Position Strategie für einen nachhaltigen Bürokratieabbau Stand: März 2016 www.vbw-bayern.de Position – Strategie für einen nachhaltigen Bürokratieabbau vbw – März 2016 Vorwort X Vorwort Nachhaltiger Bürokratieabbau nützt Staat, Wirtschaft und Gesellschaft Unnötige Bürokratie schwächt die Wettbewerbsfähigkeit der bayerischen Unternehmen und gefährdet zukünftiges Wachstum. Statt der im Koalitionsvertrag angekündigten Reduzierung des Erfüllungsaufwands bringt die Bundesregierung immer neue Gesetzesvorhaben mit bürokratischen Belastungen auf den Weg. Beispielsweise die im Dezember 2015 vorgelegten Gesetzentwürfe für ein Lohngerechtigkeitsgesetz einerseits und zur Neuregelung des Mutterschutzrechts andererseits enthalten enorme bürokratische Belastungen für die Unternehmen. Damit scheint das ursprüngliche Ziel zum Abbau von Bürokratie in weite Ferne gerückt. Neue Hoffnung bringt das Bürokratieentlastungsgesetz, mit dem Maßnahmen zur Entlastung insbesondere kleiner und mittelständischer Unternehmen von bürokratischen Pflichten umgesetzt werden sollen. Die vbw tritt für eine nachhaltige Strategie zum Bürokratieabbau und damit verbundene konkrete Maßnahmen auf EU-, Bundes- und Landesebene ein. Der Anfang ist bereits gemacht. Doch weitere Schritte sind notwendig, um bürokratische Belastungen dauerhaft zu reduzieren. Bertram Brossardt 17. März 2016 Position – Strategie für einen nachhaltigen Bürokratieabbau vbw – März 2016 Inhalt X Inhalt 1 Forderungen der vbw ................................................................................. 1 2 Herausforderungen..................................................................................... 3 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 EU-Ebene ..................................................................................................... 3 Aktionsprogramm zur Verringerung der Verwaltungslasten in der EU ........... 3 REFIT-Programm der EU-Kommission ......................................................... 3 Agenda zur Zukunft der besseren Rechtsetzung .......................................... 4 Position der vbw ........................................................................................... 4 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 Bundesebene................................................................................................ 5 Instrumente des Bürokratieabbaus auf Bundesebene ................................... 6 Bürokratieentlastungsgesetz ......................................................................... 8 Position der vbw ........................................................................................... 9 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 Landesebene .............................................................................................. 11 Bilanz des Bürokratieabbaus in Bayern....................................................... 11 Vorschläge der Staatsregierung .................................................................. 14 Position der vbw ......................................................................................... 14 3 Deregulierung als Voraussetzung für nachhaltigen Bürokratieabbau .. 15 3.1 Konzentration auf originäre Staatsaufgaben ............................................... 15 3.2 Aufwertung marktwirtschaftlicher Prinzipien ................................................ 15 3.3 Selbstverpflichtung der Legislative und Exekutive ....................................... 15 4 Bürokratieabbau – der Instrumentenkasten ........................................... 17 4.1 Bürokratieschnelltest................................................................................... 17 4.2 Zwischenziele festsetzen ............................................................................ 17 4.3 Gesetzesfolgenabschätzung ....................................................................... 17 4.4 Wesentlichkeitstheorie ................................................................................ 18 4.5 Gesetzesrevision ........................................................................................ 18 4.6 Regelung auf Probe bzw. „Sunset Legislation“............................................ 18 4.7 Leistungsvergleich ...................................................................................... 19 4.8 Genehmigungsfiktion .................................................................................. 19 Inhalt Position – Strategie für einen nachhaltigen Bürokratieabbau vbw – März 2016 4.9 Pauschalierungen ....................................................................................... 19 4.10 Aufgabenkritik ............................................................................................. 19 5 Konkrete Vorschläge zum Bürokratieabbau ........................................... 21 5.1 5.1.1 5.1.2 5.1.3 5.1.4 Vereinfachungen im Arbeitsrecht ................................................................ 21 Abfindungsoption im Kündigungsschutzgesetz ........................................... 21 Arbeitsrechtliche Schwellenwerte................................................................ 21 Arbeitnehmerüberlassung (I) Vereinfachung des Erlaubnisverfahrens ........ 22 Arbeitnehmerüberlassung (II) Abschaffung überflüssiger statistischer Meldungen .................................................................................................. 22 Arbeitnehmerüberlassung (III) Unnötige Reglementierungen beseitigen – Abschaffung der strengen Schriftform ......................................................... 23 Arbeitsschutz .............................................................................................. 23 Arbeitssicherheit ......................................................................................... 23 Arbeitszeit ................................................................................................... 24 Befristungen erleichtern .............................................................................. 24 Einsatz von Praktikanten............................................................................. 24 Schwerbehinderte Menschen im Arbeitsverhältnis ...................................... 25 Mindestlohn ................................................................................................ 25 5.1.5 5.1.6 5.1.7 5.1.8 5.1.9 5.1.10 5.1.11 5.1.12 5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.2.4 5.2.5 Vereinfachungen im Bereich Zuwanderung................................................. 27 Zuständigkeit der Ausländerbehörde vereinfachen ..................................... 27 Formulare und einzureichende Unterlagen vereinheitlichen ........................ 27 Einheitliche elektronische Akte einführen .................................................... 27 Elektronische Zustimmungsanfrage durch die Auslandsvertretungen / Ausländerbehörden konsequent nutzen ...................................................... 27 Internationalen Personalaustausch durch „Blanket-Petition“ beschleunigen 27 5.3 5.3.1 5.3.2 5.3.3 Vereinfachungen im Bereich Soziale Sicherung .......................................... 28 Papierbescheinigungen .............................................................................. 28 Krankenversicherung .................................................................................. 28 Sozialversicherung...................................................................................... 29 5.4 Vereinfachungen beim Datenschutz............................................................ 29 5.5 5.5.1 5.5.2 5.5.3 5.5.4 5.5.5 5.5.6 5.5.7 Vereinfachungen im Bereich Steuern .......................................................... 30 Abgabenordnung ........................................................................................ 30 Einkommensteuergesetz............................................................................. 31 Körperschaftsteuergesetz ........................................................................... 32 Gewerbesteuer: Hinzurechnung nur nach dem Zweck der Norm ................ 32 Kapitalertragsteuer: Elektronischer Versand der Steuerbescheinigungen für Kunden durch Finanzinstitute ...................................................................... 33 Umsatzsteuerrecht ...................................................................................... 33 Erbschaftsteuer........................................................................................... 35 5.6 Vereinfachungen bei Antragsstellungen ...................................................... 35 Position – Strategie für einen nachhaltigen Bürokratieabbau vbw – März 2016 Inhalt X 5.6.1 5.6.2 Bauantragswesen ....................................................................................... 35 Betriebserlaubnis für Kinder-Ferienbetreuungen ......................................... 35 5.7 5.7.1 5.7.2 Vereinfachungen im Bereich Umwelt .......................................................... 36 Beschleunigung von Anzeigeverfahren ....................................................... 36 Stärkung des elektronischen Genehmigungsverfahrens ............................. 37 Ansprechpartner / Impressum ..................................................................................... 39 Position – Strategie für einen nachhaltigen Bürokratieabbau vbw – März 2016 1 Forderungen der vbw 1 Forderungen der vbw Die Forderungen zum Bürokratieabbau im Überblick Wir haben unsere Position in vier Teile untergliedert. Zu Beginn stellen wir die Herausforderungen dar, welche auf dem Weg zu einem effizienten Bürokratieabbau bewältigt werden müssen. Anschließend wird auf die Bedeutung des richtigen Maßes der Aufgabenverteilung zwischen Staat und Gesellschaft eingegangen. Wir stellen Ihnen sodann einen Instrumentenkasten für einen erfolgreichen Bürokratieabbau zur Verfügung und geben konkrete Vorschläge zum Bürokratieabbau in verschiedenen Rechtsgebieten. Die wichtigsten Forderungen der vbw haben wir hier zusammengestellt: – Erweiterung der Zuständigkeit des Nationalen Normenkontrollrats auch für Verordnungen – „One in, one out“-Regelung konsequent umsetzen – Vornahme eines Qualitäts- und Leistungsvergleichs innerhalb Deutschlands zur Effizienzsteigerung – Systematische ex post Evaluierung im Hinblick auf Zielerreichung und Kostenfolgen – Festsetzung von ressortspezifischen Abbau- und Zwischenzielen zur Optimierung der operativen Umsetzung – Befristung von bestimmten Normtypen („Sunset Legislation“) – Begrenzung der Verordnungsermächtigungen – Verschlankung des Staates durch Privatisierung – Kostenerstattung an Unternehmen für die Ausführung staatlicher Aufgaben – Ausbau des e-Government-Verfahrens Die notwendige Reduktion der Bürokratiekosten darf sich aber nicht in Einzelmaßnahmen erschöpfen. Wichtig ist ein systematisches Vorgehen, das den Abbau bestehender Regulierungen und die Eindämmung neuer Vorschriften als zwei Seiten derselben Medaille begreift. Position – Strategie für einen nachhaltigen Bürokratieabbau vbw – März 2016 2 Herausforderungen 3 Herausforderungen Notwendigkeit bürokratischer Entlastung auf allen staatlichen Ebenen Von der Bürokratielast betroffenen Unternehmen ist es zu Recht gleichgültig, welche staatliche Ebene für welche Regulierung verantwortlich ist. Unabhängig