Predigt über Johannes 6, 66-69 bei der Konfirmation am 10. Mai 2015 in der Dreifaltigkeitskirche Hannover von Pastor Jürgen Kemper Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, liebe Gemeinde, bei der letzten Frage wurde es noch einmal spannend. Ihr konntet alles aufschreiben, was Ihr mich als Pastor noch mal fragen oder was ihr mit der ganzen Gruppe besprechen wolltet. Verdeckte Zettel ohne Namen, einer nach dem anderen. Und haben dann wirklich über Gott und die Welt geredet: über Adam und Eva und über die Entstehung des Universums, ob Jesus verheiratet war und warum Gott so viele Katastrophen zulässt, welche eurer Namen in der Bibel vorkommen, über Flüchtlinge haben wir geredet und wie es so ist Pastor zu sein und warum ich das geworden bin. „Das war´s“, sagte ich, als der Stapel abgearbeitet war, „jetzt sind alle Fragen durch.“ „Nein“, sagte eine von Euch, „da unten auf dem letzten Zettel steht noch was.“ Tatsächlich, das hatte ich übersehen. Ganz unten auf dem Zettel mit dünnem Bleistift geschrieben, ich hatte etwas Mühe, es zu entziffern. „Glaubt ihr eigentlich wirklich an Gott?“ In diesem Moment wurde es sehr still in der Gruppe. Kein schneller Witz, kein Lacher. Man merkte gleich: die Frage war angekommen. Und jeder dachte über die eigene Antwort nach. „Glaubt ihr eigentlich wirklich an Gott?“ Ich habe die Frage an die Gruppe weitergegeben und gebe sie heute noch einmal an Euch alle und auch an Sie als Angehörige und Freunde. Die Sie heute die Konfirmation, die Bestätigung des Glaubens mit ihren Kindern feiern. „Glaubt ihr eigentlich wirklich an Gott?“ „Meistens schon“, werden vielleicht manche sagen, „vor allem, wenn ich in Not bin, wenn ich Probleme habe.“ Das geht von der Klausur in der Schule bis zu einer bedrohlichen Krankheit in der Familie oder großen globalen Katstrophen. Andererseits gibt es auch Menschen, die gerade angesichts von großem Leid und Unglück in tiefe Glaubenszweifel geraten. „Ich glaube nicht sehr stark“ - hat einer von euch in dem abschließenden Rückmeldebogen geschrieben. Nicht sehr stark. Aber doch ein bisschen. Das klingt ehrlich, finde ich. Eine andere hat geschrieben: ich verstehe den Glauben jetzt ein bisschen besser. Dann hätte der Konfirmandenunterricht seinen Sinn erfüllt. Was würden Sie antworten? Es ist nicht einfach, auf die Frage nach dem eigenen Glauben eine ganz eindeutige Antwort zu geben. Jesus hat seinen Jüngerinnen und Jüngern einmal eine sehr ähnliche Frage gestellt. Da hatte er eine Rede gehalten, die für manche offenbar eine richtige Zumutung gewesen war. „Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist“, hatte er zum Beispiel gesagt. „Und wer von diesem Brot isst, der wird nie mehr hungern.“ (Joh 6, 35.50) Als ob der Glaube an ihn und seine Worte das wichtigste wären, was wir im Leben brauchen. Das war für einige echt zu viel. Die haben den Kopf geschüttelt und sind gegangen. „Alles ganz schön und gut, was er sagt“, meinten sie, „aber man kann´s auch übertreiben.“ Es waren erkennbar weniger geworden. „Und ihr?“ hat Jesus da seine Jünger gefragt – „wollt ihr auch weggehen?