Position - DIE LINKE. Cornelia Möhring

Position zum
Prostituiertenschutzgesetz
Inhalt
Beschluss der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag
vom 14. November 2014
Position zum von der Bundesregierung
geplanten Prostituiertenschutzgesetz . . . . . . . 3
Drucksache 18/7236
Antrag vom 12.01.2016
Selbstbestimmungsrechte von Sexarbeiterinnen
und Sexarbeitern stärken . . . . . . . . . . . . . . 5
Rede
vom 14.01.2016 – Cornelia Möhring
Rechte statt Repressionen . . . . . . . . . . . . . 8
Presseerklärung
vom 4. Februar 2016
Kondompflicht, Pinkeln in ein Schwimmbecken
und »Bockschein« . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
Nachdruck des Beitrages aus dem
frauenpolitischen Magazin Lotta . . . . . . . . 10/11
Antwort auf Schreiben der Abolitionistinnen
vom Januar 2016 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .12
1
Fraktion DIE LINKE. im Bundestag
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Telefon: 030/22751170, Fax: 030/22756128
E-Mail: [email protected]
V.i.S.d.P.: Heike Hänsel & Jan Korte
Verantwortlich:
Cornelia Möhring, MdB
Frauenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion DIE LINKE
E-Mail: [email protected]
Layout/Druck: Fraktionsservice
Endfassung: 25. Februar 2016
Dieses Material darf nicht zu Wahlkampfzwecken
verwendet werden!
Mehr Informationen zu unseren parlamentarischen
Initiativen finden Sie unter: www.linksfraktion.de
160212
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Beschluss der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag vom 14. November 2014
Position zum von der Bundesregierung geplanten
Prostituiertenschutzgesetz
1. Sexkaufverbot oder Legalisierung reformieren? Ein verkürzter Ansatz.
2002 wurde Prostitution durch Zuordnung zum Art. 12 GG legalisiert. Die von
Prostituiertenverbänden geforderte Aufhebung der Sittenwidrigkeit sollte ein einklagbares Einkommen
und den Zugang zu Sozialsystemen eröffnen, die Stellung von Prostituierten gegenüber
Bordellbetreiber/innen, Gewerbeaufsicht, Freiern und Polizei verbessern. 2013 wurde mit einem
Appell von Alice Schwarzers die, auch im Koalitionsvertrag vorgeschlagene Freierbestrafung, in die
öffentliche Debatte gerückt. Schwarzer skandalisierte zurecht die Herrschaftsstrukturen, in denen
Prostitution weltweit stattfindet: die ökonomische Ungleichheit zwischen Männer und Frauen,
Regionen und Klasse. All dies wird auch in der Prostitution exemplarisch widergespiegelt. Die Frage,
in wieweit unser individueller Umgang mit Prostitution diese Herrschaftsverhältnisse reproduziert, ist
berechtigt und wird in der LINKE diskutiert. Eine öffentliche Aufklärung über sexuelle Vielfalt,
Selbstbestimmung und bestehende Machtverhältnisse ist aber nur im Sinne von entsprechenden
Bildungsressourcen ein Fall fürs Gesetz. Wir stehen im Bundestag vor der konkreten Situation, auf
Eckpunkte/Gesetzentwürfe der Bundesregierung zu reagieren und benötigen jetzt eine Positionierung.
Für uns ist dabei wichtig:
Dass wir nicht an den Betroffenen vorbei, sondern mit ihnen agieren; ihr Schutz und ihre Rechte
gestärkt werden; Stigmatisierung zurückgewiesen und das Thema Menschenhandel und Opferschutz
nicht über den Reformbedarf des Prostitutionsgesetzes geregelt werden. Außerdem ist die Strafbarkeit
von schweren Menschenhandel und Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung sowie die
Ausbeutung einer Zwangslage bereits im StGB geregelt (§181 und §232 StGB).
2. Der politische Reformbedarf des ProstG im einzelnen
Wir orientieren grundsätzlich auf Änderungen in bestehenden Gesetzen und Verordnungen statt
Regelungen in einem eigenständigen ProstG/Prostitutiertenschutztgesetz oder
Prostitutionsstättengesetz. Darüber hinaus ist zweitens die soziale Absicherung von FreiberuflerInnen
generell zu verbessern. Wir müssen drittens die prostitutionsbezogenen Einzelnormen im Strafrecht
prüfen. 1 Viertens haben wir immer betont, die Bekämpfung des Menschenhandels gehört in kein
Prostituiertenschutzgesetz. Bei der Neubestimmung des Bleiberechts sollte die Umsetzung der
Istanbuler Konvention geregelt werden und Rechte von Opfern von Menschenhandel durch
Entkopplung der Aussagebereitschaft von der Gewährung von Aufenthaltsrechten garantiert werden.
