39. Ordentliche Bundesdelegiertenkonferenz von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20. - 22. November 2015, Halle, Messe WP-15 Erik Marquardt Liebe Freundinnen und Freunde, Wer hätte vor einigen Jahren gedacht, welche Debatten wir heute zu führen haben. Das Grundrecht auf Asyl wird von Teilen der Bundesregierung offen infrage gestellt, fast täglich brennen Asylunterkünfte, die AfD und andere Rechtspopulist_innen bringen tausende Menschen auf die Straßen und außenpolitisch stehen wir vor dem Scherbenhaufen einer verfehlten Politik der letzten 20 Jahre. Noch immer hängt der Bildungsabschluss maßgeblich vom Abschluss der Eltern ab. TTIP, CETA und Co. stellen demokratische Grundsätze in Frage, die Schere zwischen Arm und Reich klafft immer weiter auseinander und eine Energiewende, die den Namen auch wirklich verdienen würde, existiert nur in Sonntagsreden des Kohleministers Gabriel. Und angesichts des schrecklichen Terrors in Paris könnte man erstarren vor so viel Hass und Tragödie. Aber es gibt zu viel zu tun, um still zu sitzen. •Demokratieverdrossenheit abschaffen Bei den letzten Landtagswahlen stand die absolute Mehrheit für die Demokratie oft auf der Kippe. Wenn nur die Hälfte der Menschen zur Wahl geht und eine inhaltsleere rechtspopulistische Partei zweistellige Ergebnisse erhält, ist die Zeit der Warnschüsse schon lange vorbei. Es gibt viel zu viele Menschen, die dem parlamentarischen System nicht mehr vertrauen und die wir als Partei nicht mehr erreichen. Gerade in dieser Zeit ist es aber wichtig, dass wir klare Kante gegen Rechts zeigen und gemeinsam mit vielen anderen auch auf der Straße zeigen, dass wir stärker sind, als diese rechten Hetzer. Die Wähler_innen müssen uns wieder glauben, dass wir auch nach der Wahl für das einstehen, was wir vor der Wahl versprochen haben. Und sie müssen wissen, für was die Grüne Partei steht ohne sich monatelang mit unseren Diskussionen zu beschäftigen. Ich bin froh, dass wir immer öfter schaffen, unsere inhaltlichen Positionen nach außen zu tragen, denn nach der Bundestagswahl 2013 wurde zu lange über Personal und parteiinternen Querelen geredet. Aber wir können mehr. Dafür brauchen wir klarere rote Linien in wichtigen Themen und deutliche Ansagen. Wir müssen die Dinge auf den Punkt bringen. Wir müssen nicht allen gefallen, sondern Gefallen daran finden, Menschen von unseren Inhalten zu überzeugen. Ich will keine Politik für die nächsten Wahlen machen, sondern für die nächsten Generationen. •Für eine Partei mit klarer Kante Was uns zu Bündnisgrünen macht, ist nicht eindimensional. Es gibt in unserer Partei nicht die Gruppe der „Pragmatiker“ und die der „Fundis“. Ich will eine Partei, in der man für Visionen nicht zum Arzt geschickt wird. Wir brauchen weiterhin den Mut zur Debatte und den Mut langfristige Ziele zu formulieren. Und natürlich müssen wir auch immer wieder diskutieren, was für uns bündnisgrün ist und wie wir uns unsere Partei vorstellen. Wir dürfen bei all den parteiinternen Debatten aber nicht vergessen, dass die Partei nur ein Mittel ist, um politische Ziele zu erreichen. Mit parteiinternen Diskussionen gewinnen wir keine Blumentöpfe und begeistern keine Menschen. Wir wollen die Welt für die Menschheit besser machen und wir wollen, dass die Menschheit für diese Welt besser wird. Dafür brauchen wir starke Bündnisse mit außerparlamentarischen Gruppen und einen klaren politischen Kompass. Meiner Meinung nach erfordern auch schwierige