“ Vor kurzem hat mir eine Frau bei einem Geburtstagsbesuch erzählt, dass sie zwar fast nie in den Gottesdienst geht, dass sie aber nie aus der Kirche austreten würde. Als ich nachfragte, wie sie auf den Gedanken kommt und was sie meint, da berichtete sie mir von der Situation bei ihrer Arbeit. Von den 13 Kolleginnen und Kollegen in ihrem Betrieb sei sie die einzige, die einer christlichen Kirche angehört. Die anderen seien alle ausgetreten oder hätten nie etwas damit zu tun gehabt. Da begann ich zu verstehen, was sie mir sagen wollte. Diese Frau fühlte sich unter einem Gruppenzwang, einem sozialen Druck. Fast so, als wenn alle eine bestimmte Marke tragen, nur du nicht. Sie hatte das Gefühl, sich rechtfertigen zu müssen, warum sie zur Kirche gehört. Aber, so sagte sie, sie erzähle sie den Leuten dann immer, dass sie in ihrem Leben wirklich viel Schlimmes erfahren habe. Aber der Glaube an Gott sei für sie immer wie ein Halt gewesen. Sie habe auch oft gezweifelt und manchmal wirklich nicht weiter gewusst. Aber in einem einfachen Gebet oder in einer Kirche, die gerade offen stand, da habe sie immer wieder Kraft bekommen. „Glaubt ihr eigentlich wirklich an Gott?“ Es ist die eine Sache, das im eigenen Innern zu spüren. Auch wenn man mal zweifelt. Auch in allen Fragen zu wissen: da gibt es etwas, wo du hingehen, wo du dich innerlich anlehnen kannst. Eine Kirche, ein Gebet, ein Gegenüber, das dich hört. Bei dem du Kraft bekommst, weil du weißt: hier wirst du geliebt, wie du bist. Und sich darin nicht beirren zu lassen. Wie gesagt, das ist die eine Sache, das im eigenen Innern zu spüren. Und es ist eine andere Sache, zu diesem inneren Wissen auch zu stehen und es Anderen gegenüber nicht zu verschweigen. Das ist, zugegebenermaßen, oft ganz schön schwierig. Denn Christ-sein, man muss das wohl wirklich so sagen, Christsein ist in unserer Gesellschaft mehr und mehr zum Auswärtsspiel geworden. Die meisten schreien für die andere Seite. Aber du kannst in so einem Auswärtsspiel auch punkten – nämlich dann, wenn Du weißt, was Dir in deinem Innern Stärke gibt. Und wenn Du auf diese Stärke vertraust. Die 96er zum Beispiel haben das am letztes Wochenende in Wolfsburg ganz gut gemacht. So ein Fallrückziehertor wie der Sané es geschossen hat, da gehört schon Mut dazu. Das musst du dich in so einer Situation erst mal trauen. Ehrlich gesagt: Ich glaube, mit dem Christsein ist ein bisschen ähnlich. Kennt Ihr zufällig Jacqueline Thießen? Eine 18jährige Studentin, die war als Model bei GNTM. Germany´s next top model. (Ich weiß, das guckt eigentlich keiner von uns hier, aber alle wissen darüber Bescheid.) Jacqueline hat dort öffentlich gesagt, dass sie zur Kirche geht und dass sie Theologie studieren will. Also, die ist Model und will Pastorin werden. Krass. Sonst ist sie ganz normal. Aber da hieß sie dann eben bei GNTM „Heidis Kirchenmaus“. Ich habe Jacqueline neulich in einer Talkshow gesehen (sonst wüsste ich das auch nicht). Die steht zu ihrem Glauben. In ihrer Kirchengemeinde ist sie als Teamerin in Kindergruppen und bei Konferfahrten dabei. Und modelt. Großartig. Fragt der Moderator: „Fällt das schwer, das so demonstrativ nach vorn zu tragen und dazu zu stehen?“ Sagt sie: „Warum, für mich ist das ganz normal. Ich weiß auch nicht, warum sich dafür schämen sollte, in der Kirche mitzumachen.“ Und tatsächlich: donnernder Applaus im deutschen Fernsehen für diese Äußerung. Da wagt es eine, ganz einfach zu dem zu stehen, was ihrem Leben Sinn und Stärke gibt. Man kann auch im Auswärtsspiel punkten. „Wollt ihr auch weggehen?