vom Ursprung der einzelnen Regelung im EU-, Bundes- oder Landesrecht oder auch in kommunalen Satzungen begegnen sie stets „dem Staat“. Auf EU-, Bundes- und Landesebene wurden in den letzten Jahren verschiedene Initiativen zum Abbau überflüssiger Bürokratie auf den Weg gebracht: 2.1 2.1.1 EU-Ebene Aktionsprogramm zur Verringerung der Verwaltungslasten in der EU Die Europäische Kommission hatte im Januar 2007 das Aktionsprogramm zur Verringerung der Verwaltungslasten in der EU beschlossen. Ziel war es, mit Unterstützung der Hochrangigen Gruppe unabhängiger Interessenträger im Bereich Verwaltungslasten (HRG) unter der Leitung von Dr. Edmund Stoiber bis Ende 2012 25 Prozent der bürokratischen Belastungen aus Informationsverpflichtungen zu reduzieren. Bei Auslaufen des Aktionsprogramms Ende 2012 war das 25-Prozent-Ziel bereits übertroffen. Für Unternehmen bedeutet das eine jährliche Ersparnis von 32,3 Milliarden Euro. 2.1.2 REFIT-Programm der EU-Kommission Ende 2012 hat die Europäische Kommission unter dem Namen REFIT (EU Regulatory Fitness and Performance Programme) ihre Agenda zur intelligenten Regulierung fortgesetzt. Das Programm hat zum Ziel, das europäische Recht zu straffen, seine Kohärenz und Effektivität zu stärken und seine Anwendung in den Mitgliedstaaten zu erleichtern. Bestehende Ansätze und Instrumente der intelligenten Regulierung werden zusammengeführt und weiter entwickelt. Dabei stützt sich die Kommission vor allem auf die Erfahrungen aus dem Ende 2012 abgeschlossenen Aktionsprogramm zur Verringerung von Verwaltungslasten und auf die Ergebnisse einer öffentlichen Konsultation über das bisher Erreichte. Bis zum Oktober 2013 hat die Kommission den gesamten Bestand der EU-Rechtsvorschriften überprüft und konkrete Vorschläge für jeden Politikbereich unterbreitet, welche Rechtsnormen sie vereinfachen und welche Vorschläge sie zurücknehmen wird, wo sie den Aufwand für die Unternehmen reduzieren und die Rechtsanwendung er- 4 Herausforderungen Position – Strategie für einen nachhaltigen Bürokratieabbau vbw – März 2016 leichtern will. In bestimmten Bereichen erwägt die Kommission, auf Legislativmaßnahmen zu verzichten und bestehende EU-Rechtsakte aufzuheben. Dem EU-Gesetzgeber liegen aktuell einige Legislativvorschläge zur Rechtsvereinfachung und Verringerung der Rechtsanwendungskosten vor, beispielsweise in den Bereichen Tiergesundheit, Produktsicherheit für Verbraucher und Marktüberwachung, öffentliches Auftragswesen und gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer. Weitere Bereiche, die für eine Rechtsvereinfachung durch Änderung und Konsolidierung bestehender EU-Vorschriften in Betracht kommen, betreffen u. a. – – – – – die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer, Unternehmensstatistik, Gesellschaftsrecht, die Einführung einer Standard-Mehrwertsteuer-Erklärung sowie Handelsverordnungen. 2.1.3 Agenda zur Zukunft der besseren Rechtsetzung Um die Qualität der Rechtsetzung zu steigern, hat die EU-Kommission am 19. Mai 2015 ein umfassendes Paket zur „Besseren Rechtsetzung“ verabschiedet. Dieses beinhaltet im Wesentlichen folgende Aspekte: – Überarbeitung des Konsultationsverfahrens: Frühere Konsultierung der Öffentlichkeit mit konkreten Fragestellungen – Unabhängigere Folgenabschätzungen und Prüfung von Ex-post-Evaluierungen durch den neu gegründeten Ausschuss für Regulierungskontrolle (RSB – Regulatory Scrutiny Board), der zur Hälfte mit unabhängigen Mitgliedern besetzt ist. – Einrichtung einer REFIT-Plattform für den kontinuierlichen Dialog mit Mitgliedstaaten und Interessenträgern unter dem Vorsitz des ersten Kommissions-Vizepräsidenten Frans Timmermans zur Unterbreitung konkreter Vereinfachungsvorschläge (REFIT und Bürokratieabbau). 2.1.4 Position der vbw Bessere Rechtsetzung und Bürokratieabbau haben erfreulicherweise bei der EU-Kommission einen hohen Stellenwert. Dies wird nicht zuletzt dadurch deutlich, dass EUKommissionspräsident Jean-Claude Juncker seinen ersten Vizepräsidenten, Frans Timmermans, mit diesem wichtigen Thema betraut hat. Die Initiative Bessere Rechtsetzung ist zu begrüßen. Die Forderung der Wirtschaft nach der Einrichtung eines extern beratenden Normenkontrollrats wurde zwar bisher nicht erhört. Allerdings macht die EU-Kommission mit der Gründung des Ausschusses für Regulierungskontrolle einen Schritt in diese Richtung – dieser soll nun zu gleichen Teilen aus Kommissionsmitarbeitern und unabhängigen Mitgliedern zusammengesetzt werden. Die vbw fordert, diesen Ausschuss analog zum deutschen Normenkontrollrat Position – Strategie für einen nachhaltigen Bürokratieabbau vbw – März 2016 Herausforderungen 5 vollständig unabhängig agieren zu lassen. Dieser muss auf die Gesetzesvorlagen der EU-Kommission Einfluss nehmen und auch den Rechtsbestand überprüfen können. Anzuerkennen ist, dass der Ausschuss für Regulierungskontrolle nicht nur – wie die HRG in den Jahren 2007 bis 2014 – im zeitlichen Nachgang zu gesetzgeberischem Handeln der EU tätig werden kann, sondern bereits bei der Vorbereitung von Rechtsakten im Rahmen der Folgenabschätzung einbezogen werden soll. Die bisherigen Aktivitäten der EU-Kommission zum Bürokratieabbau gehen aber auch noch nicht weit genug, vor allem die Sozialpolitik sollte stärker in den Fokus genommen werden. Zudem dürfen EU-Vorgaben nur noch 1:1 in nationales Recht umgesetzt werden. Ein Draufsatteln durch den Bundesgesetzgeber darf es nicht mehr geben. Die Mitgliedsstaaten müssen auf eine Agenda für intelligente Regulierung hinarbeiten, um eine möglichst bürokratiearme Umsetzung von Rechtsvorschriften zu fördern. Diese nationale Agenda muss auf höchster Ebene angesiedelt sein, um eine stärkere Koordinierung der staatlichen Stellen zu gewährleisten. Bei der Umsetzung von EU-Vorgaben muss es einen regelmäßigen und strukturierten Austausch von bewährten Praktiken mit anderen Mitgliedstaaten geben. 2.2 Bundesebene Der vom Weltwirtschaftsforum im Oktober 2015 herausgegebene Global Competitiveness Index zeigt, dass Deutschland im internationalen Vergleich bei Innovation (Platz 6) und Infrastruktur (Platz 7) gut positioniert ist. Als größte Hindernisse für Unternehmen nennen die Autoren unter anderem die Komplexität des deutschen Steuerrechts und ineffiziente Bürokratie. Auf Bundesebene gab es in den letzten Jahren immer wieder Anstrengungen, unnötige Bürokratie einzudämmen. Im Jahr 2006 hat die damalige Bundesregierung das Programm „Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung" beschlossen. Vereinbartes Ziel der schwarz-gelben Koalition war es, die Unternehmen bis Ende 2011 um insgesamt 25 Prozent der Kosten aus Informationspflichten netto zu entlasten. Mit Einführung des Standardkosten-Modells (SKM) stand erstmals ein Instrument zur Verfügung, mit dem die Bürokratiekosten der Wirtschaft gemessen und auf deren Grundlage ein quantitatives Abbauziel formuliert werden konnte. Die verbleibende Lücke zur Zielerreichung wurde zwar in der letzten Legislaturperiode nicht vollständig geschlossen, jedoch zeigt die Erfahrung mit dem 25-Prozent-Ziel, dass nur solche quantitativen Ziele den notwendigen Druck in die gesamte „Gesetzgebungsmaschinerie“ bringen, die für Bürger, Unternehmen und Verwaltung verursachten Kosten auf ein Minimum zu beschränken. 6 2.2.1 Herausforderungen Position – Strategie für einen nachhaltigen Bürokratieabbau vbw – März 2016 Instrumente des Bürokratieabbaus auf Bundesebene 2.2.1.1 Nationaler Normenkontrollrat Im Rahmen des Aktionsprogramms wurde der Nationale Normenkontrollrat (NKR) eingerichtet, dessen Kompetenzen im Jahr 2011 weiter ausgebaut wurden. Erstmals ist damit ein unabhängiges Expertengremium zum Bürokratieabbau institutionalisiert worden. Bei Gesetzentwürfen müssen die Ministerien inzwischen umfassend alle Folgekosten für Wirtschaft, Bürger und Verwaltung ausweisen und dem NKR zur Stellungnahme vorlegen. Überdies kann der NKR Stellung dazu nehmen, inwieweit bei der Umsetzung von Richtlinien oder sonstigen Rechtsakten der EU über deren Vorgaben hinaus weitere Regelungen getroffen werden. Abbildung 1 Teurer Papierkram Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft Köln, 2015 Position – Strategie für einen nachhaltigen Bürokratieabbau vbw – März 2016 Herausforderungen 7 2.2.1.2 Messung des Erfüllungsaufwands Die Fokussierung auf die Bürokratiekosten im engeren Sinne hat sich letztlich als zu eng erwiesen, da in vielen Fällen wesentliche Kosten außerhalb der Betrachtung blieben. Erfasst werden hier letztlich nur Genehmigungs- und Berichtspflichten gegenüber Behörden. Inzwischen wird der Erfüllungsaufwand gemessen. Damit sind der gesamte Zeitaufwand und die Kosten zu verstehen, die durch die Befolgung einer bundesrechtlichen Vorgabe den Bürgern, der Wirtschaft sowie bei der Verwaltung entstehen. Hiervon ausgenommen sind direkte Zahlungen wie zum Beispiel Steuern. Damit prüft der NKR die Darstellung der Folgekosten neuer Regelungsentwürfe umfassend auf Nachvollziehbarkeit und Methodengerechtigkeit. Die Bürokratiekosten werden als Teil des Erfüllungsaufwands vom NKR ebenfalls erfasst und in seinem jährlichen Bericht gesondert ausgewiesen. 2.2.1.3 Bürokratiekostenindex Mit dem von der Bundesregierung seit 2012 geführten Bürokratiekosten-Index (BKI) ist sichergestellt, dass die Entwicklung der Bürokratiekosten dauerhaft transparent bleibt, und die Bürokratieabbauerfolge der letzten Jahre nicht durch neue unnötige Kosten konterkariert werden. Der BKI dient dazu, die Entwicklung von Bürokratiekosten im Unternehmen verfolgen zu können. In diesem Index werden staatlich veranlasste Bürokratiebelastungen der Unternehmen erfasst, wenn sie beispielsweise Daten oder Informationen beschaffen, übermitteln oder verfügbar halten müssen. Erfasst sind damit unter anderem Informationspflichten wie bestimmte Bescheinigungen, Meldungen oder Dokumentations- und Berichtspflichten. Die bundesrechtlichen Regelungen und die dazu gehörenden Ergebnisse zur Höhe und Entwicklung der Bürokratiekosten werden vom Statistischen Bundesamt in einer Datenbank (WebSKM) dokumentiert. Auf der Grundlage dieser Daten werden die zu erwartenden Be- und Entlastungen aus neuen, zu ändernden oder zu streichenden rechtlichen Regelungen ersichtlich. Bemessungsbasis sind die Bürokratiekosten der Wirtschaft zum 01. Januar 2012. Neue rechtliche Regelungen, die die Unternehmen von Bürokratiekosten entlasten, verringern den Bürokratiekostenindex. Regelungen, die einen höheren bürokratischen Aufwand verursachen, führen zu einem Anstieg des Bürokratiekostenindex. 8 Herausforderungen Position – Strategie für einen nachhaltigen Bürokratieabbau vbw – März 2016 Abbildung 2 Bürokratiekostenindex Quelle: Statistisches Bundesamt, 2016 2.2.2 Bürokratieentlastungsgesetz Am 31. Juli 2015 wurde das Gesetz zur Entlastung insbesondere der mittelständischen Wirtschaft von Bürokratie (Bürokratieentlastungsgesetz) im Bundesgesetzblatt verkündet, das in wesentlichen Teilen am 01. Januar 2016 in Kraft getreten ist (nur die Änderungen zum Einkommensteuergesetz, Energiewirtschaftsgesetz, zur Gasnetzzugangsverordnung und zur Gasnetzentgeltverordnung gelten bereits seit 01. August 2015). Damit setzt die Bundesregierung einzelne Maßnahmen des im Dezember 2014 beschlossenen Eckpunktepapiers zum Bürokratieabbau um. Außerdem hat sich die Bundesregierung zum Prinzip „One in, one out“ bekannt. 