine Gewähr und für Verweise in das
Internet keine Haftung übernommen
werden. Bei allen Verlosungen und
Preisausschreiben in KOMPASS Soldat
in Welt und Kirche ist der Rechtsweg
ausgeschlossen.
Internet
www.katholische-militaerseelsorge.de
Social Media
Hinweis
Die mit Namen oder Initialen gekennzeichneten Beiträge geben nicht unbe-
© The Arches / flickr
Inhalt
6
Titelthema
Globalisierung der
Gleichgültigkeit
Aus der Militärseelsorge
Rubriken
4
13 Familienarbeit, Seelsorge und
Wissenschaft vereint im Dienst
für Soldatenfamilien
18 Kompass Glauben:
Frieden braucht Genauigkeit
Neujahrsgrüße von
Msgr. Reinhold Bartmann und
Oberstleutnant Thomas Aßmuth,
Vorsitzender des Katholikenrates
6
Predigt von Papst Franziskus auf
der „Flüchtlingsinsel“ Lampedusa
7
Papstbotschaft:
Gott ist nicht gleichgültig!
8
Philosophischer Kampf wider
die Gleichgültigkeit
von Prof. Dr. Stephan Jolie
10 Die Liebe in den Zeiten der Flucht
Eva-Maria Düring, KjG
11 Soldatengottesdienste zum
Weltfriedenstag 2016
19 Kolumne des Wehrbeauftragten
14 Reportage vor Ort:
Ein fast vergessener
Auslandseinsatz
16 4. Berliner PsychotraumaKolloquium „Vorbeugen.
Versorgen. Veteranen.“
17 Forschung vor Ort
20 Militärdekan Weber nichtresidierender Ehrenkanoniker in Budweis
20 Vorbereitung auf seelsorgerliche
Einsatzbegleitung
21 Ein Licht für den Frieden
22 Glaube, Kirche, Leben
• Hallo, hier ist Nils!
• 58. Aktion Dreikönigssingen
• 13. Kunstwettbewerb
• Mutter-Kind-Kuren
24 Filmtipp:
„Die Vorhersehung. Solace“
25 Medien
• Buchtipp: „Refugees welcome –
Eine Herausforderung für
Christen“
• Arbeitshilfe: Solidarität mit
verfolgten und bedrängten
Christen in unserer Zeit – Syrien
Informationen zur Gebetsstunde
21 Hilfe, die ankommt
Arbeitshilfe zum Weltfriedenstag
26 VORSCHAU: Unser Titelthema
im Februar
26 Personalia
27 Rätsel
12 Auf ein Wort
17
21
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3
© KS / Doreen Bierdel
Neujahrsgruß
Liebe Leserinnen und Leser,
liebe Soldatinnen und Soldaten.
Die Ereignisse und Geschehnisse im zurückliegenden Jahr
waren in vielfacher Hinsicht für die Bürgerinnen und Bürger in den Staaten Europas und mithin auch für Deutschland folgenreich. Hunderttausende von Flüchtlingen an den
Grenzen Europas, auch an den Grenzen unseres Landes,
terroristische Anschläge in Paris und an vielen Orten anderswo in der Welt bleiben in unserem Gedächtnis.
Regierungen und Parlamente in Europa haben reagiert.
Als Konsequenz stimmte der Deutsche Bundestag dem
Antrag der Bundesregierung zu einem Einsatz bewaffneter
deutscher Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) mit großer Mehrheit zu. Mit Beginn
des neuen Jahres, aber auch schon zuvor, kommen Soldatinnen und Soldaten dem darin begründeten soldatischen
Auftrag nach.
Für die „Kirche unter Soldaten“ und damit für die Katholische Militärseelsorge in der Bundeswehr versuchen wir,
wie bereits auch in den anderen Einsatzorten – im ökumenischen Miteinander oder im Wechsel –, unseren seelsorgerlichen Dienst zu leisten und die Soldaten und Soldatinnen dort als Seelsorger zu begleiten, wo sie im Auftrag
unserer Regierung und unseres Parlaments ihren Dienst
leisten.
Das Jahr 2016 liegt vor uns. Neue 12 Monate, neue 52 Wochen, neue 366 Tage und neue 8.784 Stunden, in denen
wieder viel Schönes, aber auch wieder viel Schreckliches
passieren kann und wird, im persönlichen Leben und in
dieser uns anvertrauten Welt. Aber auch viel Gutes, Schönes und Bereicherndes werden wir erfahren und erleben.
Das ist gewiss.
Jedes neue Jahr ist in der Tat ein Anfang; und den ersten
Tagen wohnt ein besonderer Zauber inne, der Zauber des
Unberührten und Neuen, der Reiz des Unbekannten und
Verlockenden. Wie ein Buch ohne Geschichte, mit weißen,
unbeschriebenen Blättern, wartet das neue Jahr auf uns.
Es wartet darauf, dass wir in das Buch des Lebens unsere
Geschichte schreiben. Aber was bedeutet das eigentlich
für uns? Ist ein neues Jahr für uns einfach nur ein weiteres
Jahr, in dem sich nicht viel ändert und das wir so leben, wie
alle Jahre vorher auch?
4
Kompass 01I16
Oder ist ein neues Jahr vielleicht eine neue Herausforderung, der wir uns gerne stellen? Was wird uns das neue
Jahr 2016 bringen; was hält es für uns bereit?
Gott schenkt „Jeden Morgen neu seine Gnade!“ Er beginnt
„heute“ mit uns ein neues Jahr und „morgen“ einen neuen
Tag und das 366 Tage lang. Jeden Tag ein neues Heute
und wenn ein Tag nichts Gutes hat und sehr mühsam ist,
das Leben geht dennoch weiter und jeder neue Tag kann
ein Neubeginn sein: Ein Neubeginn mit Gott in seiner Gnade und Barmherzigkeit. Er beginnt jetzt mit uns ein neues
Jahr und wird es mit uns bis zum Ende gehen. Mit den
Worten des Mystikers und Kirchenlehrers Franz von Sales
(1567–1622): „Mögen wir dieses neue Jahr so leben können, dass es uns als Fundament für die Ewigkeit dient.“
Dass Gott alle Zeit – bis zum Ende – an unserer Seite ist,
darauf dürfen wir uns verlassen und dafür dürfen wir heute
schon dankbar sein.
Vielleicht ist der ein oder andere von Ihnen bereit, dieses
Jahr einmal etwas Neues zu wagen: Einen Jahreswechsel
der ganz anderen Art zu vollziehen, einen Jahreswechsel,
mit dem Sie leben können – ohne Angst zu haben vor dem,
was kommt, ohne Angst zu haben, die gesteckten Ziele
nicht zu erreichen.
Dies ist möglich, weil wir auf Gott vertrauen können. Er
hat uns sicher durch das Jahr 2015 geführt und er wird
uns auch ganz sicher im Jahr 2016 zur Seite stehen, auch
durch die Menschen, die uns begleiten, zu uns stehen und
mit uns gehen.
Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien, dass Sie den Mut,
aber auch die dafür erforderliche Kraft aufbringen, im Jahr
2016 sich etwas Neues zu getrauen, da und dort einen
Neuanfang zu wagen – im Vertrauen auf Jesus Christus.
366 Tage, geschenkt von Gott, liegen nun vor uns, die wir
und hoffentlich die gesamte Welt nutzen sollen und wollen
zum Wohle aller.
Für diesen Neuanfang und diese Wege wünsche ich Ihnen
Gottes Segen!
Reinhold Bartmann,
Militärgeneralvikar und Generalvikar des
Katholischen Militärbischofs für die Deutsche Bundeswehr
Beispiellose Entwicklung
Täglich verlassen Tausende Menschen oft unter lebensbedrohlichen Umständen ihre Heimatländer. Auch die Christen
im Irak und in Syrien mit ihrer jahrhundertealten Kultur stehen vor der völligen Auflösung und Vertreibung. Fast 60 Millionen Menschen weltweit sind auf der Flucht – so viele wie
noch nie. Die Zunahme seit 2013 sei die höchste, die jemals
in einem Jahr gemessen wurde, heißt es in einer Studie des
UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR. Die Welt erlebt eine in ihrer Dramatik beispiellose Entwicklung. Ursachen sind Kriege,
regionale Konflikte, politische Verfolgung, aber zunehmend
auch der Klimawandel. Die Autoren des National Defense
Council der USA prognostizieren in „Global Trends 2030“
eine weitere Stärkung religiöser, ethnischer und nationaler
Identitäten. Die Weltbevölkerung wird auf über acht Milliarden
Menschen anwachsen. Die Nachfrage nach Nahrung wird
um 35 %, der Energiebedarf um 50 % steigen. 900 Millionen
Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser.
Dem Frieden dienen!
Für uns als Katholikenrat bleibt die Auseinandersetzung mit
der Frage, auf welche Weise wir als Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr dem Frieden dienen können, eine stetige Herausforderung. Wann können und wann müssen wir
militärische Mittel einsetzen, um menschliches Leben zu
schützen, um der Gewalt ein Ende zu bereiten? Wie können
wir unter der strikten Voraussetzung der Sicherung des Friedens dem Schutz von Menschen dienen? Die Aussicht auf
ein friedliches 2016 erscheint aufgrund der Prognosen und
Ereignisse in den letzten Wochen und Monaten als ein unerreichbarer Zustand. Bedrohung durch Terrorismus, Konflikte
und Kriege sind Realitäten, die sich bisher weit weg von uns
ereigneten, nun aber einen direkten Einfluss auf unser Leben
haben. Wir sind unmittelbar betroffen. Davon kann man sich
nicht abmelden.
Unser Engagement ist gefragt!
Damit ein friedliches 2016 keine Vision bleibt, ist unser Engagement gefragt. Es gilt Entwicklungen mitzugestalten, statt
sie tatenlos zu erleiden. Neben der Aufnahme und der besonderen Herausforderung der Integration von Flüchtlingen
müssen die Steuerung der Zuwanderung und die Bekämpfung der Fluchtursachen in den Blick genommen werden. Angesichts unserer Verpflichtung als Christen zu helfender Solidarität mit allen Armen und Bedürftigen sind wir zum Handeln
aufgerufen. Unsere Glaubwürdigkeit als Christen hängt nicht
zuletzt davon ab, wie ernst und konsequent wir den Auftrag
zu helfender Solidarität erfüllen. Wir stehen aber auch in der
Verantwortung, zur Bekämpfung der Fluchtursachen in den
Herkunftsländern beizutragen.
Bildung schafft Perspektiven
Unter der Überschrift „Bildung schafft Perspektiven“ hat die
Vollversammlung des Katholikenrats als eine Antwort auf die
anhaltende Flüchtlingskrise die Weiterführung der Nachbarschaftshilfe für das Jahr 2016 beschlossen. Der Katholikenrat unterstützt seit 2012 ein Schulzentrum der Salesianer
Don Boscos in Gjilan im Kosovo. Über das schulische Wissen
hinaus werden ganzheitliche Bildung und das gesellschaftliche Engagement junger Menschen gefördert. Diese Ausbildung kommt besonders auch Kindern aus armen Familien
zugute. Insgesamt stellt das pädagogische Konzept eine
langfristige Investition für Frieden und gesellschaftliche und
politische Stabilität dar. Für die Jugendlichen eröffnen sich
neue berufliche und soziale Perspektiven.
Liebe Kameraden, liebe Leserinnen und Leser!
Mit unseren Sinnesorganen können wir sehen und hören,
doch mit unserem Gewissen erkennen wir mehr, denn unsere Wahrnehmungen können uns täuschen, doch unser Gewissen nicht. Darum wünsche ich Ihnen für das neue Jahr
Gottes Segen und ein Gewissen, das Sie stets auf den richtigen Weg führt.
Ihr Thomas Aßmuth,
Vorsitzender des Katholikenrates beim Katholischen
Militärbischof für die Deutsche Bundeswehr
Kompass 01I16
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© KS / Doreen Bierdel
Ursachen und Wirkung
Im letzten Jahr war ich zwei Mal für mehrere Wochen in Afghanistan. Auch nach jetzt rund einem Dutzend Aufenthalten
kann von Routine keine Rede sein. Während Anfang Oktober
die Kraft des Sommers langsam nachließ, sammelten die
Gegner der afghanischen Regierung ihre Kräfte und stießen
mit großer Entschlossenheit in die Stadt Kunduz vor. Statt
organisiertem Widerstand suchten die Ordnungskräfte ihr
Glück im Rückzug und überließen Einwohner und Stadt dem
Gegner. Über die Opfer unter der Zivilbevölkerung und den
Ordnungskräften gab es nur wenige Angaben in den Nachrichten. Erst durch die massive Unterstützung internationaler
Kräfte – ohne direkte deutsche Beteiligung –, konnten die
afghanischen Verbände geordnet, der Gegner bekämpft und
zurückgedrängt werden. Diesmal war es noch gelungen!
Und beim nächsten Mal, wenn die einheimischen Ordnungskräfte allein die gesamte Verantwortung tragen? Die Menschen in Afghanistan warten die Beantwortung dieser Frage
nicht ab und verlassen ihre Heimat. Sie haben wiederholt erfahren, dass ihre Regierung sie nicht schützen kann und die
internationalen Kräfte sie nicht mehr aktiv schützen wollen!
