Die Heiratsstrafe, ein ewiges Übel?

Datum: 09.01.2016
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Die Heiratsstrafe, ein ewiges Übel?
Am 28.Februar stimmen wir Über die Volksinitiative der CVP «Für Ehe und Familie - gegen die Heiratsstrafe» ab.
Einig sind sich alle Parteien, die steuerliche Benachteiligung von Ehepaaren abschaffen zu wollen - aber nicht mit den Rezepten der CVP
von Sven Altermatt
muss er sich dem Entscheid des
Was fordert die Heiratsstrafe- Parlaments fügen. Dieses hat die
zur Individualbesteuerung wohl vom
Tisch. Diese Einschränkung ging vor
allem bürgerlichen Parlamentariern
zu weit. Mit der Individualbesteuerung würden Ehepaare ihr
Einkommen nicht mehr zusammen,
sondern jeweils einzeln versteuern.
Initiative? Die Initiative der CVP Nein-Parole beschlossen.
will die sogenannte Heiratsstrafe
beseitigen: Ehepaare sollen im
Was ist das Hauptargument
Steuerrecht gleich behandelt werden
der Gegner? Die Initiative
wie Unverheiratete. Vor allem Doppeldefiniert die Ehe als «auf Dauer
verdiener-Ehepaare sind heute noch angelegte und gesetzlich geregelte
Warum stösst die Initiative
immer schlechter gestellt - was
Lebensgemeinschaft von Mann und
trotz Nachbesserungen imdas Bundesgericht schon 1984 als
Frau». Mit diesem Passus hat sich die
mer noch auf Ablehnung? Den
diskriminierend erklärte. Mit der
CVP keinen Gefallen gemacht. Andere
Ausschlag im Parlament gaben letztInitiative soll zudem verhindert
Lebensformen würden per Verfaslich die hohen Kosten, die die Initiatiwerden, dass Ehepaare bei den Sozial- sung von der Ehe ausgeschlossen.
ve verursachen würde. Diese verlangt
versicherungen benachteiligt werden. «Man könnte darüber nicht einmal
nämlich nicht nur eine Gleichbehandmehr auf Gesetzesstufe diskutieren», lung von Ehepaaren bei den Steuern,
Wie präsentiert sich die
sagt die abtretende Finanzministerin sondern auch bei den Sozialversicheheutige Situation? Die Heirats- Eveline Widmer-Schlumpf.
rungen. Die bürgerlichen Gegner
strafe betrifft hauptsächlich die
warnen:
Allein bei der AHV könnten
Bundessteuer, denn die meisten KanWarum wurde die umMehrausgaben von zwei Milliarden
tone haben ihre Gesetzgebung bereits
stritten Ehedefinition nicht Franken drohen, wenn die Plafonieangepasst. Laut dem Bundesrat sind
einfach gestrichen? Die CVP
rung von Ehepaarrenten aufgehoben
derzeit noch rund 8000o Ehepaare
versuchte zu retten, was noch zu
würde.
Bei den Sozialversicherungen
benachteiligt. Trotz allfälliger Abzüge
retten war: Die Gegner betrachteten seien die Ehepaare heute alles andere
und einem milderen Tarif zahlen sie ihre Initiative als Trick, um die Ehe
als benachteiligt, auch dank Erleichteim progressiven Steuersystem unverfür Homosexuelle zu verunmöglichen rungen. So kommen sie etwa in den
hältnismässig viel, weil ihre Einkomund die Individualbesteuerung lang- Genuss von Witwenrenten, die unmen zusammengerechnet werden.
fristig zu verhindern. Deshalb zeigte verheirateten Paaren nicht zustehen.
Wer unterstützt die Initiative? sich die CVP bereit, die Ehedefinition Die Linke fürchtet sich dagegen vor
Steuerausfällen. Die Abschaffung der
zu streichen. Auch die eingetragene
Und wer bekämpft sie?
Heiratsstrafe soll, je nach Umsetzung,
Partnerschaft
sollte
berücksichtigt
Neben der CVP stellten sich im
zu Mindereinnahmen von bis zu
werden. Ein entsprechender GegenParlament auch SVP, BDP und EVP
2,3 Milliarden Franken führen.
hinter die Initiative. Dagegen waren vorschlag zur eigenen Initiative
FDP, SP, Grüne und GLP. Die Neinscheiterte jedoch im Parlament. AnWie geht es nach der AbstimParole haben zudem die grossen
genommen wurde vorerst ein direkter
mung am 28.Februar weiter?
Wirtschaftsverbände und der
Gegenvorschlag, der auf eine EheDie Heiratsstrafe soll abgeschafft
Gewerkschaftsbund gefasst.
definition verzichtete. Am Ende wurwerden - zumindest das wollen alle
Der Bundesrat unterstützte de dieser in der Schlussabstimmung Parteien. Uneinig sind sie sich über
die beste Form der Ehepaarbesteueerst die Initiative. Warum ist des Ständerats ebenfalls abgelehnt.
rung. Wird die CVP-Initiative aner nun plötzlich dagegen?
Die Ehe wird von der CVP
genommen, könnte sie laut dem
Weil er dazu verpflichtet ist. Der
auch
als
WirtschaftsgemeinBundesrat etwa mit einem SplittingBundesrat erachtet die Initiative
schaft definiert. Warum
system umgesetzt werden. Das gegrundsätzlich als Möglichkeit, um
meinsame Einkommen des Ehepaares
die steuerliche Benachteiligung von kritisieren das die Gegner? Wird
die Ehe als Wirtschaftsgemeinschaft wird demnach zu einem tieferen Satz
Ehepaaren aufzuheben. Allerdings
verstanden, ist ein späterer Wechsel
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besteuert als das gleich hohe Einkommen einer unverheirateten Person. Die CVP wünscht sich ein solches
System. Gemäss dem Wortlaut ihrer
Initiative sind jedoch alle Modelle der
gemeinsamen Besteuerung möglich.