Um mit einer erkennbaren Position in der kommenden Debatte vertreten zu sein, werden wir, wenn der
GE vorliegt, einen Entschließungsantrag erarbeiten, der zu folgenden Punkten, Positionen einfordert
und begründet.
1
Der Bundesverband sexueller Dienstleistungen schlägt die Abschaffung folgender prostitutionsbedingter
Einzelnormen im Strafgesetzbuch: Streichung §§ 180a, 181a, und 184a StGB, die Zusammenlegung von § 232
und § 233 StGB und die teilweise Streichung. Darüber hinaus fordern sie die ersatzlose Streichung des Art. 2997
des Einführungsgesetzes zum StGB und die teilweise Streichung des §104 Absatz 2 der StPO.
3
Erlaubnispflicht/Zuverlässigkeitsprüfung: Das BMFSFJ plant eine Erlaubnispflicht und
Zuverlässigkeitsprüfung der Betreiber*innen, Ausnahme ist die Einzelnutzung einer Wohnung.
Sperrgebietsverordnungen und Baurechtsnutzungsmaßgaben bleiben wie bisher, das heißt, der
Straßenstrich bleibt bußgeldbedroht. Wir lehnen eine Erlaubnispflicht für eine Wohnung, die von drei
selbständig arbeitenden Kolleginnen genutzt wird, ab. Die bisherigen Regelungen gehen gerade an
selbstverwalteten Modellen und auch an der Vielfalt der Prostitutionsstätten vorbei und schlagen vor:
1. Erlaubnis ja, kann aber in der GewO geregelt werden, dafür kein Sondergesetz
2. Einstufung als nichtstörendes Gewerbe – wie Rechtsberatung
3. Festlegung von Arbeits- und Qualitätsstandards durch berufsständische Vertretungen
4. Werbeverbot § 119 OwiG sowie § 120 OwiG muss gestrichen werden
5. Behördliche Nachschau sollte bei Gewerbe- und Ordnungsämter liegen (nicht Polizei)
6. Anerkennung der Prostitution als freier Beruf statt Zwang in abhängige Beschäftigung
(wie es die Bundesregierung vorschlägt à Stigmatisierung im Beruf und beim Wechsel).
7. Wegfall der Sperrgebietsverordnungen, Verstoß gegen Artikel 12 GG (freie Berufswahl)
Kontrollrechte: Kontrollen nur durch Gewerbeaufsicht (Eckpunkte des BMFSFJ überlässt die
Ausführungen wieder den Ländern, regelt bisher nicht, ob Gewerbeaufsicht oder Polizei kontrolliert).
Registrierung/Meldepflicht: Während das BMFSFJ eine Meldepflicht und eine Meldekarte
vorschlägt, die u. a. auch Freier vorzulegen sei, lehnen wir jede Registrierung von Prostituierten als
Prostituierte ab. Sexarbeiter*innen sind bereits beim Finanzamt angemeldet. Viele arbeiten anonym
und nebenberuflich. Die Registrierung bedeutet für viele Probleme bei der Ausübung des Berufes oder
beim Berufsumstieg.
Gesundheitsuntersuchungen: In den Eckpunkten des Ministeriums sind freiwillige
Gesundheitsuntersuchungen gefordert. CDU will verpflichtende – letzteres lehnen wir ab.
Keine Heraufsetzung des Mindestalters.
Wir setzen auf die Verstärkung der Beratungsangebote und Fortführung von Modellprojekten
insbesondere für die Straßenprostitution, auf Professionalisierungsangebote seitens der
Sexarbeiter*innen.
Freierbestrafung: CDU/CSU will Freierbestrafung einführen, obwohl Ermittlungsbeamte berichten,
dass bisher Freier die häufigsten Tippgeber beim Verdacht auf Zwangsprostitution sind. In den
Eckpunkten des Ministeriums ist diese prominente Forderung (Schwedisches Modell) entgegen der
Ankündigung des Koalitionsvertrags nicht enthalten. Wir lehnen Freierbestrafung ab, da sie auch
die Sexarbeiter*innen bestraft, in die Illegalität drängt und zu Abschiebungen führt. . Die Strafbarkeit
der Ausnutzung einer Zwangslage ist auch nach heutiger Rechtslage möglich. (StGB).
