zu Hause? Experiment „Leben in Gemeinschaft“

Willkommen zu Hause? Experiment „Leben in Gemeinschaft“
- Sechs Monate Basisgemeinde Wulfshagenerhütten
Willkommen zu Hause! Zu Hause… Was ist eigentlich mein zu Hause? Wo ist zu Hause? Was
ist mir wichtig? Wie will ich leben? Wie will ich ganz persönlich und ganz konkret den Ruf zur
Nachfolge Jesu in meinem Leben umsetzen? Das sind Fragen, die ich mir in den letzten Jahren
mehr und mehr gestellt habe. Ich will nicht, dass das Leben einfach so passiert, dass Jahre
vergehen und ich zurückgucke und denke „Krass, ich wollte doch so viel erreichen! Ich hatte
doch Träume!“ Das Thema „Leben in Gemeinschaft“ fällt mir immer und immer wieder ein,
wenn ich an mein Leben denke; beschäftigt mich, drängt sich mir auf, fordert mich heraus.
Vielleicht eine Sache, die Gott mir auf´s Herz gelegt hat? Die Sehnsucht Jesus ganzheitlich
nachzufolgen, Alltag miteinander zu teilen und zwar über den Gottesdienst hinaus – das war
auch Thema bei Jesus Freaks Köln. Ein Traum, eine Idee, die uns begeistert und fasziniert hat.
Mein Mann und ich haben die Basisgemeinde Wulfshagenerhütten „zufällig“ kennengelernt.
Ein Freund von uns, der hier eine Zeit mit lebte, lud uns ein, ihn zu besuchen. Wir waren schier
überwältigt. Von diesem Ort, von den Menschen hier, geht eine Strahlkraft aus, die anziehend
ist, die motiviert, einlädt und herausfordert. Menschen, die zusammenleben und den Ruf der
Nachfolge Jesu konkret gemeinsam umsetzen. Willkommen zu Hause?
Basisgemeinde - was ist das eigentlich? Im Januar 1983 haben 15 junge Erwachsene mit
insgesamt acht Kindern ihr Geld zusammengelegt, teilweise ihre Häuser verkauft und
gemeinsam die Gebäude und das Grundstück eines alten Kinderheimes der Kieler Stadtmission
aufgekauft. Mehr und mehr Menschen kamen zusammen, zeitweise lebten hier fast 100 Leute.
Es war eine turbulente und dynamische Anfangszeit mit vielen jungen und auch vielen
belasteten Menschen auf der Suche, die zusammenkamen, mit der Vision gemeinschaftlich zu
leben und eine gemeinsame Arbeit aufzubauen, von der man leben kann. Jetzt - nach über 30
Jahren – gibt es eine genossenschaftlich organisierte Werkstatt, die qualitativ hochwertige
Spiel- und Bewegungsgeräte aus Holz für Kindergärten und Schulen herstellt mit einem echt
spannenden pädagogischen und bewegungstherapeutischen Konzept („Pikler- und
Hengstenbergpädagogik“). In der Werkstatt arbeiten mittlerweile auch Menschen von
außerhalb - einige von ihnen hätten auf dem ersten Arbeitsmarkt vermutlich wenig Chancen. Es
gibt drei sanierte Wohnhäuser, in denen Menschen mit unterschiedlicher sozialer Herkunft,
unterschiedlicher Bildung, Junge und Alte, Singles und Familien in Wohngemeinschaften
beieinander wohnen. Die Basisgemeinde ist eine Güter- und Einkommensgemeinschaft, d.h. es
gibt kein privates Eigentum, keine individuellen Konten, keine privaten Einkünfte oder privates
Vermögen. Im Vordergrund stehen das gemeinsame Leben, das gemeinsame Arbeiten und das
gemeinsam-politisch-aktiv-Sein: Das gemeinsame Leben mit gemeinsamer Hauswirtschaft
(Wäscherei; Großküche; zentral-organisiertem Einkauf; gemeinschaftlichen Mahlzeiten; Autos,
Computer, Handys, die geteilt werden; u.v.m.), mit Themenabenden, gemeinschaftlichem
Musizieren und Singen, Andachten, Gebetszeiten, Gottesdiensten, etc. Jeder ist willkommen
sich nach seinen Möglichkeiten, Begabungen und Interessen einzubringen. Auch in der
gemeinsamen Arbeit findet jeder nach seinen Kräften und Fähigkeiten einen Platz. In den 80er
Jahren hat sich die Basisgemeinde politisch stark in der Anti-AKW-Bewegung engagiert und
immer noch wird einmal im Monat an einer Mahnwache vor dem AKW Brokdorf
teilgenommen.
Nach unserer ersten Begegnung mit den Menschen hier hat uns der Gedanke von
gemeinschaftlichem Leben einfach nicht mehr losgelassen. Der Gedanke an die Basisgemeinde
Wulfshagenerhütten kam in allen möglichen Gelegen- und Ungelegenheiten unseres Lebens
hoch und prägte Gedanken, Gespräche, Situationen und Erlebnisse. Schließlich haben wir
angefragt, ob wir für ein halbes Jahr hier mitleben können, um aus der Theorie in die Praxis zu
kommen, um nicht mehr nur über „Leben in Gemeinschaft“ nachzudenken, zu reden, sondern
einfach mal in Gemeinschaft zu leben. Und jetzt sind wir hier. Es ist spannend wie anders es ist
konkrete Erfahrungen zu sammeln, wie nah einem Situationen gehen, die man erlebt, wie nah
einem Menschen kommen, wie gut und auch wie anstrengend es ist so eng zusammenzuleben.
