IM_3_2015_Ethik_XXXkg 20.09.2015 14:56 Seite 184 Produkte & StrategieN: EtHiK Was versteht man unter Asset Allocation 3.0 oder Applied Behavioral Finance? Dynamische Allokationsansätze der dritten Generation mit quantitativen und qualitativen Risikofaktoren sätze. Zur quantitativen Optimierung wurden bei der Asset Allocation 2.0 Mehr-Faktoren-/Mehr-Perioden-Modelle verwendet, deren theoretische Grundlagen bis in die 1970er-Jahre zurückreichen. Doch selbst alternative Anlageklassen konnten sich dem Trend steigender Korrelationen nicht entziehen, wie die gegen eins tendierenden Kor- Asset Allocation 2.0 Markus Schuller und sein Team erachten diese auf der Modern Portfolio Theory (MPT) fußenden Ansätze mit ihren unrealistischen Basisannahmen wie effizienten Märkten (Effizienzmarkthypothese) ohne Informationsasymmetrie und normalverteilten Renditen, stabilen Korrelationszusammenhängen, » Diversifikation nach Risikofaktoren ist wichtiger Bestandteil der Asset Allocation 3.0. « Asset Allocation 1.0 Diese Modelle repräsentieren die erste Generation der Portfoliostrukturierung (zirka 1950–2000). Mit den daraus abgeleiteten Strategien wie Balanced Portfolio (60/40-Portfolio), Long-only, Home Bias oder Buy-and-Hold und der Allokation in traditionelle Assetklassen begann sich die heute weltweit auf rund 30 Billionen USDollar taxierte Publikumsfondsindustrie mit über 77.000 Fondsprodukten zu entwickeln. Mittelwert-Varianz-Optimierung und Effizienzmarkthypothese sind also Ansätze von gestern. Mandelbrot falsifizierte MPt Mag. Markus Schuller, Managing director beim Beratungsunternehmen Panthera Solutions, Monaco relationen in Krisenzeiten belegten. Die Grafik „Vorherrschende Portfoliostrategien“ zeigt, mit welchen Portfoliobestandteilen typischerweise Asset Allocation 1.0. und 2.0 umgesetzt wurde. Volatilität ist nicht gleich Risiko Aufgrund kongruenter Basisannahmen zur Asset Allocation 1.0 wird Risiko künstlich auf Volatilitätsmaße reduziert. Selbst unter Zuhilfenahme komplexer mathematischer Modelle in der Schätzung von Erwartungswerten und Volatilitäten ergaben sich blinde Flecken in der Risikowahrnehmung. rational auf Nutzenmaximierung ausgerichteten Investoren, dem Ausschluss von Liquiditätsproblemen und den Zugang zu unbeschränktem Leverage, dies alles ohne Berücksichtigung von Transaktionskosten, Steuern und Inflation, für heute nicht mehr ausreichend. Sie waren bereits in den 60erJahren von Benoît Mandelbrot falsifiziert worden. Mit zunehmender Globalisierung zeigte sich die Diskrepanz zwischen Basisannahmen und Marktrealitäten, dementsprechend verstärkten sich auch die negativen Implikationen in deren Anwendung. Mit aufkommender Einsicht in die unzureichenden Diversifikationseffekte der Modelle der ersten Generation begannen institutionelle Investoren, ihre klassische Aktienund Anleihenallokationen stetig um weitere Strategien zu ergänzen. Features dieses Die Asset-Allocation-Ansätze 1.0 und 2.0 können nicht die erhoffte Diversifikation sicherstellen. heute noch immer vielfach praktizierten Ansatzes sind eine erhöhte Diversifikation Dominante PortfoliomanagementDominante Portfoliomanagementdurch die Hinzunahme alterStrategien der 1. Generation Strategien der 2. Generation nativer Assetklassen wie Hedgefonds und damit LeLong‐only Buy & Hold Risk Parity Yale verage sowie Private Equity Portfolio Portfolio Portfolio Model und Infrastruktur. Hierzu zählt Markus Schuller, GeMost Diversified Best‐of‐Two Permanent Balanced schäftsführer des in Monaco Portfolio Portfolio Portfolio Portfolio ansässigen Beratungsunternehmens für „Strategic Asset Regelgebundene Ansätze der 2. Generation wie Best-of-Two oder Risikoparität bedeuten eine Disziplinierung und Verbesserung zu früheren Modellen. Um das Jahr 2000 galt vor allem das YaleAllocation Intelligence“ naModell mit alternativen Assetklassen und Leverage als richtungsweisend. Hier bleiben aber Behaviomens Panthera