2.2.2.1 Die beschlossenen Maßnahmen im Einzelnen Die Maßnahmen sollen besonders die mittelständische Wirtschaft von Bürokratie sowie Berichts-, Melde- und Informationspflichten entlasten. Durch Anhebung von Meldeschwellen, Wegfall von Berichts- und Informationspflichten und Befreiung von Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten des Handelsgesetzbuches und der Abgabenordnung sollen ca. 140.000 Unternehmen um rund 500 Millionen Euro pro Jahr entlastet werden: Position – Strategie für einen nachhaltigen Bürokratieabbau vbw – März 2016 Herausforderungen 9 – Anhebung der Grenzbeträge für steuerliche und handelsrechtliche Buchführungsund Aufzeichnungspflichten – Erleichterungen im Faktorverfahren beim Lohnsteuerabzug bei Ehegatten oder Lebenspartnern – Anhebung der Pauschalierungsgrenze für kurzfristig Beschäftigte – Reduzierung von Mitteilungspflichten für Kirchensteuerabzugsverpflichtete – Anhebung der Schwellenwerte für Meldepflichten für Existenzgründer nach verschiedenen Wirtschaftsstatistikgesetzen sowie Einführung von Schwellenwerten für Meldepflichten für Existenzgründer nach dem Umweltstatistikgesetz – Anhebung der Schwellenwerte für Meldungen zur Intrahandelsstatistik – Vereinfachung und Reduzierung der Berichtspflichten für das Biogasmonitoring 2.2.2.2 „One in, one out“-Prinzip Die „One in, one out“-Regel, die am 01. Juli 2015 in Kraft getreten ist, soll auf untergesetzlicher Ebene die oben genannten gesetzlichen Maßnahmen flankieren und den Erfüllungsaufwand begrenzen. Belastungen müssen demnach in gleichem Maße abgebaut werden wie durch neue Regelungsvorhaben zusätzliche Belastungen entstehen. Eine dadurch potenziell mögliche Behinderung oder Gefährdung „politisch gewollter“ Maßnahmen oder der Umsetzung von Vorhaben der Koalitionsvereinbarung wird aber ausgeschlossen. Darüber hinaus sind Vorhaben ausgenommen, die u. a. EU-Vorgaben betreffen. 2.2.3 Position der vbw Die vbw begrüßt das Engagement der Bundesregierung beim Bürokratieabbau. Der NKR macht in seinem Jahresbericht 2015 (Berichtszeitraum 01. Juli 2014 bis 30. Juni 2015) deutlich, dass der jährliche gesamte Erfüllungsaufwand erstmals gesunken ist. Zu verdanken ist dieser Erfolg in erster Linie dem Bürokratieentlastungsgesetz. Allerdings sind zwischen 2011 und 2014 die Bürokratiekosten für die Wirtschaft um knapp zwölf Milliarden Euro angestiegen. Damit wurde das zwischen 2006 und 2011 mühsam erreichte Bürokratieabbauziel der Bundesregierung (Senkung der Bürokratiekosten um 25 Prozent, entspricht 12,5 Milliarden Euro) nahezu vollständig wieder aufgezehrt. Die amtlichen Daten werden durch die Bürokratiekosten-Befragung der vbw, an der sich von Januar bis März 2016 über 60 Unternehmen beteiligten, bestätigt: 95 Prozent der befragten Unternehmen beklagen einen Anstieg der Bürokratiekosten in den vergangenen fünf Jahren, rund 44 Prozent sehen sich sogar mit einer starken Erhöhung der Bürokratiekosten konfrontiert. Einzelheiten zu der Studie von vbw / bayme vbm, erstellt von der IW Köln Consult GmbH, finden Sie in der gesonderten Publikation Bürokratiekosten und internationale Erfahrungen beim Bürokratieabbau. Statt der im Koalitionsvertrag angekündigten Reduzierung des Erfüllungsaufwands bringt die Bundesregierung jedoch immer neue Gesetzesvorhaben mit bürokratischen Belastungen auf den Weg. Damit scheint das ursprüngliche Ziel in weite Ferne gerückt. 10 Herausforderungen Position – Strategie für einen nachhaltigen Bürokratieabbau vbw – März 2016 Der im Dezember 2015 vorgelegte Gesetzentwurf für ein Lohngerechtigkeitsgesetz enthält enorme bürokratische Belastungen für die Unternehmen. So sollen Unternehmen ab 500 Mitarbeitern verpflichtet werden, sehr aufwendige Entgeltanalyseverfahren durchführen zu müssen. Geplant sind auch umfassende Ergebnisberichte, Dokumentationen und Umsetzungspläne. Zudem soll eine umfassende Berichtspflicht zur Frauenförderung und Entgeltgleichheit im Unternehmen eingeführt werden. Dieser bürokratische Aufwand ist für die Unternehmen ohne Mehrwert und als unverhältnismäßig abzulehnen. Zudem widerspricht der Entwurf dem Bekenntnis der Bundesregierung zum „one in, one out“-Grundsatz, da Entlastungsvorschläge für die Unternehmen fehlen. Aber auch der Referentenentwurf des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) für ein Gesetz zur Neuregelung des Mutterschutzrechts vom Dezember 2015 sieht neue Belastungen für Unternehmen vor. Die Gefährdungsbeurteilung in Bezug auf Schwangere und stillende Mütter am Arbeitsplatz soll nach den Vorstellungen des BMFSFJ über die europäischen Vorgaben hinaus ausgeweitet werden. Das gilt sowohl hinsichtlich der konkreten Umstände der Tätigkeit als auch hinsichtlich des Zeitpunkts, zu dem sie durchzuführen ist. Folge wäre ein deutlicher Zuwachs an Bürokratie. Stattdessen müssen die Ankündigungen im Eckpunktepapier der Bundesregierung vom Dezember 2014 vollständig umgesetzt werden. Dazu gehören insbesondere: – Eine Vereinheitlichung der Schwellenwerte für die Bestellung eines Datenschutzbeauftragten – Die Standardisierung der Arbeitsentgeltbescheinigungen, die Erhöhung des Schwellenwertes für die Sofortabschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter sowie eine Verkürzung der Aufbewahrungspflicht. – Eine Beschleunigung des Verfahrens im Bereich der qualifizierten Zuwanderung aus Drittstaaten Dies muss um weitere wichtige Bausteine ergänzt werden: – Notwendig ist ein transparentes Gesamtkonzept, das einen spürbaren Abbau der Bürokratiekosten anhand konkreter Maßnahmen vorantreibt. Dazu gehören ein Monitoring, ein genauer Zeitplan sowie das Bekenntnis zu einem Netto-Abbauziel, das neben den Bürokratiekosten auch den Erfüllungsaufwand umfasst. Hier ist die Bundesregierung auf dem richtigen Weg. – Neben der effizienten Umsetzung einer Regelung (Informationspflicht) muss ebenso auch ihre inhaltliche Notwendigkeit (Inhaltspflicht) hinterfragt werden. – Die „One in, one out“-Regelung muss konsequent umgesetzt und die Umsetzung von EU-Vorhaben hierbei berücksichtigt werden. – EU-Richtlinien dürfen nur noch 1:1 in nationales Recht umgesetzt werden. Es darf kein sog. „Goldplating“ oder Draufsatteln weiterer Regulierungen, wie z. B. beim AGG mehr geben. – E-Government ist ein unverzichtbarer Baustein für effektiven Bürokratieabbau und muss daher ausgebaut werden. Position – Strategie für einen nachhaltigen Bürokratieabbau vbw – März 2016 Herausforderungen 11 – Das „only once“-Prinzip, d. h. das Vermeiden von mehrfacher Abfrage der gleichen Daten, sollte intensiv weiterverfolgt werden. – Um die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu stützen, ist eine innovationsfreundliche Rechtsetzung notwendig. Daher sollten im Rahmen der Gesetzesfolgenabschätzung die Auswirkungen neuer gesetzlicher Regelungen auf die Innovationsfähigkeit der Unternehmen systematisch geprüft werden. – Die Entwicklung der Bürokratiekosten sollte für die Öffentlichkeit transparenter werden. Der Bürokratiekostenindex sollte auf den ersten Blick erkennen lassen, welche Gesetze neu eingeflossen sind und welche Änderungen sich durch eine Nachmessung ergeben haben. 2.3 Landesebene Kosten, die auf Länderebene und durch Auflagen der Kommunen entstehen, werden derzeit nicht erfasst. Die Mehrheit der Bundesländer hat zumindest damit begonnen und arbeitet an Schätzungen, welche Bürokratiekosten durch die Landesgesetzgebung auf die Firmen zukommen. 2.3.1 Bilanz des Bürokratieabbaus in Bayern Bürokratieabbau und Deregulierung sind seit jeher Kernanliegen der Staatsregierung, um die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Bayern zu stärken und den Bürgern wie auch den Unternehmen mehr Eigenverantwortung zu ermöglichen. Freiheit und Eigenverantwortung waren, sind und bleiben Leitlinien der Politik der Staatsregierung. In engem Schulterschluss mit den Kommunen, der bayerischen Wirtschaft und den Bürgern hat die Staatsregierung bisher schon viel erreicht. Die Deregulierungskommission der Staatsregierung (sog. Henzler-Kommission, ab 2002) hatte über 195 Einzelempfehlungen mit Fokus Wirtschaft formuliert, von denen über 90 Prozent aufgegriffen wurden. Im Zuge von „Verwaltung 21 – Reform für ein modernes Bayern“ (ab 2003) wurden sämtliche Verwaltungsbereiche einer umfassenden Aufgabenkritik unterzogen, 600 Einzelvorschläge intensiv geprüft und wenn möglich umgesetzt. Der Kabinettsausschuss „Verwaltungsreform und Aufgabenüberprüfung“ hat sich ab 2008 erneut der Thematik gestellt und neue Reformansätze identifiziert und genutzt. Im Januar 2015 gab es 1.027 bayerische Gesetze und Verordnungen – 140 (zwölf Prozent) weniger als in der letzten Legislaturperiode. Langfristig ist dieser Trend noch deutlicher: Seit 2000 wurde ein gutes Drittel der bayerischen Gesetze und Verordnungen gestrichen. Die Entwicklung belegt folgende Graphik: 12 Herausforderungen Position – Strategie für einen nachhaltigen Bürokratieabbau vbw – März 2016 Abbildung 3 Zahl der bayerischen Landesnormen Quelle: Bayerische Staatskanzlei Im Rahmen des regelmäßigen „5-Jahres-TÜV“ zur Überprüfung des Gesamtbestands der landesrechtlichen Gesetze und Verordnungen werden zudem alle bestehenden Vorschriften des Landesrechts, die seit längerem nicht mehr geändert wurden, auf ihre Erforderlichkeit hin untersucht. Die Zahl der bayerischen Verwaltungsvorschriften wurde unter anderem durch die turnusmäßige vollständige Überprüfung ihres Gesamtbestands und zwei sogenannte „Sunset“-Beschlüsse (jeweils 2007 und 2008) um etwa 50 Prozent reduziert: Sämtliche, nicht in der Datenbank BAYERN-RECHT enthaltenen Verwaltungsvorschriften traten an bestimmten Stichtagen außer Kraft („Sunset“). Mit der im Dezember 2013 eingeführten „Paragraphenbremse“ für Gesetze und Rechtsverordnungen hat die Staatsregierung zu Beginn der Legislaturperiode ein deutliches Signal gesetzt: Es soll grundsätzlich keine neuen Vorschriften in Bayern geben. Jede Änderung des Landesrechts muss gesondert gerechtfertigt werden, auch für unverzichtbare Vorschriften gilt das Prinzip des „one in, one out“, das heißt: Mit einer 13 Herausforderungen Position – Strategie für einen nachhaltigen Bürokratieabbau vbw – März 2016 neuen Regulierung muss eine gleichwertige Vorschrift wegfallen. In Zweifelsfällen wacht der Normprüfungsausschuss unter Vorsitz des Leiters der Staatskanzlei über die Einhaltung. Die nachfolgende Tabelle zeigt die erfolgreichen Veränderungen des Normbestands durch die im Gesetz- und Verordnungsblatt veröffentlichten Vorschriften seit Einführung der Paragraphenbremse (Stand bis einschl. 