„Leben in Gemeinschaft“ ist ein Spiegel für einen selbst. Ich sehe mich gespiegelt in den
Gesprächen und Begegnungen mit anderen. Und das tatsächlich auf eine ganz andere,
intensivere Art und Weise als in meinem Alltag in Köln. Ich werde mit mir selbst konfrontiert,
mit meinen Stärken, aber eben auch mit meinen Schwächen. Und sogar mit den Dingen in mir,
die ich in meinem Alltag vielleicht einfach unterdrücken oder zur Seite schieben kann. In
Gemeinschaft kommen sie nach und nach ans Licht. Ich erkenne meine eigenen Bedürfnisse
nach Nähe und Distanz viel klarer, meine Schwächen sehe ich deutlich, meine Stärken kann ich
für die Gemeinschaft nutzen. Ich kann mich ausprobieren, Begabungen entdecken, mich
entfalten. Ich darf auf mich selbst hören: Was ist gut für mich? Wieviel Kraft habe ich? Wo
muss ich „Nein“ sagen? Und selbst in dieser kurzen Zeit merke ich, wie ich wirklich
herausgefordert bin. Z.B. in den Begegnungen mit Anderen, wo ich ihre vermeintlichen
Schwächen so deutlich sehe und erlebe, und mit meiner Nächstenliebe an meine Grenzen
komme.
Es ist eine spannende Phase im Moment, die Sten und ich hier mitkriegen. Es ist klar, dass die
Anfangsdynamik vorüber ist. Die Werkstatt, die die Versorgung abdeckt, ist aufgebaut und
läuft. Die Häuser sind - nach jahrelangem Leben unter extrem einfachen Verhältnissen - nun
saniert. Viele der Kinder sind aus dem Haus. Atomkraft ist nicht mehr das aktuellste politische
Thema. Die Frage steht im Raum: Wie soll es weitergehen? Was ist die Vision? Wie kann
gemeinsames Leben und Arbeiten in Zukunft aussehen? Wo können wir uns politisch
engagieren? Zum 11.Januar ist eine syrische Flüchtlingsfamilie in eines der Häuser
miteingezogen. Vielleicht eine Richtung?
Die Menschen hier sind offen und auf der Suche. Sie laden Sten und mich ein, teilzuhaben an
ihrem Alltag, ihrem Leben, ihrer Arbeit, an ihren Fragen und Ideen, aber auch an ihren Ängsten
und Schwächen. Wir dürfen uns einbringen, ausprobieren, mitmachen, Fragen stellen, Kritik
äußern. Es ist spannend. Es tut gut. Es fordert heraus, aktiv auf die Suche zu gehen und danach
zu fragen, wie sich für mich persönlich Christ-sein ganzheitlich leben lässt.
Ist die Basisgemeinde Wulfshagenerhütten der Ort, wo ich leben will? Wo Gott mich sieht?
Willkommen zu Hause? Ich weiß es nicht. Noch nicht. Aber ich bin weiter offen für Gottes
Wegweisung und seine Impulse. Und ich hoffe, dass diese sechs Monate, die Berührungen mit
den Menschen hier, meinen Mann und mich so prägen, dass wir weiter aktiv suchen und
danach fragen, wie wir leben wollen und wo unser Platz in dieser Welt ist.
P.S. Übrigens, falls du Interesse hast: Es gibt Besucherwochen und -wochenenden, wo man die
Basisgemeinde Wulfshagenerhütten - Menschen, Arbeit und Leben - kennenlernen und sich
selbst ein Bild davon machen kann, wie „Leben in Gemeinschaft“ praktisch aussehen kann.
Siehe www.basisgemeinde.de.
Zitate:
GEMEINDE
Gemeinde ist deswegen notwendig, weil ein Einzelner die Sache Gottes, das „Christliche“, das
Evangelium – oder wie man es auch nennen mag – nicht anschaulich machen kann. Denn die
Sache Gottes, das Christliche, ist wesentlich etwas, das sich zwischen den Menschen […]
abspielt: Die Sache Gottes sind die neuen Beziehungen in der Gemeinde. Ein Einzelner kann
keine neuen Beziehungen sichtbar machen.
Gerhard Weber (Ev. Theologe und Mitgründer der Basisgemeinde Wulfshagenerhütten)
ZUHAUSE
Familie ist mehr als eine Blutsverbindung.
Familie, das sind alle Menschen in deinem Leben, die dich in ihr Leben lassen.
Das sind die, die dich so respektieren, wie du bist.
Es sind die Menschen, die dich dafür lieben, wie du bist.
Es sind diejenigen, die alles dafür tun, um dich lächeln zu sehen.
Es sind die, die dich lieben ohne dass du dafür etwas tun musst.
Indho Mohamud Abyan (Flüchtling in Hamburg)
Infos zu mir:
Tabea Dross, 30 Jahre alt, aus Köln. Verheiratet. War lange Jahre bei den Jesus Freaks Köln,
mittlerweile MCC Köln. Bin Krankenschwester, studiere aber seit 2 Jahren: Lehramt für
sonderpädagogische Förderung. Interessen? Reisen. Essen. Diskutieren. Gottesdienste
gestalten. Initiieren. Organisieren. Gemeinschaft. DanceAlong. Musizieren. Brunchen.
Hörspiele.