Fragen klare Antworten. Wenn wir beispielsweise in erster Reihe bei den Protesten gegen TTIP mitlaufen, dann erwarten unsere Bündnispartner_innen zurecht, dass wir alle Möglichkeiten nutzen um TTIP aufzuhalten. Das bedeutet: Wenn wir es im Bundesrat aufhalten können, dann müssen wir das auch tun. •Die Menschen fliehen vor Terror und Unfreiheit Den 13. November 2015 werden wir so schnell nicht vergessen. In einem unvorstellbaren Blutbad wurden über 130 Menschen ermordet. Und noch bevor Terroristen oder Opfer identifiziert wurden, nutzte die CSU dieses Massaker in ekelhafter Art und Weise für ihre politische Agenda gegen die Schutzsuchenden. Doch 39. Ordentliche Bundesdelegiertenkonferenz von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20. - 22. November 2015, Halle, Messe WP-15 Erik Marquardt das ist nur ein Vorgeschmack auf die Debatten, die uns bevorstehen. Es wird über Grenzschließungen, über Zäune, Obergrenzen und andere sogenannte Sicherheitsmaßnahmen geredet werden. Rechte und Konservative werden versuchen, die Ängste in der Bevölkerung zur Einschränkung von Bürgerrechten zu instrumentalisieren. Wir müssen alles in unserer Macht stehende tun, um diese Einschränkung von Freiheiten zu verhindern. Denn eine Einschränkung der Freiheit ist vor allem ein Erfolg für diejenigen, die gegen unsere Freiheit kämpfen und damit auch ein Erfolg für die Terroristen von Daesh, dem sogenannten Islamischen Staat.•• Es gibt keine Flüchtlingskrise, sondern eine Regierungskrise Dass der islamistische Terror auch zu einer Bedrohung in Europa wird, sollte uns dabei doch aber viel mehr Anlass geben, die Menschen zu verstehen und zu schützen, die vor Terror fliehen müssen. Die Geflüchteten sind keine Welle, keine Flut, keine Krise und schon gar keine Lawine - es sind Menschen. Menschen mit Träumen, Zielen, Zweifeln, Fehlern und Stärken. Menschen, die nach Menschenrechten und Perspektiven suchen, die sie bei uns finden können und sollten. Ich war seit August sechs Mal auf der Balkanroute. Ich habe mit vielen Menschen auf der Flucht geredet, versucht sie zu unterstützen und die Situation dokumentiert, um sie in Deutschland zu verbreiten. Denn ich glaube es ist wichtig in diese Debatte das Menschliche hervorzuheben und aufzuzeigen. Nur wenn in der Gesellschaft die Empathie vorhanden ist, dass es in der Asyldebatte um Menschen geht, werden Geflüchtete auch wie Menschen behandelt werden. Doch mit Empathie alleine ist es nicht getan. Uns droht auch eine fortlaufende Abwärtsspirale im Asylrecht und den Asylstandards, die es zu stoppen gilt. Noch im letzten Jahr haben wir in den Bundesländern und Kommunen für dezentrale Unterbringung gekämpft und nun fehlen uns womöglich mancherorts die Mittel um genügend winterfeste Zelte bereitzustellen, damit alle Geflüchteten zumindest im Warmen untergebracht sind. Auch ich finde es nicht gut, dass Grüne den Verschlechterungen im Asylrecht im Bundesrat zugestimmt haben. Der Preis für die Verbesserungen war hoch, meiner Meinung nach zu hoch. Doch dieser Asylkompromiss wird nicht der letzte Angriff auf das Grundrecht auf Asyl gewesen sein. Wenn wir diese Spirale aufhalten und zurückdrehen wollen, dann müssen wir schwere Entscheidungen treffen und noch härter verhandeln. Und wir müssen auch in den Asyldebatten die grüne Sperrminorität im Bundesrat endlich nutzen. Wir haben in diesem Bereich viel Vertrauen verspielt, das wir zurückgewinnen müssen. Und das sage ich auch mit Blick