Predigt von Pastorin Dr. Katrin Gelder zum Thema „Engel“ am Sonntag, den 5. Juli im Nikodemus-Gemeindezentrum in Schellhorn Liebe kleine, aber feine Gemeinde an diesem sonnigen und heißen Sonntag, ich sagte es vorhin schon in der Begrüßung: Ich habe Ihnen heute eine Predigt mitgebracht zu einem Thema, das mir am Herzen liegt. Das ist mindestens der Fall, seit ich Ende der achtziger und Anfang der neunziger Jahre in einer St. Gabriel-Kirche in Hamburg Pastorin war. St. Gabriel – das ist der Engel, der die Geburt Jesu ankündigt. Gabriel – ein Engel an der Pforte zum Leben. Der andere Engel, der immer wieder in der Geschichte der Kirche, auch bei uns Evangelischen, vorkommt, ist der Engel Michael. Er ist der Engel an der Pforte des Lebens zum ewigen Leben. Der Engel Michael kommt in der Bibel vor, wenn es ums Sterben geht, und der Engel Gabriel da, wo es um den Beginn des Lebens geht. Zum Beispiel in der Geschichte von der Geburt Jesu. In unserer St. Gabriel-Kirche in Hamburg-Barmbek sah man auf die Gestalt des Engels Gabriel, wenn man in die Kirche hinein ging. Man guckte nach vorne auf ein großes, rundes Fenster; dies Fenster stellt den Engel Gabriel dar. Es war so, und ist bis heute so wie bei allen bunten Kirchenfenstern: sie sehen besonders schön und sprechend aus, wenn die Sonne scheint und von daher die bunten Farben leuchten. So wird es auch heute sein im Gottesdienst in dieser St. Gabriel-Kirche, dass die Farben am Gewand des Engels Gabriel besonders leuchten. Als ich neu war damals in dieser Kirchengemeinde, erlag ich – so wie manche andere Menschen auch, die in die Kirche hinein gekommen sind – einem Irrtum. Ich dachte nämlich, dass in unserem bunten Glasfenster vorne in der Kirche Maria dargestellt ist. Der Engel dort ist in seiner Gestalt so, dass die Flügel ganz schwer zu erkennen sind, dass er eine weibliche Ausstrahlung hat; und die Haltung, in der der Engel dort zu sehen ist, ist für den ersten Blick so, als ob er etwas behütet und beschützt in seinen Armen. So wie Maria das Jesuskind in ihren Armen behütet und beschützt hat. Irgendwann wurde mir dann deutlich: Nein, es ist nicht Maria, es ist der Engel Gabriel; das ist ja auch naheliegend, wenn man in einer St. Gabriel-Kirche ist. Das Behütende und Beschützende, das von Maria für das Jesuskind ausgeht, geht in diesem Glasfenster vom Engel Gabriel aus für alle Menschen, die in diese Kirche kommen. Etwas davon, was bei mir in dieser Zeit in dieser Begegnung mit dem Engel berührt worden und in Gang gekommen ist, möchte ich Ihnen heute weitergeben. Deswegen predige ich heute über die Engel. Engel sind Botinnen und Boten Gottes. Das Wort Engel kommt von dem griechischen angelos, und angelos heißt übersetzt: Bote, Botin. Engel, das sind in der Bibel Wesen, Gestalten, Kräfte, Mächte, die etwas von der Liebe und der Zuwendung und dem Schutz Gottes zu den Menschen bringen. Lange Zeit konnten viele Menschen mit den Engeln nicht so viel anfangen. In den letzten Jahren und Jahrzehnten hat sich das geändert. Ich erinnere mich: Als ich 1990 in einer anderen St. Gabriel-Kirche einen Vortrag halten sollte weil diese andere St. Gabriel-Kirche ein Jubiläum feierte und sich gedacht hatte: es ist doch schön, wenn die Pastorin von der anderen St. Gabriel-Kirche zu uns spricht - war es ganz mühsam für mich; denn es gab damals, 1990, sage und schreibe vier, fünf Bücher und Hefte zum Thema Engel, die ich auftreiben konnte. Heute füllt das ein Zimmer. Das zeigt – in den neunziger Jahren hat es begonnen -, dass Menschen in der Kirche, Gott sei Dank, sich mehr mit der Bedeutung der Engel beschäftigt haben. Auch deswegen, weil in der Bevölkerung plötzlich eine Sehnsucht nach Engeln auftauchte; die Menschen hatten plötzlich das Gefühl: da begegnet uns etwas von dem Schutz, nach dem wir suchen. Wir sprechen ja auch im Volksmund vom Schutzengel, von dem Engel, der schützt und behütet. Nun ist es in der Bibel – wir haben das auch in der Lesung eben schon gehört aus Psalm 91 – etwas kompliziert mit den Schutzengeln. In der Bibel ist es nämlich nicht so, dass die Schutzengel – so wie man sich das im Aberglauben vielleicht vorstellt -, die Menschen so wie eine magische Kraft vor allem, was hart oder schlimm ist oder böse