Aufenthaltsrechte von Opfern von Menschenhandel: Wird im Papier des BMFSFJ nicht
ausgeführt, obwohl es im Anspruch auch der Bekämpfung von Menschenhandel dienen soll. Hier
haben wir klare Forderungen: Entkopplung der Gewährung des Aufenthaltsrechtes von der
Aussagebereitschaft. Zugang zu medizinischer und psychosozialer Hilfe ist zu eröffnen, sowie
Sprachangebote und Zugänge zu Ausbildung und Arbeitsmarkt zu ermöglichen.
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Deutscher Bundestag
Drucksache 18/7236
18. Wahlperiode
12.01.2016
Antrag
der Abgeordneten Cornelia Möhring, Ulla Jelpke, Sigrid Hupach, Matthias W.
Birkwald, Christine Buchholz, Nicole Gohlke, Dr. André Hahn, Dr. Rosemarie
Hein, Susanna Karawanskij, Katja Kipping, Jan Korte, Norbert Müller
(Potsdam), Petra Pau, Harald Petzold (Havelland), Martina Renner, Kersten
Steinke, Dr. Kirsten Tackmann, Azize Tank, Frank Tempel, Kathrin Vogler,
Halina Wawzyniak, Harald Weinberg, Katrin Werner, Birgit Wöllert, Jörn
Wunderlich, Sabine Zimmermann (Zwickau), Pia Zimmermann und der
Fraktion DIE LINKE.
Selbstbestimmungsrechte von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern stärken
Der Bundestag wolle beschließen:
I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Mit dem „Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten“ (Prostitutionsgesetz – ProstG) aus dem Jahr 2002 wurde durch die Aufhebung der Sittenwidrigkeit ein wichtiger Schritt hin zu einer Entkriminalisierung des Gewerbes beschritten, die Grundlage für faire Arbeitsbedingungen und den Schutz der Beschäftigten
sein kann. Seither können Entgeltforderungen vor Gericht geltend gemacht werden
und es sind abhängige Beschäftigungsverhältnisse und damit der Zugang zum Sozialversicherungssystem möglich.
Das ProstG hält dafür ausdrücklich fest, dass das eingeschränkte Weisungsrecht des
Arbeitgebers dem abhängigen Beschäftigungsverhältnis in der Prostitution nicht entgegensteht. Das ProstG hat die Rechtsposition von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern gestärkt und damit auch einen Wandel in der gesellschaftlichen Bewertung des
Berufs vorangebracht.
Inzwischen hat sich jedoch gezeigt, dass sich das im Prostitutionsgesetz beabsichtigte Modell des abhängigen Beschäftigungsverhältnisses in Prostitutionsstätten in
der Praxis nicht etabliert hat, weil ein Weisungsrecht letztlich immer die sexuelle
Selbstbestimmung zu stark gefährden würde und ein Beschäftigungsverhältnis ohne
Weisungsrecht für einen Arbeitgeber wirtschaftlich und rechtlich nicht umzusetzen
ist. Hier geht es also praktisch eher um eine selbständige Tätigkeit in Ausübung sexueller Dienstleistung.
Vor diesem Hintergrund ist jedoch zu verstehen, dass eine zentrale Problemstellung
für Prostituierte noch immer die soziale Absicherung ist, die im Rahmen einer allgemeinen Verbesserung für alle Selbständigen dringend gelöst werden muss. Hinzu
kommen der Mangel an bezahlbaren Arbeitsräumen und die anhaltende gesellschaftliche Stigmatisierung von Personen, die sexuelle Dienstleistungen erbringen.
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Drucksache 18/7236
–2–
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Seit einigen Jahren wird nun von konservativen Kräften in Politik und Medien für
eine verschärfte Reglementierung des Gewerbes plädiert. Aktuell plant die Bundesregierung eine Gesetzesnovelle. Dabei werden Forderungen aufgestellt, die in
Grundrechte wie die Berufsfreiheit, die Unverletzlichkeit der Wohnung oder das
Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreifen. Anlass der Novelle ist eine
unzulässige Vermischung von Prostitution/Sexarbeit als selbstgewählter Tätigkeit
und Straftatbeständen wie dem Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung und jenem der Vergewaltigung. Umgesetzt würden sie der ohnehin noch immer
vorhandenen Stigmatisierung und Diskriminierung von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern weiter Vorschub leisten, ohne ihnen jedoch einen erhöhten rechtlichen
Schutz zu bieten.
Die geplante Novelle sieht repressive Maßnahmen wie etwa eine Registrierungspflicht und verpflichtende Gesundheitsberatung vor. Doch für jene Menschen, die
sich aufgrund der anhaltenden Stigmatisierung ein Outing nicht leisten können, sind
diese Regelungen mit großen Problemen verbunden. Es ist zu erwarten, dass dadurch
viele von ihnen in die Illegalität getrieben werden.