Darüber hinaus führte die Bekämpfung der Aufständischen
aus der Luft zu unentschuldbaren Opfern unter Unbeteiligten. Über diese Seite des Gefechts wurde in unseren Medien
ausführlich berichtet. Nun wurden auch wir in Deutschland
wieder zu aufmerksamen Zuhörern. Flüchtlingsströme und
ihre oft weit entfernten Ursachen wurden durch die Berichterstattung fassbarer.
Neujahrsgruß
Gedanken zum Jahreswechsel
Titelthema
Herr gib, dass wir auch heute
deine Fragen hören: „Adam, wo bist du?“
„Wo ist das Blut deines Bruders?“
Aus der Predigt von Papst Franziskus auf der „Flüchtlingsinsel“
Lampedusa am 8. Juli 2013:
(…) Auch heute taucht diese Frage nachdrücklich auf: Wer ist der Verantwortliche für das Blut dieser
Brüder und Schwestern? Niemand! Wir alle antworten so: Ich bin es nicht, ich habe nichts damit
zu tun, es werden andere sein, sicher nicht ich. Aber Gott fragt einen jeden von uns: „Wo ist dein
Bruder, dessen Blut zu mir schreit?“ Niemand in der Welt fühlt sich heute dafür verantwortlich; wir
haben den Sinn für brüderliche Verantwortung verloren; wir sind in die heuchlerische Haltung des
Priesters und des Leviten geraten, von der Jesus im Gleichnis vom barmherzigen Samariter sprach:
Wir sehen den halbtoten Bruder am Straßenrand, vielleicht denken wir: „Der Arme“ und gehen auf
unserem Weg weiter; es ist nicht unsere Aufgabe; und damit beruhigen wir uns selbst und fühlen
uns in Ordnung. Die Wohlstandskultur, die uns dazu bringt, an uns selbst zu denken, macht uns
unempfindlich gegen die Schreie der anderen; sie lässt uns in Seifenblasen leben, die schön, aber
nichts sind, die eine Illusion des Nichtigen, des Flüchtigen sind, die zur Gleichgültigkeit gegenüber
den anderen führen, ja zur Globalisierung der Gleichgültigkeit. In dieser Welt der Globalisierung sind
wir in die Globalisierung der Gleichgültigkeit geraten. Wir haben uns an das Leiden des anderen
gewöhnt, es betrifft uns nicht, es interessiert uns nicht, es geht uns nichts an!
Es kehrt Manzonis Gestalt des Ungenannten zurück. Die Globalisierung der Gleichgültigkeit macht
uns alle zu „Ungenannten“, zu Verantwortlichen ohne Namen und ohne Gesicht.
„Adam, wo bist du?“, „Wo ist dein Bruder?“, sind die zwei Fragen, die Gott am Anfang der Geschichte der Menschheit stellte und die er ebenso an alle Menschen unserer Zeit, auch an uns richtet. Ich
möchte aber, dass wir eine dritte Frage anfügen: „Wer von uns hat darüber und über Geschehen wie
diese geweint?“ Wer hat geweint über den Tod dieser Brüder und Schwestern?
Wer hat geweint um diese Menschen, die im Boot waren? Um die jungen Mütter, die ihre Kinder
mit sich trugen? Um diese Männer, die sich nach etwas sehnten, um ihre Familien unterhalten zu
können? Wir sind eine Gesellschaft, die die Erfahrung des Weinens, des „Mit-Leidens“ vergessen
hat: Die Globalisierung der Gleichgültigkeit hat uns die Fähigkeit zu weinen genommen! Im Evangelium haben wir das Geschrei, das Weinen, das laute Klagen gehört: „Rahel weinte um ihre Kinder,
… denn sie waren dahin“ (Mt 2,18). Herodes säte Tod, um sein eigenes Wohl zu verteidigen, seine
Seifenblase. Und dies wiederholt sich weiter … Bitten wir den Herrn, dass er austilge, was von
Herodes auch in unserem Herzen geblieben ist; bitten wir den Herrn um die Gnade, über unsere
Gleichgültigkeit zu weinen, zu weinen über die Grausamkeit in der Welt, in uns, auch in denen, die
in der Anonymität sozioökonomische Entscheidungen treffen, die den Weg bereiten zu Dramen wie
diesem. „Wer hat geweint?“ Wer hat heute in der Welt geweint?
Herr, in diesem Gottesdienst, den wir zur Buße feiern, bitten wir um Vergebung für die Gleichgültigkeit gegenüber so vielen Brüdern und Schwestern, wir bitten dich, Vater, um Vergebung für den, der
sich damit abgefunden, der sich im eigenen Wohlstand eingeschlossen hat, der zur Betäubung des
Herzens führt; wir bitten dich um Vergebung für alle, die mit ihren Entscheidungen auf weltweiter
Ebene Situationen geschaffen haben, die zu solchen Dramen führen. Vergebung, Herr!
Herr gib, dass wir auch heute deine Fragen hören: „Adam, wo bist du?“ „Wo ist das Blut deines
Bruders?“
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Kompass 01I16
Papstbotschaft:
Titelthema
Gott ist nicht gleichgültig!
„Überwinde die Gleichgültigkeit und erringe den Frieden“:
Auszug aus der Botschaft von Papst Franziskus zum Weltfriedenstag am 1. Januar 2016
Gott ist nicht gleichgültig! Für Gott ist die
Menschheit wichtig, Gott verlässt sie nicht!
Mit dieser meiner tiefen Überzeugung möchte
ich zu Beginn des neuen Jahres meine Glückwünsche verbinden: Im Zeichen der Hoffnung
wünsche ich reichen Segen und Frieden für
die Zukunft eines jeden Menschen, jeder Familie, jedes Volkes und jeder Nation der Erde
sowie für die Zukunft der Staatsoberhäupter,
der Regierungen und der Verantwortungsträger der Religionen. Wir verlieren nämlich
nicht die Hoffnung, dass sich im Jahr 2016
alle entschieden und zuversichtlich dafür
engagieren, auf verschiedenen Ebenen die
Gerechtigkeit zu verwirklichen und für den
Frieden zu arbeiten. Ja, dieser Friede ist
Gabe Gottes und Werk der Menschen – Gabe
Gottes, die aber allen Männern und Frauen
anvertraut ist: Sie sind berufen, ihn zu verwirklichen. (…)
Einige Formen der Gleichgültigkeit
Gewiss, die Haltung des Gleichgültigen – dessen, der sein Herz verschließt, um die anderen nicht in Betracht zu ziehen, der die Augen
schließt, um nicht zu sehen, was ihn umgibt,
oder ausweicht, um nicht von den Problemen
anderer berührt zu werden – kennzeichnet
einen Menschentyp, der ziemlich verbreitet
und in jeder geschichtlichen Epoche anzutreffen ist. Doch in unseren Tagen hat sie
entschieden den individuellen Bereich überschritten, um eine globale Dimension anzunehmen und das Phänomen der „Globalisierung der Gleichgültigkeit“ zu erzeugen. (…)
Die Bedrohung des Friedens durch die
globalisierte Gleichgültigkeit
Die Gleichgültigkeit gegenüber Gott überschreitet den persönlichen und geistigen
Bereich des Einzelnen und greift auf den
öffentlichen und gesellschaftlichen Bereich
über. (…)
Von der Gleichgültigkeit zur Barmherzigkeit:
die Umkehr des Herzens
Als ich vor einem Jahr in der Botschaft zum
Weltfriedenstag „Nicht mehr Knechte, son-
© KNA / Cristian Gennari
dern Brüder“ an das erste biblische Bild der
menschlichen Geschwisterbeziehung – das
von Kain und Abel (vgl. Gen 4,1–16) – erinnerte, sollte das die Aufmerksamkeit darauf
lenken, wie diese erste Geschwisterbeziehung verraten worden ist. Kain und Abel sind
Brüder. Beide entstammen sie demselben
Schoß, besitzen die gleiche Würde und sind
als Abbild Gottes und ihm ähnlich erschaffen; aber ihre kreatürliche Brüderlichkeit zerbricht. „Kain erträgt nicht nur nicht seinen
Bruder Abel, sondern aus Neid tötet er ihn.“
So wird der Brudermord die Form des Verrats, und die Ablehnung der Brüderlichkeit
Abels durch Kain ist der erste Bruch in den
familiären Beziehungen der Geschwisterlichkeit, der Solidarität und der gegenseitigen
Achtung. (…)
Der Friede – Frucht einer Kultur
der Solidarität, der Barmherzigkeit und
des Mitgefühls
Im Bewusstsein der Bedrohung durch eine
Globalisierung der Gleichgültigkeit dürfen wir
aber nicht unterlassen anzuerkennen, dass
sich in die oben beschriebene Gesamtsituation auch zahlreiche positive Initiativen und
Aktionen einfügen, die das Mitgefühl, die
Barmherzigkeit und die Solidarität bezeugen,
zu denen der Mensch fähig ist.
(…) Aus dieser Sicht möchte ich an alle einen
dreifachen Appell richten: Abstand davon
zu nehmen, andere Völker in Konflikte oder
Kriege zu verwickeln, die nicht nur ihre materiellen und kulturellen Güter sowie ihre sozialen Errungenschaften zerstören, sondern
auch – und auf lange Sicht – die moralische
und geistige Integrität; die internationalen
Schulden der ärmsten Länder zu streichen
oder annehmbar zu verwalten; Formen einer
Politik der Zusammenarbeit anzuwenden,
die sich nicht der Diktatur einiger Ideologien
beugen, sondern stattdessen die Werte der
örtlichen Bevölkerungen respektieren und
keinesfalls das fundamentale und unveräußerliche Recht der Ungeborenen auf Leben
verletzen. (…)
Aus dem Vatikan, am 8. Dezember 2015, Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen
Jungfrau Maria, Eröffnung des Außerordentlichen Jubiläums der Barmherzigkeit
Kompass 01I16
7
Philosophischer Kampf wider die Gleichgültigkeit
Titelthema
von Prof. Dr. Stephan Jolie, Professor für Literatur der älteren Epochen
am Deutschen Institut der Universität Mainz
aus einer Absolventenrede des Dekans der Philosophischen Fakultät der Universität Mainz
Das lettische Zitat auf dem Lesezeichen, das ich Ihnen gleich mit Ihrer Urkunde überreichen werde, heißt übersetzt: „Gleichgültigkeit ist das größte
Laster unserer Zeit, die zivilisierte Form
der Rohheit.“ Es ist ein Wort der Schriftstellerin Zenta Maurina (1897–1978),
lettisch-deutsch-russisch in Riga aufgewachsen, geflohen nach Schweden,
später nach Deutschland. Mit „unserer
Zeit“ meinte Maurina die 60er Jahre –
aber man darf wohl sagen, dass solch
rohe Gleichgültigkeit eine allgegenwärtige Gefährdung der (Post-)Moderne unserer westlichen Zivilisation ist.
Der Papst als Zeuge
Als Zeugen rufe ich nur Papst Franziskus auf und das, was er am 8. Juli 2013
bei seiner Reise zu den Flüchtlingen auf
Lampedusa uns reichen Europäern an
schändlicher Gleichgültigkeit vorgehalten hat. Lassen Sie mich darum hier
und heute fragen: Gibt es ein Ethos
auch in unserem philosophisch-philologischen Fachbereich, das den Kampf
gegen die zerstörerisch-unmenschliche
Gleichgültigkeit aufnimmt?
Wir dürfen uns um diese Frage nicht
drücken. Sie alle haben sich diese
Frage oft genug gestellt – Sie alle, die
Sie Geisteswissenschaften studiert haben, Fächer, mit denen man oft nicht
so leicht einen Beruf, einen Platz in
der Gesellschaft und ein Auskommen
findet. Es ist die Frage: „Wozu ist das
alles gut?“ Ist es wichtig, relevant –
oder, wenn man das geschützte Aquarium der Universität verlässt, eben nicht
doch ziemlich gleichgültig? Es wäre
ziemlich unverantwortlich, wenn es keine Idee dazu gäbe. Es ist ziemlich teuer, eine Universität für so viele Studierende zu betreiben, und nicht nur Ihre
Eltern haben sich das in den meisten
Fällen ziemlich was kosten lassen, sondern auch die Gesellschaft nimmt sehr
viel Geld dafür in die Hand.
Der große jüdisch-deutsche Philosoph
Walter Benjamin, ebenso wie Zenta
Maurina geflohen vor den Totalitarismen des vergangenen Jahrhunderts,
schreibt in seinem letzten Text kurz vor
seinem Selbstmord auf der verzweifelten Flucht vor den Nazis: „In jeder Epoche muss versucht werden, die Überlie-
ferung von neuem dem Konformismus
abzugewinnen, der im Begriff steht, sie
zu überwältigen.“ Nichts ist leichter,
zumal wenn man in der reichen westlichen Welt lebt, als die Dinge gleich-gültig sein zu lassen und sich einzurichten
mit dem scheinbar Gegebenen, mit der
Rhetorik der vermeintlichen Alternativlosigkeit, mit der uns die ökonomisierte
und technokratische Lebenswelt überwältigen will.
Hilft dagegen unsere Wissenschaft?