bewahren. Diese Erfahrung haben wir ja auch: In unserem Leben gibt es neben all dem Schönen und Hellen auch dunkle und schwere Erfahrungen. Da gibt es Unglücke, Unfälle, da gibt es Krankheiten, da gibt es große Enttäuschungen, die Menschen erleben. Da gibt es die Erfahrung, dass es hin und wieder über meine Kräfte geht. Da gibt es die Erfahrung, dass Beziehungen zerbrechen, dass eine Liebe, die getragen hat, so nicht hält. Unterschiedlichste Erfahrungen, dass es nicht immer so schön und hell und freundlich ist wie das Wetter heute. In der Bibel sind Engel Botinnen und Boten Gottes, die die Menschen nicht davor bewahren, dass ihnen auf ihrem Lebensweg auch Schweres passiert. Sie sind Boten und Botinnen Gottes, die mitten im Hellen wie im Dunklen da sind und die Botschaft von der Liebe Gottes zu den Menschen bringen. Sie bewahren also nicht davor, dass auch Schweres geschieht, aber sie wollen den Menschen helfen, da, wo Schweres geschieht, da, wo es dunkel ist, da, wo eine Last drückt, da,wo etwas auf dem Herzen liegt wie ein Stein, darunter nicht zusammenzubrechen. Engel, Schutzengel, wollen den Menschen helfen, ihren Weg immer wieder auch getrost zu finden, also: Trost zu finden inmitten des Dunklen und Schweren, inmitten der Sorgen und Ängste, inmitten von Nachrichten, die uns beunruhigen aus dem unmittelbaren Umfeld oder auch weltweit. Der Kirchenvater Augustin hat einmal gesagt: Menschen, das sind Geschöpfe, die auf dem Weg sind. Dazu passt das, was die Bibel uns von den Engeln erzählt, sehr gut: Die Engel begleiten Menschen auf ihren Wegen, auf ihren Lebens-wegen. Die Engel bewahren Menschen nicht davor, in Bewegung zu kommen, sie bewahren die Menschen nicht davor, dass etwas in Frage gestellt wird, vielleicht auch an Zuversicht und Zutrauen, das so lange da war – sie gehen mit auf dem Weg. So wie Menschen Geschöpfe sind, die ein Leben lang unterwegs sind, so sind die Engel lebendige Mächte und Kräfte im Dienste Gottes, die auch auf dem Weg sind, auf dem Weg mit den Menschen. Durch Dick und Dünn, in Hellem wie in Dunklem. Engel sind so etwas wie die Gestalt, die Verkörperung des Schutzes, den Gott uns gibt; des Schutzes nicht vor Leid und Schwerem, sondern des Schutzes in Leid und Schwerem. Der Taufengel, den wir in unserer kleinen Kirche an der Stadtkirche haben – und der Taufengel, sehr viel später entstanden und nicht fliegend, sondern kniend in der Kapelle Sophienhof -, zeugen auch davon. Sie zeugen von dem Schutz, den Engel uns bringen können. So sind diese Taufengel nämlich überhaupt entstanden. Sie sind entstanden in einer Zeit, in der der Platz in den Kirchen nicht reichte. Das lag daran, dass die Bevölkerung wuchs und dann der Kirchraum zu klein war. Das lag auch daran, dass die Kirche damals das Geld, das sie brauchte, um die Kirche zu erhalten und das Gemeindeleben zu finanzieren, dadurch einnahm, dass sie Plätze in der Kirche vermietete oder verkaufte. Die Menschen, die dann so einen Sitzplatz mieteten oder kauften, wollten nicht auf einem bescheidenen Hockerchen sitzen, sondern auf einem schönen Sessel-artigen Stuhl, der dann natürlich sehr viel mehr Platz nahm. Also passten nicht mehr so viel Sitzplätze in die Kirche. Und dann war die Frage: Was machen wir nun, wenn für das Taufbecken kein Platz mehr ist, weil wir den Platz brauchen, damit mehr Menschen sitzen und am Gottesdienst teilnehmen können? Die Katholiken hatten es da etwas einfacher als die lutherischen Christen. Die Katholiken gingen dazu über, am Eingang der Kirche zu taufen. Luther aber hatte ja gesagt, dass die ganze Gemeinde dabei sein soll, wenn Sakramente, diese besonderen Gaben und Begegnungsweisen Gottes, gefeiert werden, Taufe und Heiliges Abendmahl. Deshalb war es für lutherische Kirchen kein so guter Weg, am Ein- oder Ausgang zu taufen. Man wollte gerne, dass die ganze Gemeinde die Taufe mitfeiern kann. Die reformierten Christinnen und Christen hatten es auch einfacher als die Lutheraner, denn bei den Reformierten sind die Sakramente ja nur eine Zeichenhandlung, sie sind eigentlich nicht so wichtig. Das Eigentliche geschieht für sie da, wo Menschen – so wie ich heute – predigen. Taufe und Heiliges Abendmahl spielen keine so große Rolle. Deswegen war es bei den Reformierten