Geeigneter Schutz kann jedoch immer nur durch einen Ausbau an Rechten wirken,
auf die sich Betroffene im Zweifelsfall stützen können. Wenn es Regelungsbedarf
gibt, muss er sich auf die Stärkung der Rechte und eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Prostituierten beziehen, die ihre sexuelle Selbstbestimmung garantieren.
Zum allergrößten Teil sind Frauen in der Sexarbeit tätig. Daher wird im Blick auf
die gesetzliche Gestaltung häufig vernachlässigt, dass auch Männer, Transsexuelle
und Transgender in dieser Branche arbeiten. Hierzu fehlen – wie insgesamt für die
Branche – verlässliche Studien, die auch Aufschluss über den besonderen Bedarf
liefern können und somit Aufschluss über notwendige Regelungen geben.
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
einen konkreten Maßnahmenkatalog zu unterbreiten, der das Selbstbestimmungsrecht von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern garantiert, die Arbeitsbedingungen verbessert und Stigmatisierungen entgegenwirkt. Dabei sind insbesondere folgende
Punkte zu beachten:
1. Für alle Selbständigen, somit auch für Prostituierte, müssen perspektivisch bezahlbare Wege in die Zweige der Sozialversicherungssysteme (Rente, Gesundheit und Pflege, Arbeitslosenversicherung) geschaffen werden. Die Beitragszahlungen müssen sich dabei an den tatsächlichen Einkommen orientieren. Eine finanzielle Überforderung ist auszuschließen.
2. Für vernünftige Arbeitsbedingungen, in denen das Selbstbestimmungsrecht von
Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern garantiert werden kann, ist die Formulierung
klarer Anforderungen an die Betreibenden von Prostitutionsstätten erforderlich,
an die die Erteilung einer Erlaubnis für den Betrieb gebunden wird.
Diese gesetzlich zu verankernden Mindeststandards (beispielsweise bezüglich
Sicherheit, Hygiene oder Miethöhe) können und dürfen nur gemeinsam mit Berufsverbänden von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern (und Betreibenden) für die
im Vorfeld zu definierenden unterschiedlichen Arten von Prostitutionsstätten
festgelegt werden, erforderlichenfalls in der Zusammenarbeit mit den Ländern.
Die Verpflichtung zur Gewährleistung der genannten selbständigen Tätigkeit von
Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern in den Prostitutionsstätten muss unter der weitestgehend möglichen Wahrung der sexuellen Selbstbestimmung geschehen.
Diese Anforderungen sind dann als rechtssichere Grundlage für Konzession,
Kontrolle und ggf. die Verhängung von Ordnungswidrigkeiten, wenn geregelte
Arbeitsbedingungen nicht gewährleistet sind, anzuwenden.
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
–3–
Drucksache 18/7236
3. Aufsuchende Beratungs- und Informationsangebote in verschiedenen Sprachen
für Prostituierte sowie auf freiwillige anonyme Inanspruchnahme gerichtete Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten bei sexuell übertragbaren Krankheiten
(STI) (abgestimmt auf alle jeweiligen Geschlechter) müssen in Zusammenarbeit
mit den Ländern ausgebaut und bedarfsgerecht und sicher finanziert werden.
Zudem sind auch Informationsangebote für die Kundschaft zur Verfügung zu
stellen. Diese sollten leicht verständliche Informationen über Übertragungsrisiken der verschiedenen STI und Verhaltensempfehlungen enthalten.
4. Alle Maßnahmen, die zur Regulierung der Branche ergriffen werden, sind spezifisch daraufhin zu prüfen, dass sie der Stigmatisierung von Sexarbeiterinnen und
Sexarbeitern entgegenwirken.
Der Maßnahmenkatalog ist regelmäßig zu evaluieren, mindestens im Abstand von
drei Jahren. Um eine informierte Grundlage hierfür zu schaffen, sind Studien in Auftrag zu geben, die Aufschluss über die Auswirkungen der Regelungen geben. Darüber hinaus sind runde Tische einzuberufen, die sich mit den spezifischen Belangen
der Prostituierten befassen, deren aktuelle Bedarfe ermitteln und für eine zeitnahe
Übermittlung von Regelungsbedarfen an den Gesetzgeber sorgen.
Berlin, den 12. Januar 2016
Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion
Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de
Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de
ISSN 0722-8333
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Rede
14.01.2016 – Cornelia Möhring
Rechte statt Repressionen
Selbstbestimmungsrechte für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter stärken
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Weinberg, ich finde das schon geradezu gruselig: Sie sagen, Sie wollen keine Stigmatisierung,
aber machen das in einer Tour.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Sie sagen, Sie wollen den Schutz der Prostituierten, Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter; doch Sie
legen keinen einzigen Vorschlag vor, wie diese
tatsächlich geschützt würden. Ich will Ihnen das
beweisen.