Hilft unser geistes- oder kultur- oder
sprach- oder wissenschaftliches Wissen? Es kann nicht einfach darum gehen, Wissen anzuhäufen. Die Menge
dessen, was die Menschen wissen
und was man wissen kann, nimmt
rapide zu, ebenso der Zugang zu Wissen im Internet-Zeitalter. Doch schon
der Vordenker der Moderne Friedrich
Nietzsche sagt, dass es nicht auf das
ankommt, was man alles wissen kann,
sondern darauf, in der unendlichen
Menge des Wissbaren das Wissenswerte zu identifizieren. Und genau das,
was wissenswert ist, das, was eine
Gesellschaft für wichtig erachtet, um
„Gleichgültigkeit ist das
größte Laster
unserer Zeit,
die zivilisierte Form
der Rohheit.“
Zenta Maurina
8
Kompass 01I16
Titelthema
Denn das Problem ist ein anderes: Wir
können heute nicht wissen, welches
Wissen uns einmal nützen wird, um die
Probleme von morgen zu lösen. Ja, wir
kennen die Probleme und Herausforderungen nicht einmal! Klimawandel,
Atomkraft – das haben wir als Problem
schon erkannt. Aber haben wir schon
all die Probleme erkannt, die es mit
sich bringen wird, eine Gesellschaft zu
bauen, der das, was auf Lampedusa
und andernorts geschieht, ernsthaft
nicht gleichgültig ist? Und wie wird
unsre Gesellschaft ein „Web 3.0“ verändern – das bald kommen wird, von
dem wir nicht einmal wissen, was es
sein wird? Wissen wir, welche Optionen
wir haben, um dies in gute Bahnen zu
lenken und unsere freie, offene Gesellschaft zugleich zu schützen?
Lernen gegen die zerstörerische
Gleichgültigkeit
Was wir Ihnen an der Universität beizubringen versuchten, war nicht in
erster Linie Wissen über dieses oder
jenes. Sondern es waren Übungen darin, Fragen zu stellen, wo etwas fraglos
scheint; Aufforderungen, komplexe und
vieldeutige Dinge verstehen zu lernen,
um Handlungsoptionen in einer Welt
zu entwickeln, in der uns so viel als
gegeben und darum gleich-gültig erscheinen will, Handlungsoptionen für
eine Zukunft, die wir nicht kennen, die
wir aber frei und gemeinsam gestalten
wollen. Daran und nur daran kann man
das vielleicht Entscheidende lernen,
was gegen Überwältigung durch Gleichgültigkeit und Konformismus hilft: den
produktiven Zweifel!
Darum ist das, was ich Ihnen an Ihrem
letzten Tag an der Universität mitgeben möchte, kein Wissen. Es ist ein
Wunsch: Ich wünsche Ihnen den Mut,
auch weiterhin das auszuhalten, was
sie im Studium ausgehalten haben:
Krumme, riskante Wege zu gehen,
© Universität Mainz / Jolie
an einer Gegenwart und Zukunft zu
arbeiten, die sie für lebenswert hält,
genau das darf nie feststehen! Bloße
Ansammlung von Wissen ist nur Hilfsmittel – für sich alleine taugt es zum
Einrichten von netten Museen. Solches
darf einem aufs Ganze gesehen wirklich ziemlich gleichgültig sein.
sich nicht mit den breiten, bequemen
Wegen zufrieden zu geben; das zweifelnde Fragen zu wagen, sich nicht im
Konformismus der Pseudo-Alternativlosigkeiten einzurichten, die uns täglich
zu überwältigen drohen. Vielleicht geht
dann auch mein anderer Wunsch in
Erfüllung: dass Sie an Ihre Universität
zurückdenken als den Ort des freien,
riskanten Zweifelns, an dem Sie die
Kraft und das Rüstzeug gesammelt
haben gegen die so bequeme und so
zerstörerische Gleichgültigkeit!
Neben dem Auszug aus der Lampedusa-Predigt von Papst Franziskus
(S. 6) und der hier wiedergegebenen Absolventenrede ist auch ein Text
aus der Jesuiten-Zeitschrift „Stimmen der Zeit“ lesenswert zum Thema
„Gleichgültigkeit“: Andreas R. Batlogg SJ, „Globalisierung der Gleichgültigkeit“,
StdZ 1/2014, S. 1–2, Verlag Herder. www.stimmen-der-zeit.de
Kompass 01I16
9
WIE GEHE I
NÄCHSTEN UM?
M? BLEIBE ICH
IM STREIT ODER VE
VERGEBE
Titelthema
ICH? STEHT MEINE TÜRE
TÜ
OFFEN? BIN ICH IN DER
ER
Die Liebe in den Zeiten der Flucht
Eva-Maria Düring, Geistliche Bundesleiterin der Katholischen jungen Gemeinde (KjG)
In meiner Liebe zu meinem Nächsten
zeigt sich meine Liebe zu mir selbst:
„Ich bin der Herr euer Gott. Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch
wie ein Einheimischer gelten und du
sollst ihn lieben wie dich selbst; denn
ihr seid selbst Fremde in Ägypten gewesen.“ Klare Worte, die Gott in Levitikus
19 findet. Ein deutliches Gebot, das
er seiner Gemeinde mit auf den Weg
gibt. Gott erinnert in diesen Worten
aber auch an unsere eigenen Fluchterfahrungen. Er macht damit deutlich,
dass Flucht eine Erfahrung ist, die sich
durch Generationen und Kulturen hindurch immer wieder neu ereignet. Die
Fluchterfahrung, von der Gott spricht,
ist lange her. Doch die Menschheit hat
noch keinen Frieden gefunden. Seitdem gab und gibt es viele verschiedene Fluchtgründe, die dazu führen, dass
Menschen ihre Heimat verlassen müssen. Und oft wissen wir gar nicht um
diese Fluchterfahrungen. Vielleicht hat
ja mein Nachbar oder meine Kollegin
einen Fluchthintergrund? Vielleicht war
der Verkäufer oder die Lehrerin gezwungen, in einem anderen Land ein neues
Leben zu beginnen? Vielleicht musste
mein Ausbilder oder meine Erzieherin
einmal Schutz suchen? Eine Fluchterfahrung kennen wir aus der Bibel: Josef
ist mit seiner Frau Maria und dem Kind
Jesus geflohen. Nicht nur daran erinnert
uns die Weihnachtszeit. Sondern auch
an die Sterndeuter, die Jesus nicht an
Herodes verraten haben; an den Engel,
der Josef im Traum erschienen ist und
daran, dass die Familie wieder in ihre
Heimat zurückkehren konnte. Flucht ist
Teil der Menschheitsgeschichte. Und
Teil der Heilsgeschichte Gottes mit den
Menschen.
Momentan sind weltweit 60 Millionen
Menschen auf der Flucht. Sie fliehen
vor Hunger, Umweltzerstörung, Verfol-
10
Kompass 01I16
gung und Krieg. 60 Millionen Menschen
verlassen ihre Heimat, weil es für sie
keinen anderen Weg mehr gibt. Sie hoffen auf Gastfreundschaft, Zukunft und
eine neue Chance in einem anderen
Land. Sie reihen sich in die lange Geschichte der Geflüchteten ein. In diese
Zeit hinein formuliert Papst Franziskus
das Leitmotiv des Weltfriedensgebetes
2016: Überwinde die Gleichgültigkeit
und gewinne den Frieden! Papst Franziskus spricht jede und jeden mit dieser Aufforderung direkt an. Er fordert
uns auf, sich selbst zu prüfen: Bin ich
gleichgültig? Was hat mich gleichgültig
werden lassen? Dieses Leitmotiv birgt
die Möglichkeit, zur Ruhe zu kommen
und innezuhalten. Es ist ein Appell,
nicht vorschnell die Gleichgültigkeit von
sich zu weisen.
Im Gleichnis vom barmherzigen Samariter fordert uns Jesus heraus, selbst
barmherzig zu sein, der Liebe ein Gesicht zu geben. Es ist auch eine Möglichkeit, sich selbst zu hinterfragen. In
der Arbeitshilfe unserer Verbände für
den Weltfriedensgebetstag ist nicht
ohne Grund dieser Text aus dem Lukas-Evangelium für die Gebetsstunde
vorgeschlagen. Da wird ein Mann auf
seinem Weg von Räubern überfallen.
So wie auch heute Menschen auf der
Flucht überfallen und ausgeraubt werden. Der Mann aus dem Gleichnis
bleibt halb tot liegen. Die Räuber gehen weg und schauen nicht zurück. Sie
haben das bekommen, was sie wollen.
Wenn wir die Aufforderung von Papst
Franziskus ernst nehmen und unsere
Gleichgültigkeit überwinden, dann müssen wir uns die Frage stellen: Wo bin
ich selbst Räuber? Wo werden Menschen für meinen Vorteil ausgenutzt?
Im weiteren Lauf des Gleichnisses gehen zwei Menschen an dem Verletzten
vorbei. Sie sehen ihn und helfen doch
LIEBE
ZUM
NÄCHSTEN?
WIE GEHE ICH MIT MEINEN
NÄCHSTEN UM? BLEIBE ICH
IM STREIT ODER VERGEBE
ICH? STEHT MEINE TÜRE
OFFEN? BIN ICH IN DER
www.kjg.de
nicht. Wie viel Leid sehen wir Tag für
Tag? Selbst wenn wir wollten, können
wir das nicht alles lösen. Auch wenn
ich nicht gleichgültig bin, scheinen mir
die Hände gebunden. Auch hier kann
uns die Botschaft von Papst Franziskus einen Hinweis geben: Gewinne
den Frieden! Und dieser Friede fängt im
Kleinen an: Wie gehe ich mit meinen
Nächsten um? Bleibe ich im Streit oder
vergebe ich? Steht meine Türe offen?
Bin ich in der Liebe zum Nächsten? Im
Gleichnis kommt schließlich ein Samariter, der sich um den Überfallenen
kümmert, ihn in Sicherheit bringt und
verspricht wiederzukommen. Er hat liebend gehandelt. Mit diesem Gleichnis
verbindet Jesus einen klaren Auftrag an
uns: Geht hinaus in diese Welt! Seid
in der Liebe! Habt ein offenes Auge für
die Nöte eurer Nächsten und handelt!
Kurz: Sei auch du barmherzig!
Soldatengottesdienste zum Weltfriedenstag 2016
Titelthema
„Überwinde die Gleichgültigkeit und
erringe den Frieden“
In der Regel wird zu diesen Friedensgottesdiensten durch das jeweilige Katholische Militärdekanat eingeladen. Der Diözesanbischof oder ein Vertreter feiert
zumeist ein Pontifikalamt (in der Kathedrale) und steht anschließend zu einem
Empfang und für Gespräche zur Verfügung.
Donnerstag, 21. Januar: Hoher Dom zu Köln
mit Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki,
9:00 Uhr, anschließend Empfang für geladene Gäste im Maternushaus
Donnerstag, 21. Januar: Dom zu Würzburg
mit Bischof Friedhelm Hofmann, 10:30 Uhr, anschließend Empfang
und Gespräch mit dem Bischof im Burkardushaus
Donnerstag, 4. Februar: Dom zu Hildesheim
mit Bischof Norbert Trelle, 9:30 Uhr, anschließend Empfang und
Begegnung im Bischöflichen Generalvikariat Hildesheim. Dies ist eine gemeinsame Veranstaltung mit der Polizei Niedersachsen und der Bundespolizei.
Aus diesem Anlass wird am 3./4. Februar im Kloster Amelungsborn ein
Einkehrtag des Katholischen Militärdekanats Kiel angeboten.
Donnerstag, 14. April: Weltfriedenstag in Trier
Mittwoch, 22. Juni: Weltfriedenstag in Münster / Westfalen
Weitere Informationen – auch über hier noch nicht genannte Termine und
Orte – erfahren Sie bei Ihrem Katholischen Militärpfarramt oder im Internet
www.kmba.de oder www.katholische-militaerseelsorge.de
(Änderungen vorbehalten) JV
„… gewinne den Frieden!“
Wiederum haben sieben katholische Träger – Verbände und Arbeitsstellen
– zusammen ein Faltblatt erarbeitet, das anlässlich des Weltfriedenstags
zu einer Gebetsstunde einlädt und weitergehende Information enthält.
Das Motto der diesjährigen Gemeinsamen Gebetsstunde zum Weltfriedenstag lädt dazu ein, die Gleichgültigkeit zu überwinden und den Frieden
zu gewinnen. Gleichgültigkeit hat viele Facetten und Handlungsweisen.
Wenn ein Thema uns zu nahe geht, bedrängt es uns. Dann ist es manchmal leichter, es einfach zu ignorieren, dagegen zu argumentieren oder zu
beschwichtigen. Wir rechtfertigen uns gerne damit, dass wir als Einzelne
nichts ändern können. Manche Reaktionen wirken gleichgültig und abgestumpft, obwohl wir es vielleicht gar nicht sind.
Mit dem diesjährigen Motto prangert Papst Franziskus die Gleichgültigkeit
als Übel an und benennt deren Überwindung als wichtige Grundlage, Frieden zu gewinnen.
Das vierseitige Faltblatt kann im Jugendhaus Düsseldorf bezogen oder im
Internet unter www.jhdshop.de heruntergeladen werden
JV
Anlässlich des Weltfriedenstags am
1. Januar 2016 veröffentlichte die
Deutsche Bischofskonferenz Mitte
Dezember eine Arbeitshilfe zum 49.
