Rede Christoph Weber-Berg

Ansprache „Aufstehen für Anstand“
Anlässlich der Kundgebung vom 22. September 2015
Pfr. Dr. Christoph Weber-Berg, Kirchenratspräsident
Geschätzte Kundgebungsteilnehmerinnen und
Kundgebungsteilnehmer!
Ich freue mich, dass ihr alle hier seid, und damit zeigt:
Aufstehen für Anstand!
Das ist die Parole des heutigen Tages!
Hunderttausende von Menschen sind in Not.
Und da gibt es Leute, die angesichts dieser Not in
Internetkommentaren und sozialen Netzen ihrem
Rassismus freien Lauf lassen.
Hitzköpfe mit kalten Herzen.
Was wir brauchen sind kühle Köpfe und warme Herzen!
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In den Kirchen und hier an dieser Kundgebung stehen wir
auf für Respekt, Menschlichkeit, und Solidarität – für
„Nächstenliebe“, wie es in der Bibel heisst.
Da, in der Bibel, fragt der „barmherzige Samariter“ den
Verletzten, den auf dem Weg findet, auch nicht zuerst, ob
er ein Visum, einen Heimatschein oder eine
Aufenthaltsgenehmigung hat. Er hilft, weil ein Mensch in
Not ist.
Und die Pointe: Der Samariter ist selber ein Fremder! In
der Geschichte der einzige, der Hilfe leistet.
Heute soll es uns nicht um polemisch oder
wahlkampfstrategisch aufgeheizte Asylpolitik gehen.
Man kann nämlich in der Asylpolitik durchaus
unterschiedlicher Auffassung sein.
Deshalb ist man noch lange kein Rassist oder
Fremdenhasser.
Genau deshalb müssen auch wir hier kühlen Kopf
bewahren.
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Heute soll es um Respekt, Anstand und Menschlichkeit
gegenüber Menschen gehen, die vor Krieg, Terror und
Gewalt auf der Flucht sind.
Für diese Menschen, Menschen wie Du und ich, brauchen
wir warme Herzen.
Ich spreche hier als Mann der Kirche. Ich spreche nicht für
und nicht gegen irgendeine Partei, sondern für Respekt
und Menschlichkeit.
Ich spreche vom Evangelium, von der christlichen
Botschaft, dass jeder Mensch vor Gott gleich ist, von Gott
so angenommen wie er ist.
Das befreit uns vor Angst. Es befreit uns dazu, uns für
Menschen als Menschen zu öffnen, egal aus welcher Kultur
oder Religion sie kommen.
Ich behaupte nicht, die Bibel stelle hier einfache
Patentrezepte zur Verfügung. Aber da, wo es um
Menschlichkeit, Anstand und Solidarität geht, da ist das
Evangelium sehr klar:
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Christus sagt dort: „Ich war hungrig, und ihr habt mir zu
essen gegeben. Ich war durstig, und ihr habt mir zu trinken
gegeben. Ich war fremd, und ihr habt mich aufgenommen.“
Und dann:
„Was ihr einem dieser Geschwister getan habt, das habt ihr
mir getan!“
Man hat uns vorgeworfen, die Kirche mische sich mit dem
Evangelium als Vorwand in die Politik ein.
Man hat uns vorgeworfen, wir lassen uns für den
Wahlkampf instrumentalisieren.
Ich sage ganz klar: Nein! Ich bin nicht hier, weil irgendeine
Partei hier ist, ich bin nicht hier, weil Kandidatinnen und
Kandidaten für National- und Ständerat hier sind.
Ich bin hier, weil ich im Namen der Landeskirchen zu
Menschlichkeit und Solidarität in der Flüchtlingsfrage
aufrufe, …
ich bin hier, weil es angesichts der grossen Zahl von
Flüchtlingen, die unweigerlich auf Europa zukommt, um
die Verhinderung einer humanitären Katastrophe geht.
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Ich bin hier weil es um Menschen geht. Menschen mit
Namen, mit einer Geschichte, mit Ängsten, Hoffnungen und
einem Haustürschlüssel in der Hosentasche, den sie
vielleicht nie mehr brauchen können.
Es darf nicht sein, dass in diesem Umfeld im Internet, auf
Foren und sozialen Netzen Scharfmacher provozieren und
hetzen, Angst und Verunsicherung verbreiten.
Wenn wir von den Menschen auf der Flucht reden, dann
reden wir zuerst von den Schrecken und dem Elend, das
sie durchmachen.
Niemand geht freiwillig auf eine Odyssee mit so
ungewissem Ausgang.
Niemand bringt freiwillig seine eigenen Kinder in solche
Gefahr.
Anstand heisst: Die Not dieser Menschen ernst nehmen,
und nicht zuerst schon mal vorsorglich – und
wahrscheinlich unbegründet – um den eigenen Wohlstand
und die Ruhe in der Nachbarschaft fürchten.
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Niemand leugnet die Herausforderungen, die sich stellen,
wenn Flüchtlinge zu uns kommen.
Das erfahren wir in Kirchgemeinden, die sich aufmachen,
um etwas zu tun.
Das erfahren wir in der landeskirchlichen Seelsorge an den
Asylzentren in Basel oder in Bremgarten.
Das erfahren wir auf der Rechts- und Sozialberatung für
Asylsuchende und Flüchtlinge von HEKS und Caritas.
Niemand behauptet, an den Ursachen der Flucht ändere
sich irgendetwas zum Guten, wenn wir hier Flüchtlinge
aufnehmen.
Aber: Wenn Flüchtlinge zu uns kommen, so sollen sie hier
als Menschen wahrgenommen werden, und zwar als
Menschen auf Augenhöhe.
Es darf nicht sein, dass sie hier auf lauter Hitzköpfe und
kalte Herzen stossen!
Was wir brauchen sind kühle Köpfe und warme Herzen.
Timeout für wahlkampfgesteuerte Asylpolitik.
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Aufstehen für Anstand.
Einstehen für Mitmenschlichkeit.
Im Namen der Kirchenräte der Aargauer Landeskirchen
danke ich Euch für Eure Aufmerksamkeit!
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