Solutions, etral-Finance-Aspekte und qualitative Risikofaktoren wie Liquiditäts-, Pricing- und Gegenparteienrisiwa das Yale-Modell, RiskQuelle: Panthera Solutions ken sowie strukturelle Risiken unberücksichtigt. Parity- und Best-of-Two-An- Vorherrschende Portfoliostrategien Asset Allocation 1.0 184 Asset Allocation 2.0 Asset Allocation 3.0 stellt auf Risikofaktoren ab Schuller berät Institutionelle wie Privat-/Regionalbanken, Stiftungen und Family Offices, damit sie allokationstechnisch vorankommen und eine Lernkurve hin zur Selbstbefähigung erreichen. „State of the Art“ ist heute nicht mehr eine Diversifikation nach Assetklassen, sondern nach quantitativen und qualitativen Risikofaktoren. Dies geht aber über faktorbasiertes Investieren (Smart Beta) hinaus. Denn Behavioral Finance und Economics-Erkenntnisse über No. 3/2015 | www.institutional-money.com F oto : © pa n t h . s o l . A m Anfang stand das Ein-Faktor-/EinPerioden-Modell, das seinen Siegeszug mit der Dissertation des späteren Nobelpreisträgers Harry M. Markowitz antrat. Sein Mittelwert-Varianz-Optimierer wurde damals als großer Fortschritt im Verständnis von Risiko und Return anerkannt und bildete die Basis für eine Reihe von Ein-Faktor-/Ein-Perioden-Anwendungen wie William Sharpes Gleichgewichtsmodell, das Capital Asset Pricing Model (CAPM). IM_3_2015_Ethik_XXXkg 20.09.2015 14:56 Seite 185 Produkte & StrategieN: EtHiK kognitive Dissonanzen beim Individuum und in Gruppen müssten auch via qualitative Faktoren Berücksichtigung im Domestizieren unserer „Animal Spirits“ finden, so Schuller. Das Im-Zaum-Halten von Emotionen durch lebbare, regelbasierte Prozesse sei ein wichtiger Bestandteil bei gelebter Asset Allocation 3.0. DSAA löst SAA/tAA ab Die Unterscheidung zwischen strategischer und taktischer Asset Allocation (SAA und TAA) werde in Pantheras Set-up aufgelöst, weil sich der Market Timing-Aspekt in der Antizipation von Marktbewegungen oder volkswirtschaftlichen Umkehrpunkten nicht bewährt hat. Vielmehr gehe es bei der Anwendung der dritten Generation um eine Dynamisierung der strategischen Multi-Asset-Allocation (DSAA) und um die Diversifikation nach quantitativen und qualitativen Risikofaktoren, so Schuller weiter. International erkannten erste große institutionelle Investoren bereits diese Zeitenwende in den Basisannahmen und beschäftigen sich mit den Implikationen der Asset Allocation 3.0 auf ihre Anlageprozesse. Die Grafik „Asset Allocation – Generationen“ stellt die Charakteristika der einzelnen Entwicklungszustände einander gegenüber. Behavioral-Finance-Forschung subsumiert werden. Repräsentativ für diese Anwendungsorientierung ist die „Adaptive Market Hypothesis“ (AMH) des MIT-Professors Andrew Lo. Sein Konzept überwindet die Grenzen zwischen Effizienzmarktgläubigkeit und Behavioral-Finance-Theorie. Hier geht es um ein System adaptiver Erwartungen, nicht um Risiko-Ertrags-Relationen, sondern um den Angst-Gier-Zyklus eines Marktteilnehmers im Zuge seiner Zufriedenheitsmaximierung, und anstelle von statischen, linearen Modellen um dynamische, nichtlineare Modelle. Statt effizienter Märkte finden sich bei Lo eine adaptive, breitere Diversifikation von Strategien und Assets, die anstelle der Umsetzung im Long-only-Bereich auf marktkapitalisierungsgewichteter Basis mit Long/Short-Strategien und passiven, transparenten Indizes an den Start geht. Eine Rolle spielt auch die Erkenntnis, dass es sich bei Alpha um ein dynamisches Konstrukt handelt, das im Zeitverlauf in multiple Betas zerfällt. Viel wichtiger sei es, so Schuller, in vordefinierten Nischen jene Manager zu finden, die ihren aktiven Spielraum beim Ausschöpfen einzelner Risikoprämien auch optimal nutzen, operational bestehen und team- und stilkonsistent sind. Zudem sollte der Katalog der alternativen Assets etwa in Richtung Langlebigkeits-Swaps, Cat Bonds, Carbon Credits und intellektuelle Eigentumsrechte erweitert werden. Am