31. Dezember 2014): Abbildung 4 Veränderung des Normbestands durch die Paragraphenbremse Neue Artikel/Paragraphen Aufgehobene Artikel/Paragraphen Neue Absätze Aufgehobene Absätze 313 487 804 1.268 Quelle: Bayerische Staatskanzlei Mit einer Drei-Säulen-Strategie für Verwaltungsvorschriften, die im Februar 2015 in Kraft getreten ist, setzt die Staatsregierung die Paragraphenbremse auch für den Bereich der Verwaltungsvorschriften um. Zahl und Umfang dieser Vorschriften soll in dieser Legislaturperiode spürbar reduziert werden – unter anderem durch eine erneute vollständige Überprüfung des gesamten Bestands. Kontrollmechanismen sollen für eine wirksame Einhaltung dieses Prinzips sorgen. Der „Vollzugs-TÜV“ für Verwaltungsvorschriften, d. h. die Einhaltung der Sunset-Regelung und die alle fünf Jahre stattfindende Überprüfung des Gesamtbestands der landesrechtlichen Gesetze und Verordnungen, trägt darüber hinaus zu einer spürbaren Reduzierung des Gesamtbestands an Verwaltungsvorschriften bei. Auf der Arbeitstagung vom 19. bis 21. Januar 2016 in Wildbad Kreuth hat die CSULandtagsfraktion die Resolution „Moderner Staat“ beschlossen. Darin enthalten sind u. a. folgende Vorhaben zum Bürokratieabbau: – Die Paragraphenbremse soll durch einen „Fortschritts-TÜV“ ergänzt werden. Ist eine Vorschrift aufgrund des technischen Fortschritts überflüssig geworden, muss sie entfallen. – Mögliche Bürokratiekosten sollen noch frühzeitiger sichtbar gemacht werden: die Auswirkungen möglicher Bürokratiekosten für Bayern sollen vor anfallenden Zustimmungen des Freistaates im Bundesrat transparent angezeigt werden. – Im Sinne von Open-Source vorhandene Daten und Informationen sind über geeignete Schnittstellen für die bereits auf dem Markt befindlichen oder noch von der Wirtschaft zu entwickelnden digitalen Lösungen zur Verfügung zu stellen. So könn- 14 Herausforderungen Position – Strategie für einen nachhaltigen Bürokratieabbau vbw – März 2016 ten die Dokumentationspflichten leichter in den Arbeitsalltag der Betroffenen integriert und damit Daten mit weniger Aufwand erfasst werden. Einzelne Arbeitsschritte könnten digital gespeichert und für die Dokumentation aufbereitet werden. 2.3.2 Vorschläge der Staatsregierung Die Staatsregierung hat konkrete Vorschläge zur Vermeidung unnötiger bürokratischer Regelungen und zum Abbau bestehender bürokratischer Hemmnisse auf allen staatlichen Ebenen erarbeitet, welche die vbw in vollem Umfang unterstützt. Dazu gehören: – Eine klarere Aufgabenverteilung zwischen EU und Mitgliedstaaten; – eine verbesserte Gesetzesfolgenabschätzung durch Schaffung eines externen Gremiums unabhängiger Sachverständiger, das den gesamten Gesetzgebungsprozess durch alle Institutionen begleitet und den Erfüllungsaufwand einer Norm für Bürger, Unternehmen und Verwaltungen ermittelt; – die Etablierung eines „Wettbewerbsfähigkeitschecks“ als eigenständigen Bestandteil der Folgenabschätzung; – die Schaffung größerer Umsetzungsspielräume für die Mitgliedstaaten; – die Reduzierung des Verwaltungsapparates auf EU-Ebene sowie – eine verstärkte nachträgliche Evaluierung unter Einschluss von Gesetzesbefristungen und „Sunset-Regelungen“ und unter besonderer Berücksichtigung der Belange kleiner und mittlerer Unternehmen. 2.3.3 Position der vbw Die positive Bilanz des Bürokratieabbaus in Bayern ist zu begrüßen. Seit dem Jahr 2000 ist ein signifikanter Rückgang landesrechtlicher Vorschriften zu verzeichnen. Bessere Rechtsetzung und Bürokratieabbau müssen auch in Bayern weiterhin als vorrangiges Ziel definiert und vorangetrieben werden. Ein ambitioniertes Netto-Abbau-Ziel wie es sich auch 2006 die Bundesregierung gesetzt hatte (-25 Prozent), würde das Engagement auf allen Ebenen steigern. Ein besonderes Gewicht muss auf den Abbau von Bürokratie für kleine und mittlere Unternehmen gelegt werden. Bürokratieabbau muss in Bayern konsequent als Daueraufgabe angesehen werden. Ein erster wichtiger Schritt ist das Moratorium der Landesregierung vom Dezember 2013, wonach in den nächsten fünf Jahren keine neuen Vorschriften in Bayern erlassen werden. Auch die Drei-Säulen-Strategie für Verwaltungsvorschriften vom Februar 2015 mit umfassender Überprüfung des Bestands ist zu begrüßen. Allerdings ist bisher kein echter „Bürokratie-TÜV“ mit externen Experten geplant. Position – Strategie für einen nachhaltigen Bürokratieabbau vbw – März 2016 3 Deregulierung als Voraussetzung für nachhaltigen Bürokratieabbau 15 Deregulierung als Voraussetzung für nachhaltigen Bürokratieabbau Das rechte Maß bei der Aufgabenverteilung zwischen Staat und Gesellschaft Die Frage, wie man zukünftig unnötige Bürokratie vermeiden kann, lässt sich nur mit der Forderung nach dem richtigen Maß der Aufgabenverteilung zwischen Staat und Gesellschaft beantworten. Im Kern lässt sich diese Forderung auf drei Punkte hin konkretisieren: 3.1 Konzentration auf originäre Staatsaufgaben Es muss überprüft werden, wozu ein moderner Staat noch zuständig sein muss und was seine wesentlichen Kernaufgaben sind. Eine grundsätzliche Diskussion über die originären Staatsaufgaben in der Öffentlichkeit kann die Sensibilität für staatliches Tätigwerden steigern und das Bewusstsein des marktwirtschaftlichen Gedankens stärken. 3.2 Aufwertung marktwirtschaftlicher Prinzipien Der Staat muss sich vom Leistungsstaat zum Gewährleistungsstaat entwickeln. Soweit die private Erfüllung von Aufgaben möglich und sinnvoll ist, muss diese der staatlichen Aufgabenerfüllung vorgehen. Außerdem muss eine Aufgabentrennung, zwischen der EU, Bund, Ländern und den Kommunen nach dem Subsidiaritätsprinzip erfolgen. Die Aufgabenerledigung würde den Standortwettbewerb fördern und so zum Bürokratieabbau beitragen. 3.3 Selbstverpflichtung der Legislative und Exekutive Jedes neue Rechtsetzungsvorhaben sollte auf Notwendigkeit, Alternativen, Regelungsumfang, Verständlichkeit, Praktikabilität, Geltungsdauer und das Verhältnis von Kosten und Nutzen hin überprüft werden. Die Wirkung einer solchen Folgenabschätzung ist, dass überflüssige Gesetze und Regulierungen entfallen würden. Ein nachhaltiger Bürokratieabbau muss aus einer Zwei-Wege-Strategie bestehen. Erstens müssen die bestehenden Vorschriften überprüft und bürokratische Hemmnisse aufgedeckt werden. Zweitens muss Bürokratie bereits im Entstehen verhindert werden. Dies ist umfassend nur möglich, wenn wirksame Instrumente für einen durchgreifenden Bürokratieabbau auf allen staatlichen Ebenen und der legislativen sowie exekutiven Prozesse eingeführt werden. Ein im Jahr 2009 von der vbw beauftragtes Gutachten des IW bestätigt und untermauert diese Strategie. Position – Strategie für einen nachhaltigen Bürokratieabbau vbw – März 2016 4 Bürokratieabbau – der Instrumentenkasten 17 Bürokratieabbau – der Instrumentenkasten Strategie für bessere Rechtsetzung und einen nachhaltigen Bürokratieabbau Es ist zu begrüßen, dass von der Bundesregierung mit der Einrichtung des Nationalen Normenkontrollrates (NKR), flankiert durch ein Standardkosten-Modell (SKM), ein systematisches Verfahren zum Bürokratieabbau eingeführt wurde. Der Bürokratiekostenindex zur Darstellung der Veränderungen der Bürokratiekosten der Wirtschaft kann dem Normenkontrollrat als Überwachungsinstrument dienen. Für nachhaltigen Bürokratieabbau müssen aber noch Maßnahmen zur Optimierung der bisherigen Schritte ergriffen werden. Ein selbstregulierender Bürokratieabbau setzt eine Reihe von Instrumenten voraus – nicht jedes davon kann in jedem Fall eingesetzt werden. Der möglichst umfassende Einsatz der Instrumente auf allen staatlichen Ebenen ist jedoch notwendige Voraussetzung für Erfolge bei der Entbürokratisierung. 4.1 Bürokratieschnelltest Mit Hilfe eines Bürokratieschnelltests werden erste Erkenntnisse über die bürokratischen Auswirkungen neuer Gesetzesvorschläge gewonnen. 4.2 Zwischenziele festsetzen Vielen internationalen Beispielen folgend sollte die Bundesregierung zur Optimierung der operativen Umsetzung Zwischenziele festlegen. Dies sichert die Transparenz bei der Zielerreichung und erleichtert die Koordination des Gesamtprozesses. Die Bundesregierung muss konkrete ressortspezifische Abbauziele anhand von Abbauplänen der einzelnen Bundesministerien initiieren und benennen. 4.3 Gesetzesfolgenabschätzung Durch eine Gesetzesfolgenabschätzung unter Einbeziehung von externem Sachverstand können bürokratieträchtige Regelungen vermieden werden, bevor sie für die Unternehmen zum Tragen kommen. Die Folgenabschätzung muss hinsichtlich der Kosten für die Wirtschaft verbessert werden. Es fehlt bisher an der erforderlichen Praxistauglichkeit und Transparenz. Dem NKR müssen zudem erweiterte Kompetenzen eingeräumt werden, d. h. seine Zuständigkeit muss sich auch auf Verordnungen beziehen. 18 4.4 Bürokratieabbau – der Instrumentenkasten Position – Strategie für einen nachhaltigen Bürokratieabbau vbw – März 2016 Wesentlichkeitstheorie Wesentliche Entscheidungen im Bereich der Normgebung müssen durch das Parlament selbst getroffen und dürfen nicht der Verwaltung, d. h. den Vollzugsbehörden überlassen werden. 4.5 Gesetzesrevision Gesetze und Verordnungen werden regelmäßig auf weitere Notwendigkeit und auf die Zweckmäßigkeit der konkreten Ausgestaltung hin überprüft. Mit Hilfe des SKM werden die Bürokratiekosten ermittelt. Durch entsprechende Änderungen der Ausführungsbestimmungen, Berichtspflichten bzw. Kontrollmaßnahmen lässt sich der Verwaltungsaufwand in den Unternehmen selbst dann vermindern, wenn der Inhalt unverändert bleibt. Im Interesse eines systematischen und umfassenden Bürokratieabbaus ist es erforderlich, dass Bundestag und Bundesrat den NKR bei allen Gesetzentwürfen an der Beratung beteiligen. Auf der Grundlage der bisherigen Messergebnisse sollten in allen Ressorts Abbauvorschläge zügig erarbeitet und so schnell wie möglich auf den Weg gebracht werden. Bei der Suche nach Vereinfachungsmöglichkeiten ist die Einbeziehung der Wirtschaft durch die Ressorts sinnvoll. So würde sichergestellt, dass für die Unternehmen spürbare Entlastungen erreicht werden. Um eine nachhaltig gute Gesetzgebungsqualität sicherzustellen, müssen Gesetze ex post im Hinblick auf Zielerreichung und Kostenfolgen systematisch evaluiert werden. 4.6 Regelung auf Probe bzw. „Sunset Legislation“ Bestimmte Normtypen müssen befristet werden, d. h. das Außerkrafttreten muss von vornherein festlegt werden, sofern der Gesetzgeber nicht eine Verlängerung oder ein gleich lautendes Gesetz erneut beschließt („Sunset Legislation“). Dies betrifft insbesondere Regulierungen, die im Bürokratieschnelltest einen bestimmten Grenzwert überschreiten, neue Subventionen festschreiben oder für die keine besondere Notwendigkeit der Rechtskontinuität besteht. Verordnungen sollten prinzipiell mit einer Befristung versehen werden, auf welche im Verordnungstext selbst deutlich hingewiesen wird. Öffnungs- und Experimentierklauseln sollten generell befristet werden. Position – Strategie für einen nachhaltigen Bürokratieabbau vbw – März 2016 4.7 Bürokratieabbau – der Instrumentenkasten 19 Leistungsvergleich Zwischen den 16 Bundesländern, den einzelnen Kommunen und den Bundesbehörden sollte zur Effizienzsteigerung ein Qualitäts- und Leistungsvergleich eingeführt werden. Regelmäßig sollten Leistungsvergleiche im Bereich des Bürokratieabbaus gegenübergestellt werden. 4.8 Genehmigungsfiktion Liegt innerhalb einer dafür vorgesehenen Frist keine Entscheidung vor, erfolgt eine automatische Genehmigung. Diese sog. Genehmigungsfiktion kann durch Aufnahme in das Verwaltungsverfahrensgesetz generell eingeführt werden. Automatische Genehmigungen nach Fristablauf müssen auf allen staatlichen Ebenen eingeführt werden. In sicherheitsrelevanten Bereichen, bei denen die Folgen einer fehlenden materiellen Prüfung als zu schwerwiegend anzusehen sind und die Dauer schwer abschätzbar ist, sollte es bei der bisherigen Praxis (Einführung einer Positivliste) bleiben. Fiktive Genehmigungen dürfen aber nicht zu schnelleren (fehlerbehafteten) Ablehnungsbescheiden führen. Zur Einführung von zentralen Anlaufstellen bei Genehmigungen müssen auf allen staatlichen Ebenen die Voraussetzungen geschaffen werden. Dazu gehören auch die Ausbildung des notwendigen fachlich hochqualifizierten Personals und die interne Umorganisationen von Verwaltungsabläufen zur Förderung von Bürgerfreundlichkeit. 