68-71 Technik - messerfuchs.de

TECHNIK
Familie 14-4 im Test
ATS-34 und 154-CM werden
immer öfter für hochwertige
Messerklingen verwendet. Beide
Stähle gehören zur so genannten 14-4-Familie. Wir haben die
Stärken und Schwächen der
Familienmitglieder geprüft.
D
er Begriff „14-4-Familie“ ist in den Legierungsbestandteilen
begründet: Er bezeichnet
Werkzeugstähle, die mit rund
14 Prozent Chrom und vier
Prozent Molybdän veredelt
sind. Zu dieser locker verbundenen Familie gehören zwei
der bekanntesten und am häufigsten verwendeten Stähle für
hochwertige Messer: ATS-34
und 154-CM. Es handelt sich
um Stähle, die ursprünglich
für ganz andere Zwecke entwickelt wurden und dann
langsam ihren Weg zum Messer gefunden haben. Dort traten sie in Konkurrenz zum bewährten 440 C, der nicht zur
selben Familie gehört.
Die Mitglieder der
14-4-Familie weisen sehr ähnliche
Anteile an Chrom
und Kohlenstoff
auf. Abweichungen
gibt es vor allem
beim VanadiumGehalt. WD-65
besitzt darüber
hinaus hohe Anteile an Wolfram
und Kobalt.
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MesserMagazin
nische Messermacher dazu
über, diesen Stahl für ihre Messer zu verwenden. Weil die
Herstellung des 154-CM in den
USA aber immer teurer wurde
und auch die Patentrechte von
Crucible abliefen, wurde der
Stahl bald auch in Japan produziert: Er bekam dort die Bezeichnung ATS-34. Der günstigere Preis gegenüber dem 154CM veranlasste die meisten
Messermacher, dieses Material
zu verwenden. Lange Zeit wurde ATS-34 nur von Messermachern eingesetzt. Heute wird
er auch von namhaften Messerfabriken verwendet.
Die Stahlhersteller gaben ihre Forschungen aber
nicht auf und
entwickelten neue Stähle in
der 14-4-Gruppe: Darunter BG42 und BG-43 sowie WD-65.
Die beiden Qualitäten BG-42
und BG-43 des Herstellers Lesco weisen ein besseres Verschleißverhalten als ATS-34 beziehungsweise 154-CM auf –
ein Ergebnis des höheren Va-
Der 154-CM wurde von der
amerikanischen Firma Crucible Steel entwickelt. Ziel war
es, einen Stahl zur Herstellung
von Kugellagern zu erzielen,
der dem bis dahin meist verwendeten 440 C überlegen
sein sollte. Grund für die Neuentwicklung war der auftretende Härteverlust des 440 C
bei höheren Temperaturen.
Die Kugellager waren Spezialanfertigungen für die Strahltriebwerke der Firma Boeing,
deren Bauteile extrem hohe
Temperaturen – 500 bis 800
Grad Fahrenheit – aushalten
mussten, ohne dabei einen we-
Kein Stahl wurde speziell
für Messer entwickelt
sentlichen Härte- oder Festigkeitsverlust zu zeigen.
Als erster amerikanischer
Messermacher entdeckte Bob
Loveless diesen Stahl. Er fertigte daraus seine Custom Knives
und machte dadurch den 154CM bekannt. Nach und nach
gingen immer mehr amerika-
Die Zusammensetzung der 14-4 Familie
Name
Kohlenstoff (C)
Chrom (Cr)
Molybdän (Mo) Vanadium (V)
Wolfram (W)
Kobalt (Co)
Silizium (Si)
154 CM / ATS 34
1,05
14,00
4,00
* AL-129
0,70
12,50
5,25
0,15
-
-
0,90
-
-
-
1,00
BG-42
1,15
14,50
BG-43
1,20
14,50
4,00
1,20
-
-
0,30
4,00
2,20
-
-
-
WD-65
1,15
15,00
4,00
3,00
2,50
5,50
0,15
alle Angaben in Prozent
Herstellerhinweise:
AL-129 = Allegheny Ludlum Steel Corp., BG-42 / BG-43 = Lesco – Latrobe Steel Co., WD-65 = Crucible Steel Co of America
* Bei AL-129 wurde nur die Schnitthaltigkeit, nicht die Korrosionsbeständigkeit getestet (siehe Seite 70).
Stahl im Praxis-Test
Die Legierungsbestandteile grafisch sichtbar gemacht: Die hohen Säulen verdeutlichen, welchen wichtigen
Anteile das Chrom einnimmt. Es sorgt vor allem für die Korrosionsbeständigkeit (im Zusammenspiel mit
anderen Bestandteilen wie Vanadium und Molybdän).
nadiumgehalts. AL-129 bietet
durch den geringeren Kohlenstoff- und höheren Molybdängehalt Vorteile bei der Zähigkeit.
Die Spitzenqualität in der
Familie ist der WD-65. Er wurde nach langjähriger Entwicklungsarbeit, die die amerikanische Regierung finanziell unterstützte, von Crucible vorgestellt. WD-65 besitzt eine deutlich verbesserte Korrosionsbeständigkeit,
Warmfestigkeit,
aber auch Verschleißfestigkeit
im Vergleich zu ATS-34 / 154CM. Einziger Nachteil dieses
Stahls ist seine deutlich
schlechtere
Verarbeitungsfähigkeit – ein hoher Verschleiß der Bearbeitungswerkzeuge ist die Folge.