Sie wollen mit Ihrem Prostituiertenschutzgesetz
eine Anmeldepflicht, eine verpflichtende Gesundheitsberatung; Sie wollen Kondompflicht. Ich sage
Ihnen: Lassen Sie das einfach stecken! Sie verfehlen nämlich das Ziel komplett.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Sie tun noch mehr. Sie schrammen nämlich mal
eben an einer Einschränkung von Grundrechten
vorbei, und das ist keineswegs akzeptabel.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Vor 14 Jahren – Sie haben es erwähnt – ist Prostitution legalisiert worden. Seitdem fällt Prostitution
auch unter die Berufsfreiheit, geregelt in Artikel 12
des Grundgesetzes.
(Zuruf von der CDU/CSU: Ganz toll, ja!)
Das heißt im Übrigen nicht, dass Sexarbeit ein
Beruf wie jeder andere ist; aber das heißt – das ist
der eigentliche Punkt –: Prostitution ist legal, ist
ein Beruf, und Prostituierte dürfen in ihrer Berufsfreiheit nicht eingeschränkt werden.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Deswegen müssen die Berufsbedingungen geregelt
und es müssen die Rechte derjenigen gesichert
werden, die in dieser Branche arbeiten, so wie es
meine Fraktion in ihrem Antrag fordert.
An den geltenden Bedingungen der Prostitution
– da haben Sie recht – ist viel zu verändern. Vor
allem im Bereich der Armutsprostitution herrschen
entsetzliche Zustände. Viele nehmen Drogen. Der
Ausstieg ist schon deswegen so schwer, weil oft
niemand erfahren darf, dass einer Arbeit im Pros8
titutionsgewerbe nachgegangen wird. Viele Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter können sich schlicht
nicht outen. Aber mit einer Anmeldepflicht wirken
Sie zusätzlich stigmatisierend und erschweren den
Ausstieg, und Sie erschweren die Ausübung des
Berufs unverhältnismäßig.
(Beifall bei der LINKEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, machen wir uns
doch nichts vor! In den letzten zwei Jahren, in
denen wir hier diese Debatte führen, ist die gesellschaftliche Stigmatisierung gewachsen,
(Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU): Nein, die
Anzahl der Armutsprostituierten ist gewachsen!)
und zwar genau deshalb, weil zwei Themen unzulässig vermischt werden, wie Sie das hier eben
auch wieder gemacht haben.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Sie vermischen die legale Prostitution mit den
Straftatbeständen – ich wiederhole: den Straftatbeständen – des Menschenhandels und der
Zwangsprostitution.
Ja, Regelungen im Prostitutionsgewerbe muss es
geben. Aber Ausgangspunkt für diese Regelungen
müssen doch der konkrete Bedarf und der tatsächliche Schutz der darin Tätigen sein.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es ist eben ein Unterschied, ob drei Frauen in
einem Wohnungsbordell arbeiten, 150 Frauen in
einem Großbordell oder einzelne Frauen in ihrem
eigenen Studio oder in einer Flatrate-Bar. Deswegen müssen die Mindeststandards angepasst sein;
sie müssen zu den Bedingungen passen. Es ist
letztlich egal, wo Prostituierte arbeiten – es ist zu
gewährleisten, dass sie das ohne Beeinträchtigung
ihrer sexuellen Selbstbestimmung selbstständig
tun können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Weinberg, Sie
schützen doch nicht wirklich die, die besonderen
Schutz brauchen. Keine einzige Zwangsprostituierte hätte auch nur einen Fortschritt zu erwarten,
wenn die Bundesregierung ihr Vorhaben umsetzt.
Sie regeln eben nicht die dafür eigentlich erforderlichen Ausstiegsprogramme, Sprachkurse,
Arbeitsmöglichkeiten jenseits der Prostitution. Sie
regeln kein Aufenthaltsrecht unabhängig von der
Aussagebereitschaft. Armutsprostitution wird doch
nicht durch Regulierung verhindert. Dafür braucht
es die Bekämpfung von Armut. Dafür braucht es
soziale Garantien, anständig bezahlte Arbeit und
die Stärkung des Selbstbestimmungsrechts.