4.9 Pauschalierungen Das Bestreben, jedem Einzelfall gerecht zu werden, führt zu einem Dickicht an Detailregelungen, die mehr Unsicherheit als Gerechtigkeit schaffen. Durch mehr Pauschalierungen, vor allem für kleine und mittlere Unternehmen sowie Existenzgründer, lassen sich erhebliche Vereinfachungen erreichen. Vor allem das komplizierte Steuerrecht bietet sich für Pauschalierungen an. Es muss daher geprüft werden, wo die Festlegung von Pauschalbeiträgen sinnvoll erscheint. Dies gilt ebenfalls für das Arbeits- und Sozialrecht. 4.10 Aufgabenkritik Neben dem „Wie“ staatlichen Handelns muss auch das „Was“ kritisch überprüft werden. Der Verzicht auf staatliche Aufgaben ist der konsequenteste Bürokratieabbau. Die Verschlankung des Staates durch Privatisierung ist ein wirksames Mittel gegen Bürokratisierung. Auch bei Genehmigungs- und Überwachungstätigkeiten muss das Privatisierungspotential genutzt werden. Staatliches Handeln ist einer durchgehenden Aufgabenkritik zu unterziehen. Position – Strategie für einen nachhaltigen Bürokratieabbau vbw – März 2016 5 Konkrete Vorschläge zum Bürokratieabbau 21 Konkrete Vorschläge zum Bürokratieabbau Einzelne Vorschläge aus verschiedenen Rechtsgebieten 5.1 5.1.1 Vereinfachungen im Arbeitsrecht Abfindungsoption im Kündigungsschutzgesetz Kündigungsschutzprozesse enden vielfach mit der Zahlung von Abfindungen. Das ist auch häufig der tatsächliche Grund dafür, dass ein Arbeitnehmer eine Kündigung gerichtlich angreift. Die komplizierten Darlegungspflichten im Rahmen von Kündigungsschutzverfahren führen in einer Vielzahl der Fälle zum Vergleich. Es sollte daher eine Option geschaffen werden, mit der Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Falle der Kündigung die Durchführung eines Gerichtsverfahrens von vornherein vermeiden können. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten vertraglich vereinbaren können, dass der Arbeitnehmer gegen die Zusage einer Abfindung auf die Erhebung der Kündigungsschutzklage verzichtet. Die Abfindung muss auch – soll sie Rechtssicherheit schaffen – schon zu Beginn oder im Laufe eines Arbeitsverhältnisses vereinbart werden können. 5.1.2 Arbeitsrechtliche Schwellenwerte Die Uneinheitlichkeit der Schwellenwerte und deren uneinheitliche Berechnungsweise erfordern von den Betrieben einen erheblichen Orientierungs- und Anwendungsaufwand. Die gesamte arbeitsrechtliche Materie ist zu komplex geregelt. Vereinfachung und Transparenz mit dem Ziel der damit verbundenen größeren Rechtssicherheit in der Anwendung sind nötig. Die Schwellenwerte müssen in allen arbeitsrechtlichen Gesetzen aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit auf einige wenige zurückgeführt werden. Dazu bieten sich im unteren Bereich insbesondere die Schwellen fünf, zehn und 20 an. Bei der Formulierung der Schwellenwerte ist auf durchgängige Verwendung einer „ab“Regelung (bei positiver Formulierung) oder einer „mit weniger als“-Regelung (beim Ausschluss vom Anwendungsbereich) zu achten. Auszubildende und Zeitarbeiter sind bei der Berechnung grundsätzlich nicht zu berücksichtigen; Teilzeitkräfte – auch innerhalb des BetrVG – anteilig (pro rata temporis) in einer dreistufigen Zählweise (0,25 / 0,5 / 0,75). Der Berechnung ist die durchschnittliche Anzahl der Arbeitnehmer in den letzten zwölf Monaten zugrunde zu legen. Prognosen hinsichtlich der Entwicklung der Zahl der Arbeitnehmer sind nicht anzustellen. Transparenz kann bei einer Anknüpfung an die Anzahl der Arbeitnehmer durch keine andere Bezugsgröße als Schwellenwerte erreicht werden. 22 5.1.3 Konkrete Vorschläge zum Bürokratieabbau Position – Strategie für einen nachhaltigen Bürokratieabbau vbw – März 2016 Arbeitnehmerüberlassung (I) Vereinfachung des Erlaubnisverfahrens Das Erlaubnisverfahren gestaltet sich in der Praxis überaus langwierig und kompliziert, was sich negativ auf die Bereitschaft der Arbeitgeber auswirkt, eine Erlaubnis zu beantragen und Arbeitsplätze zu schaffen. Jeder Arbeitgeber, der als Verleiher Dritten (Entleihern) Arbeitnehmer (Zeitarbeitnehmer) zur Arbeitsleistung überlassen will, bedarf einer Erlaubnis der Bundesagentur für Arbeit nach § 1 AÜG, sofern die Überlassung nicht innerhalb eines Konzerns erfolgt. Zwar sieht § 1 Abs. 3 Nr. 2a AÜG die Freistellung von der Erlaubnispflicht vor, wenn die Überlassung nur gelegentlich erfolgt und der Arbeitnehmer nicht zum Zweck der Überlassung eingestellt und beschäftigt wird. Problematisch ist allerdings die Unbestimmtheit des Begriffs „gelegentlich“. Da nach den Geschäftsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit an das Merkmal strenge Anforderungen zu stellen sind, ist die Regelung des § 1 Abs. 3 Nr. 2a AÜG für die Praxis untauglich. Kurzzeitige Überlassungen müssen von der Genehmigungspflicht gänzlich freigestellt werden. Als zu bürokratisch ist auch die jeweils nur auf ein Jahr befristete Erlaubnis anzusehen (§ 2 Abs. 4 AÜG), die im Regelfall erst nach drei Jahren in eine unbefristete Erlaubnis umgewandelt wird. Dieser vom Gesetzgeber als Probezeit angesehene Befristungszeitraum muss deutlich abgekürzt werden. Im Interesse einer Belebung des Arbeitsmarktes, vor allem auch im Hinblick auf die Brückenfunktion der Zeitarbeit, sind bestehende Hemmnisse abzubauen. 5.1.4 Arbeitnehmerüberlassung (II) Abschaffung überflüssiger statistischer Meldungen Die Erhebung und Meldung vieler statistischer Daten ist äußerst zeitaufwändig und besitzt einen geringen Erkenntniswert. Nach § 8 AÜG hat der Verleiher der Erlaubnisbehörde halbjährlich eine Vielzahl von statistischen Meldungen in Bezug auf die Arbeitnehmerüberlassung zu erstatten. Die so gewonnenen Daten sollen der Arbeitsmarktbeobachtung der Bundesagentur für Arbeit dienen. Allerdings konnte seit Inkrafttreten des AÜG bereits ein umfassender und ausreichender Überblick über den Markt der legalen Arbeitnehmerüberlassung gewonnen werden. Weiter ist festzustellen, dass die seinerzeit für allerlei Beschränkungen mit Ausschlag gebenden Bedenken gegen die Zeitarbeit an sich weitgehend überholt sind und aufgegeben wurden. § 8 AÜG muss grundlegend überarbeitet und von überflüssiger Bürokratie befreit werden. Die Datenerhebung sollte auf die für Transparenz und einen arbeitsmarktpolitischen Überblick über die Branche erforderlichen Daten begrenzt werden. Auch könnte von halbjährlichen auf jährliche Meldungen übergegangen werden. So gewinnen die Betriebe Zeit für das originäre Geschäft. Position – Strategie für einen nachhaltigen Bürokratieabbau vbw – März 2016 5.1.5 Konkrete Vorschläge zum Bürokratieabbau 23 Arbeitnehmerüberlassung (III) Unnötige Reglementierungen beseitigen – Abschaffung der strengen Schriftform Die Schriftform bei einer Vielzahl von Überlassungsverträgen und häufig kurzfristiger Überlassung ist äußerst zeit- und personalintensiv für Unternehmen. Die Schriftform des Überlassungsvertrags zwischen Verleiher und Entleiher (§ 12 AÜG) dient in erster Linie dem Schutz des Zeitarbeitnehmers. Es soll in dem Überlassungsvertrag festgehalten werden, mit welchen Aufgaben er betraut werden soll und welche Qualifikation dafür erforderlich ist. Um den Schutz des Zeitarbeitnehmers sicherzustellen, bedarf es keiner eigenhändigen Unterschrift unter eine Vertragsurkunde, die das tägliche Geschäft bei einer Vielzahl zu überlassender Zeitarbeitnehmer unnötig erschwert. Der Gesetzgeber sollte deshalb wenigstens die Textform zulassen (§ 126b BGB). Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Qualifikation des Arbeitnehmers und seine auszuübende Tätigkeit ganz wesentliche Vertragsinhalte sind, die von den Vertragsparteien auch dann beweisbar vereinbart werden, wenn der Gesetzgeber das nicht vorschriebe. 5.1.6 Arbeitsschutz Die Bildschirmrichtlinie verfügt über einen sehr detaillierten technischen Anhang zu den Geräten, der Arbeitsumgebung und der Mensch-Maschinen-Schnittstelle. Sie geht von einer höheren Belastung durch Bildschirmarbeit aus und legt dazu arbeitsorganisatorische Maßnahmen fest, um Bildschirmarbeit mit anderen Tätigkeiten abzulösen. Viele der Forderungen sind mit dem neuen Stand der Technik überflüssig geworden. Sie stellen für Unternehmen und auch Mitarbeiter eine überflüssige bürokratische Belastung ohne gesundheitlichen Nutzen dar. Die EU-Richtlinie zur Arbeit an Bildschirmgeräten ist überflüssig und sofort zu streichen. Unternehmen werden nicht mit – durch die Entwicklung der Technik – überflüssig gewordenen Arbeitsschutzvorschriften gegängelt und können sich stärker der Innovation und Produktion widmen. 5.1.7 Arbeitssicherheit Gerade für Klein- und Kleinstunternehmen sind die zeitaufwändigen Beratungsgespräche mit Betriebsärzten und Fachkräften zur Arbeitssicherheit bei der Planung und Unterhaltung von Betriebsanlagen, sozialen oder sanitären Einrichtungen sowie der Gestaltung von Arbeitsplätzen und Arbeitsabläufen eine unverhältnismäßig große finanzielle Belastung. Die Pflicht zur Bestellung von Betriebsärzten und Fachkräften für Arbeitssicherheit nach dem Arbeitssicherheitsgesetz sollte im Sinne einer Kleinbetriebsfreistellung für Unternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten entfallen. Das Beauftragtenwesen sollte 24 Konkrete Vorschläge zum Bürokratieabbau Position – Strategie für einen nachhaltigen Bürokratieabbau vbw – März 2016 bei einer stärkeren Orientierung am Gefährdungspotential reduziert werden. Klein- und Kleinstunternehmen könnten durch eine Erleichterung in diesem Bereich flexibler und schneller auf neue Anforderungen im Wettbewerb reagieren. 5.1.8 Arbeitszeit Die Aufzeichnungspflicht der Arbeitszeit seitens des Arbeitsgebers ist personal- und kostenintensiv für die Betriebe. Unternehmen benötigen bei der Gestaltung der Arbeitszeit ein Höchstmaß an Flexibilität, um insbesondere Schwankungen bei der Auftragslage durch die jeweilige Anpassung der Arbeitszeit ausgleichen zu können. Die bestehenden Aufzeichnungspflichten nach dem Arbeitszeitgesetz sind weiter zu lockern oder gar zu streichen: es muss ausreichen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zur Einhaltung der (gesetzlichen) Höchstarbeitszeiten verpflichtet und deren Einhaltung in unregelmäßigen Abständen überprüft. Die Entlastung unterstützt die Durchführung moderner Arbeitszeitmodelle (z. B. Vertrauensarbeitszeit). 5.1.9 Befristungen erleichtern Nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG ist eine sachgrundlose Befristung unzulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Zwar legt das Bundesarbeitsgericht die Norm nunmehr so aus, dass nur sachgrundlose Befristungen innerhalb der letzten drei Jahre eine erneute sachgrundlose Befristung verhindern können. Jedoch bedeutet das für die Unternehmen immer noch einen erheblichen bürokratischen Aufwand. Unternehmen müssen bei jeder Einstellung eines Arbeitnehmers prüfen, ob dieser innerhalb der letzten drei Jahre ohne Sachgrund befristet beschäftigt war. Unterlagen ehemalig Beschäftigter müssen daher aufbewahrt werden und bei jeder Bewerbung abgeglichen werden. Der Abschluss befristeter Arbeitsverträge muss erleichtert und daher die Wartezeit zwischen einer Vorbeschäftigung und einer sachgrundlosen Befristung auf höchstens sechs Monate reduziert werden. 