Literatur im historischen Kontext Vortragende: Univ.-Prof. Dr. habil. Eva Horn 1.Vorlesung: Der arme Heinrich (ca. 1200) Im Mittelalter gab es keine exakte Zuteilung von Texten zu einem jeweiligen Autor. Bücher galten als Unikate da sie mit der Hand geschrieben wurden, was erheblichen Aufwand bedeuteten. Von vielen Texten gab es jedoch mehrere Varianten, wobei recht viele Werke über die Zeit verloren gingen. Der Autor selbst dichtete zu jener Zeit viele Werke nach oder hatte zumindest eine Vorlage (meist in Latein oder Französisch) für seinen Text. Er verfasste meist Auftragsdichtungen und kannte sein Erstpublikum, wobei der Auftraggeber mehr Ansehen bekam als der Autor. Die Texte wurden meist gesungen vorgetragen und mit Musik begleitet. Viele Autoren sind uns heute nicht bekannt. Autor: Er schuf „Erec“, „Gregorius“, „Iwein“ und „Der arme Heinrich“ Über ihn selbst ist wenig bekannt, am meisten erfährt man über ihn am Anfang in der Einführung (Prolog), wo er über sich selber schreibt Sozialer Status: Ritter und Dienstmann => Ministerialer (Abstieg durch die Heirat von einem Vorfahren mit einer niedereren Person); jedoch ist es durchaus möglich, in seinem Stand eine besonders hohe Stellung zu haben Es ist ungewöhnlich, dass er Ritter und Gelehrter zugleich war, da Lesen und Schreiben dem Klerus vorbehalten war. Ebenso ungewöhnlich ist, dass er angibt mehrere Bücher gelesen zu haben (=> Sekundärliteratur in verschiedenen Sprachen) Ministeriale gab es eher selten, oft waren sie aber Autoren Ritterliche Tugenden: Treue/Loyalität, Liebesdienst/Minne, Keuschheit, Frömmigkeit Die Sprache deutet auf alemannische Herkunft Heinrich von Aue: Ein vorbildlicher Ritter im besten Alter, hilfsbereit, gerecht, höfisch Ist jedoch sehr weltgerichtet Erfährt keine Anerkennung von Gott, jedoch die der Bürger Erkrankt an Lepra (=Aussatz); daraufhin wird er von der Gesellschaft verstoßen, da man Lepra damals für ansteckend, unheilbar und ein göttliche Strafe hielt (siehe „Hiob“) Das Mädchen: In Handschrift A anfangs 8 Jahre alt, in Handschrift B 12 Jahre alt, zum Schluss 11/12 Jahre alt (ein Kind) bzw. 15/16 Jahre alt (in einem heiratsfähigen Alter) Wird von Heinrich „Gemahlin“ genannt, wobei dies in Handschrift A ein Spitzname ist Bekommt Geschenke von Heinrich, welche einerseits als Kinderspielzeug gesehen werden können und andererseits als Geschenke zum Werben (in Abhängigkeit vom Alter) Sie argumentiert äußerst klug und geschickt, warum man sie das Opfer für Heinrich bringen lassen soll. Dies ist für ein junges Mädchen sehr ungewöhnlich, so dass es scheint, als würde der Heilige Geist aus ihr sprechen. Sie meint zur ihren Eltern, dass sie sie ihnen ihren Wohlstand sichern würde, was sich mit Heinrichs Tod und damit einem neuen Herren erheblich ändern würde. Zudem meint sie, dass sie Christus Braut werden will, da sie sowieso 1 nur einen Bauern heiraten kann und ihr dieses Leben zu hart ist, und, dass sie dadurch ein Seelenheil erlangt, da sie sie den weltlichen Entführungen entgeht und Jungfrau bleibt. Interpretation: „Der arme Heinrich“ stellt keine Autobiografie von Hartmann von Aue dar! Jedoch könnte es durchaus sein, dass Heinrich eventuell ein Verwandter bzw. Vorfahre von Hartmann von Aue ist („Spitzenahne“), der unter seinem Stand geheiratet hat. Die wäre eine Erklärung dafür, wie Hartmann von Aue zu einem unfreien Ritter wurde. Bezugsquellen stellen „Hiob“ (Prüfung Gottes in der Bibel) und die „Silvesterlegende“ (jedoch wäre das Blut der geopferten Kinder unfreiwillig gewesen) dar, wo Gott am Ende alles zum Positiven wendet und „Amicus und Amelius“ (Motiv der freiwilligen Opfer, Widerauferstehung der beiden Söhne, Heilung des Kranken). Schlimme Krankheiten fordern schlimme Opfer => Prüfung, dass man gerade dieses Opfer nicht bringt, sondern die Krankheit akzeptiert und Gott trotzdem weiterhin verehrt Jeder glaubte im Mittelalter an Gott, Heinrich tat dies jedoch nicht genug, da er zu sehr auf das Weltliche gerichtet war. Er sieht diesen Fehler aber ein und wird dadurch und durch seine Güte, dass er das Opfer des Mädchens nicht annimmt, geheilt. Die