OUnd wasNepinarieirtrd bei
1
Initiative abgelehnt, stehen
sämtliche Modelle zur Besteuerung
offen. Auch die Individualbesteuerung. Der Bundesrat liebäugelt mit
einem flexiblen Ansatz: Die Steuerbehörde soll bei Ehepaaren von
Fall zu Fall prüfen, ob eine höhere
Belastung vorliegt und die geschuldete Steuer gegebenenfalls reduzieren.
Dieses Modell wurde in der Vernehmlassung aber stark kritisiert.
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CVP -
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suedostschweiz.ch/dossier
Problem Ehe: Verheiratete Paare müssen mehr Steuern bezahlen als Konkubinatspaare - das soll sich ändern.
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Ist die Initiative der richtige Weg?
PRO
Martin
malen Rente. Und immer noch
sind 80000 verheiratete Paare
von der Heiratsstrafe betroffen
und bezahlen mehr Steuern
als im Konkubinat lebende
Paare. Dies hat auch das
Bundesgericht erkannt und
Bundesrat und Parlament
mehrmals aufgefordert die
Heiratsstrafe abzuschaffen.
Leider ohne Erfolg.
Die CVP hat deswegen zum
Candinas
Bündner
CVP- Nationalrat
«Verheiratete
zahlen mehr
Steuern als NichtVerheiratete»
Seit Jahrzehnten wird in
Bundesbern über die
Abschaffung der Heiratsstrafe diskutiert und dies ohne
nennenswerten Erfolg. Nach
wie vor erhalten unverheiratete, zusammenlebende
Rentnerpaare zwei volle AHVRenten, Ehepaare allerdings
nur 150 Prozent der maxi-
Mittel der Volksinitiative gegriffen. So möchten wir dafür
sorgen, dass die Heiratsstrafe
ein für alle Mal abgeschafft
wird und der nun schon Jahrzehnte dauernde Eiertanz sein
Ende findet. Wir möchten
dabei auch einen Systementscheid für die gemeinsame
Besteuerung von Ehepaaren
und gegen die Individualbesteuerung herbeiführen.
Warum? Die Einführung der
Individualbesteuerung würde
den administrativen Aufwand
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der Steuerverwaltungen und
damit die Kosten massiv steigern. Für die CVP ist zudem
klar, dass die Institution der
Ehe einen besonderen Schutz
verdient. Die heute bestehende
Diskriminierung der Ehe steht
in einem groben Missverhältnis dazu.
Die von den Gegnern der
Initiative geltend gemachte
Kritik an der Definition der
Ehe als Lebensgemeinschaft
zwischen Mann und Frau,
notabene jenes Eheverständnisses, das bei der Totalrevision der Bundesverfassung
1999 von Volk und Ständen
explizit gutgeheissen wurde,
ist fehl am Platz. Erstens, weil
eingetragene Partnerschaften
der Ehe in Steuersachen
gleichgestellt sind und
zweitens, weil die vorliegende
Initiative eine Diskriminierung
in unserem Steuerrecht
beseitigen möchte.
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CONTRA
neue Familienformen
Barbara
Gysi
St. Galler
SP-Nationalrätin
«Die Initiative
entlastet primär
wohlhabende
Ehepaare»
Die CVP will mit ihrer
Initiative in die Ver-
fassung schreiben, dass
allein die Lebensgemeinschaft
von Mann und Frau als Ehe zu
gelten hat. Die CVP diskriminiert damit Hunderttausende
gleichgeschlechtlicher Paare
und blendet die gesellschaftlichen Veränderungen und
völlig aus. Andere sexuelle
Orientierungen, Konkubinat
und Patchworkfamilien
kommen in ihrem Weltbild
anscheinend nicht vor. Die
CVP torpediert damit auch die
Bemühungen für eine «Ehe
für alle» oder «Ehe light».
Die steuerliche Besserstellung traditioneller Ehepaare, wie sie die CVP verlangt,
kommt uns erst noch sehr
teuer zu stehen. Bund,
Kantone und Gemeinden verlieren zwei bis drei Milliarden
Franken Steuereinnahmen pro
Jahr, obwohl lediglich rund
80000 Ehepaare oder Familien
davon profitieren werden. Die
CVP-Initiative entlastet damit
in erster Linie wohlhabende
Ehepaare. Diese Steuer-
erleichterungen sind überholt,
denn in vielen Kantonen
wurden in den letzten Jahren
die Steuergesetzgebungen
angepasst und Ehepaare gleich
oder gar bessergestellt.
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Gleiches gilt für die
Sozialversicherungen: Auch
dort gibt es unter Berücksichtigung aller Komponenten
keine Schlechterstellung der
Ehepaare. Dies hielten der
Bundesrat und die Finanzkommission in der Debatte
fest.
Wirklich gravierend ist
hingegen, dass die neue
Verfassungsbestimmung
die Individualbesteuerung
verunmöglicht. Die
individuelle Besteuerung,
unabhängig vom Zivilstand,
ist die gerechteste Besteuerungsform.
Leider verweigerte sich
die CVP in der Debatte
einem Gegenvorschlag und
zieht es vor, mit dieser Initiative grosse Einnahmenausfälle
zu riskieren und überholte
Wertvorstellungen zu zementieren. Lehnen Sie darum wie
der National- und Ständerat
diese diskriminierende
Initiative ab.
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