Kindheit im Wandel der Zeit Zur Entwicklungsgeschichte von Kindheit im heutigen Österreich und Deutschland Abstract Die gesellschaftspolitischen Veränderungen sowie deren Auswirkungen auf das Bild vom Kind, vom 15. Jhdt. bis ins Jahr 2015, werden dargestellt. Es wird ein Überblick vom Beginn des Wahrnehmens von Kindheit als eigenständige Lebensphase, über das Jahrhundert des Kindes, den Einbruch positiver, am Kind orientierter Strömungen durch den Nationalsozialismus sowie die weiteren Entwicklungen bis ins Jahr 2015 gegeben. Abschließend werden Forderungen an die Elementarpädagogik 2020 thematisiert. 15. bis 17. Jahrhundert Ständeordnung / Klerus – Adel – Bauern Ammenwesen in höheren Schichten Kinder der Bauern bei den Eltern (Aries, 1975; Schmidt, 1999) D Ab 16. Jhdt. Zentralstaat Kernfamilie Wandel der Familie - von der Institution zur moralischen Anstalt Beginn der Geburtenkontrolle (Aries, 1975) Gesellschaftliches Leben auf Straßen und Plätzen Kein spezieller Schonraum, kein Schutz, keine Erziehung Kinder kommen ab dem 7. Lebensjahr für ihren Unterhalt auf Ab 16. Jhdt. Trennung Erwachsenen- und Kinderwelt Erziehungsziel Unterscheidung Gut und Böse Trennung der Geschlechter Von der gottgewollten Ordnung zur Vernunftgesellschaft Französische Revolution Menschen- und Bürgerrechte Industriegesellschaft Interesse an gebildeten Arbeitskräften Trennung von Arbeitsplatz und Privatsphäre Frauen- und Kinderarbeit Beginn der institutionellen Kinderbetreuung 1774 – die allgemeine Schulpflicht wird von Maria Theresia eingeführt (Bamler, Schönberg & Wustmann, 2010; Lex-Nalis, 2014) D (Aries, 1975; Messerer, 2008) 18. bis 19. Jahrhundert I E Kindheit / Definition Als Kindheit bezeichnet man in der Entwicklungspsychologie den Zeitraum von der Geburt bis zur geschlechtlichen Entwicklung (Pubertät), […]. Im engeren Sinne folgt die Kindheit auf das Kleinkindalter (2. und 3. Lebensjahr) und gliedert sich in frühe Kindheit, die Altersspanne vom beginnenden 4. bis zum vollendeten 6. Lebensjahr, mittlere Kindheit, die Altersspanne vom beginnenden 7. bis zum vollendeten 10. Lebensjahr, späte Kindheit, die Altersspanne vom beginnenden 11. bis zum vollendeten 14. Lebensjahr. (Stangl, W. o. J. Hervorh. im Original) A Kindheit wird als eigener Lebensabschnitt definiert Bewusste Erziehung und Bildung ReformpädagogInnen verändern das Bild vom Kind (J.J. Rousseau, J.H. Pestalozzi, W. von Humboldt, F. Fröbel, J.P.F. Richter, E. Key, M. Montessori) Bürgertum: Erste Kindergärten entstehen 1840 - F. Fröbel gründet die erste Spiel- und Beschäftigungsanstalt, den ersten Kindergarten der Welt, in Blankenburg Arbeiterklasse: Kinderbewahranstalten S (Bamler, Schönberg & Wustmann, 2010; Lex-Nalis, 2014) B Erste Hälfte des 20. Jahrhunderts G E S E L o o o o o Entwicklung zur Wissensgesellschaft Kindergesellschaft – 35 % Kinderanteil 1869 - Verbot von Kinderarbeit wird langsam verwirklicht Allgemeine Schulpflicht im Bürgertum wird realisiert Sozialistischer Ansatz – „Das rote Wien“ – Reformen für die Ärmsten Errichtung menschenwürdiger Wohnungen Waschküchen und Badeanstalten Grünflächen und Kinderspielplätze Mutterberatungsstellen, Zahnambulatorien, Tuberkulosestellen Städtische Bibliotheken, Vortragssäle (Bamler, Schönberg & Wustmann, 2010; Lex-Nalis, 2015) Nationalsozialismus Erziehung zur „reinen Rasse“ Unwertes Leben jeglicher Art sollte „ausgerottet“ werden Bildungssektor Schule wird durch die nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV), welche der NSDAP unterstellt war, übernommen Übernahme des elementarpädagogischen Bereiches nur zu 20 % (dezentralisierte Organisationsstruktur und Mangel an ideologisch geschultem Fachpersonal) Reformpädagogische Ansätze wie z.B. der Ansatz Maria Montessoris wurden unterdrückt, Montessoris Bücher wurden verbrannt, sie flüchtete, über Spanien und Amsterdam, nach Indien. (Hamann, 2013; Heiland, 2014; Lex-Nalis, 2015) L S C 1924 - Genfer Erklärung über die Rechte der Kinder Entwicklung zur Individualität Reformpädagogen postulieren das positive Bild vom Kind J.H. Pestalozzi – Erziehung/Bildung in Harmonie von Herz, Kopf und Hand F. Fröbel - Jeder Unterricht muss vom Menschen ausgehen E. Key ruft das „Jahrhundert des Kindes“ aus C. Freinet – Das