auf die GRÜNE JUGEND, die nach der Bundesratsabstimmung mit einigen Austritten zu kämpfen hatte. Die Herausforderungen in den Kommunen sind riesig, erfordern viel politisches Geschick und massive ehrenamtliche Unterstützung. Aber sie erfordern auch mehr finanzielle Mittel. Dass die Bundesregierung die schwarze Null über die Grundrechte der Menschen stellt, halte ich für einen widerwärtigen Fehler. Nur wenn wir jetzt in Sprachkurse, in Bildung, in medizinische Versorgung, in Wohnungen und in Jobs investieren, werden wir die große Chance nutzen können, die uns die vielen motivierten Menschen, die zu uns kommen, eröffnen. zu mir Ich bin 28 Jahre alt, lebe in Berlin und studiere an der Fernuniversität Hagen Politik, Verwaltung und Soziologie. Bevor ich im letzten Jahr Sprecher im Bundesvorstand der GRÜNEN JUGEND war, durfte ich ein Jahr politischer Geschäftsführer der GJ sein. Davor war ich mehrere Jahre in der Hochschul- und Wissenschaftspolitik aktiv. Als Vorstand im studentischen Dachverband fzs („freier zusammenschluss von studentInnenschaften“) durfte ich die Interessen etwa einer Million Studierender gegenüber Politik und Öffentlichkeit vertreten. Auch davor habe ich mich mehrere Jahre im hochschul- und wissenschaftspolitischen Bereich engagiert. Nebenberuflich arbeite ich noch ein paar Stunden pro Woche als studentischer Mitarbeiter bei Dirk Behrendt im Abgeordnetenhaus von Berlin und bis Jahresende bei Katrin Göring-Eckardt im Bundestag. Außerdem arbeite ich als Fotojournalist und versuche damit verschiedene Projekte zu realisieren. In den letzten Monaten war ich oft auf der Balkanroute und habe den Menschen vor Ort geholfen, mich über die Lage informiert und die Situation fotografisch dokumentiert. Ansonsten versuche ich in meiner Freizeit etwas Sport zu machen und die Welt zu retten. 39. Ordentliche Bundesdelegiertenkonferenz von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20. - 22. November 2015, Halle, Messe WP-15 Erik Marquardt Warum kandidiere ich für den Parteirat? Der Parteirat hat als Beratungs- und Koordinierungsgremium eine spannende und wichtige Schnittstellenfunktion. Als Sprecher der GRÜNEN JUGEND konnte ich im letzten Jahr an vielen Sitzungen des Parteirats teilnehmen und einen guten Eindruck von dem Gremium gewinnen. Ich möchte in der kommenden Amtszeit daran anknüpfen und glaube, dass es insbesondere in der Asyldebatte, im Umgang mit Rechtspopulismus und im Vorfeld der Bundestagswahl einen starken Parteirat braucht, in dem Leute viel Energie und Zeit investieren und sich auf die Arbeit in diesem Gremium konzentrieren können. Ich möchte im Parteirat eine kreative, junge und ehrenamtliche Perspektive einbringen. Denn ich finde wichtig, dass im Parteirat verschiedene Ebenen und Sichtweisen vertreten werden. Das heißt für mich auch, dass neben der Bundestagsfraktion, der Bundespartei, den Ländern mit Regierungs- und denen mit Oppositionsverantwortung auch Menschen für dieses Gremium kandidieren, die nicht seit Jahren Berufspolitiker sind, sondern sich ehrenamtlich und intensiv engagieren. Ich habe kein Amt und ich war nie Berufspolitiker, aber ich habe Zeit, Ideen und Energie, die ich gern intensiv im Parteirat einbringen will. Deswegen würde ich mich über euer Vertrauen und eure Stimme freuen. Wenn ihr Fragen habt, meldet euch gern bei mir: Twitter: @erikmarquardt facebook: fb.com/ErikMarquardtDE Mail: [email protected]
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