5.1.10 Einsatz von Praktikanten Unternehmer haben bei der Beschäftigung von Praktikanten sowohl aus sozialversicherungsrechtlichen Gründe, als auch aufgrund des Mindestlohngesetzes stets zu beachten, ob es sich um ein Vor-, Zwischen- oder Nachpraktikum, um ein Schulpraktikum oder ein Praktikum im Studium – sowie bei letzterem um ein freiwilliges oder um ein Pflichtpraktikum – handelt; schließlich könnte es sich auch um das Praktikum eines ALG-II-Empfängers im Rahmen einer Qualifizierung handeln. Die Prüfung der Meldepflicht bei Praktikanten stellt deshalb für Unternehmen eine unverhältnismäßig große Position – Strategie für einen nachhaltigen Bürokratieabbau vbw – März 2016 Konkrete Vorschläge zum Bürokratieabbau 25 Belastung dar. Deshalb sollte sie entfallen und durch eine zentrale Anmeldung ersetzt werden (§ 200 Abs. 2 SGB V). Die Unternehmen sollten von derartigen Pflichten völlig entbunden werden und die Praktikanten in dem Regelkreis versichert bleiben, aus dem sie kommen. Hier bietet sich eine zentrale Anmeldung der Praktikanten an. Im Rahmen der Melde- und Versicherungspflicht von Praktikanten und Werkstudenten sind die aufwändigen und komplizierten bestehenden Regelungen dahingehend zu überarbeiten, dass sich die Unternehmen im Rahmen der Bereitstellung von Praktikantenplätzen im Ergebnis keiner Zusatzbelastung durch Versicherungsthemen ausgesetzt sehen. 5.1.11 Schwerbehinderte Menschen im Arbeitsverhältnis Schwerbehinderte Menschen bedürfen eines besonderen Schutzes im Arbeitsleben, doch für den Fall, dass ein Betrieb einem schwerbehinderten Mitarbeiter kündigen muss, entstehen durch ein langwieriges Zustimmungsverfahren durch die Integrationsämter unverhältnismäßig hohe personelle Aufwendungen. Das Zustimmungsverfahren durch die Integrationsämter kann entfallen, indem die Arbeitsgerichte im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses die besonderen Belange der Schwerbehinderteneigenschaft mitberücksichtigen. Der Schutz für Schwerbehinderte bleibt erhalten und die Aufwendungen für Ämter und Unternehmen werden gesenkt. 5.1.12 Mindestlohn Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns zum 01. Januar 2015 hat enorme Bürokratielasten für Unternehmen mit sich gebracht. 5.1.12.1 Haftung für Subunternehmer Dies gilt insbesondere in Folge der Auftraggeberhaftung nach § 13 MiLoG, da die produzierenden Betriebe über die gesamte Wertschöpfungskette entsprechende Verpflichtungs- und Freistellungserklärungen von ihren jeweiligen Dienstleistern bzw. Werkvertragspartnern einholen. Die Haftung und die Sanktionen für die Nichtzahlung des Mindestlohns müssen sich in engen Grenzen bewegen, damit der Personaleinsatz im Niedriglohnbereich innerhalb von Wertschöpfungsketten nicht mit praxisfernen Risiken verbunden ist. Dies lässt sich nur durch eine Gesetzesänderung verhindern. Wenn die Haftungsregelung nicht vollständig gestrichen wird, muss sie zumindest auf das Maß der Durchsetzungsrichtlinie zur europäischen Entsenderichtlinie zurückgefahren werden, die eine Exkulpation des Auftraggebers erlaubt. Außerdem muss die Haftung auf die Mindestlohnzahlungspflicht durch den unmittelbaren Vertragspartner beschränkt werden. 26 Konkrete Vorschläge zum Bürokratieabbau Position – Strategie für einen nachhaltigen Bürokratieabbau vbw – März 2016 5.1.12.2 Aufzeichnungspflichten hinsichtlich der Arbeitszeit Die Aufzeichnungspflicht von Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit von geringfügig Beschäftigten muss aus dem Gesetz gestrichen werden. Durch diese Regelung wird branchenübergreifend ein erheblicher Anteil der Unternehmen den bürokratischen Belastungen des Mindestlohngesetzes ausgesetzt. Für die Aufzeichnungspflicht muss es generell ausreichen, dass die Dokumente spätestens einen Monat nach der jeweiligen Arbeitsleistung vorliegen (bisher: am siebten Tag nach der Arbeitsleistung), da der Mindestlohn grundsätzlich erst am letzten Bankarbeitstag des Folgemonats ausbezahlt werden muss. Hierzu muss § 17 Abs. 1 MiLoG geändert werden. Die vom Bundesarbeitsministerium im Zuge der Neufassung der Mindestlohndokumentationspflichtenverordnung (MiLoDokV) beschlossene Ausnahme für die Fälle, in denen über zwölf Monate hinweg monatlich mehr als 2.000,00 Euro brutto gezahlt werden, kann ihre Wirkung in neuen Arbeitsverhältnissen erst viel zu spät entfalten und läuft somit teilweise leer. Außerdem muss die MiLoDokV Teilzeitarbeitsverhältnissen Rechnung tragen, die vom Mindestlohn nicht betroffen sind. Deshalb muss die Aufzeichnungspflicht unabhängig vom absoluten Betrag des verstetigten Monatsentgelts entfallen, wenn der Stundenlohn 11,55 Euro überschreitet (angelehnt an den absoluten Betrag von 2.000 Euro bei einer 40-Stunden-Woche – 40 Stunden / Woche entsprechen 173,2 Stunden im durchschnittlichen Monat – 173,2 Stunden x 11,55 Euro / Stunde = 2.000,46 Euro) Die MiLoDokV des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales muss auch im Hinblick auf die Tätigkeiten der Arbeitnehmer differenzieren. Zweck der Aufzeichnungspflicht ist es nach der Begründung zum Mindestlohngesetz, die Mindestlohnzahlung in Arbeitsverhältnissen, die sich durch große Schwankungen in der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit auszeichnen, sicherzustellen. Die hohe Fluktuation gibt es aber auch in den Branchen nach § 2a Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz nicht bei Angestellten im kaufmännisch/technischen Bereich. Für diese Personen ist eine generelle Ausnahme von der Aufzeichnungspflicht notwendig. Der Anwendungsbereich der Aufzeichnungsverordnung (MiLoAufzV) des Bundesfinanzministeriums muss erweitert werden. Für die Privilegierung nach der MiLoAufzV muss es genügen, dass die Arbeitnehmer in der Regel an mehreren Beschäftigungsorten am selben Tag tätig sind und eine Zeiterfassung deshalb schwer möglich ist. Insoweit ist auch eine vollständige Ausnahme von der Dokumentationspflicht erforderlich. Position – Strategie für einen nachhaltigen Bürokratieabbau vbw – März 2016 5.2 5.2.1 Konkrete Vorschläge zum Bürokratieabbau 27 Vereinfachungen im Bereich Zuwanderung Zuständigkeit der Ausländerbehörde vereinfachen Die Zuständigkeit der Ausländerbehörde muss im Falle der Erwerbsmigration mit Arbeitsplatzangebot vom Sitz des Arbeitgebers abhängen. Dies hätte den Vorteil, dass das jeweilige Unternehmen grundsätzlich nur eine Ausländerbehörde als Ansprechpartner hat. Wichtig wäre weiter, dass die insoweit zuständige Ausländerbehörde auch für etwaige mitziehende Familienangehörige zuständig ist. Das Verfahren kann alternativ dadurch vereinfacht werden, dass die Zuständigkeit bei der Ausländerbehörde bleibt, die bei einem ersten Aufenthalt zuständig war. 5.2.2 Formulare und einzureichende Unterlagen vereinheitlichen Die Antragsformulare der Konsulate / Ausländerbehörden müssen vereinheitlicht werden. Darüber hinaus müssen Konsulate und Ausländerbehörden klare und einheitliche Vorgaben hinsichtlich der notwendigen Angaben zu den erforderlichen Unterlagen für die jeweilige Zulassungskategorie machen. Formulierungen für die Nebenbestimmungen müssen bundeseinheitlich abgefasst sein. 5.2.3 Einheitliche elektronische Akte einführen Die Einführung einer elektronischen Akte in der Kommunikation zwischen allen beteiligten Behörden würde den Prozess erheblich beschleunigen. Die Zustimmungen der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung können dann in elektronischer Form an die Arbeitgeber bzw. Ausländerbehörden gesandt werden und die Auslandsvertretungen mit digitalen Kopien arbeiten. Das Zustimmungs-Original kann bei den Ausländerbehörden dokumentiert werden. 5.2.4 Elektronische Zustimmungsanfrage durch die Auslandsvertretungen / Ausländerbehörden konsequent nutzen Ausländerbehörden müssen die Möglichkeit der elektronischen Zustimmungsanfrage nutzen. So kann das behördeninterne Verfahren erheblich vereinfacht und beschleunigt werden. 5.2.5 Internationalen Personalaustausch durch „Blanket-Petition“ beschleunigen Es muss eine allgemeingültige Vorabzustimmung der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung für alle im Rahmen des internationalen Personalaustauschs nach Deutsch- 28 Konkrete Vorschläge zum Bürokratieabbau Position – Strategie für einen nachhaltigen Bürokratieabbau vbw – März 2016 land entsandten Mitarbeiter eines Unternehmens oder Konzerns eingeführt werden, die die sonst notwendigen Individualzustimmungen ersetzt (sog. „Blanket-Petition"). Der Genehmigungszeitraum ist von drei auf fünf Jahre zu verlängern. Dies macht den internationalen Personalaustausch deutlich einfacher und beschleunigt ihn. Zudem darf die Forderung eines ausgeglichenen Verhältnisses zwischen Inbound und Outbound innerhalb des Personalaustauschs keine Maßgabe mehr sein. 5.3 5.3.1 Vereinfachungen im Bereich Soziale Sicherung Papierbescheinigungen Die Einführung eines elektronischen Entgeltnachweis-Verfahrens (ELENA) ist im Dezember 2011 aus datenschutzrechtlichen Gründen endgültig gescheitert. Durch die Einführung des Verfahrens und den damit verbundenen Wegfall aller Entgeltbescheinigungspflichten hatte sich die Bundesregierung ein jährliches Entlastungspotential für die Wirtschaft von rund 580 Millionen Euro erhofft. Arbeitgeber müssen derzeit rund 40 Entgeltbescheinigungspflichten wie etwa Entgeltbescheinigungen für das Kranken-, Verletzten und Übergangsgeld beachten. Das Ziel einer Vereinfachung bei der Standardisierung und bedarfsgerechten Ausgestaltung von Entgeltbescheinigungen darf aber nicht aus den Augen verloren werden. Die durch das ELENA-Projekt gewonnenen Erfahrungen stellen eine wichtige Grundlage dar, die bei dem jetzt gestarteten ressortübergreifenden Projekt „Optimiertes Meldeverfahren in der sozialen Sicherung“ genutzt werden sollten. Die zu meldenden Daten müssen sich in allen Meldeverfahren auf das absolut Notwendige beschränken. Dies verlangt, dass die für den Bezug von (Sozial-) Leistungen maßgeblichen Voraussetzungen aufeinander abgestimmt werden (Harmonisierung der Berechnungsgrundlagen). 5.3.2 Krankenversicherung Wenn ein arbeitendes Elternteil aufgrund der Betreuung eines kranken Kindes unbezahlten Urlaub nehmen muss, ist ein Formular manuell auszufüllen und an die Krankenversicherung zu versenden, nachdem zuvor eine manuelle Berechnung auf Basis des Arbeitsentgelts der letzten zwölf Monate auf dem Meldeformular vorgenommen worden ist. Ähnliches gilt für Mitarbeiter, die länger als sechs Wochen arbeitsunfähig erkrankt sind oder bei einem Wechsel der Krankenkasse durch den Mitarbeiter. Das Formularwesen muss für alle Krankenkassen standardisiert und vereinheitlicht werden. Dies kann ergänzt und erreicht werden durch die Bereitstellung einer einheitlichen Software oder Online-Plattform. Dies empfiehlt auch das IW in der von der vbw beauftragten Studie. Allein durch die Vereinheitlichung der jeweiligen Formulare für alle Krankenkassen und der Bereitstellung einer entsprechenden Software oder OnlinePlattform könnte eine erhebliche Reduktion der Bürokratiekosten herbeigeführt werden. Dazu müsste mit einheitlichen Formularen und Prozessen so standardisiert werden, als Position – Strategie für einen nachhaltigen Bürokratieabbau vbw – März 2016 Konkrete Vorschläge zum Bürokratieabbau 29 ob das Unternehmen nur mit einer Krankenkasse zu tun hätte (One-Process-Management). Würden die jeweiligen Gesamtprozesse in genannter Weise standardisiert bzw. vereinheitlicht, könnten hierdurch schätzungsweise jeweils 50 Prozent der gegenwärtig anfallenden Bürokratiekosten eingespart werden. Neben der Vereinfachung der formalen Vorgänge sollte darauf hingewirkt werden, dass sich Krankenkassen auf einheitliche Regelungen im U1/U2-Verfahren einigen, um unterschiedliche Beitragssätze und Erstattungssätze zu vermeiden. 