(Beifall bei der LINKEN)
Für diejenigen, die sich nach rationalen Erwägungen entschieden haben, diesem Broterwerb nachzugehen, werden die Arbeitsbedingungen durch
Ihre Vorhaben erheblich erschwert. Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter brauchen, damit sie unabhängig zum Beispiel von Großbordellbetreibern
ihren Beruf frei ausüben können, eine Stärkung
ihrer Rechte und eine Verbesserung ihrer sozialen Situation. Konkret: Sie brauchen den Zugang
zu den Systemen der sozialen Absicherung. Sie
brauchen klare Mindeststandards für Prostitutionsstätten, einen Ausbau der aufsuchenden und nicht
der verpflichtenden Beratungs- und Informationsangebote. Prostituierte oder Sexarbeiterinnen und
Sexarbeiter brauchen so starke Rechte, dass ein
Zwang unmöglich wird.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Presseerklärung
4. Februar 2016 – Cornelia Möhring
Kondompflicht, Pinkeln in ein Schwimmbecken
und »Bockschein«
»Unter dem Vorsatz, den Menschenhandel zu bekämpfen, hat die Koalition sich auf Kernpunkte eines
Prostituiertenschutzgesetzes verständigt, das diverse
Maßnahmen vorsieht, um den staatlichen Zugriff auf
den Bereich sexueller Dienstleistungen auszuweiten..
SexarbeiterInnen werden durch das Gesetz nicht etwa
geschützt, sondern vielmehr entrechtet und in ein
Schattendasein zurückgedrängt, in dem sie verstärkt
Ausbeutung und Gewalt ausgeliefert sind. Die vorgesehenen Maßnahmen sind Ausdruck der fortdauernden
Stigmatisierung von Prostituierten«, warnt Cornelia
Möhring, frauenpolitische Sprecherin und stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE. Möhring weiter:
die gesellschaftliche Ausgrenzung ihre beruflichen oder
sozialen Perspektiven zunichtemachen könnte. Eine
Maßnahme wie die Zulässigkeitsprüfung von Bordellen
schlägt in dieselbe Kerbe. Auch hier zeigt der Blick in
andere Länder, dass mit zahlreichen Schließungen zu
rechnen ist, die lediglich zur Vertreibung der Prostitution in Hinterzimmer führt.
»Beispielhaft ist die im Gesetz enthaltene Anmeldepflicht für Prostituierte. Erfahrungen aus Wien belegen, dass auch Opfer von Menschenhändlern bei den
zuständigen Behörden gemeldet sind. Statt die Suche
nach Betroffenen zu erleichtern, würde ein Registrierungsgebot jene SexarbeiterInnen illegalisieren, die sich
nicht öffentlich zu ihrem Beruf bekennen wollen, weil
Dem Gesetzesentwurf merkt man an, dass die Sicht
von Prostituierten nicht einbezogen wurde. Das ist aber
dringend notwendig, wenn ihr Selbstbestimmungsrecht gestärkt werden soll, wie es die Bundesregierung
behauptet. SexarbeiterInnen müssen in ihren Rechten
gestärkt, die bestehenden Gesetze zum Kampf gegen
Menschenhandel endlich ausgeschöpft werden.«
Die Einführung einer Kondompflicht ist reine Symbolpolitik und genauso wenig überprüfbar wie das Pinkeln
in ein Schwimmbecken. Die Pflicht zur medizinischen
Beratung erinnert unangenehm an die ‚Bockschein‘Wiedereinführung.
9
LOTTA AKTUELL
Foto: Nicole-Babett Heroven
Prostitution und sexuelle
Selbstbestimmung
November 2015, der Bundesverband Sexuelle Dienstleistungen protestiert vor dem Parlament in Berlin.
Die Bundesregierung steht kurz vor einer Neuformulierung des Prostitutionsgesetzes.
Nicht weniger als zwei Jahre wurde darüber diskutiert. Umso verwunderlicher ist es, dass neben
einigen lautstarken Gegnerinnen und Gegnern von käuflichem Sex und Organisationen von Sexarbeiterinnen und -arbeitern die gesellschaftliche Debatte darüber nur verhältnismäßig kleine
Kreise zieht. Dabei steht vieles auf dem Spiel.
H
inter der jetzigen Ausgestaltung des Gesetzes
steht eine sehr zweifelhafte Moralvorstellung, die
die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen – sie
sind die immer noch größte Gruppe der in der Sexarbeit
Tätigen – schlicht nicht anerkennt. Das Gesetz bildet damit
nicht nur einen direkten Angriff auf Sexarbeiterinnen*,
sondern setzt Maßstäbe, was weibliche Sexualität sein und
wo sie stattfinden darf – gegen Bezahlung oder ohne.
Ein genauer Blick auf den inneren Widerspruch des Gesetzes macht das deutlich: Schon die Bezeichnung „Prostituiertenschutzgesetz“ ist schlichtweg falsch. Prostituierte,
30
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als noch immer verbreitetes Synonym für Sexarbeiterinnen*, haben sich bewusst für diese Arbeit entschieden.