Weltfriedenstag, die sich vor allem an
die Kirchengemeinden, Verbände und
Gruppen richtet. Sie stellt Materialien
zum diesjährigen Weltfriedenstag und
zum Leitthema „Überwinde die Gleichgültigkeit und erringe den Frieden“,
mit dem der Papst seine Botschaft
zum Weltfriedenstag überschrieb, zur
Verfügung. Papst Franziskus sieht in
der Welt von heute eine grassierende
Gleichgültigkeit, ja eine „Globalisierung
der Gleichgültigkeit“ fortschreiten, die
die Menschen voneinander trennt und
das Engagement für den Frieden untergräbt.
Die Arbeitshilfe Nr. 279 „Überwinde die
Gleichgültigkeit und erringe den Frieden“ ist erstmals nicht als Druckexemplar, sondern nur online als PDF-Datei
verfügbar und kann unter www.dbk.de
in der Rubrik Veröffentlichungen heruntergeladen werden.
Die Botschaft von Papst Franziskus
zum Weltfriedenstag vom 8.12.2015
ist unter Papstbotschaften verfügbar.
Kompass 01I16
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Auf ein Wort
Der Friede
Frucht einer Kultur der Solidarität,
der Barmherzigkeit und des Mitgefühls
D
as Jahr 2016 hat genauso friedlos begonnen, wie das
Jahr 2015 zu Ende ging. Bei den Nachrichten am Heiligen Abend konnte wieder jeder bemerken: Das „Verherrlicht ist Gott in der Höhe, und auf Erden ist Frieden bei den
Menschen seiner Gnade“ (Lk 2,14) des EngelHEERES (!)
hört sich in unseren Tagen eher nach Hohn denn nach einer Verheißung an. Nein, von „Frieden auf der Erde“ kann
nun wirklich keine Rede sein – trotz der vielen nationalen
und internationalen Bemühungen, trotz des Einsatzes auf
unterschiedlichen Ebenen.
In unsere friedlose und katastrophengewohnte Welt platzt
dann auch Anfang 2016 wieder die jährliche Botschaft
des Papstes zum „Welttag des Friedens“ herausfordernd,
fast provozierend hinein: „Überwinde die Gleichgültigkeit
und erringe den Frieden.“ Das klingt schon ein wenig naiv:
Wenn du dich deinem Nächsten mehr zuwendest, dich für
das Schicksal der Menschen in der weiten Welt interessierst, so bekommst du sofort: „Frieden“! Fast automatisch! Eigentlich ...
Natürlich ist Papst Franziskus, von dem das Leitwort zum
diesjährigen Weltfriedenstag stammt, nicht so blauäugig.
Er führt sehr realistisch aus: „Kriege und terroristische
Aktionen mit ihren tragischen Folgen, Entführungen, ethnisch und religiös motivierte Verfolgungen und Machtmissbrauch haben das vergangene Jahr … charakterisiert und
sich in zahlreichen Regionen der Welt so vervielfältigt,
dass sie die Züge dessen angenommen haben, was man
einen ‚dritten Weltkrieg in Abschnitten‘ nennen könnte.“
Sehr klar malt der Papst hier das Bild unserer Zeit. Und
wie schnell wäre man dann auch angesichts dieser Schilderung und der auch in Europa spürbaren „Globalisierung
des Leids“ (so befinden sich derzeit etwa 60 Millionen
Menschen auf der Flucht) dabei, sich wirklich nur auf sich
selbst und sein eigenes Schicksal zu konzentrieren: Ich
kann daran ohnehin nichts ändern. All das scheint so riesig und fast monströs, das der Rückzug ins Private sich
als einzig gangbarer Weg aufdrängt: Die anderen sind mir
gleichgültig! Und genau in diesen Abgrund der Resignation
ist das Wort des Papstes hineingesprochen.
Mir begegnet das bei Gesprächen mit Soldatinnen und
Soldaten häufig, wenn vom Verschwinden der Kameradschaft die Rede ist: „Keiner interessiert sich mehr für den
anderen; jeder achtet nur auf sein eigenes Fortkommen,
12
Kompass 01I16
seine eigene Karriere. Gleichgültigkeit hat sich breit gemacht.“ Und da entstehen dann auch schnell Reibereien,
Auseinandersetzungen um Kleinigkeiten – Unfriede eben.
Auch so im Kleinen. Man lässt sich dann nicht mehr von
den Problemen und Fragen der anderen berühren. Solche Menschen leben letztlich nur vor sich hin und sind
zufrieden, wenn sie Tag für Tag ihr persönliches Leben so
gestalten und verwalten können, wie sie es für sich als besonders hilfreich erleben. Soldaten werden einander eher
unwichtig, die Schicksalsgemeinschaft „Bundeswehr“ individualisiert sich.
Und natürlich gibt es eine zunehmende Gleichgültigkeit
gegenüber Gott und seiner Wirklichkeit, gegenüber Jesus
Christus und seinen lebenspendenden Geboten. Auch
das bekommen Mitarbeiter der Militärseelsorge häufig zu
spüren. Auch diese Entwicklung scheint einer guten Gemeinschaft nicht besonders zuträglich zu sein: Solidarität
nimmt ab, Barmherzigkeit verflüchtigt sich.
Das Christentum aber nimmt genau das in den Blick: „Liebe“, „Mitgefühl“ und „Barmherzigkeit“ ermöglichen erst
ein lebenswertes Zusammensein und zeigen, dass immer
das Schicksal der Gemeinschaft von Bedeutung ist. Das
aber speist sich aus der Solidarität aller dem Einzelnen gegenüber. Es gibt nicht „den Fernsten“ – sondern es geht
immer um „den Nächsten“. Ich stumpfe nicht ab gegenüber dem Schicksal des anderen, sondern wende mich
ihm und seinem Leben ganz bewusst zu. Ich fühle mich
ihm nahe – er ist mir eben nicht gleichgültig. Und wenn ich
den Nächsten dann auch noch an mich heranlasse, mich
selbst ihm öffne, vielleicht gewinnen wir dann doch noch –
fast automatisch – den Frieden.
Hoffentlich haben auch am Heiligen Abend 2015 ganz
viele Menschen überall auf der Welt die Sehnsuchtsbotschaft der Engel vom „Frieden auf Erden“ vernommen und
sich in der Silvesternacht – oder danach – die Botschaft
vom Weltfriedenstag 2016 zu eigen gemacht: „Überwinde
die Gleichgültigkeit und erringe den Frieden.“ Wäre das ein
Segen für dieses noch so junge neue Jahr ...
Dipl.-Theol. Heinrich Dierkes,
Wissenschaftlicher Referent am
Zentrum für ethische Bildung in den Streitkräften
(zebis, Hamburg)
Familienstiftung
Familienarbeit, Seelsorge und Wissenschaft
vereint im Dienst für Soldatenfamilien
Da die dreijährige Berufungsperiode für die Gremien der
2012 gegründeten Familienstiftung abgelaufen war, freute
sich Generalvikar Bartmann als Vorsitzender des Stiftungsrats, dass alle Gremienmitglieder weiter zur Verfügung zu
stehen. Für ausgeschiedene Mitglieder der Gremien hatte der Katholische Militärbischof Dr. Franz-Josef Overbeck
Wolfgang Wurmb von der Dachstiftung Katholische Soldatenseelsorge in den Stiftungsrat, Christian Hartmann von
der Pax-Bank Berlin und Prof. Dr. Klaus Stüwe von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt in den Stiftungsbeirat sowie Diakon Gregor Bellin als neuen Geschäftsführer
der Katholischen Arbeitsgemeinschaft für Soldatenbetreuung (KAS) in den Stiftungsvorstand berufen.
Im Anschluss an eine Andacht stand ein Vortrag zur aktuellen Attraktivitätsagenda „Bundeswehr in Führung – Aktiv.
Attraktiv. Anders.“ von Brigadegeneral Olaf Rohde.
Berichte aus der Praxis
2012 hatte Militärbischof Overbeck die KFS gegründet und
damit ein Zeichen für die hohe Bedeutung der Familienarbeit in der Katholischen Militärseelsorge gesetzt.
Die Familienstiftung ist
eine einmalige Plattform,
um christlich motivierte Familienarbeit in der Bundeswehr zu fördern, neue Projekte
zu entwickeln und ihre Einführung
zu finanzieren, da sie drei Arbeitsfelder zusammenführt: die seelsorgliche Arbeit der Militärseelsorger in den Familien, ihre lebenspraktische Unterstützung durch die KAS sowie
die wissenschaftliche Bearbeitung der Lebenssituation der
Soldatenfamilien durch das Zentralinstitut ZFG (Eichstätt).
Seit ihrem Bestehen hat die Stiftung verschiedene Projekte
der Familienarbeit in der Bundeswehr mit Fördermitteln in
Höhe von fast 37.000 Euro unterstützt und auch für 2016
hat sie sich ehrgeizige Ziele zur Steigerung ihrer Fördermöglichkeiten gesteckt.
Msgr. Bartmann dankte allen Mitgliedern der Stiftungsgremien für ihr Engagement, auch im Namen der durch die Familienstiftung unterstützten Soldatenfamilien. Als wichtige
Botschafter förderten die in den Gremien aktiven Frauen
und Männer nicht nur den Bekanntheitsgrad der Stiftung,
sondern sorgten ganz persönlich für mehr Aufmerksamkeit
für die Familien-Thematik in der Bundeswehr.
Katharina Miksa
© KAS / Katharina Miksa
Ende 2015 fand in Berlin die dritte Sitzung des Stiftungsbeirats der Katholischen Familienstiftung für Soldaten (KFS)
statt. Vorausgegangen war eine Sitzung des Stiftungsrats
unter der Leitung von Generalvikar Msgr. Reinhold Bartmann u. a. zur Genehmigung des Wirtschaftsplans für
das Jahr 2016. An dieser Sitzung konnte trotz laufender
Planung für den Syrien-Einsatz der Bundeswehr auch der
Parlamentarische Staatssekretär bei der Bundesministerin
der Verteidigung, Markus Grübel MdB, teilnehmen.
Weitere Informationen finden Sie im Internet
unter: www.katholische-familienstiftung.de
Kompass 01I16
13
Montenegro
Reportage vor Ort
© Jürgen Kappel
Ein fast vergessener Auslandseinsatz
Für Sie im Kosovo unterwegs: Jürgen Kappel
Eine Gruppe schwarz gekleideter Demonstranten belagert das von Polizeikräften geschützte Parlamentsgebäude. Die Demonstranten sind mit
Knüppeln und Molotowcocktails bewaffnet. Sie schreien und drohen den
Polizeikräften mit den Fäusten und
machen sich auf diese Weise Mut,
das Parlamentsgebäude zu stürmen.
Die Polizisten, mit Schlagstöcken und
Schilden ausgerüstet sowie an Armen
und Beinen durch entsprechende Kleidung geschützt, wehren sich heftig,
können dem Druck der Angreifer nicht
standhalten und weichen immer weiter zurück. In diesem Moment tritt die
KFOR-Truppe auf den Plan. Unter dem
Schutz von mehreren Panzerwagen gelingt es den Soldaten, auf das Gelände zu gelangen und die gewaltbereiten
Kräfte unter dem Einsatz von Tränengas zurückzudrängen. Am Ende flüchten die Demonstranten vor der Kraft
der KFOR-Truppe.
Seit dem 12. Juni 1999 ist die Bundeswehr im Kosovo präsent. Am 10. Juni
1999 hatte der Sicherheitsrat der UN
die Resolution 1244 beschlossen. Auf
dieser Grundlage sollte der Einsatz der
NATO-Sicherheitstruppe Kosovo Force
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Kompass 01I16
(KFOR) den Abzug der jugoslawischen
Truppen und die Entmilitarisierung des
Kosovos überwachen. Ein sicheres
Umfeld aufzubauen, einschließlich der
öffentlichen Sicherheit und Ordnung,
gehört zur Aufgabe der KFOR. Mit der
Verbesserung und Stabilisierung der
Sicherheitslage während der vergangenen Jahre konnte die Truppenstärke
von KFOR angepasst und langfristig verringert werden.
Ernst und Spiel im Einsatz
Die gewaltsamen Szenen beeindrucken. Jedoch spielt sich der Einsatz
nicht in der Realität ab. Die einzelnen
Schritte entsprechen den Planungen einer Übung, die im Militärcamp in Novo
Selo nahe Pristina stattfindet. Das
Miteinander von Truppen verschiedener Nationalitäten ist ein wesentlicher
Aspekt der Übung. Auf den Hügeln beobachten nicht nur Kommandeure der
Einheiten die Szene, auch Militärpfarrer
Andreas Vogelmeier verfolgt interessiert das Rollenspiel. Der 44-jährige katholische Seelsorger signalisiert durch
seine Körpersprache und Mimik, dass
er Anteil nimmt an dem Dienst der Soldaten – zum Beispiel, wenn Gasgranaten auf den Panzerwagen geworfen wer-
den und explodieren oder der Einsatz
von Schlagstöcken mit großer Härte geführt wird. Intensiv bespricht er mit den
Soldaten das Vorgehen und diskutiert
mit ihnen, inwieweit das Verhalten erfolgreich war und welche Schritte noch
besser geprobt werden müssen. Vogelmeier ist kein Unbekannter bei den
Soldaten. Die Kameraden sprechen ihn
freundlich an und freuen sich, dass er
da ist – ein Indiz dafür, dass er anerkannt ist.