5.3.3 Sozialversicherung Da zum jetzt geltenden Fälligkeitszeitpunkt der Sozialversicherungsbeiträge das tatsächliche Arbeitsentgelt und damit die wirkliche Beitragsschuld häufig noch nicht feststeht, müssen die Unternehmen eine voraussichtliche Beitragsschuld ermitteln, die im Folgemonat korrigiert und verrechnet werden muss. Besonders Unternehmen mit schwankenden Arbeitsentgelten und flexiblen Einsatzzeiten sind von dem daraus entstehenden Aufwand betroffen. Die Beitragsfälligkeit in der Sozialversicherung muss mit der Fälligkeit der Lohnsteuer am 10. des Folgemonats harmonisiert werden. Die Arbeitgeber werden hinsichtlich ihres internen Verwaltungsaufwands entlastet. In der Sozialversicherung sollte ebenso wie im Steuerrecht das Zuflussprinzip (statt des Entstehungsprinzips) gelten. Insbesondere bei Korrekturen von Lohnabrechnungen ergibt sich durch die unterschiedlichen Fälligkeitszeiten ein (unnötiger) Bürokratieaufwand. Streitigkeiten mit den Sozialversicherungsträgern können vermieden werden, wenn eindeutig feststellbar ist, ob der Arbeitnehmer tatsächlich eine Vergütung in Höhe seiner Rechtsansprüche erhalten hat. 5.4 Vereinfachungen beim Datenschutz Die Auftragsdatenverarbeitung wird von vielen Unternehmen dazu genutzt, die Lohnbuchhaltung auf Dritte zu übertragen. § 11 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) enthält einen umfangreichen Katalog, was hierbei schriftlich zu vereinbaren ist. Ferner muss der Auftraggeber sich regelmäßig über die Einhaltung der in den Vertrag aufzunehmenden Regelungen informieren und das Ergebnis dieser Informationen dokumentieren. Insbesondere für Kleinbetriebe sollte die Pflicht zur regelmäßigen Dokumentation abgeschafft werden, da sie damit häufig überfordert sind. Mit der einmaligen Auftragsvergabe sollten Kleinbetriebe von den turnusmäßigen Dokumentationen entlastet werden. Es bietet sich an, die Grenze von Kleinbetrieben zu größeren Unternehmen bei 20 Beschäftigten festzulegen. 30 Konkrete Vorschläge zum Bürokratieabbau Position – Strategie für einen nachhaltigen Bürokratieabbau vbw – März 2016 Darüber hinaus sollte die Regelung dahingehend neu gefasst werden, dass das Unternehmen, das den Auftrag zur Datenverarbeitung vergibt, auch dann seinen Pflichten nach dem Gesetz genügt, wenn der Auftragnehmer eine entsprechende Bestätigung der Einhaltung des BDSG erteilt. Durch eine solche Bestätigung lässt sich unbürokratisch der Aufwand, der aus ständigen Überprüfungen folgt, vermeiden. Der Auftragnehmer bestätigt danach, dass er die Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Nr. 1 bis 10 BDSG erfüllt. 5.5 5.5.1 Vereinfachungen im Bereich Steuern Abgabenordnung 5.5.1.1 Abschaffung der Gebührenpflicht für verbindliche Auskünfte Die Finanzämter und das Bundeszentralamt für Steuern können auf Antrag verbindliche Auskünfte über die steuerliche Beurteilung von genau bestimmten, noch nicht verwirklichten Sachverhalten erteilen, § 89 Abs. 2 u. 3 AO. Für die Antragsbearbeitung werden Gebühren erhoben. Unternehmen benötigen Rechts- und Planungssicherheit für zukünftige Investitionen. Angesichts der zunehmenden Verkomplizierung des Steuerrechts sind die Unternehmen dabei auf verbindliche Auskünfte der Finanzverwaltung ohne zusätzliche Kosten angewiesen. Die Verkomplizierung des Steuerrechts darf nicht auch noch hier zu Lasten der Unternehmen gehen. Deshalb sollte die Gebührenpflicht für verbindliche Auskünfte komplett gestrichen werden. 5.5.1.2 Verkürzung der Aufbewahrungspflichten Buchungsbelege und andere steuerrelevante Unterlagen müssen grundsätzlich bis zu zehn Jahre aufgehoben werden, § 147 AO. Die Frist wurde im Jahr 1998 von sechs auf zehn Jahre verlängert, um den Datenzugriff der Finanzverwaltung während einer Außenprüfung zu ermöglichen. Angesichts zunehmender Tendenzen zur Verwirklichung einer zeitnahen Betriebsprüfung sind die derzeitigen Aufbewahrungsfristen realitätsfern und führen zu einer unzumutbaren Belastung der Unternehmen. Die Aufbewahrungsfristen sind auf fünf Jahre zu reduzieren. 5.5.1.3 Verwirklichung der zeitnahen Betriebsprüfung Betriebsprüfungen nach §§ 193 AO ff. stellen für die betroffenen Unternehmen eine zusätzliche Belastung dar. Der Gesetzgeber hat den Unternehmen zahlreiche Dokumentations- und Nachweispflichten auferlegt, die den Betriebsprüfern ihre Arbeit ermöglichen und erleichtern sollen. Eine zeitnahe und beschleunigte Betriebsprüfung liegt sowohl im Interesse der Unternehmen als auch der Finanzverwaltung. Position – Strategie für einen nachhaltigen Bürokratieabbau vbw – März 2016 Konkrete Vorschläge zum Bürokratieabbau 31 Über die Vorgabe des Koalitionsvertrages der Bundesregierung hinaus muss das Ziel eines dreijährigen Regelprüfungsturnus verfolgt werden, der auch drei Jahre nach dem letzten Prüfungsjahr abgeschlossen ist. Hierfür bedarf es einer Veränderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen: Notwendig ist eine Reform der Größenklasseneinteilung der BpO 2000. Statt der schematischen Größenklassen sollten die Prüfungsbedürftigkeit und der Prüfungsturnus nach individuellen Merkmalen eingeteilt werden. Ergänzend ist eine Verkürzung der Festsetzungsverjährung gem. § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO sowie einer Verkürzung der Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 AO erforderlich, um den Druck auf einen zeitnahen Beginn und eine zügige Beendigung von Außenprüfung zu erhöhen. 5.5.1.4 Begrenzung des Zinslaufs bei der Vollverzinsung Der Zinslauf für die steuerlich nicht abziehbare Verzinsung von Steuernachforderungen und Erstattungen ist unbegrenzt, obwohl der Steuerpflichtige oft wenig Einfluss auf Ende einer Betriebsprüfung hat. Der Zinssatz ist nicht marktkonform. Der Zinslauf muss deshalb auf max. vier Jahre begrenzt und der Zinssatz marktorientiert jährlich angepasst werden (§ 233a AO). 5.5.2 Einkommensteuergesetz 5.5.2.1 Bereinigung des Katalogs steuerfreier Einnahmen § 3 EStG führt einen Katalog von fast 70 steuerfreien Einnahmen auf. Die Zusammenstellung ist unsystematisch und willkürlich. Eine Kombination aus Abschaffung einzelner steuerfreier Einnahmen und Anhebung des Arbeitnehmer-Pauschbetrags würde das Lohnsteuerverfahren deutlich vereinfachen. 5.5.2.2 Herstellung von Gleichklang von Lohnsteuer und Sozialversicherung bei Zuwendungen an Arbeitnehmer Sozialversicherungsrecht und Lohnsteuer folgen teilweise unterschiedlichen Prinzipien. Dies gilt z. B. für § 37b EStG. Während steuerrechtlich eine Pauschalierung der Einkommensteuer ermöglicht wird, erzwingt das Sozialversicherungsrecht eine Individualverbeitragung mit Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteilen zur Sozialversicherung. Dies gilt bei der Übernahme von Studiengebühren. Diese ist steuerfrei, unterliegt aber der Sozialversicherungspflicht. Zur Verwaltungsvereinfachung ist eine Gleichbehandlung von Sozialversicherungsbeiträgen und Lohnsteuer geboten. Alternativ könnte die Sozialversicherungspflicht in diesen Fällen auch ganz abgeschafft werden. 32 Konkrete Vorschläge zum Bürokratieabbau Position – Strategie für einen nachhaltigen Bürokratieabbau vbw – März 2016 5.5.2.3 Übernahme der handelsrechtlichen Aktivierung von Verwaltungskosten Seit Veröffentlichung eines BMF-Schreibens am 12. März 2010 wird in der Verwaltungspraxis das handelsrechtliche Aktivierungswahlrecht für Kosten der allgemeinen Verwaltung sowie Aufwendungen für soziale Einrichtungen des Betriebs, für freiwillige soziale Leistungen und für die betriebliche Altersversorgung nicht mehr in die Steuerbilanz übernommen. Die Einkommensteuer-Richtlinien sollen entsprechend geändert werden. Aktuell gilt eine Übergangsregelung die weiterhin die Ausübung des Wahlrechts ermöglicht. Durch den Wegfall des Wahlrechts würde die Ermittlung der Herstellungskosten für die Unternehmen deutlich komplizierter und aufwändiger. Denn die Verwaltungsgemeinkosten sowie Aufwendungen für soziale betriebliche Einrichtungen und betriebliche Altersversorgung müssen durch entsprechende Schlüssel den am Bilanzstichtag zu bewertenden teilfertigen und fertigen Erzeugnissen zugeordnet werden. Für die Finanzverwaltung bringt das zusätzlichen Prüfaufwand. Um diesen Bürokratieaufwand zu vermeiden und Rechtssicherheit für die Unternehmen zu gewährleisten, muss durch eine gesetzliche Regelung die Übernahme des handelsrechtlichen Aktivierungswahlrechts in die Steuerbilanz ermöglicht werden – für Kosten der allgemeinen Verwaltung sowie – für Aufwendungen für soziale Einrichtungen des Betriebs, für freiwillige soziale Leistungen und für die betriebliche Altersversorgung. 5.5.3 Körperschaftsteuergesetz Organschaft: Wegfall des Ergebnisabführungsvertrags als Formalanforderung Durch Auslegung des Bundesfinanzhofes und der Finanzverwaltung erhöhen sich zunehmend die formalen zivilrechtlichen Anforderungen an eine steuerliche Organschaft. Dem sollte durch Verzicht auf einen (formalen) Ergebnisabführungsvertrag entgegengewirkt werden. Voraussetzung für eine Gruppenbesteuerung sollte ein gemeinsamer Antrag mit Bindung über fünf Jahre bei Mehrheitsbeteiligung sein. Die aktuellen Arbeiten an Klarstellungen der Regelungen zur Organschaft sind hilfreich, gehen aber noch nicht weit genug. 5.5.4 Gewerbesteuer: Hinzurechnung nur nach dem Zweck der Norm Die gewerbesteuerliche Hinzurechnung bezieht sich bei Mieten und Pachten § 8 Nr. 1 GewStG nach dem Wortlaut auf Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen. Der Intention nach soll hinzugerechnet werden, wenn ein Betrieb dauerhaft benötigtes Vermögen mietet oder pachtet, anstatt es zu kaufen, und damit Steueraufkommen vermeidet oder verlagert. Vergleichbar sollen Lizenzaufwendungen hinzugerechnet werden, wenn damit der Kauf des Rechtes selbst vermieden wird. In Betriebsprüfungen wird die Norm weit über ihren Zweck hinaus angewendet. So wird die Miete für von einem Reiseveranstalter vermittelte Hotelzimmer ebenso hinzugerechnet wie die kurzfristige Anmietung etwa für Buswerbung und die kurzfristige Erteilung von Rechten, etwa das Schauspielerhonorar für einen Werbespot und ver- Position – Strategie für einen nachhaltigen Bürokratieabbau vbw – März 2016 Konkrete Vorschläge zum Bürokratieabbau 33 gleichbares mehr. Die fraglichen Beträge sind regelmäßig nicht in eigenen Buchführungskonten erfasst. Um sie festzustellen, müssen Buchungen über Jahre zurück auf Belegebene analysiert werden. Hinzu kommen noch aufwändige Abgrenzungsfragen. Das führt bei den Unternehmen zu massivem Bürokratieaufwand. Unabhängig davon, dass die Hinzurechnungsvorschriften insgesamt einer arbeitsteiligen Wirtschaftsordnung nicht entsprechen und abgeschafft werden müssten, muss jedenfalls dafür gesorgt werden, dass die Anwendungspraxis auf den Zweck der Norm zurückgeführt wird. Dazu müssen der Begriff der Miet- und Pachtzinsen in § 8 Nr. 1 Buchst. d) und e) GewStG sowie der Begriff der „Aufwendungen für die zeitlich befristete Überlassung von Rechten“ in § 8 Nr. 1 Buchst. f) GewStG entsprechend klargestellt werden. 