Ende steht dann die Emanzipation von der alten Allokationswelt. Angewandte Sozialwissenschaft Schuller hilft Klienten bei der Erstellung eines Regelbuchs, das in seinen Abläufen Erkenntnisse der Verhaltensökonomie einbaut, um von der Theorie erkannte Fehler zu vermeiden. Es geht um die Antizipation des Verhaltens anderer und das Ableiten richtiger Handlungsprämissen für den institutionellen Klienten selbst. Ziel ist das zwar regelgebundene, aber intrinsisch motivierte Verfestigen antizyklischen Anlageverhaltens. Das Minimieren kognitiver Dissonanzen – über Wenn aktiv, dann bitte richtig! 90 an der Zahl wurden in der Literatur bisIn der Praxis bedeutet dies, dass statt einer her identifiziert – wird angestrebt. So darf bei Ansammlung von Long-only-Ansätzen die Investment-Committee-Entscheidungen nicht meisten Assetklassen entweder mit passiven Obrigkeitshörigkeit dominieren, hier ist ein Produkten oder aktiv gemanagten Portfolios egalitärer Ansatz vorzuziehen, bei dem das Behavioral Finance tritt hinzu mit asymmetrischem Risikoprofil besetzt wer- bessere evidenzbasierte Argument im ErkenAA 3.0 bricht mit den Basisannahmen der den. Timing sollte also erst gar nicht ver- nen einer Marktsituation gewinnt. Das Regelersten beiden und kann als angewandte sucht werden, wie die Wissenschaft bestätigt. buch sieht Schuller als Disziplinierungsrahmen, der von der akademischen Welt erkannte Anomalien berücksichtigt und Fehler möglichst verVon Markowitz und Sharpe über die moderne Portfoliotheorie zur Diversifikation von Risikofaktoren meidet. In Summe ergibt sich ein evidenzbasierter, regelgebundener Ansatz, bei dem die Letztent1950 – 2000 2000 – 2010 2010 – scheidung im Asset-AllocationTraditionelles Beta und Multi-Asset-Diversifikation Dynamisierung der Multi-Asset-Allocation Gremium verbleibt. langer Anlagehorizont und Globalisierung der Allocation und Diversifikation nach Risikofaktoren Asset Allocation – Generationen 1. Generation Anleihen Dominante Merkmale Aktien • Quantitative Optimierung durch Mean Variance • Diversifikation durch traditionelle Assetklassen – Aktien, Anleihen, Immobilien, Cash • Ein-Faktor- und Ein-Perioden-Modelle • Überthema: Diversifikation – Publikumsfonds Default-Vehikel • Home Bias 2. Generation Anleihen Fonds TAA Fonds Rohstoffe Aktien (Risiko budgetiert) • Quantitative Optimierung durch Mean Variance und Minimum Variance • Diversifikation durch traditionelle und alternative Assetklassen (HF, PE, Infrastruktur) • Mehr-Faktoren- und Ein-Perioden-Modelle • Aktives Management – Assetklassen von externen Spezialisten gemanagt • SAA- & TAA-Unterscheidung 3. Generation »Low Risk« (Liability Driven) »Enhanced Return« Absolute Return (Anleihen-Vola) »Opportunistic« (Aktien-Vola) • Emanzipation von MPT-Familie • Alternative Assets + Catastrophe Bonds, Intellectual Property Rights & Longevity Swaps • Diversifikation von Risikofaktoren • »Echte« aktive Manager erhalten größere Freiheiten • SAA/TAA-Tandem abgelöst von DSAA AA 3.0 ist die 3. Generation der Asset Allocation und bedeutet eine Dynamisierung der Asset Allocation unter Einschluss von Behavioral-Finance-Aspekten. Statt maximaler Diversifikation nach Assetklassen stehen quantitative und qualitative Risikofaktoren im ZenQuelle: Panthera Solutions trum. Die Umsetzung erfolgt dort, wo es Sinn macht, durch aktive Manager mit Long-/Short-Set-up. No. 3/2015 | www.institutional-money.com Wenig Fehler als Ziel Wer also bereit ist, Althergebrachtes zu hinterfragen und in Zeiten der Strukturbrüche jüngste wissenschaftliche Erkenntnisse in seinen Allokationsprozess einfließen zu lassen, ist bei Panthera Solutions gut aufgehoben. Trotz aller Research-Affinität geht es Schuller nicht um Sophistikation um ihrer selbst willen: „Letztlich geht es in der Asset Allocation 3.0 darum, im Allokationsprozess möglichst wenig Fehler zu machen.“ 185
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