so, dass man dann ein Gestell nahm, das baute man auf, das stellte man hin, dann legte man eine Taufschale darauf, dann taufte man und dann klappte man das Gestell wieder zu. Das wurde dann auch in manchen lutherischen Kirchen so gemacht, aber die Lutheraner fanden das doch nicht so befriedigend. Sie empfanden: einfach aufklappen und zuklappen, schnell hinstellen und dann wieder weg, da wird eigentlich nicht deutlich, wie wichtig die Taufe ist. Das ist provisorisch, nichts Halbes und nichts Ganzes. So fragte man sich: Was können wir denn nun machen? Da kam man auf die Idee, einen Taufengel zu schaffen, der über der Gemeinde schwebt, also keine Sitzplätze wegnimmt. Immer dann, wenn ein Mensch getauft wird, ein Kind oder auch ein Erwachsener, wird dieser Taufengel herunter gelassen, und es wird dann die Taufschale auf die Flügel, auf den Kopf, auf die Arme gelegt – das war unterschiedlich bei den Taufengeln -.; und wenn dann die Taufe gewesen ist, wird der Taufengel nach oben gezogen, dann ist er weiter da, mitten in der Gemeinde, aber er nimmt keinen Platz weg. Nun kann man sich ja fragen: Wieso gerade ein Taufengel? Da komme ich auf das zurück, was ich über den Schutz gesagt habe. Es gibt nämlich etwas, was die Engel in der Bibel und die Taufe miteinander verbindet. Und das ist der Schutz. Wir hoffen und wünschen, dass der Schutz Gottes für das kleine Kind in der Taufe besonders sichtbar wird und diesem Kind besonders zugesprochen wird. Genauso setzen wir darauf, dass Engel Mächte und Kräfte Gottes sind, die uns schützen. Und weil das gemeinsam ist, diese Sehnsucht nach Schutz und dies Zutrauen, dass es Schutz durch Gott gibt bei der Taufe und bei den Engeln, deshalb hat man dann die Taufengel geschaffen, deshalb ist man auf diese Idee gekommen. Das gab es ja bis dahin nicht. Wir kennen sie heute, die Taufengel. Doch man muss sich das einmal vorstellen: In einer Zeit, in der es das noch nie gegeben hat, kommen Menschen auf diese Idee. Sie kommen auf diese Idee, weil sie in ihrem Herzen getragen und überzeugt sind und ihnen das so hilft, dass Gott ihnen Schutz sendet. In der Taufe wie durch seine Engel. Ich wünsche uns allen, dass wir jetzt in dieser warmen und hellen Sommerzeit uns immer wieder einmal auf Gottes Engel besinnen. Diejenigen, denen es im Moment besonders gut geht, weil sie dieses Wetter genießen können, weil sie vielleicht für sich selbst oder in ihrem Umfeld etwas, was schwer war, überwunden haben. Und diejenigen, für die es inmitten dieses schönen und sonnigen Wetters im Moment nicht so leicht ist – weil eine Nachricht sie erreicht hat über Krankheit oder Sterben; weil sie vielleicht selber einen Stein auf dem Herzen fühlen; weil sie sich viele Gedanken und Sorgen machen. Die meisten von uns sind ja beides, auch in der Sommerzeit. Es gibt unterschiedliche Phasen und Stimmungen im Leben. Aber für die meisten von uns ist es doch so, dass auch wenn wir eine fröhliche Phase erwischt haben, es durchaus Tage und Situationen gibt, in denen uns etwas beschwert. Und dass umgekehrt für die, die im Moment eine schwere Phase erwischt haben, es Momente und Situationen gibt, in denen unser Herz richtig fröhlich ist. So wünsche ich uns, dass wir in dem Schweren nicht versinken und dass wir da, wo wir froh sind, auch den Dank nicht vergessen. Und dass wir uns davon begleiten lassen, dass Gott mit uns geht; dass er seine Engel zu uns sendet. Gemäß dieses Psalmwortes, das wir gehört haben: „Gott hat seinen Engeln befohlen über dir, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen; dass sie dich auf den Händen tragen und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest.“ Das ist ein Bild. Es verweist uns darauf, dass wir getragen werden und dadurch dann nicht auf der steinigen Erde anecken. Dass wir getragen werden auch über Schotter und steinige Wege hinweg, und die Menschen, die uns wichtig sind und zu uns gehören ebenso. Das wünsche ich uns an diesem Sonntag Morgen. Das ist für mich die Botschaft des Engels Gabriel, die Botschaft der Bibel. Ich wünsche Ihnen, dass es für Sie auch so ist, immer wieder neu; dass Sie etwas spüren von dieser behütenden und stärkenden Kraft der Engel Gottes. Amen
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