Vogelmeier ist seit Herbst 2015 im
KFOR-Camp in Prizren. „Im September
2014 hatte sich abgezeichnet, dass
im Kosovo ein weiterer Militärpfarrer
gebraucht wurde“, sagt der Geistliche.
Da er 2012 bereits in Afghanistan als
Militärpfarrer gearbeitet hatte und sich
jetzt die Gelegenheit bot, die Truppe im
Kosovo in den Einsatz zu begleiten, griff
er zu. „Hier ist eine völlig andere Situation als in Afghanistan“, erläutert er. In
Afghanistan rücke man auf Grund der
äußeren Bedrohung zusammen, sagt
er. Hier im Kosovo gebe es zwar eine
latente Bedrohung. Insgesamt sei es
jedoch ruhig.
„Die Menschen sind hier sehr freundlich zu uns“, sagt Vogelmeier. „Es gibt
keinen äußeren Druck. Deshalb kommt
Alb
Reportage vor Ort
© Jürgen Kappel
Serbien
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bei den Soldaten schnell die Frage auf,
was tun wir hier eigentlich? Dann rücken Kleinigkeiten ins Zentrum: Ist die
Uniform korrekt oder sind die Schuhe
sauber geputzt?“, beschreibt Vogelmeier die psychische Situation in der
Truppe. Auch hier, rund 1.000 Kilometer von der Heimat entfernt, machen
sich die Soldaten Sorgen um ihre Familien, fehlt ihnen der Partner, vermissen sie die Kinder und müssen Probleme aus der Distanz mit dem Partner
besprochen und gelöst werden. Der
Militärseelsorger bietet den Soldaten
Raum, mit ihren Sorgen und Nöten zu
ihm zu kommen. Und sie wissen: Ihm
können sie sich ohne Folgen öffnen,
ihm können sie vertrauen, da er zum
Schweigen verpflichtet ist. „Ich berate
sie, verrate sie aber nicht“, bringt Vogelmeier seine pastorale Arbeit auf den
Punkt.
Seelsorger unter den Soldaten
Andreas Vogelmeiers Weg zum Priester
verlief über manche Umwege. In München und Berlin hatte er je vier Jahre
Trompete und Klavier studiert und ein
Jahr lang als Praktikant an der Hamburger Staatsoper musiziert. „Schon während des Studiums habe ich gemerkt,
An der Übung nahmen auch (v. l.) der Leitende Militärdekan beim Einsatzführungskommando Msgr. Joachim Simon, der Leitende Militärdekan Artur Wagner,
Militärdekanat München, und Militärpfarrer Andreas Vogelmeier teil.
dass ich nicht voll und ganz bei der
Sache war“, erinnert er sich. Nach seinem Berufswunsch in Kindertagen gefragt, antwortet er wie aus der Pistole
geschossen: Feuerwehrmann, Polizist,
Sanitäter oder Soldat. Vogelmeier ist in
Dachau aufgewachsen und im Schatten der Kirche groß geworden. Die
Begegnungen mit vielen unterschiedlichen Menschen und die Liturgie faszinierten ihn als Jugendlichen. So wuchs
in ihm die Idee, Priester zu werden.
Schon während seines Studiums und
der Ausbildung hatte er das Gefühl,
hier gehöre ich hin. 2005 wurde er zum
Priester geweiht, und bereits drei Jahre
später wurde er zum Militärpfarrer berufen. Auf diese Weise hatte sich seine
Traumvorstellung, Priester zu sein und
bei den Soldaten zu arbeiten, erfüllt.
Seine musikalische Begabung kommt
ihm im KFOR-Camp in Prizren entgegen. Um die Liturgie, den Ort, an dem
sich die Soldaten im Glauben versammeln, schöner zu gestalten, gründete
er einen Chor. Bereits 16 Frauen und
Männer aus dem 42. Deutschen Kontingent singen mit. „Der Chor stärkt einerseits den Gemeindegesang, er hat
aber auch eine seelsorgerische Funktion“, sagt Vogelmeier. „So dürfen die
Sängerinnen und Sänger zum Beispiel
dann aus dem Lager raus, wenn sie im
Rahmen von liturgischen Diensten auftreten.“ Nach der Chorprobe, so bestätigen Soldatinnen und Soldaten dem
Pfarrer, seien sie wie verwandelt.
Die Teilnahme an den Gottesdiensten
ist in Prizren auffällig hoch. „Wir haben
hier einen hohen Kirchenbesuch“, bestätigt Vogelmeier. „Von den 800 deutschen Soldaten kommen etwa 80 zu
den Gottesdiensten.“ Das habe nicht
nur etwas mit dem Pfarrer zu tun, sagt
er bescheiden. Viele Soldaten des 42.
Deutschen KFOR-Kontingents kommen
aus Bayern und sind kirchlich sozialisiert. Doch eines wird bei aller Bescheidenheit deutlich: Andreas Vogelmeier
steht mitten im Leben der Soldaten in
Prizren. Er kennt ihren Alltag und ihre
Sorgen. Und er geht auf sie zu. „Im
Zimmer der Militärseelsorge zu warten,
bis die Kameraden kommen, hätte sicher keinen Erfolg“, sagt er. „Soldaten
schätzen Professionalität: dass der
Pfarrer gut organisiert ist, im Lager präsent ist und gut predigt. Stimmen die
Faktoren nicht, folgt die Abstimmung
mit den Füßen“, sagt er. „Dann bleiben
sie weg.“
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Aus der Militärseelsorge
Psychotrauma – Prävention, Versorgung
und Militärseelsorge
4. Berliner Psychotrauma-Kolloquium „Vorbeugen. Versorgen. Veteranen.“
Im Dezember 2015 veranstaltete das
Psychotraumazentrum der Bundeswehr
zum vierten Mal eine Fachtagung rund
um das Thema „Psychotraumatische
Belastungsstörungen“ (PTBS), das innerhalb der Streitkräfte zunehmend an
Bedeutung gewinnt. Mit der Ansiedlung
des Zentrums am Bundeswehr-Krankenhaus Berlin und des Kolloquiums
im Tagungszentrum der Julius-LeberKaserne, ergibt sich eine inhaltliche
wie räumliche Nähe zur Arbeit der Krankenhaus-Seelsorger am Militärpfarramt
Berlin II sowie der Militärseelsorger am
Katholischen Militärpfarramt Berlin I
und dem Militärdekanat Berlin. An der
Veranstaltung nahmen auch Mitarbeiter
aus dem Katholischen Militärbischofsamt und von der Evangelischen und
Katholischen Arbeitsgemeinschaft für
Soldatenbetreuung (EAS und KAS) teil.
Im Mittelpunkt des ersten Tages standen Vorträge und Workshops, die von
vier Soldatinnen und Soldaten aus Isra-
el gehalten wurden. Sie stellten in vielen Facetten „MAGEN“ (mental health
enhancement in the front line) vor. Dies
ist ein Programm der israelischen Armee, das aus deren umfangreichen Einsatzerfahrungen entstanden ist. Dabei
handelt es sich um einen präventiven
Ansatz, der Soldaten in die Lage versetzen soll, ihren Kameraden in einer
Gefechtssituation schnell und effektiv
zu helfen. MAGEN integriert dabei verschiedene Ansätze und Methoden.
Der zweite Tag widmete sich in Vorträgen von und Diskussionen mit Referenten aus unterschiedlichen klinischen
und wissenschaftlichen Einrichtungen
in Deutschland dem Schwerpunkt
„Versorgung“ – ihrer Erforschung, den
Hindernissen, die z. B. Soldaten davon
abhalten Hilfe anzunehmen („Stigmatisierung“), und der Behandlung von Veteranen. Abschließend wurde aus der
aktuellen Arbeit des Psychotraumazentrums der Bundeswehr berichtet.
Die rund einhundert Teilnehmer –
hauptsächlich uniformierte und zivile
Mitarbeiter des Sanitätsdienstes der
Bundeswehr und zugeordneter Stellen
– belegen eine funktionierende zivilmilitärische Zusammenarbeit in der
psychologischen und therapeutischen
Betreuung. Die Veranstaltung findet
regelmäßig in Kooperation mit der Berliner Universitätsmedizin „Charité“ und
„Angriff auf die Seele e. V.“ sowie weiteren Trägern im „Netzwerk der Hilfe“
– so auch mit der Katholischen und der
Evangelischen Militärseelsorge statt.
Inzwischen gibt es auf katholischem
Gebiet viele Erfahrungen und beispielsweise zwei Militärseelsorger, die über
eine psychosoziale Zusatzausbildung
verfügen.
Das nächste Psychotrauma-Kolloquium, dann das fünfte, ist für den 5. und
6.12.2016 bereits fest vorgesehen und
findet wiederum in Berlin statt – dann
vielleicht schon mit noch stärkerer Beteiligung der Militärseelsorge.
Jörg Volpers
www.berliner-psychotraumakolloquium.de
www.angriff-auf-die-seele.de
Psychosoziale Hilfe für Angehörige der Bundeswehr e. V.
www.bundeswehr-support.de
Netzwerk der Hilfe
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© KS / Jörg Volpers (4)
Weitere Informationen und Hilfen im Internet
Aus der Militärseelsorge
Forschung vor Ort
Studierende im Archiv des Katholischen Militärbischofs
Teilnehmer der Seminare „Friedensbewegungen in Ost und West in den
1980er Jahren“ (Fachbereich Evangelische Theologie, Universität Hamburg,
und Military Studies, Universität Potsdam) besuchten mit ihrer Professorin
die Kurie des Katholischen Militärbischofs in Berlin.
Archivleiter Dr. Markus Seemann führte
in das Archiv des Katholischen Militärbischofs ein. Sozialethiker Klaus Ebeling
stellte die Arbeit von „Justitia et Pax“
(Päpstlicher Rat für Gerechtigkeit und
Frieden) und der „Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung“ (GKKE)
vor.
Prof. Dr. Angelika Dörfler-Dierken, am
Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften (ZMSBw) in Potsdam
zuständig für „Innere Führung – Ethik
– Militärseelsorge“ wollte mit dieser Exkursion einen Einblick in die Friedensbewegung der 1980er Jahre aus katholischer Sicht geben.
Die Studierenden aus Hamburg und
Potsdam hatten viel Spaß dabei, die
vom Archivar didaktisch geschickt gepackten Kartons mit einschlägigen
Archivalien zum Thema zu durchstöbern und einen Einblick in die Arbeit
mit Quellen sowie in die zeittypischen
Umgangsweisen mit den von der unab-
„Die Akten waren total
cool. Ich wollte,
wir hätten mehr Zeit
dafür gehabt.“
© Angelika Dörfler-Dierken (2)
„Ich fand die Exkursion spannend,
weil ich bisher kaum mit Archivalien
gearbeitet habe.“
© KMBA / Kerstin Schaum
Die Studierenden beim Durchstöbern der Kartons
mit einschlägigen Archivalien zum Thema.
hängigen Friedensbewegung gestellten
Fragen zu gewinnen. Sie lernten dabei
einiges zur Katholischen Militärseelsorge und konnten die besonderen Herausforderungen erfassen, vor denen
die katholische Kirche damals stand.
Herr Ebeling aus dem Katholischen
Militärbischofsamt (KMBA) machte die
Gruppe bekannt mit einer spezifischen
Form kirchlich-politischer Beratungsund Vermittlungsarbeit, deren Bedeutung zuvor nie in den Blick der Studierenden geraten war.
Der Dank der Teilnehmerinnen und Teilnehmer für Vorbereitung und Durchführung dieser inspirierenden Exkursion
war sehr herzlich. Er ging nicht nur an
die beiden Referenten, sondern auch
an das Gästehaus des Katholischen
Militärbischofs, das die Veranstaltung
auch lebenspraktisch mit Kaffee, Saft
und Brötchen sehr gut unterstützte.
Angelika Dörfler-Dierken
Kompass 01I16
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Kompass Glauben
Frieden
braucht
Genauigkeit
Was braucht ein tragfähiger Frieden? Menschen, die Erfahrungen in Krieg und Friedensarbeit gesammelt haben, sagen:
1. Es braucht konkretes Friedensengagement von Menschen
und Institutionen. Einzelne wie gesellschaftliche Kräfte sollten
sich einmischen. Mit dem Engagement wächst auch die Wachsamkeit für kommende Friedensgefahren.
2. Frieden ist immer grenzüberschreitend. Ein Frieden, der sich
nur auf die eigenen Grenzen bezieht, ist nicht dauerhaft. Einseitige Lösungen funktionieren nicht. Darum: Grenzüberschreitendes Denken und Handeln!
3. Frieden braucht Gerechtigkeit. Auch wenn in bestimmten
Situationen Freiheit und die Rettung verfolgter Menschen mit
militärischer Gewalt erzwungen werden müssen (was nicht unschuldig geschieht), kann Gerechtigkeit nur aufgebaut werden,
wenn es keine Gewalt mehr gibt. Von allen Seiten akzeptierte Gerechtigkeit benötigt viel Versöhnungsarbeit und diese
braucht einen langen Atem.
