Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung WBF Agroscope Grosse Sorgen, kleine Sorgen – Risikowahrnehmung von Bäuerinnen und Bauern Esther Kobel und Christine Jurt Tänikoner Agrarökonomie-Tagung, 10. September 2015 www.agroscope.ch I gutes Essen, gesunde Umwelt Ausgangslage Risikomanagement wird in der agrarökonomischen Literatur grösstenteils durch Modelle abgebildet, die davon ausgehen, dass Risiken und Chancen bewertet werden, welche es ermöglichen (sollten) Entscheidungen rational zu treffen (Darnhofer 2010 ). Klassischer Entscheidungsbaum: Investition (bauliche Massnahmen) Neue Kosten Keine Bussen Nicht befolgte Massnahme Busse oder Keine Kosten Neue Vorschrift (z.B. Tierwohl) Grosse Sorgen, kleine Sorgen – Risikowahrnehmung von Bäuerinnen und Bauern | 38. Tänikoner Agrarökonomie-Tagung 2015 Esther Kobel | © Agroscope | Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH | Tänikon 1, 8356 Ettenhausen 2 In der Realität… Grosse Sorgen, kleine Sorgen – Risikowahrnehmung von Bäuerinnen und Bauern | 38. Tänikoner Agrarökonomie-Tagung 2015 Esther Kobel | © Agroscope | Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH | Tänikon 1, 8356 Ettenhausen 3 Fragestellung Welche Risiken und Chancen nehmen bäuerliche Familien in der Schweiz wahr? Wie gewichten die bäuerlichen Familien diese? Können sie auf Grund der Gewichtung der von ihnen wahrgenommenen Risiken und Chancen in Gruppen eingeteilt werden? Wenn ja in welche, und wodurch charakterisieren sich diese? Grosse Sorgen, kleine Sorgen – Risikowahrnehmung von Bäuerinnen und Bauern | 38. Tänikoner Agrarökonomie-Tagung 2015 Esther Kobel | © Agroscope | Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH | Tänikon 1, 8356 Ettenhausen 4 Methoden und Vorgehen Phase 1: Erhebung und Auswertung qualitativer Daten 29 semi-strukturierte Interviews Auswertung der Risiken und Chancen sowie ihrer Gewichtungen Phase 2: Schweizweite, schriftliche Befragung bäuerlicher Familien Rücklauf: 41% (n=1229) Auswertungen (48 Risiken bzw. Chancen) Phase 3: Gruppendiskussion und weitere Experteninterviews zur Kontextualisierung der Resultate 1 Gruppendiskussion, 2 Experteninterviews Grosse Sorgen, kleine Sorgen – Risikowahrnehmung von Bäuerinnen und Bauern | 38. Tänikoner Agrarökonomie-Tagung 2015 Esther Kobel | © Agroscope | Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH | Tänikon 1, 8356 Ettenhausen 5 Umfrage zu Wahrnehmungen von Risiken und Chancen bei bäuerlichen Familien in der CH Fragebogen: Sozioökonomische Variablen (Befragte, Familie und Betrieb) Kontext und dessen Wahrnehmung Finanzielle Situation Unterstützung und soziale Einbettung Wissen Politische Mitsprachemöglichkeiten Risikoeinschätzungen Grosse Sorgen, kleine Sorgen – Risikowahrnehmung von Bäuerinnen und Bauern | 38. Tänikoner Agrarökonomie-Tagung 2015 Esther Kobel | © Agroscope | Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH | Tänikon 1, 8356 Ettenhausen 6 Charakteristika: Alter Altersklasse <25 8% 6% 8% 25-34 25% 20% 35-44 45-54 55-64 33% >64 Diagramm 1: Anteil der Befragten nach Altersklasse Grosse Sorgen, kleine Sorgen – Risikowahrnehmung von Bäuerinnen und Bauern | 38. Tänikoner Agrarökonomie-Tagung 2015 Esther Kobel | © Agroscope | Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH | Tänikon 1, 8356 Ettenhausen 7 Charakteristika: Geschlecht Geschlecht Männer 39% 61% Frauen Diagramm 2: Anteil der Befragten nach Geschlecht Grosse Sorgen, kleine Sorgen – Risikowahrnehmung von Bäuerinnen und Bauern | 38. Tänikoner Agrarökonomie-Tagung 2015 Esther Kobel | © Agroscope | Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH | Tänikon 1, 8356 Ettenhausen 8 Charakteristika: Position Position in dem Betrieb Betriebsleiter/In 3% 2% 1% Mitarbeitende/-r Familienangehörige/-r 19% Nichtmitarbeitende/-r Familienangehörige/-r Andere 75% Angestellte/-r Diagramm 3: Anteil der Befragten nach Position auf dem Betrieb Grosse Sorgen, kleine Sorgen – Risikowahrnehmung von Bäuerinnen und Bauern | 38. Tänikoner Agrarökonomie-Tagung 2015 Esther Kobel | © Agroscope | Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH | Tänikon 1, 8356 Ettenhausen 9 Charakteristika: Betriebsgrösse Betriebsgrösse 9% 0-<5 ha 19% 40% 5-<10 ha 10-<20 ha 32% >20 ha Diagramm 4: Anteil der befragten Betriebe nach Betriebsgrösse Grosse Sorgen, kleine Sorgen – Risikowahrnehmung von Bäuerinnen und Bauern | 38. Tänikoner Agrarökonomie-Tagung 2015 Esther Kobel | © Agroscope | Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH | Tänikon 1, 8356 Ettenhausen 10 Charakteristika: Haupt- oder Nebenerwerbsbetrieb Haupterwerbs- oder Nebenerwerbsbetrieb 28% Haupterwerbsbetrieb 72% Nebenwerbsbetrieb Diagramm 5: Anteil an Haupt- und Nebenerwerbsbetrieben Grosse Sorgen, kleine Sorgen – Risikowahrnehmung von Bäuerinnen und Bauern | 38. Tänikoner Agrarökonomie-Tagung 2015 Esther Kobel | © Agroscope | Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH | Tänikon 1, 8356 Ettenhausen 11 Charakteristika: Situation auf dem Betrieb Situation auf dem Betrieb 9% Etabliert und beständig Etabliert und wachsend 11% 51% 11% 18% Im Prozess der Hofaufgabe Im Prozess der Betriebsleitungsübergabe Aufbauend Diagramm 6: Situation auf dem Betrieb Grosse Sorgen, kleine Sorgen – Risikowahrnehmung von Bäuerinnen und Bauern | 38. Tänikoner Agrarökonomie-Tagung 2015 Esther Kobel | © Agroscope | Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH | Tänikon 1, 8356 Ettenhausen 12 Charakteristika: Ausserbetriebliches Einkommen Summe des ausserbetrieblichen Einkommens am Gesamteinkommen 0% 12.7% 1 - 20 % 24.8% 12.1% 21 - 40 % 41 - 60 % 13.7% 12.8% 24.0% 61 - 80 % 81 -100 % Diagramm 7: Anteil des ausserbetrieblichen Einkommens am Gesamteinkommen Grosse Sorgen, kleine Sorgen – Risikowahrnehmung von Bäuerinnen und Bauern | 38. Tänikoner Agrarökonomie-Tagung 2015 Esther Kobel | © Agroscope | Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH | Tänikon 1, 8356 Ettenhausen 13 Charakteristika: Finanzielle Situation Finanzielle Situation des Betriebs sehr schlecht eher schlecht es reicht gerade eher gut sehr gut 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% Diagramm 8: Selbsteinschätzung der finanziellen Situation der Betriebe Grosse Sorgen, kleine Sorgen – Risikowahrnehmung von Bäuerinnen und Bauern | 38. Tänikoner Agrarökonomie-Tagung 2015 Esther Kobel | © Agroscope | Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH | Tänikon 1, 8356 Ettenhausen 14 Charakteristika: Unterstützung Bei wem suchen Sie am ehesten Unterstützung, wenn Sie Hilfe auf dem Betrieb brauchen? Familie Freundeskreis Nachbarn Landwirtschaftliche Beratung Bäuerliche Institutionen (SBV,… Andere Kirchliches Umfeld Vereine (z.B. Feuerwehr) Soziale Beratung Sorgentelefon (Mehrere Antworten möglich) 0% 20% 40% 60% 80% 100% Diagramm 9: Angaben der Befragten, bei wem sie am ehesten Unterstützung suchen Grosse Sorgen, kleine Sorgen – Risikowahrnehmung von Bäuerinnen und Bauern | 38. Tänikoner Agrarökonomie-Tagung 2015 Esther Kobel | © Agroscope | Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH | Tänikon 1, 8356 Ettenhausen 15 Charakteristika: Soziale Unterstützung Beistand Ich habe genügend Menschen in meinem Umfeld, die mir in schwierigen Zeiten beistehen Trifft eindeutig zu Trifft eher zu Wir meistern schwierige Zeiten meist alleine in der Familie/Verwandtschaft Trifft eher nicht zu Unterstützung zu bekommen wird immer schwieriger Trifft gar nicht zu 0% 50% 100% Diagramm 10: Angaben der Befragten zu sozialer Unterstützung Grosse Sorgen, kleine Sorgen – Risikowahrnehmung von Bäuerinnen und Bauern | 38. Tänikoner Agrarökonomie-Tagung 2015 Esther Kobel | © Agroscope | Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH | Tänikon 1, 8356 Ettenhausen 16 Risikoeinschätzung aller Befragten Bienensterben Trennungen/Scheidungen Grenzöffnungen/Freihandel Abnahme der landwirtschaftlichen… Depressionen/Burnout Krankheit in der Familie Arbeitsbelastung/Stress Verlust der Selbstständigkeit Gentechnologie in der Schweizer… Abhängigkeit vom Staat Wettererextreme Keine Frau auf dem Betrieb Suizid Alkoholismus Keine soziale… Abnahme der Biodiversität 1 Total der Befragten… 3 1 = sehr grosses Risiko 5 7 9 11 11 = sehr grosse Chance Diagramm 11: Risikoeinschätzung Faktoren 1-16 Grosse Sorgen, kleine Sorgen – Risikowahrnehmung von Bäuerinnen und Bauern | 38. Tänikoner Agrarökonomie-Tagung 2015 Esther Kobel | © Agroscope | Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH | Tänikon 1, 8356 Ettenhausen 17 Risikoeinschätzung aller Befragten Veränderungen der… Zu wenig Arbeitskräfte auf dem… Klimawandel Produktepreisentwicklung Einkommenslage Solidarität der bäuerlichen… Schweizer Agrarpolitik Investitionen Politischen Änderungen Energieknappheit Zuwanderung von ausländischen… Zugang zu landwirtschaftlichen… Wasserverfügbarkeit Zahlungsbereitschaft der… Kultureller und sozialer… Betriebsvergrösserungen 1 Total der Befragten… 3 1 = sehr grosses Risiko 5 7 9 11 11 = sehr grosse Chance Diagramm 12: Risikoeinschätzung Faktoren 17-32 Grosse Sorgen, kleine Sorgen – Risikowahrnehmung von Bäuerinnen und Bauern | 38. Tänikoner Agrarökonomie-Tagung 2015 Esther Kobel | © Agroscope | Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH | Tänikon 1, 8356 Ettenhausen 18 Risikoeinschätzung aller Befragten Wertschätzung der Arbeit Flächenmässiges Wachstum der… Umweltstandards/Labels Image der bäuerlichen… Solidarität der nicht-bäuerlichen… Erweiterung der Betriebszweige Marktorientierung Kinderbetreuung Nachbarschaftshilfe Nebenerwerb Traditionen Stellenwert der Nahrungsmittel Stellenwert des lokalen Wissens Tourismus Anerkennung des Beitrags der… Beziehung zur Natur 1 Total der Befragten… 3 5 