Kind als handelndes, sich selbst entwickelndes und die eigene Welt konstruierendes Subjekt M. Montessori – Das kompetente, soziale Kind als „Baumeister seiner selbst“ im Mittelpunkt unseres Denkens und Handelns Erziehung nach nationalsozialistischer Weltanschauung Triebunterdrückung, Stärke, Bindungslosigkeit, Härte, Gefühlskälte, Gehorsam Buben: Erziehung zum tapferen Soldaten Mädchen: Erziehung zur aufopferungsvollen Mutter Fernhalten von allem Abb.6: Bewegung und Aufenthalt im Freien sollten die Kinder Religiösen abhärten und „stählen“. Quelle und Copyright: St. Nikolaus(Hamann, 2013; Lex-Nalis, 2015) A F T D V O Orientierung durch Normierungen und gesellschaftliche Standards entfällt Kulturelle Diversität entsteht 2009 BildungsRahmenPlan Recht des Kindes auf Respektierung seiner Individualität Recht des Kindes sich nach seinem eigenen Lern- und Lebensrhythmus zu entwickeln o Recht auf ein Aufwachsen in Würde, Toleranz, Frieden und Gesundheit o Recht auf umfassende Bildung von Anfang an o o M (CBI, 2009) K (Bamler, Schönberg & Wustmann, 2010; Lex-Nalis, 2015; Oberhuemer & Schreyer, 2010) H L stiftung. In: Hamann (2013). „Den Führer erhalte uns Gott …“. 20. Jahrhundert bis 2015 1945 - Die Demokratische Republik Österreich wird ausgerufen 3. Industrielle Revolution Wissens- und Wohlstandsgesellschaft Neue Medien (Fernseher, Computer, Internet, Handy, …) werden für nahezu alle Gesellschaftsschichten leistbar 1957 - Sputnikschock (UdSSR schießt ersten Satelliten ins Weltall) und wirtschaftlicher Aufschwung (gut ausgebildete Arbeitskräfte fehlen) 1960er Schulreform (neun Pflichtschuljahre, Hochschulausbau, …) Bedarf an institutioneller Kinderbetreuung steigt 1990er - Kindergärten auf dem Weg zu Bildungsinstitutionen Erste Pilotprojekte zur tertiären Ausbildung im elementarpädagogischen Sektor – Deutschland ab dem Jahr 2004, Österreich ab 2014 I Forderungen an die Elementarpädagogik 2020 Kinder sind neugierig. Sie wollen (gemeinsam) sich selbst sowie „ihre“ Welt erforschen, Erfahrungen sammeln, Fehler machen, verstehen, lernen, Entwicklungsund Lernschritte entsprechend ihres Potentials, in ihrem Tempo, selbstbestimmt und durch Eigenmotivation meistern - und sie haben ein Recht darauf. (Copyright Foto: Gerlinde Sucher) I Im Sinne des Vermächtnisses von Univ.-Prof. Dr. Bernd Schilcher fordern wir … die Gleichstellung der Kindergärten mit den Schulen und der KindergartenpädagogInnen mit den LehrerInnen … ein flächendeckendes Angebot an elementarpädagogischen Einrichtungen sowie bundesweite Ganztagsangebote …, dass sämtliche PädagogInnen ein und dasselbe Bundesdienstrecht und Besoldungsrecht haben … die Überführung der Kindergärten in die Bundeskompetenz und die Verabschiedung eines Bundesrahmengesetzes (ÖDKH, 2015) Literaturverzeichnis Ariès, P. (1975). 6. Auflage. Geschichte der Kindheit. München: Carl Hanser Verlag. Bamler V., Schönberg I., Wustmann C. (Hrsg.). (2010). Lehrbuch Elementarpädagogik. Theorien, Methoden und Arbeitsfelder. München: Juventa Verlag. Hamann, G. (2013). „Den Führer erhalte uns Gott …“ – Die katholischen Kindergärten Wiens zur Zeit des Nationalsozialismus. Wien: St. Nikolaus-Kindertagesheimstiftung. Lex-Nalis, H. (2014). Elementarpädagogik im Wandel der Zeit. Unveröffentlichte Präsentation. Salzburg: St. Virgil. Lex-Nalis, H. (2015). Elementarpädagogik im Wandel der Zeit. Unveröffentlichte Präsentation. Salzburg: St. Virgil. ÖDKH. (2015). Bildungsexperte Bernd Schilcher tot. Verfügbar unter: http://elementarbildung.blogspot.co.at/2015/05/univ-prof-dr-bernd-schilcher-ist-tot_30.html?view=sidebar N Kinder wollen Begleitung um in Ko-Konstruktiven Prozessen, gemeinsam mit ihren Entwicklungs- und Bildungspartnern, nächste Schritte ihrer individuellen Entwicklung zu gehen – Jedes Kinde hat ein Recht darauf, sich nach seinem eigenen Lern- und Lebensrhythmus zu entwickeln. (Copyright Foto: Gerlinde Sucher) Gerlinde Sucher – Leiterin einer elementarpädagogischen Einrichtung in Salzburg. Montessori-Pädagogin. ULG-Elementarpädagogik laufend. [email protected] Eva Stiegler-Obermoser – Elementarpädagogin in einem Magistratskindergarten in Salzburg. ULG- Elementarpädagogik laufend. [email protected] D
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