4. Der „Feind“ muss entdämonisiert werden. Wenn Feinde
nicht mehr als Menschen, sondern undifferenziert als Masse
gesehen werden, ist alles erlaubt. Wenn die anderen zu „die“
werden, dann wird Krieg möglich und man kann mit „denen“
erlaubterweise tun, was man will, weil sie nicht „die unseren“
sind.
5. Es ist nötig, andere Informationen als die eigenen wahrzunehmen. Deshalb auch aussortierte und zensierte Nachrichten wahrnehmen und öffentlich machen, so beginnt der Kampf
gegen Feindbilder im Kopf.
Von Mario Vargas Llosa stammt die Beobachtung: „Die Abschaffung von Nuancen erleichtert die Dinge sehr, wenn man
einen Menschen beurteilen oder (…) eine politische Situation
oder ein soziales Problem (…) analysieren will. (…) Sie erlaubt
es, den persönlichen Vorlieben und Phobien freien Lauf zu lassen. Ohne Zensur und ohne die geringsten Gewissensbisse.
Aber sie ist zugleich die beste Art, die Ideen durch Stereotype
zu ersetzen.“
Frieden braucht also analytische Genauigkeit. Und es braucht
eine Haltung, die andere Menschen in ihrem Anderssein anerkennt – gegen alles Misstrauen! Nur weil sie Menschen sind.
18
Kompass 01I16
Ein rein moralisches „Muss“ hilft hier nicht weiter. Eine
solche Haltung braucht Wurzeln in der eigenen Spiritualität. Biblisch legt die Schöpfungserzählung (Genesis 1)
die Basis dafür mit der Überzeugung, dass die Welt von
Gott geschaffen ist und alle Menschen Abbild Gottes und
von Geburt an von Gott erwünscht sind (Gen 1,27). Dieser Überzeugung wohnen zwei Bewegungen inne: a) eine
unendliche Entgrenzung einerseits, und b) eine heilsame
Begrenzung andererseits.
a) Wenn Gott alle Menschen so, wie sie sind, schuf, dann
gilt allen das gleiche Lebensrecht. Das entgrenzt den Blick,
weil niemand durch das Anders-Sein ausgegrenzt ist. Alle
Menschen sind bei Gott gleich wertvoll. Geschaffen-Sein
ist an keinerlei Bedingung gebunden. Die „Unendlichkeiten“ der Menschen spiegeln die Unendlichkeit Gottes.
b) Diese Überzeugung bringt gleichzeitig eine heilsame
Begrenzung der Ansprüche des Einzelnen: Ich bin Abbild
Gottes, aber alle anderen auch. Das kann auch entlasten,
nicht wichtiger sein zu müssen, als die anderen. Der Prophet Amos wendet das politisch: „Seid ihr für mich mehr
als die Kuschiter, ihr Israeliten? (…) Wohl habe ich euch
aus Ägypten herausgeführt, aber ebenso die Philister aus
Kaftor und die Aramäer aus Kir.“ (Am 9,7) Mit Philistern im
Süden und Aramäern im Norden lag Israel oft im Konflikt.
Doch wenn sie da lebten, weil Gott sie hierhergeführt hatte – wie kann Israel dann Krieg gegen sie führen?
Eine solche Spiritualität übt ein, andere Menschen ernst
zu nehmen, sie nicht aus Angst zu dämonisieren, Gerechtigkeit durch Teilen zu erreichen und die Nuancen wahrzunehmen, die in der großen Gemengelage der Politik oft
untergehen. Dann kommt tatsächlich nur noch eine Option
in Frage: Sucht den Frieden! Es ist diese entlastende Begrenzung, die die Starken vor Ansprüchen bewahrt, sich
auf Kosten anderer durchzusetzen, weil man mehr wert
zu sein scheint. Es ist diese heilsame Begrenzung, die
die jeweilige Mehrheit kritisch anfragt, wie sie mit ihren
Minderheiten umgeht und ob sie wirklich Frieden sucht mit
allen, die Gott genauso viel wert sind wie sie selbst.
Prof. Dr. Ulrike Bechmann,
Universität Graz
des Wehrbeauftragten
Kolumne
© Deutscher Bundestag / Kunz
Äußere Sicherheit ist der Kernauftrag
Unsere Streitkräfte werden heute wirklich gebraucht, fast möchte man sagen:
mehr denn je. Sie werden gebraucht in
den klassischen Auslandseinsätzen out
of area. Da war die Beanspruchung in
diesem Sommer schon abgesunken auf
gut 2.500 Soldatinnen und Soldaten.
Jetzt ist EUNAVFOR MED im Mittelmeer
dazugekommen. Und Afghanistan wird
wieder etwas größer und wohl noch
länger dauern. Ebenso Nordirak: etwas
mehr und länger.
„Speerspitze“. Das ist mehr als früher.
Diese Truppen haben hohe Bereitschaft,
und sie üben tatsächlich. Das sind keine reinen Papierbuchungen mehr. Dazu
kommen Aufgaben wie Air-Policing Baltikum und die rotierenden deutschen
Heereskompanien in Polen, Estland,
Lettland und Litauen, außerdem die maritimen ständigen Einsatzverbände der
NATO. Kollektive Verteidigung ist wieder
ein Thema. Das Bündnis bindet Kräfte in
Europa.
Für Mali werden wir deutlich mehr Personal stellen. Und das gerade durchs
Parlament gegangene Anti-IS-Mandat
bedeutet quantitativ und qualitativ auch
noch einmal ein starkes Plus. Alles in allem werden dann fast 5.000 Soldaten in
mandatierten internationalen Einsätzen
Deutschland vertreten – doppelt so viele
wie Mitte dieses Jahres.
Aber die Bundeswehr kann das. Es ist ihr
Kernauftrag: äußere Sicherheit. Dafür ist
sie da. Weil sie da ist, hat die deutsche
Politik international Handlungsoptionen.
Nach 60 Jahren Bundeswehr sind unsere Soldaten ein gesuchter Partner in
der internationalen militärischen Zusammenarbeit.
Die Bundeswehr kann das leisten – kein
Thema, wenn es die einzige Beanspruchung unserer Soldatinnen und Soldaten wäre!
Aber in ganz ähnlicher Größenordnung,
gut 5.000 Soldaten, kommen noch einmal NATO-Verpflichtungen dazu. Und
die sind – spätestens seit Beginn der
Ukrainekrise – auch sehr ernst gemeint.
Konkret stellt Deutschland 4.600 Soldaten für die NATO Response Force, davon 2.700 in der besonders schnellen
Und die Bundeswehr kann auch im Inneren helfen, wenn es wirklich nicht anders
geht. Die Amtshilfe in Sachen Flüchtlinge bindet im Augenblick 8.000 Männer
und Frauen unserer Streitkräfte. Viele
Soldaten haben sich freiwillig gemeldet. Der Vorteil unserer Bundeswehr ist,
dass sie in Krisen schnell zur Stelle sein
kann. Das macht sie auch im Innern so
beliebt. Sie macht das gut. Aber es sollte klar sein, dass Flüchtlingshilfe keine
Dauereinsatzaufgabe der Bundeswehr
werden darf. Denn das ginge auf Kosten
von Ausbildung und Einsatzbereitschaft
für den Kernauftrag, für die äußere Sicherheit. Viele Soldaten sagen mir genau das bei meinen Besuchen in der
Truppe. Und ich teile die Sorge.
Die Soldatinnen und Soldaten helfen
gern, auch zur Not als Lückenbüßer.
Aber die Lücken müssen irgendwann
auch wieder zivil gefüllt werden. Niemand muss sich Gedanken machen,
neue Aufgaben im Innern für die Bundeswehr zu erfinden. Die Belastung wächst
gerade jetzt, in diesen Wochen, so
schon enorm.
Und gleichzeitig ist ja noch die letzte
Bundeswehr-Neuausrichtung zu bewältigen mit neuen Organisationsstrukturen,
neuen Standorten und veränderten Arbeitsbeziehungen.
Es ist richtig, dass die Reform jetzt
nachgesteuert wird. Zum Beispiel: Die
Bundeswehr braucht 100 Prozent Ausrüstung, große und kleine, und zwar
schnell, nicht irgendwann! Und die Ausrüstung muss in der Realität verfügbar
sein, nicht nur auf dem Papier. Das
heißt: Ersatzteile kaufen, vielleicht auch
wieder mehr selber machen können.
Jedenfalls: Schluss mit der Toleranz für
Fehlanzeigen! Richtig ausgerüstet und
personell aufgestellt kann diese Bundeswehr sehr viel.
Dr. Hans-Peter Bartels
Wehrbeauftragter des Deutsche Bundestages
Kompass 01I16
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© Bistum Budweis (3)
Aus der Militärseelsorge
Militärdekan Weber nichtresidierender Ehrenkanoniker in Budweis
Am 6. Dezember, dem Fest des Diözesanpatrons, des Hl. Nikolaus, installierte Diözesanbischof Vlastimil Krocil
in einer feierlichen Kapitelsvesper vier
neue Kanoniker. Zuvor mussten sie das
Glaubensbekenntnis beten und den
Kapitelseid ablegen. Der Bischof bekleidete sie mit der Mozetta, dem Kreuz,
steckte den Kapitelsring an und setzte
ihnen das Birett auf. Der Friedensgruß
mit dem Bischof und allen Kanonikern
beschloss den Akt der Installation.
Bereits am 28. September 2015, dem
Fest des Hl. Wenzel, des böhmischen
Nationalheiligen, hatte der Bischof von
Budweis (heute Tschechien) die neuen Kanoniker an der Kathedrale St.
Nikolaus ernannt: zwei residierende
und zwei nichtresidierende (Ehrenkanoniker). Unter den nichtresidierenden
befindet sich Militärdekan Siegfried
Weber aus Ulm. Seine Familie mütterlicherseits stammt aus der Pfarrei Malsching im Böhmerwald und teilte das
Schicksal der Vertreibung der Deutschen im Jahre 1946.
Die deutschen ehemaligen Diözesanangehörigen schlossen sich im Verein
„Glaube und Heimat“ zusammen, der
bald nach der Vertreibung gegründet
wurde, um durch eine Monatsschrift
die Verbindung unter den Vertriebenen herzustellen, die inzwischen weit
zerstreut lebten. „Glaube und Heimat“
war der Titel der Kirchenzeitung für die
deutschsprachigen Katholiken in der
Diözese Budweis. Dieser Name wurde
für den Verein und die nun in Deutschland erscheinende Monatszeitung
übernommen.
Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs
machte sich der Verein daran, viele Kirchen und Kapellen zu retten und wieder instand zu setzen und Kontakte
mit den örtlichen Pfarrgemeinden und
Priestern aufzubauen. Darüber hinaus
ist es ein Vereinsziel, für die Aussöhnung zwischen Deutschen und Tschechen einzutreten und vor allem grenzübergreifende Aktivitäten zu fördern.
Im Jahre 2004 wurde Siegfried Weber
zum Vorsitzenden des Vereins gewählt.
In Anerkennung seiner Arbeit, der Arbeit des Vereins und der ehemaligen
Bewohner im Ganzen, ernannte der Bischof ihn – wie schon seinen Vorgänger
– zum Kanoniker.
In der vollbesetzten Kathedrale war
eine festliche Stimmung, die musikalisch durch den Domchor und den Organisten untermauert wurde. Im Kreis
der zahlreichen kirchlichen Würdenträger waren Domkapitular Alois Ehrl aus
Eichstätt, Militärdekan Alfons Hutter in
Vertretung des Militärgeneralvikars, der
tschechische Militärpfarrer Jan Böhm
und Pater Justin, der Prior des Zisterzienserstifts Hohenfurth. Unter den Gästen waren u. a. der ehemalige tschechische Außenminister Fürst Karl von
Schwarzenberg und Bernd Posselt, der
Sprecher der Sudetendeutschen.
S. Weber
Militärdekan Alfons Hutter ist seit fünf
Jahren Seelsorger am Katholischen
Militärpfarramt Fürstenfeldbruck. Jetzt
bereitet sich der Stellvertretende Leiter
des Katholischen Militärdekanats München auf seinen nächsten Auslandseinsatz vor. „Vom 12. Februar bis 28. April
2016 geht es ab nach Mali“, bestätigte
der 62-Jährige beim Gespräch mit einer
Lokalzeitung im Dezember. Hutter: „Derzeit befinden sich 200 deutsche Soldaten in Mali. Das Kontingent wird auf 620
erhöht.“ In einem Ausbildungscamp in
Koulikoro, eine Stunde von der Hauptstadt Bamako entfernt, sollen verstärkt
einheimische Soldaten und Polizisten
ausgebildet werden.
20
Kompass 01I16
Für den körperlich fitten Pfarrer stellt der
nun bevorstehende vierte Einsatz nach
zwei in Afghanistan (2002/03 und 2006)
und im Kosovo (2008) schon eine gewisse Normalität dar. „Das gehört doch zu
meinen Aufgaben“, sagt er. Seine Gesundheit sieht Hutter als ein Geschenk.