Begründet wurde das Gesetz jedoch ursprünglich mit der
Hilfe für Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution – also gerade nicht für Prostituierte. Weil sexuelle
Selbstbestimmung für die Regierungskoalitionäre jedoch
starke Grenzen hat, können sie nicht recht zwischen beiden Gruppen unterscheiden. So stehen jetzt am Ende völlig
unsinnige Regelungen, die Zwangsprostituierten nicht helfen, aber zahlreiche Sexarbeiterinnen* in Not bringen werden. Das zeigt sich beispielhaft an dem wohl zentralsten
Bestandteil des neuen Gesetzes: dem Anmeldegebot.
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V
orgesehen ist, dass jede Person, die an einem Ort
sexuelle Dienstleistungen anbieten will, sich bei
einer Behörde anmeldet. Nach zwei Jahren oder
mit jedem Ortswechsel wiederholt sich diese Pflichtanmeldung. Bei der Behörde werden die vollständigen persönlichen Daten inklusive gültiger Meldeanschrift hinterlegt,
sodass auch die Möglichkeit einer Bescheinigung, die nur
ein Pseudonym enthält, keinen Schutz bietet. Für viele Sexarbeiterinnen* stellt das ein großes Problem dar. Vorurteile
und Verurteilungen sind nach wie vor verbreitet, die Stigmatisierung ist enorm. Weder ein Sorgerechtsstreit, ein
Bewerbungsgespräch noch der Umgang im Tennisclub werden höchstwahrscheinlich durch ein solches Outing angenehmer. Der Schutz der sensiblen Daten, zu denen
aufgrund der vorgesehenen Meldung bei jedem Ortswechsel auch ganze Bewegungsprofile zählen, ist aber mitnichten gesichert. Die Folge wird sein, dass sich zahlreiche
Prostituierte erst gar nicht melden und so in die Illegalität
gedrängt werden. Sie werden erpressbar und können nur
unter Selbstanklage im Beruf erfahrene Gewalt anzeigen.
Dieser Verlust von Sicherheit für Sexarbeiterinnen* wird
nicht mit einem verbesserten Schutz von Zwangsprostituierten erkauft. Das Argument der Regierung, Freier und Behörden könnten mittels der Aliasbescheinigungen
Zwangsprostitution herausfiltern und zur Anzeige bringen,
entspricht nicht der Realität. Vielmehr zeigen Erfahrungen
aus Wien, dass Opfer von Menschenhandel meist im Besitz
einer Anmeldebescheinigung waren.
S
tatt Kontrolle und Schikane brauchen Sexarbeiterinnen*, aber auch Zwangsprostituierte, belastbare
Rechte. Opfer von Menschenhandel können besser
erreicht werden, wenn die derzeit bestehende Bindung
ihres Bleiberechts in Deutschland an ihre Aussagebereitschaft aufgehoben werden würde. Bislang bekommen
Menschenhandelsopfer nur dann eine vorübergehende
Aufenthaltserlaubnis, wenn ihre Aussage im strafrechtlichen Verfahren benötigt wird. Das versetzt sie gleich aus
zwei Richtungen in Unsicherheit: vonseiten der Kriminellen
und jener der Behörden. Nur wenn sie ein bedingungsloses
Bleiberecht garantiert bekommen, verlieren sie die Angst
vor Beratungsstellen und Behörden.
M
enschen in der Sexarbeit hingegen profitieren
etwa von Bildungsangeboten, Beratungen, Bleiberechtsregelungen oder Antidiskriminierungsmaßnahmen. Nur wenn sie Rechte haben und diese auch
kennen, keine Angst vor Stigmatisierung haben müssen,
werden sie sich wirksam gegen Druck und Gewalt in ihrer
WAS SAGEN DIE SEXARBEITERINNEN?
Der Bundesverband Sexuelle Dienstleistungen e. V. (BSD) ist der
Berufsverband für bodellartige Betriebe aller Art und für SexarbeiterInnen in Deutschland. Seit 2002 vertritt er die Interessen
der Mitglieder. Der Verband lehnt den Gesetzesentwurf ab.
Gründe: Das Gesetz wird „dem Schutz der Prostituierten“ nicht
gerecht. Es ist ein rigides, bürokratisches und polizeiliches
Kontrollgesetz. Es geht weit über die Prostitution und ihre
Akteure hinaus. Es greift in das Persönlichkeitsrecht, den Datenschutz, die Grundrechte, Arbeitsrechte und in das Gewerberecht ein. Stigmatisierung, Kriminalisierung und Diskriminierung der SexarbeiterInnen werden mit dem Gesetz verstärkt.