Für die Verwendung der
14-4-Stähle bei Messern ist es
kaum interessant, wie das
Hochtemperaturverhalten dieser Gruppe aussieht. Viel wich-
Schnitthaltigkeit. Dazu wurden von den verschiedenen
Stählen gleiche Klingen angefertigt – gleiche Größe,
gleiche Dicke, gleicher Schneid e nw i n ke l ,
identische
Ur s p r u n g s schärfe, also
vo l l s t ä n d i g
gleiche Geometrie der Klingen, jedoch mit verschiedenen
Härten. Die Klingen wurden
dann in eine Vorrichtung gespannt, mit definierter Kraft
(Normalkraft) belastet und
dann Schnitte in ein Kunststofftestmaterial ausgeführt.
Die Anzahl der Schnitte
wurde dabei solange addiert,
bis die Klingen ihre Eigenschaft verloren hatte, ohne
Beim Messer zählt vor
allem die Schnitthaltigkeit
tiger ist der Verschleiß und das
Korrosionsverhalten im Vergleich zu anderen Stählen. Ein
Stahl, der so wenig wie möglich verschleißt und auch nicht
mehr korrodiert, wäre der
ideale Werkstoff für ein Messer.
Deshalb haben wir einige
Tests durchgeführt: Zuerst
prüften wir das Verschleißverhalten beziehungsweise die
MesserMagazin
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TECHNIK
So lange bleibt die Klinge scharf: Aus den Ergebnissen des Tests kann man ablesen, dass die Schnitthaltigkeit mit der Rockwell-Härte fast linear zunimmt. Deutlich ist der Vorteil von BG-42 und BG-43
gegenüber 440C, 154-CM und ATS-34. Mit Abstand am besten sind die Ergebnisse beim WD-65.
Druck beziehungsweise Kraft
in die Kunststoffe einzudringen. Bei der gleichen Anzahl
von Schnitten ging auch die
Fähigkeit verloren, Haare zu rasieren – ein beliebter PraxisTest.
Der Rost-Test
machte einigen
Stählen zu
schaffen:
Während 440 C
und WD-65 sich
weitgehend
unbeeindruckt
zeigten, traten
bei ATS-34/
154-CM und
BG-42 zum Teil
schwere
Schäden auf.
70
MesserMagazin
Die Tabelle „Schnitthaltigkeitstest“ lässt erkennen, dass
es in der Prüfung kaum einen
Unterschied im Verschleißverhalten zwischen ATS-34 und
154-CM oder 440 C gibt. Die
beiden Stähle BG-42 und BG-
43 zeigen dagegen eine deutlichere Steigerung im Verschleißverhalten
gegenüber
ATS-34 und 154-CM. In der letzten Zeit wird der BG-42 von einigen amerikanischen Messermachern verwendet – unter
Korrosionsverhalten in der Praxis
Stahltyp
Härte HRC
Wasserdampf
Kupferchlorid
Kupfersulfat
Essigsäure
Salzwasser
440 C
59
keine
Korrosion
keine
Löcher
keine
Korrosion
keine
Korrosion
keine
Korrosion
ATS-34/154-CM
61
mehrere kleine
Löcher
30
kleine Löcher
schwerste
Abtragungen
LochfraßKorrosion
LochfraßKorrosion
BG-42
60
mehrere kleine
Löcher
25
kleinste Löcher
schwerste
Abtragungen
LochfraßKorrosion
LochfraßKorrosion
WD-65
65
wenige kleine
Löcher
keine
Korrosion
leichte
Ablagerungen
keine
Korrosion
keine
Korrosion
Stahl im Praxis-Test
anderem von Chris Reeve für
seine „Sebenza“-Serie.
Es zeigt sich jedoch, dass
an die Spitzenqualität des WD65 kein anderer Stahl der 14-4Familie heran reicht. Im Handel ist dieser Stahl aber normalerweise nicht erhältlich.
Da für die Praxis das Korrosionsverhalten von großer
Bedeutung ist, haben wir auch
nicht wesentlich schlechter als
ATS-34 oder 154-CM ist,
spricht einiges für den etwas
aus der Mode gekommenen
Stahl. Die Firma Böker war die
erste Firma in Deutschland,
die 440 C in der Serie einsetzte. Der Solinger Hersteller
bleibt auch heute diesem bewährten Stahl treu.
Fazit: Nicht alles, was neu
auf den Markt
kommt, ist besser als das, was
man
schon
hat. Der einzige Stahl der 144-Familie, der wirklich als
Highlight gelten kann, ist der
WD-65 von Crucible Steel.
Doch der ist leider nicht im
Handel verfügbar.
Klaus-Michael Fuchs
Bei der Rostbeständigkeit
ist 440 C erste Klasse
hier Untersuchungen durchgeführt. Es wurde geprüft, wie
die Stähle reagieren, wenn sie
mit Wasserdampf, Kupferchlorid, Kupfersulfat, Essigsäure
und Salzwasser in Berührung
kommen. Dieser Test ist sehr
praxisnah, da auch Messerklingen beim Gebrauch mit solchen Stoffen in Berührung
kommen können, zum Beispiel
beim Schneiden von Obst oder
in salzhaltiger Meeresluft.
D
abei zeigte sich deutlich, dass ATS-34 und
154-CM ein wesentlich schlechteres Korrosionsverhalten besitzen als 440 C.
Weil 440 C im Verschleißtest
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e-mail: [email protected]
Autor Klaus-Michael Fuchs ist
Diplom-Ingenieur, Waffenexperte und Messermacher. Er
stellt seit über 20 Jahren handgefertigte Messer her und
schmiedet selbst Damaststahl.
Der Spezialist für Messerstähle
hat für diesen Beitrag alle Testklingen selbst gefertigt sowie
die Tests selbst durchgeführt
und ausgewertet.
Abbildung:
Tanto Futur Little
Klingenstahl
rostfreier Damast
Griff stabilisiertes
Ahorn
Seltenheitswert: Dieses Fuchs-Messer wurde aus WD-65 gemacht,
einem Stahl, der üblicherweise nicht im Handel ist.
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