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Minderjährige Flüchtlinge in Caputh
Angst, Neid und Sorgen
von Enrico Bellin
Schon diesen Monat sollen
minderjährige Flüchtlinge
in ein ehemaliges Hotel in
Caputh ziehen, was den Ort
zu spalten droht. Neben
Ängsten gibt es aber auch
Hilfsbereitschaft.
Schwielowsee - Etwa 30
Jugendliche sorgen in
Caputh für Aufruhr, obwohl
sie noch nicht im Ort sind.
Sie sollen in wenigen
Wochen in das ehemalige
Hotel Goldener Anker in
der Friedrich-Ebert-Straße
ziehen. Zu einem
Informationsabend in der Caputher Grundschule kamen am Dienstag etwa 200
Besucher, für einen Ort mit 4 500 Einwohnern beachtlich.
Bürgermeisterin Hoppe bezahlt nicht die Einkäufe
Seit Anfang Januar bekannt wurde, dass unbegleitete Minderjährige im Ort
unterkommen sollen, gehen Gerüchte über die Neuankömmlinge durch Caputh:
Flüchtlinge hätten schon Hunde getötet, es kämen Schwerverbrecher. Im
Supermarkt werde an der Kasse behauptet, die Bürgermeisterin bezahle den
Einkauf. „So ist es nicht“, stellt Bürgermeisterin Kerstin Hoppe (CDU) klar. „Wir
gehen davon aus, das diese Dinge gezielt gestreut wurden.“ Gleichzeitig betonte
Hoppe, dass es in der Gemeinde mehr als 200 Ehrenamtliche gebe, die sich im
Hilfsnetzwerk um die Flüchtlinge der Fercher Erstaufnahmestelle kümmern.
Im früheren Hotel, das künftig unter dem Namen „Anker-Haus Caputh“ fungieren
wird, sollen hauptsächlich 13- bis 17-Jährige unterkommen. Betrieben wird es vom
„Job e.V.“, der seit 25 Jahren im Landkreis Jugendliche in verschiedenen
Einrichtungen betreut. Für acht Leute habe das Haus Geschäftsführer Thomas
Lettow zufolge bereits eine Betriebsgenehmigung, sie werden in den kommenden
beiden Wochen einziehen. Um mehr Minderjährige aufnehmen zu können, müssen
noch Brandschutzauflagen wie ein zweiter Fluchtweg umgesetzt werden. Laut
Landkreis und Gemeinde könnte das bis März abgeschlossen sein.
Ein Riss durch Caputh?
Für die bis zu 30 Jugendlichen werden dann insgesamt 15 Erzieher bereitstehen,
sagt der künftige Einrichtungsleiter Hans Hansen. Sie werden sich im
Schichtbetrieb um die Flüchtlinge kümmern, durchschnittlich seien immer drei
Betreuer vor Ort. In drei betreuten Gruppen werden sich die Jugendlichen selbst
um Einkauf und Essen, Sauberkeit und kleine Ausbesserungen am Gebäude
kümmern. Henriette Buegger vom Fercher Hilfsnetzwerk bot auf der Veranstaltung
bereits an, sich auch für die Caputher Jugendlichen zu engagieren und
beispielsweise Fahrräder zur Verfügung zu stellen. „Als in Ferch die ersten
Flüchtlinge einzogen, hatten wir auch viele Anfragen aus der Gemeinde für
Patenschaften“, so Buegger. Da Ferch eine Erstaufnahmestelle des Landes ist und
die Flüchtlinge dort nur wenige Wochen verbringen, habe sich das als nicht
praktikabel erwiesen. „Jetzt würde es vielleicht klappen.“
Während der zweistündigen Veranstaltung wurde deutlich, welch großer Riss durch
Caputh geht. „Im Hilfsnetzwerk sind doch hauptsächlich die Zugezogenen, die
Sorgen von uns Alteingesessenen nimmt hier keiner ernst“, ruft eine Frau aus dem
Publikum und erntet dafür sowohl Zustimmung als auch Buh-Rufe. Bürgermeisterin
Hoppe muss mehrmals eingreifen, um die Diskussion wieder zu versachlichen.
Kritik an Betreuungsschlüssel und Kosten
Gebürtige Caputher befürchten, künftig bei Kinderärzten deutlich länger
im Wartezimmer zu sitzen und echauffieren sich über den angeblich sehr hohen
Betreuungsschlüssel der Einrichtung, der hohe Kosten verursache, während in Kitas
doch Mangel an Erziehern herrsche. Fachbereichsleiter Thomas Schulz bestätigt
zwar, dass ein Betreuungsplatz für Minderjährige den Staat jährlich etwa 40 000
Euro kostet. Das liege aber daran, dass die gleichen Richtlinien des Jugendschutzes
angewandt werden wie für einheimische Jugendliche. Zwar gebe es dadurch
teilweise einen Neidreflex. „Ich halte es aber nach wie vor für richtig“, so der
Fachbereichsleiter.
Bedenken zur Sicherheit im Ort versuchte Gert Meyer, Leiter der für Schwielowsee
zuständigen Werderaner Polizeiwache, zu entkräften. Meyer betonte, dass die
ausländischen Jugendlichen nicht anders sein werden als die heimischen. „30
Jugendliche werden unsere Arbeit nicht aushebeln und uns nicht überraschen.“ Mit
den bis zu 280 Bewohnern des Fercher Erstaufnahmelagers habe man polizeilich
auch kaum Probleme gehabt. „Die Einrichtung gibt es seit über einem Jahr, bisher
hatten wir einen Ladendiebstahl von Flüchtlingen“, so der Wachleiter.
Jugendliche sollen schnell Deutsch lernen
„Sollten sich die Jugendlichen wirklich daneben benehmen, schicken wir sie für
kurze Zeit in eine Standardunterkunft, damit sie sehen, welch gute Betreuung sie in
den Jugendeinrichtungen hatten“, erklärt Klaus Rajes, Teamleiter des Landkreises.
Rajes zufolge sollen die Teenager kurz nach ihrer Ankunft beginnen, Deutsch zu
lernen. Kurse könnten bei der Hoffbauer-Stiftung in Potsdam oder der
Michendorfer Volkshochschule stattfinden, Verhandlungen dazu liefen derzeit.
Wenn sich die Bewohner im „Anker-Haus“ eingelebt haben, kann sich Hausleiter
Hans Hansen auch einen Tag der offenen Tür vorstellen, damit Caputher Kontakt zu
den Flüchtlingen bekommen können. Auch Projekte mit örtlichen Jugendlichen soll
es geben. Die Übernahme von Patenschaften durch Caputher sei denkbar, müsse
aber oft zeitlich begrenzt sein, da viele Jugendliche nach einer Klärungsphase
Caputh verlassen und etwa bei Verwandten unterkommen würden. Mehrere
Caputher hatten vorher gefragt, ob Patenschaften möglich sind.
Dass es trotz aller Ängste in Caputh viele Menschen gibt, die sich engagieren
wollen, wurde nach der Veranstaltung deutlich: Vor der Liste für Neuaufnahmen ins
Hilfsnetzwerk standen die Menschen Schlange.
http://www.pnn.de/pm/1046900/