Forderung: Wir fordern Respekt, Rechte, Rechtssicherheit für
alle Beteiligten in der Prostitutionbranche, deren Empowerment, Professionalisierung und einen offenen Umgang mit Sexualität, die dem Anspruch einer toleranten, freiheitlichen und
rechtsstaatlichen Gesellschaft entspricht.
Der BSD erarbeitete einen eigenen Gesetzentwurf.
Mehr unter: www.bsd-ev.info/publikationen/index.php
Beschäftigung wehren können. Und nur Frauen, die gelernt
haben, mit ihrer Sexualität souverän umzugehen, dabei
nicht durch die Gesellschaft beschränkt und bevormundet
werden, können ihre Geschäftsbeziehungen in der Sexarbeit selbstbewusst gestalten. Eine Stärkung des sexuellen
Selbstbestimmungsrechts wäre ein „Prostituiertenschutzgesetz“, das diesen Namen auch wirklich verdient.
Cornelia Möhring
ist stellvertretende Vorsitzende
und frauenpolitische Sprecherin
der Fraktion DIE LINKE
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
Cornelia Möhring
Mitglied des Deutschen Bundestages
Cornelia Möhring
Stellvertretende Vorsitzende und
Mitglied
des
Deutschen Bundestages
Frauenpolitische Sprecherin der Fraktion
DIE
LINKE.
Stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE
Frauenpolitischer Bereich:
Cornelia Möhring
Platz der Republik 1
11011 Berlin
Tel.: 030 227 51306
Fax: 030 227 56740
Mail: [email protected]
Cornelia Möhring · Platz der Republik 1 · 11011 Berlin
Brief an Abolitionistinnen
An den
Berlin:
Cornelia Möhring
Platz der Republik 1
11011 Berlin
Tel.: 030 227 75739
Fax: 030 227 76739
Mail: [email protected]
Frau Kleine
Berlin im Januar 2016
Sehr geehrte Unterzeichner_innen,
gerne nehme ich zu Ihrem Schreiben vom 11. Januar 2016 und unserem Antrag
„SELBSTBESTIMUNNGSRECHTE VON SEXARBEITERINNEN UND SEXARBEITERN STÄRKEN“ vom 12. Januar
2016 Stellung.
Im ganz grundsätzlichen Gegensatz zu Ihnen halte ich Sexarbeit nicht für per se menschenverachtend
und gewaltförmig. Sexualisierte Gewalt und Abwertung sind in einem weit verbreiteten Sexismus
begründet, der sich auf alle gesellschaftlichen Bereiche erstreckt – beispielsweise in Familie, Arbeitswelt,
Werbung u.v.m... Wir leugnen daher nicht, dass sie auch in Bereichen der Sexarbeit stattfindet, aber sie
kann nur flächendeckend bekämpft werden. Die Feigenblatt-Politik eines Sexkauf-Verbots würde die
Situation für von Gewalt Betroffenen hingegen noch verschärfen, denn diese Personen brauchen sichere
Rechte, auf die sie sich in gewaltvollen Situationen berufen können.
Aus diesem Grund halte ich ein Sexkauf-Verbot für nicht zielführend, weder bei der Bekämpfung von
Zwangsprostitution, noch bei der Prävention von Gewalt in der Sexarbeit. Auch wenn der Fokus auf die
Kaufenden gelegt werden soll, kommt die Bestrafung von Freiern einem Verbot der Prostitution gleich.
Dies drängt in der Prostitution tätige Menschen jedoch wieder ins gesellschaftliche Abseits, wo sie mehr
als jetzt Gewalt und Missbrauch ausgeliefert sind. Daher fordern wir in unserem Antrag einen Ausbau
der Rechte von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern, etwa in Form einer Verbesserung ihrer sozialen
Absicherung und ihrer Arbeitsbedingungen, sodass sie ihre sexuelle Selbstbestimmungsrechte in ihrem
Beruf bewahren können. In diesem Sinne sind wir nicht für eine vollständige De-Regulierung, wie Sie
schreiben, sondern für Rechte und Rechtssicherheit.
Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung existiert, aber er ist nicht gleichzusetzen mit
Prostitution. DIE LINKE. setzt sich daher dafür ein, die bestehenden Gesetze im Strafgesetzbuch, die den
unterschiedlichen Formen von Menschenhandel begegnen, endlich konsequent umzusetzen. Des
Weiteren fordern wir einen umfassenden Opferschutz, etwa durch ein bedingungsloses Bleiberecht,
damit Betroffene keine Angst vor der Aussage mehr haben müssen und so Fälle von Menschenhandel
verstärkt zur Anzeige gebracht werden.
Mit freundlichen Grüßen
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