5.5.5 Kapitalertragsteuer: Elektronischer Versand der Steuerbescheinigungen für Kunden durch Finanzinstitute Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen müssen ihren Kunden auf Verlangen Steuerbescheinigungen im Sinne von § 45a EStG ausstellen, die die Kunden dann im Rahmen der Abgabe ihrer Steuererklärungen dem Finanzamt vorlegen, um Ansprüche auf Erstattung bzw. Anrechnung von Kapitalertragsteuer geltend zu machen. Seit Einführung der Abgeltungsteuer hat die Bedeutung der Bescheinigung für Privatkunden abgenommen. Insbesondere von Firmenkunden werden sie aber regelmäßig weiterhin benötigt. Nach geltender Rechtslage müssen diese Bescheinigungen noch immer auf Papier ausgedruckt und versandt werden. Eine elektronische Erteilung ist unzulässig. Dies ist eine hohe bürokratische Belastung und verursacht bei Kreditinstituten und Versicherungsunternehmen sowie deren Kunden unnötige Kosten. Um diesen Aufwand abzustellen, muss Kreditinstituten und Versicherungsunternehmen der elektronische Versand der o. g. Steuerbescheinigungen an ihre Kunden gestattet werden. 5.5.6 Umsatzsteuerrecht 5.5.6.1 Harmonisierung des Mehrwertsteuersystems in der EU Auf dem Feld der Umsatzsteuer führt der Weg zu Bürokratieabbau in besonderem Maße zur Frage nach der Ausgestaltung des Mehrwertsteuersystems in der EU und nach dem Umgang mit diesem System. Obwohl das Mehrwertsteuerrecht in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie harmonisiert wurde, stellt sich der praktische Umgang mit dieser Steuer als ein gravierendes Handelshindernis in der EU dar. Dahinter stehen im Wesentlichen durch Systemkonstruktion und nationale Spielräume verursachte bürokratische Lasten. Um hier Abhilfe zu schaffen, müssen folgende Ansätze gewählt werden: 34 Konkrete Vorschläge zum Bürokratieabbau Position – Strategie für einen nachhaltigen Bürokratieabbau vbw – März 2016 Im grenzüberschreitenden Handel muss der Steuerschuldner immer der Empfänger einer Ware oder Leistung sein. Es muss eine mit gegenüber den bisher dazu entwickelten Vorstellungen mit erweiterten Aufgaben versehene Einzige Anlaufstelle für die Umsatzsteuer eingerichtet werden. Diese muss es Unternehmen ermöglichen, möglichst viele umsatzsteuerlichen Pflichten im EU-Ausland per Portal im Heimatland abzuwickeln. Greifen muss das sowohl zwischen Unternehmen als auch bei Umsätzen mit Endkunden. Entlasten kann eine solche Einzige Anlaufstelle speziell den umsatzsteuerlichen Umgang mit Dienstleistungen. Unabhängig vom grenzüberschreitenden Handel muss das durch Abgrenzungsfragen für Unternehmen aufwändige und umsatzsteuerlich riskante Nebeneinander von Geschäften, in denen die Allphasen-Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzug greift und solchen, in denen nach dem Reverse Charge-Verfahren der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer schuldet wieder aufgelöst werden. Die Anforderungen zum Erhalt des Vorsteuerabzugs sind europaweit außerordentlich unterschiedlich geregelt. Hier muss über folgende Wege harmonisiert werden: – Nationale Interpretationsspielräume müssen durch klare und einheitliche Vorgaben abgeschafft werden. – Rechnungsanforderungen und andere Auflagen zum Erhalt des Vorsteuerabzugs sowie elektronische Nachweise müssen europaweit vereinheitlicht und auf das Wesentliche zurückgeführt werden. 5.5.6.2 Umsatzsteuervoranmeldung Zusätzlich zur jährlichen Umsatzsteuererklärung und Zahlung müssen bereits kleinste Gewerbetreibende ab ca. 30.000,00 Euro Jahresumsatz quartalsmäßig oder sogar monatlich eine Umsatzsteuervoranmeldung erstellen. Die Abschaffung der Umsatzsteuervoranmeldung und der Zahlungspflicht für gestellte, aber noch nicht bezahlte Rechnungen ist sinnvoll. Zudem ist zu verzichten auf: – Umsatzsteuervoranmeldungen bis 100.000,00 Euro Jahresumsatz – d. h. nur Jahressteuererklärung. – Umsatzsteuervoranmeldung, wenn der Steuerpflichtige für das laufende Steuerjahr eine Umsatzsteuervorauszahlung in Höhe von 50 Prozent des Vorjahres leistet. – die Besteuerung ab Rechnungsstellung und deren Verlegung auf den Zahlungszeitpunkt. Vorteil dieser Änderungen ist der Entfall von mehreren Millionen Umsatzsteuererklärungen für kleine Unternehmer und Gewerbetreibende, ebenso wie für die Finanzverwaltung. Bei nicht bezahlten Rechnungen entfällt zudem ein kompliziertes Rückabrechnungsverfahren. Position – Strategie für einen nachhaltigen Bürokratieabbau vbw – März 2016 5.5.7 Konkrete Vorschläge zum Bürokratieabbau 35 Erbschaftsteuer In der aktuellen Auseinandersetzung mit der Reform der Erbschafteuer weist die Bundesregierung in bestimmten Konstellationen mit ihren Regelungsabsichten verbundene außerordentlich hohe bürokratische Belastungen dezidiert nicht aus. Das gilt in ganz besonderem Maß für den Aufwand zur Bewertung vorhandenen Privatvermögens im Rahmen des sogenannten Verschonungsbedarfstests und seine Aufteilung in begünstigtes und nicht begünstigtes Vermögen. Ein weiteres Beispiel nicht ausgewiesener Bürokratielasten ist der mit vorgesehenen 30-jährigen Verfolgungsfristen verbundene Aufwand für Steuerzahler und Verwaltung. Im Gesetzgebungsverfahren gehen diese Belastungsaspekte unter, da der Normenkontrollrat für vom Bundesverfassungsgericht veranlasste Gesetzgebungsverfahren keine Kontrollbefugnis hat. Die Reform kann und muss so umgesetzt werden, dass überbordende bürokratische Belastungen vermieden werden. Vergleichbaren Fällen muss für die Zukunft durch eine Erweiterung der Prüfkompetenz des Normenkontrollrats vorgebeugt werden. 5.6 5.6.1 Vereinfachungen bei Antragsstellungen Bauantragswesen Problematisch für Privatpersonen wie Unternehmen sind die diversen Formulare, die für den Bauantrag erforderlich sind. Zudem ist die Dauer eines Genehmigungsverfahrens mit bis zu acht Monaten häufig unverhältnismäßig hoch. Investitionen werden so verzögert. Die Formulare sind systematisch zu vereinfachen und deren Zahl, z. B. durch eine Zusammenführung von inhaltlich zueinander gehörigen Formularen, zu reduzieren. Zudem ist die Genehmigungsdauer auf maximal sechs Monate zu senken. Den Bauherren entsteht ein klarer Zeit- und Planungshorizont und die Zahl sowie der Umfang an Antragsformularen werden handhabbar. 5.6.2 Betriebserlaubnis für Kinder-Ferienbetreuungen Betriebe, die für ihre Mitarbeiter eine Kinderferienbetreuung anbieten, müssen vorher eine Betriebserlaubnis beantragen. Dazu müssen sie in Bayern den beigefügten fünfseitigen Antrag zzgl. weiterer Unterlagen (z. B. Grundrisse, pädagogische Konzeptionen, Mietvertrag u. a. m.) ausfüllen und einreichen. § 45 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII ist dahingehend zu ergänzen, dass Kinderferienbetreuungen mit einer Betreuungszeit von bis zu sechs Wochen keine Betriebserlaubnis benötigen. Das Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen legt das Bayerische Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz so aus, dass eine Ferienbetreuung mit einer Kindertageseinrichtung gleichzustellen ist. Dabei wird übersehen, dass diese 36 Konkrete Vorschläge zum Bürokratieabbau Position – Strategie für einen nachhaltigen Bürokratieabbau vbw – März 2016 Programme häufig aus der Not geboren werden, weil Schulen und Tageseinrichtungen in den Ferien schließen. So wird die Ferienzeit häufig zum Brennpunkt für berufstätige Eltern, die kreative Lösungen für die Überbrückung der Ferienzeit benötigen. Das Erfordernis einer Betriebserlaubnis erschwert jedoch die Einrichtung solcher kreativer Betreuungslösungen, die oft auf Privatinitiativen zurückgehen. Viele Unternehmen, die ihre Mitarbeiter bei der Ferienbetreuung unterstützen möchten, werden sich überlegen, ob sie sich in diesem Bereich tatsächlich engagieren möchten. Die Leidtragenden sind die Familien. Eine Betriebserlaubnis für zeitlich begrenzte Kinderbetreuungsangebote in den Ferien behindert die Einrichtung privater oder betriebsnaher Ferienbetreuungsangebote. Das öffentliche Schutzbedürfnis erfordert in diesen Fällen, wo Kinder zwar länger als zehn Stunden wöchentlich der Obhut ihrer Eltern entzogen sind, trotzdem keine Betriebserlaubnis, weil es sich um ein zeitlich befristetes Angebot handelt und insbesondere die Betriebe darauf achten werden, dass die Kinder im Interesse ihrer Mitarbeiter qualifiziert untergebracht sind und betreut werden. Väter und Mütter, die beide berufstätig sind, müssen sich darauf verlassen können, dass auch in Ferienzeiten eine gute Kinderbetreuung angeboten wird. Viele Unternehmen und Privatinitiativen stellen hier selbst etwas auf die Beine und organisieren während der Schulferien pädagogisch hochwertige Betreuungsangebote für die Kinder ihrer Mitarbeiter. Dadurch, dass auch für diese befristeten Angebote eine umfassende Erlaubnispflicht mit vorheriger Prüfung von Personal, Räumlichkeiten und Finanzierung des Angebots verlangt wird, werden manche solcher Initiativen schon im Keim erstickt. Die Leidtragenden sind Eltern und Kinder, weil der gemeinsame Urlaub damit häufig ausfällt, wenn sich die Eltern in den Ferien mit der Kinderbetreuung abwechseln müssen. 5.7 5.7.1 Vereinfachungen im Bereich Umwelt Beschleunigung von Anzeigeverfahren Nach erstmaliger Anforderung zusätzlicher Unterlagen beim Träger des Vorhabens kommt es in der Praxis immer wieder zu weiteren Nachforderungen, die sich häufig nicht auf offene Punkte beschränken, sondern auf Nachlässigkeiten bei der ersten Prüfung beruhen. Vor diesem Hintergrund verzögert sich der Zeitpunkt des Fristbeginns in § 15 Abs. 2 S. 1 BImSchG. Zudem bedeutet jede Bearbeitung von Nachforderungen für die Unternehmen einen großen Aufwand. Deshalb sollte eine erneute Mitteilung nach § 15 Abs. 1 S. 4 BImSchG nur zulässig sein, wenn die zusätzlich angeforderten Unterlagen tatsächlich entscheidungsrelevant und die entsprechenden Informationen der Behörde nicht bereits zugänglich sind. Ein deutlicher Beschleunigungseffekt in der Umsetzung wäre die Folge. Position – Strategie für einen nachhaltigen Bürokratieabbau vbw – März 2016 5.7.2 Konkrete Vorschläge zum Bürokratieabbau 37 Stärkung des elektronischen Genehmigungsverfahrens Die Einreichung von Antragsunterlagen in elektronischer Form erleichtert die Bearbeitung für Unternehmen und Behörde. Insofern ist unverständlich, dass das Gesetz immer noch einen schriftlichen Antrag als Genehmigungsvoraussetzung aufführt (§ 10 Abs. 1 S. 1 BImSchG). In der Ausgestaltung der Verfahren in den Ländern erlangt die elektronische Antragseinreichung ein immer größeres Gewicht. Vor diesem Hintergrund sollte auf Bundesebene neben einem schriftlichen auch ein elektronischer Antrag ermöglicht werden. Die notwendige Änderung zieht dabei auch Folgeänderungen in der 9. BImSchV nach sich (§ 2 Abs. 1 S. 1 der 9. BImSchV). Die elektronische Antragstellung ermöglicht Kosten- und Zeitersparnisse für Unternehmen und Verwaltung und eine schnellere Genehmigungserteilung. Position – Strategie für einen nachhaltigen Bürokratieabbau vbw – März 2016 Ansprechpartner / Impressum Ansprechpartner Karolina Bihler Grundsatzabteilung Recht Telefon 089-551 78-236 Telefax 089-551 78-233 [email protected] Impressum Alle Angaben dieser Publikation beziehen sich grundsätzlich sowohl auf die weibliche als auch auf die männliche Form. Zur besseren Lesbarkeit wurde meist auf die zusätzliche Bezeichnung in weiblicher Form verzichtet. Herausgeber: vbw Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. Max-Joseph-Straße 5 80333 München www.vbw-bayern.de © vbw März 2016 39
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