“ fragt Jesus seine Jünger. Da sagt Petrus: „Herr, wohin sollten wir denn gehen? Du bist es doch, der Worte ewigen Lebens hat.“ Anders ausgedrückt: das was du sagst, das hat wirklich Sinn und Kraft über den Tag hinaus. Das hat einen bleibenden Wert, das ist was Ewiges. Liebe Jugendliche, nun habt ihr eure Konfirmandenzeit hinter euch. Ob ihr in diesen eineinhalb Jahren auch so etwas gehört oder mitgenommen gehabt irgendwann – etwas mit bleibendem Wert, „Worte ewigen Lebens“? Ich weiß es nicht. Sicher, eure Kommentare im Rückblick auf diese Zeit waren sehr positiv, das Singen war euch manchmal ein bisschen viel, toll fandet ihr die Freizeiten und den Zusammenhalt untereinander. Ist doch schön, dass es wenigstens in der Kirche noch solche Fahrten gibt. Und ich kann mir vorstellen, es gibt Gespräche, Symbole, Lieder, die euch irgendwann wieder einfallen. Viele haben geschrieben, dass ihnen die Gespräche über den Tod besonders wichtig waren. Und ein Wort mit bleibendem Wert habt ihr euch selber ausgesucht. Der Konfirmationsspruch kann euch an das erinnern, was euch in Konferzeit, aber auch überhaupt am Glauben das wichtigste ist. So wie einige es geschrieben haben: Dass ihr Gott alles sagen könnt, und dass er euch immer auf dem richtigen Weg leitet. Dass ihr auf die Benachteiligten achtet - auch dazu gehört Mut! Dass ihr eure Sorgen immer an Gott übergeben könnt. Dass ihr euch nicht von bösen Gedanken beeinflussen lasst, sondern immer auf das Gute achtet. Dass Gott sich um eine verstorbene liebe Freundin kümmert. Der Spruch, den ihr euch gewählt habt, kann euch ermutigen, niemals aufzugeben. Bevor ich mal aufgebe, hat einer geschrieben, will ich mich an diesen Satz erinnern, und weiterkämpfen und weiter suchen. Was ich über einen Spruch gelesen habe, das gilt eigentlich für alle: „Dieser Satz hat für mich etwas unendliches, etwas, das für die Ewigkeit ist.“ Herr, wohin sollten wir gehen? sagt Petrus. Tja, wohin? Klar, wir können viel wissen und viel lernen. Und das ist gut und wichtig so. Aber ewig ist unser Wissen nicht, es verändert sich ständig. Wer die Worte von Jesus gehört hat, kann kritisch werden auch gegenüber allem, was uns als Wissen angeboten wird. Glaube macht Mut zum eigenen Denken und zur eigenen Meinung. Wohin sollten wir gehen? Klar, wir - in unserem Land - können vieles kaufen - ich gönn es euch wirklich, grad heute ! - , aber ganz ehrlich: was davon hätte schon Ewigkeitswert ? Wer den Glauben kennen gelernt hat, wird kritisch werden gegenüber den ungezählten Konsum-Angeboten in unserem Land. Was viel mehr zählt, wäre eine Gemeinschaft, in der Menschen sich gegenseitig unterstützen: in unsrer allernächsten Umgebung, aber auch weltweit. Wohin sollten wir gehen? Klar, wir können viel erleben: Konzerte, Reisen, Abenteuer… aber was davon hätte wirklich Wert über den nächsten Tag hinaus? Wer Gott auf die Spur gekommen ist, wird kritisch werden gegenüber den großen Sensationen in unserer Erlebnisgesellschaft. Wichtiger wäre es, kennen zu lernen, wohin letztlich unsere Reise geht. Und woran wir uns am Ende halten können. Solche Worte des ewigen Lebens, solche Gedanken und Gesten der Ewigkeit wünsche ich euch. Und dass ihr euch darin nicht beirren lasst. Davon singen wir das nächste Lied: On my way to heaven I shall not be moved… . Amen.
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