Trotz seiner 62 Jahre gab es beim gründlichen militärischen Check, der vor jeder
Auslandsverwendung fällig ist, keine Beanstandungen. „Ich lege jede Strecke
mit dem Radl zurück und halte mich zusätzlich durch Laufen fit.“
Mali liegt in Westafrika, der größte Teil
der Bevölkerung (14,5 Mio. Menschen)
lebt im Süden, der Norden erstreckt sich
bis tief in die Sahara. 2013 hatten fran-
© KS / Doreen Bierdel
Vorbereitung auf seelsorgerliche Einsatzbegleitung
zösische und afrikanische Truppen Islamisten im Norden Malis vertrieben, doch
die Lage gilt als fragil und verfahren. Die
Bevölkerung ist arm, die Zahl der Analphabeten hoch, die Lebenserwartung
niedrig.
JV
Aus der Militärseelsorge
aktion kaserne übergab das Friedenslicht an die Militärseelsorge
Ein Licht für den Frieden
General Katz nahm als Vertreter der Streitkräfte das Licht persönlich in Empfang, um es
mithilfe der Luftwaffe auch zu den Soldatinnen
und Soldaten im Ausland zu fliegen. In seinem
Dank betonte Katz, wie wichtig gerade solch
kleine Symbole für Soldatinnen und Soldaten
im Einsatz sind.
Mit Blick auf die Bedeutung des Lichtes für die
Soldatinnen und Soldaten im Ausland erläuterte Benedikt Kestner, Sprecher der aktion
kaserne: „Das Friedenslicht ist ein Zeichen,
dass wir an unsere Soldatinnen und Soldaten
denken, ihnen den Frieden wünschen und dafür beten, dass sie gesund an Leib und Seele
wieder in die Heimat zurückkehren. Es soll sie
auch an ihre besondere Verantwortung für den
Frieden erinnern. Darüber hinaus ist es eine
Erinnerung für die Mitglieder in unseren Verbänden, an die Soldatinnen und Soldaten im
Einsatz zu denken.“
Stefan Dengel
© Bundeswehr / Schrief (2)
Mitte Dezember 2015 wurde das Friedenslicht aus Betlehem an die Militärseelsorge in
Köln-Wahn übergeben. Diese gab es an die
Soldatinnen und Soldaten im Inland und mit
Unterstützung der Luftwaffe auch im Ausland
weiter.
Der Leitende Militärdekan Rainer Schnettker
eröffnete die Feier, in der das Friedenslicht
an die Bundeswehr überreicht wurde. Dieses
Licht wird jedes Jahr im Advent in der Geburtsgrotte Jesu in Betlehem entzündet und von
Pfadfinderinnen und Pfadfindern als Zeichen
für Frieden und Völkerverständigung in zwanzig
europäischen Ländern verteilt. Vertreterinnen
und Vertreter der Pfadfinderinnenschaft Sankt
Georg (PSG) und der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg (DPSG) stellten bei der
Feier das Motto 2015 „Hoffnung schenken –
Frieden finden“ vor, mit dem besonders ein
Zeichen für Menschen auf der Flucht und für
Gastfreundschaft gesetzt wurde.
von links: Stefan Dengel (ak), Andrea Hanisch (PSG), Christian Schnaubelt (DPSG), Benedikt Kestner (ak),
Brigadegeneral Katz (Luftwaffe), Oberstleutnant Juncker (Luftwaffe), Leitender Militärdekan Schnettker
(Katholisches Militärdekanat Köln), Militärdekan Voos (Evangelisches Militärpfarramt Köln II)
© KS / Doreen Bierdel (2)
Hilfe, die ankommt
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kurie des Katholischen Militärbischofs in Berlin beschenkten sich zu Weihnachten 2015
nicht gegenseitig, sondern sammelten stattdessen Kinderkleidung, Spiel- und Schulsachen für Flüchtlingsfamilien. Im Rahmen
eines Adventsgottesdienstes mit Militärbischof Overbeck spendeten sie außerdem
die Kollekte, um ihnen Gegenstände des
täglichen Bedarfs zur Verfügung zu stellen.
Diese Sach- und Geldspenden wurden dann
vor Weihnachten persönlich in eine Notunterkunft in der ehemaligen Märkischen Kaserne
in Lehnitz bei Oranienburg gebracht. Durch
die persönliche Überreichung wurde sichergestellt, dass die Geschenke auch bei den
Menschen ankamen.
JV
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Glaube, Kirche, Leben
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© Autor: Torsten Bierdel
Großer Bruder sein, ist nicht immer einfach. Gerade
jetzt, wo es draußen so ungemütlich ist und es schon
früh dunkel wird. Denn nun spiele ich öfter im Haus und
damit automatisch mehr mit meiner kleinen Schwester.
Im Sommer gehe ich viel mit Freunden Fußballspielen
oder Schwimmen, und meine Schwester spielt dann
meistens vor dem Haus im Garten.
Da unsere Zimmer direkt nebeneinander liegen, dauert
es meist nicht lange, bis sie in meiner Tür steht und bei
mir spielen möchte. Manchmal versucht sie sich dann
genau das Spielzeug zu schnappen, mit dem ich gerade
spiele, oder sie stellt sich auf die Zehenspitzen und angelt nach einem der großen Lego-Star-Wars-Raumschiffen im Regal. Ab hier wird es echt anstrengend, denn sobald ich „Nein!“ sage, beginnt das immer gleiche Spiel:
Anfangs tut sie so, als ob sie gar nichts gehört hätte.
Wenn ich mein „Nein!!“ dann lauter wiederhole, schiebt
sie ihre Unterlippe nach vorne, macht eine „Schippe“
und dann kann man mitzählen: „Drei, zwei, eins“ und
los geht die Heulerei. Dann dauert es keine Minute,
bis Mama oder Papa in der Tür stehen und fragen, was
denn jetzt schon wieder los sei. Glaubt mir, es ist völlig
sinnlos, ihnen jetzt irgendwas erklären zu wollen, denn
ihre Antwort lautet immer: „Nils, sie ist doch so klein,
sie versteht das noch nicht. Versucht doch bitte beide
miteinander zu spielen.“ Dann lassen sie mich wieder
mit ihr alleine. Ich brodele innerlich, doch meine kleine
Schwester schaut mich lächelnd an: „Siehst du, Mama
hat erlaubt!“
Völlig auf mich allein gestellt, heißt es nun klug zu handeln, sonst fängt sie gleich wieder zu weinen an und ich
kriege noch eine moralische Gardinenpredigt. Also sage
ich: „Wollen wir bei Mama malen? Du darfst auch alle
meine neuen Stifte benutzen.“ „Ja, malen!“, schreit sie
und rennt ins Büro. Ich trotte hinterher und lege ihr die
Stifte hin. „Kannst du nicht bei dir im Zimmer malen?“,
fragt Mama. Und los geht’s, die Unterlippe meiner kleinen Schwester schiebt sich nach vorne und …, den Rest
kennt ihr ja schon. Ich sage nur: „Aber sie ist doch so
klein, das versteht sie noch nicht“, und gehe wieder in
mein Zimmer spielen.
Sicher, meine Schwester kann einem schon manchmal
richtig auf die Nerven gehen, aber man muss sagen, sie
ist fair dabei. Sie lässt Mama und Papa genau so wenig
eine Chance wie mir.
(ɂʑɠ1ɵOɡ
22
Kompass 01I16
Segen bringen, Segen
sein. Respekt für dich,
für mich, für andere – in
Bolivien und weltweit!
Unter diesem Motto ziehen rund um den 6. Januar 2016 wieder
etwa 330.000 Sternsinger durch die Pfarrgemeinden in ganz
Deutschland. Begleitet werden sie von 90.000 ehrenamtlichen
Helfern. Dabei möchten die Sternsinger zeigen, wie wichtig gegenseitiger Respekt ist. Denn viel zu oft werden Kinder und
Jugendliche ausgeschlossen, diskriminiert oder respektlos behandelt, weil sie eine andere Herkunft haben, anders aussehen oder einfach anders sind.
Auch in Bolivien, dem Beispielland der 58. Aktion Dreikönigssingen, machen Jungen und Mädchen diese Erfahrung. Viele Familien ziehen in der Hoffnung auf ein besseres Leben vom Land
in die Städte. Oft schämen sie sich für ihre indigene Herkunft,
für ihre Zugehörigkeit zu Volksgruppen, die das Land schon vor
der Eroberung des südamerikanischen Kontinents durch die
Europäer bewohnt haben. Viele legen ihre traditionelle Kleidung
ab, verbergen ihre Muttersprache und passen sich an – und
laufen dabei Gefahr, ihre Identität zu verlieren.
Die Materialien zur Sternsingeraktion zeigen, was das für Kinder bedeutet, und wie die Projekte der Sternsinger sie stärken
und fördern. Beispielhaft stellen wir das Projekt Palliri in der
bolivianischen Großstadt El Alto vor, das die Sternsinger unterstützen. In einem Kindergarten, einem Kinder- und Jugendzentrum und einer Fußballschule stärken die Palliri-Mitarbeiter
Kinder und Jugendliche, indem sie mit ihnen Werte wie Selbstvertrauen, Teamgeist und Respekt leben. Denn nur wer sich
selbst respektiert, kann auch andere respektieren. Bei Palliri
entwickeln sich die Kinder zu selbstbewussten jungen Menschen, die stolz auf ihre Herkunft sind.
Cristóbal und Ronald, die Jungen auf dem Sternsingerplakat,
gehen zur Fußballschule des Projekts Palliri. Selbstbewusst lachen die beiden in die Kamera und zeigen, dass Freundschaft
und Respekt keine Frage der Herkunft sind.
Alle Infos zur Aktion und den
Sternsingerfilm von und mit
Reporter Willi Weitzel gibt’s
unter www.sternsinger.de
Glaube, Kirche, Leben
AKZEPTIERT.INTEGRIERT.RESPEKTIERT.
Die Bundeswehr in der Welt zu Hause!?
13. KUNSTWETTBEWERB
DER BUNDESWEHR
2016
Kunstwettbewerb gestartet
Trennung von Familie und Freunden,
Einsätze unter Lebensgefahr, echte
Kameradschaft oder Unverständnis
im Bekanntenkreis: Der Alltag als Soldatin oder Soldat ist eine Herausforderung, die sich Außenstehende nur
sehr schwer vorstellen können. Der
13. Kunstwettbewerb lädt auch in diesem Jahr Angehörige der Bundeswehr
dazu ein, kreativ darzustellen, wie es
sich anfühlt, Soldatin oder Soldat zu
sein, Wochen oder Monate fernab der
Heimat zu verbringen und einen Beruf
auszuüben, der mit keinem anderen
vergleichbar ist.
Das Thema des Wettbewerbs 2016
lautet „Akzeptiert. Integriert. Respektiert. – Die Bundeswehr in der Welt
zu Hause!?“ Einsendeschluss ist der
30. Juni 2016.
Der Bundeswehr-Kunstwettbewerb wird
seit 1997 im Wechsel von der Evangelischen und der Katholischen Arbeitsgemeinschaft für Soldatenbetreuung e. V.
(EAS / KAS) durchgeführt.
Das wär doch was für mich
Mutter-Kind-Kuren
Soldaten und ihre Familien sind außergewöhnlichen Lebensumständen ausgesetzt. Gerade vor, während und nach einem Auslandseinsatz sind Soldatenfrauen und Soldatinnen mit vielerlei Stressfaktoren konfrontiert.
Deshalb bietet die Katholische Arbeitsgemeinschaft für Soldatenbetreuung
e. V. (KAS) in Kooperation mit der Katholischen Familienstiftung für Soldaten
(KFS) und dem ITZ Caritas-Haus Feldberg im Schwarzwald eine präventive
Mutter-Kind-Kur zur Entlastung von (zivilen) Soldatenfrauen und Soldatinnen
an. In den dreiwöchigen, mehrmals im Jahr angebotenen Durchgängen ist
zusätzlich zu den üblichen Behandlungen eine psychologisch geleitete Gesprächsgruppe für Soldatenfrauen und Soldatinnen integriert.
Begleitkinder werden in der Klinik altersgerecht betreut, ältere Kinder aller
Klassenstufen in der klinikeigenen Schule unterrichtet. Auch sie können in
der integrierten Rehaklinik behandelt werden.
Weitere Informationen zur Kurklinik finden
Sie unter www.caritas-haus-feldberg.de
Kostenlose Beratung zur Kuranmeldung
unter der Hotline 0800 / 5 87 20 01
Kurtermine 2016
Kurtermine 2017
(Zivile) Soldatenfrauen
09.02.-01.03.2016
12.04.-03.05.2016
14.06.-05.07.2016
08.11.-29.11.2016
(Zivile) Soldatenfrauen
31.01.-21.02.2017
14.03.-04.04.2017
06.06.-27.06.2017
21.11.-12.12.2017
Soldatinnen
06.09.-27.09.2016
Soldatinnen
19.09.-10.10.2017
Weitere Informationen finden Sie
unter www.kunstbw.de
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Medien
Filmtipp:
„Kann ich Gott spielen?“ – diese Frage ist so alt wie die Menschheit selbst.
Schon in der Erzählung von Adam und Eva in der Genesis – dem ersten
Buch der Bibel – wird mit dieser Versuchung gespielt: Die Versuchung, vom
Baum der Erkenntnis zu essen, Gut und Böse unterscheiden und Gott gleich
zu werden. In dem Film DIE VORSEHUNG, der am 31. Dezember 2015 in
unseren Kinos angelaufen ist, geht es um diese Versuchung, Gott selbst
spielen zu wollen.