7 9 11 Diagramm 11: Risikoeinschätzung Faktoren 33-48 Grosse Sorgen, kleine Sorgen – Risikowahrnehmung von Bäuerinnen und Bauern | 38. Tänikoner Agrarökonomie-Tagung 2015 Esther Kobel | © Agroscope | Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH | Tänikon 1, 8356 Ettenhausen 19 Risikoeinschätzung: Total Risikoeinschätzung aller Befragten 1 = sehr grosses Risiko 11 = sehr grosse Chance Diagramm 14: Risikoeinschätzung Total Grosse Sorgen, kleine Sorgen – Risikowahrnehmung von Bäuerinnen und Bauern | 38. Tänikoner Agrarökonomie-Tagung 2015 Esther Kobel | © Agroscope | Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH | Tänikon 1, 8356 Ettenhausen 20 Risikoeinschätzung: Cluster 1 = sehr grosses Risiko 11 = sehr grosse Chance Grosse Sorgen, kleine Sorgen – Risikowahrnehmung von Bäuerinnen und Bauern | 38. Tänikoner Agrarökonomie-Tagung 2015 Esther Kobel | © Agroscope | Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH | Tänikon 1, 8356 Ettenhausen 21 Risikoeinschätzung: Geschlecht 1 = sehr grosses Risiko 11 = sehr grosse Chance Grosse Sorgen, kleine Sorgen – Risikowahrnehmung von Bäuerinnen und Bauern | 38. Tänikoner Agrarökonomie-Tagung 2015 Esther Kobel | © Agroscope | Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH | Tänikon 1, 8356 Ettenhausen 22 Risikoeinschätzung: Betriebssituation 1 = sehr grosses Risiko 11 = sehr grosse Chance Grosse Sorgen, kleine Sorgen – Risikowahrnehmung von Bäuerinnen und Bauern | 38. Tänikoner Agrarökonomie-Tagung 2015 Esther Kobel | © Agroscope | Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH | Tänikon 1, 8356 Ettenhausen 23 Schlussfolgerungen Es gibt eine sehr starke Grundtendenz bezüglich der Wahrnehmungen von Risiken und Chancen, die sich in allen untersuchten Gruppen findet und nicht mittels sozioökonomischer Merkmale erklärt werden kann. Ökonomische Risiken sind zentral, gehören aber nicht alleine zu den hoch eingeschätzten Risiken. Soziale Risiken (z.B. Scheidungen/Trennungen wie auch Burnout/ Depressionen, Krankheit in der Familie, Arbeitsbelastung/ Stress), kulturelle und ökologische Risiken werden ebenfalls hoch eingeschätzt. Grosse Sorgen, kleine Sorgen – Risikowahrnehmung von Bäuerinnen und Bauern | 38. Tänikoner Agrarökonomie-Tagung 2015 Esther Kobel | © Agroscope | Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH | Tänikon 1, 8356 Ettenhausen 24 Schlussfolgerungen Es ist wichtig, diese Risiken nicht isoliert sondern im Hinblick auf ihre Verbindungen mit weiteren wahrgenommenen Risiken und Chancen zu betrachten. Solche Verbindungen zwischen den Risiken und Chancen aus einer Innensicht decken sich nicht immer mit wissenschaftlichen oder politischen Sichtweisen. Sie machen aber innerhalb ihres spezifischen Kontextes Sinn und müssen im Betriebsmanagement berücksichtigt werden. Eine aktive Berücksichtigung aller Risikobereiche ist für ein erfolgreiches und robustes Risikomanagement der Familienbetriebe unabdinglich. Grosse Sorgen, kleine Sorgen – Risikowahrnehmung von Bäuerinnen und Bauern | 38. Tänikoner Agrarökonomie-Tagung 2015 Esther Kobel | © Agroscope | Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH | Tänikon 1, 8356 Ettenhausen 25
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