Alles ist gekleidet in eine Kriminalgeschichte: rätselhafte Morde – immer mit
demselben Zeichen einer zwölf Zentimeter langen Stichwunde am Nacken,
immer ratloser werdende Polizisten und ein Polizeipsychologe außer Dienst.
Dieser Dr. John Clancy (Anthony Hopkins) hat Fähigkeiten, die man übernatürlich nennen kann. Schließlich lässt Clancy, der nach dem Krebstod
seiner Tochter allein und zurückgezogen lebt, sich mit ins polizeiliche Boot
holen. Recht bald erkennt er, dass der Mörder schon alles von ihm und seinen Ermittlungserfolgen weiß und ihm immer einen Schritt voraus ist. Mitten
in der Handlung erfährt der Zuschauer auch seinen Namen und sieht sein
Gesicht: Charles Ambrose (Colin Farrell).
Ambrose ist es, der quasi Gott spielt – denn er hat mit seiner Gabe der
Vorsehung bei all seinen Opfern todbringende Krankheiten entdeckt und will
ihnen einen langen und schmerzhaften Tod ersparen. Ambros will seinen
Opfern mit einem nahezu schmerzfreien Stich in den Nacken den aus seiner Sicht schnellsten und besten Weg ins andere Leben „schenken“.
Auch wenn VORSEHUNG nicht der klassische Krimi mit der erst zuletzt gelösten Frage nach dem Mörder ist, erweisen sich seine 100 Filmminuten
doch als spannendes Kinovergnügen bis zum letzten Moment. Immer wieder gibt es neue Wendungen, immer wieder staunt man über die Wege,
welche die Filmhandlung einschlägt.
Außerdem lässt der brasilianische Regisseur Afonso Poyart sehr tief in die
Seele seiner Protagonisten blicken. Das ist für einen Film des Kino-Mainstreams doch ziemlich ungewöhnlich. Verlassen kann sich der Regisseur
dabei auf erstklassige Schauspieler: Anthony Hopkins als Vorherseher im
Dienst des FBI und Collin Farrell als mörderischer Gegenspieler.
VORSEHUNG ist allerdings keine leichte Kinokost, auch wenn er unterhaltsam daherkommt. Die Regie und auch das Drehbuch muten dem Zuschauer eine Vielzahl kunstvoll und anspruchsvoll gestalteter Bilder zu. Und manche Szene wird man nicht los – selbst wenn die letzte Zeile vom scheinbar
endlosen Abspann abgerollt ist.
DIE VORSEHUNG. SOLACE
USA 2015
100 Minuten
mit Anthony Hopkins und Colin Farell
Regie: Alfoso Poyart
Das Kinojahr fängt also gut an. VORSEHUNG ist auch ein Film, der mir
manch menschlich-religiöse Frage mit auf den Weg gibt: „Kann / darf ich
Gott spielen?“, oder „Kann ich mir bei aller Vorsehung und Vorbestimmtheit
auch noch einen eigenen Weg, eine eigene Entscheidung leisten?“ Diese
bildgewaltige Fragestellung und die Meditation dazu sollte man vor allem
auch der Bilder wegen auf der großen Kinoleinwand nicht verpassen.
Thomas Bohne, Mitglied der
Katholischen Filmkommission
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Kompass 01I16
Buchtipp:
„Wer Menschen im Mittelmeer ertrinken lässt, lässt Gott ertrinken.“ So
umreißt der Pastoraltheologe und Pastoralpsychologe Dr. Dr. Michael Gmelch
sein neues Buch, das ab Januar 2016
erworben werden kann. Gmelch weiß
worüber er schreibt. Er leitet als Militärdekan das Katholische Militärpfarramt
Flensburg. Zu diesem Militärpfarramt
gehören Soldatinnen und Soldaten der
Marine. Gmelch selbst nahm am Einsatz der Deutschen Marine „Humanitäre Hilfe zur Rettung von in Seenot geratenen Flüchtlingen im Mittelmeer“ teil.
„Noch bevor die große Flüchtlingswelle
Europa erreichte, begegnete Michael
Gmelch als Helfer auf einem Rettungsschiff und auf der Insel Lampedusa der
Hoffnung und Verzweiflung der Menschen, die vor Krieg und Terror geflohen waren“, so der Ankündigungstext
des Echter Verlags, der mit der Veröffentlich dieses Buches den Fokus auf
die damit verbundene „Herausforderung für Christen“ lenken möchte: „Ich
war fremd und obdachlos und ihr habt
mich aufgenommen.“ Aus diesen Worten Jesu leitet Militärdekan Gmelch seine Motivation ab, für Flüchtlinge eine
Lanze zu brechen. Er will mit seinem
Buch dazu beitragen, die derzeitige gesellschaftliche und politische Diskussion in Deutschland und anderswo in
eine Richtung zu lenken, die im christlichen Glauben und auf der damit verbundenen Überzeugung fußt.
JK
Michael Gmelch „Refugees welcome – Eine Herausforderung für Christen“
ca. 180 Seiten, 12×20 cm, Broschur; Preis 14,90€; ISBN 978-3-429-03933-2
Arbeitshilfe:
Solidarität mit verfolgten und bedrängten
Christen in unserer Zeit – Syrien
Die Situation der Christen in Syrien hat sich in den vergangenen vier
Jahren dramatisch verschlechtert. Der Bürgerkrieg dauert an und auf
absehbare Zeit ist keine friedliche Lösung des Konflikts in Sicht. Die
Berichte über die Gräueltaten der Terrorgruppe „Islamischer Staat“
(IS) reißen nicht ab. Seit vielen Monaten suchen zehntausende Menschen aus Syrien in Deutschland Schutz und Sicherheit. Dabei ist wenig über die religiösen und kulturellen Hintergründe dieser Menschen
bekannt. In der Arbeitshilfe werden die Hintergründe der aktuellen
Entwicklung dargestellt und die Situation der Christen beleuchtet. Die
verschiedenen Berichte über die Situation in Syrien geben ein erschreckend deutliches Zeugnis vom anhaltenden Exodus der Christen.
Mit der vor einigen Jahren ins Leben gerufenen Initiative „Solidarität
mit verfolgten und bedrängten Christen in unserer Zeit“ stellen die
deutschen Bischöfe jährlich ein anderes Land in den Mittelpunkt. Die
Auseinandersetzung mit der Verfolgung und Diskriminierung von Christen, die in vielen Teilen der Welt weiter anhält, soll so auf möglichst
breiter Ebene lebendig gehalten werden. Die Arbeitshilfe von 2015
richtet sich daher vor allem an die Gemeinden und ist zur Auslage in
den Pfarreien bestimmt.
Als Arbeitshilfe Nr. 277 zu beziehen bei
der Deutschen Bischofskonferenz
www.dbk.de bzw. zum Herunterladen
als PDF-Datei.
Kompass 01I16
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Medien
Ab Januar im Buchhandel:
Personalia
Personalveränderungen in der
Katholischen Militärseelsorge
Mit dem neuen Jahr 2016 führen wir
in Kompass. Soldat in Welt und Kirche
unter der gewohnten Rubrik „Personalia“ einen neuen Service ein: Voraussichtlich einmal im Quartal listen wir
auf, wenn Militärpfarrämter umbenannt oder verlegt werden, wenn Militärseelsorger und -seelsorgerinnen
neu eingestellt, versetzt oder verabschiedet werden, und berücksichtigen
solche Veränderungen zukünftig auch
bei Pfarrhelfern und -helferinnen. Natürlich werden auch weiterhin in Einzelfällen Ehrungen, Einführungen oder
feierliche Verabschiedungen mit Bild
und Text gewürdigt.
Hier zunächst Veränderungen, die den
Zeitraum Mitte Oktober 2015 bis Anfang Januar 2016 betreffen:
• Mit Ablauf des 31.10.2015 wurden
die Katholischen Militärpfarrämter Bremerhaven und Delmenhorst aufgelöst.
Infolgedessen wurde Pastoralreferentin
Carola Lenz von Bremerhaven nach Osterholz-Scharmbeck und Militärpfarrer
Martin Roth von Delmenhorst in das
neu einzurichtende Militärpfarramt Oldenburg versetzt – beide mit Wirkung
bereits vom 1.10.2015.
• Militärpfarrer Steffen Karas
verließ Ende Oktober 2015
das Katholische Militärpfarramt
Schönewalde und kehrte in den
Dienst des Erzbistums Berlin
zurück.
• Dr. Marco Schrage
wurde mit Wirkung vom
1.11.2015 für das Katholische Militärpfarramt Appen
ernannt und am 1.12. feierlich an der Unteroffizierschule
der Luftwaffe als Militärpfarrer eingeführt.
• Pfarrer Jürgen Stahl wurde
offiziell zum 1.11.2015 als Militärgeistlicher in Stetten am kalten
Markt eingestellt.
• Militärpfarrer Bernhard Tschullik wurde
mit Wirkung vom 1.11.2015 von Stetten
a. k. M. an das Deutsche Katholische
Militärpfarramt USA (Fort Bliss) versetzt.
• Zum 1.1.2016 wechselt Pfarrhelferin
Barbara Rinas vom Katholischen Militärpfarramt Rotenburg / Wümme nach
Seedorf.
• Dekanat Kiel
• Dekanat Köln
• Dekanat Berlin
• Dekanat München
• Gleichzeitig wird Pfarrhelfer Johannes
Neuhaus vom Katholischen Militärpfarramt Seedorf an das neue Katholische
Militärpfarramt Oldenburg versetzt.
Jörg Volpers
VORSCHAU: Unser Titelthema im Februar
Wallfahren und Pilgern steht im Mittelpunkt der nächsten
Ausgabe der Zeitschrift des Katholischen Militärbischofs. Wir
wollen der Frage nachgehen, woher es kommt und was die
Gründe dafür sein können, dass in nahezu alle Religionen
auf der Welt von „wallfahren und pilgern“ die Rede ist.
Das mexikanische Guadalupe ist mit rund 14 Millionen Pilgern jährlich der meistbesuchte römisch-katholische Wallfahrtsort der Welt, die Menschen erweisen dort der Jungfrau
von Guadalupe die Ehre.
Im Islam gibt es den Haddsch – die Wallfahrt zur Kaaba in
Mekka. Bei anderen Religionen sind Wallfahrten ebenso bekannt: Im Hinduismus pilgern Gläubige zu verschiedenen
Orten. Auch der Shinto, die Religion Japans, kennt Pilgerfahrten. So wird dort zum Ise-Großschrein gepilgert. Es gibt
buddhistische Pilgerwege, wie den Shikoku-Pilgerweg mit
insgesamt 88 Tempeln.
Seit den 1970er Jahren hat die Pilgerschaft auf dem Jakobsweg einen großen Aufschwung erlebt. Der Schauspieler,
26
Kompass 01I16
Sänger und Entertainer Hape Kerkeling, der mit der Feststellung: „Ich bin dann mal weg“, seine Reise auf dem Jakobsweg schildert, sorgt wohl mit für den hohen Beliebtheitsgrad
des Pilgerwegs, der am angenommenen Grab des Apostels
Jakobus in Santiago de Compostela in Spanien endet.
2016 werden wieder etwa 10.000 Pilger aus 30 Nationen
bei der 58. Internationalen Soldatenwallfahrt vom 18. bis
24. Mai 2016 in Lourdes dabei sein. Seit 1958 kommen
alljährlich Soldaten aus aller Welt dorthin, um ein lebendiges
Zeugnis für den Frieden abzulegen. Soldatinnen und Soldaten aus Deutschland sind immer dabei. Die jährlich stattfindende Soldatenwallfahrt nach Lourdes zählt zu den Angeboten der Katholischen Militärseelsorge in Deutschland.
Warum dies so ist und welches die Hinter- und Beweggründe
sind, kann in der Februar-Ausgabe nachgelesen werden.
Josef König
Rätsel
Kindle Ebook-Reader zu gewinnen!
Wir verlosen ein Kindle, 15,2 cm (6 Zoll) Touchscreen ohne Spiegeleffekte. Mit Ihrer
Teilnahme sichern Sie sich eine Gewinnchance, sobald Sie uns das richtige
Lösungswort mitteilen.
Die Lösung bitte bis
26. Januar 2016
Gewinner des Rätsels der Ausgabe 12/15 sind:
Roswitha Swaton aus Neubrandenburg,
Christian Sell aus Munster und
Michelle Huuk aus Eckernförde.
Wir gratulieren!
Lösungswort: NAZARETH ist eine Stadt im Norden
Israels in der Landschaft Galiläa. Die Kreuzfahrer
errichteten in der Heimatstadt Marias, und damit
Jesu, an Stelle der von Konstantin erbauten byzantinischen Kirche eine große franziskanische Basilika.
Seit dem Mittelalter war die Stadt vorwiegend von
arabischen Christen bewohnt.
an die Redaktion Kompass.
Soldat in Welt und Kirche
Am Weidendamm 2
10117 Berlin
oder per E-Mail an
[email protected]
(Wir bitten um eine Lieferanschrift und um freiwillige Altersangabe.)
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kurie des Katholischen Militärbischofs (Berlin) und deren Angehörige
sind nicht teilnahmeberechtigt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
Kompass 01I16
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