Wahl eines spirituellen Lebens war damals nicht selten. Dieses bot die Chance aus der Autonomie auszubrechen und dem Heiratsschema zu entgehen. Montpellier und Salerno sind tatsächlich seit dem 10. Jahrhundert medizinische Zentren. Die Textart ist zwischen Legende, Mirakelerzählung und Exempel angesiedelt. Der Text ändert sich im Verlauf von einem Erzählbericht zu direkten Gesprächen zwischen den Beteiligten. Wenn Heinrich kurz vor der Opferung des Mädchens spricht, dass er neuen „muet“ gefasst hat, so bedeutet dies nicht „Mut fassen“, sondern eine neue Haltung/Einstellung bezüglich etwas einnehmen. Es gibt Hinweise, warum Heinrich erkrankt ist, eine exakte Erklärung existiert jedoch nicht. Obwohl sich die 3 Handschriften durchaus inhaltlich unterscheiden, so ist das Ende in allen dreien gleich (Heinrich wird durch Gott geheilt und sowohl er, als auch das Mädchen, gehen am Ende ihres Lebens in das Himmelsreich ein). In Handschrift B heiraten Heinrich und das Mädchen, sie ziehen sich jedoch zurück, gründen ein Doppelkloster und führen ein spirituelles Leben. In Fragment E kehrt Heinrich geheilt zurück, die Eheschließung bleibt jedoch aus. 2 2.Vorlesung: Melusine (1456) und Sendbrief vom Dolmetschen (1530) In dieser Zeit begann sich der Buchdruck zu entwickeln, Werke hörten auf Unikate zu sein, da sie nun vervielfältigt werden konnten. Mit der Vervielfältigung wurden die Werke nun auch einer breiteren Masse zugänglich; das Zielpublikum veränderte sich (die Analphabetisierungsrate ging langsam zurück), genauso wie der Stil. Die ersten Buchdrucke umfassten Ablassbriefe. Melusine: Melusine galt als einer der ersten Bestseller, der mit dem Buchdruck vertrieben worden war. Die Sprache des Werkes ist Frühneuhochdeutsch. Es handelt sich hierbei um keinen originellen Stoff, sondern ist die Übersetzung von einem französischen Werk, welches in Versen verfasst worden war, in einen Prosatext. Das Motiv findet man erstmals im 8.Jhd. bei den Kelten. Thematisiert wird die gestörte Marten-Ehe, wobei mar so viel wie Unhold, Gespenst bedeutet, und für eine Ehe zwischen einem Fabelwesen und einem Menschen steht. Diese Ehe wird immer von einem Mann gestört, der ein bestimmtes Tabu bricht, was fatale Folgen hat für den weiteren Verlauf der Geschichte. Zu erwähnen sei, dass die ritterlichen Erfolge sehr ausführlich geschildert werden, viele Kinder geboren werden und einige Schlösser gebaut werden, was auf eine konventionelle Rittergeschichte hindeutet. Ebenso ein zentrales Thema ist die Genealogie, also das Vorkommen von Spitzenahnen mit Aufstiegen in der Gesellschaft und Einbrüchen in dem Aufstieg. Mére Lusignan ist eine Spitzenahnin in Frankreich, zu der es Parallelen zu dem Geschlecht der Albany in Schottland gibt, über denen ebenfalls ein Fluch liegt. Dieser Fluch kann nur durch eine erfüllte Ehe gebannt werden. Thüring von Ringoltingen: Er entstammte aus einer Bauernfamilie, welche sich aber einen Adelstitel kaufte und dadurch einen gesellschaftlichen Aufstieg erlebte. War sehr einflussreich in Bern Genealogie eines Aufstiegs Bei der Jagd: Sterndeutung deutet Reymunds Schicksal bereits an Der Eber symbolisiert Raserei, Gewalt und Zorn => Vordeutung, da im geschichtlichen Verlauf immer wieder Zorn/Raserei vorkommen. Zorn ist eine menschliche Schwäche, ein menschlicher Fehler, was eine Art Sünde ist. Reymund: Ist sehr oft zornig, steht für seine menschliche Schwäche Er wird von Melusine als falsch und verräterisch bezeichnet, als er das Sichttabu bricht und sie öffentlich anklagt. Melusine: Scheint sehr christlich zu sein, gibt nicht zu erkennen ein Dämon/Fabelwesen zu sein Sichttabu: Samstags darf Reymund sie nicht im Bad sehen, was ein Problem für das Bild der damaligen Ehe darstellte. Damals war es die Pflicht des Mannes seine Frau zu behüten und ihr Recht beschützt zu werden. Dadurch kam das Gerücht auf, dass Melusine ihren Mann betrüge und, dass sie ein Fabelwesen sei. Ist vom Nabel abwärts wie ein Fisch oder eine Schlange => Wassermotiv: Bringt die Wahrheit zum Vorschein 3 Wäre sie vom Fluch erlöst worden, so wäre sie als Mensch gestorben. Hat zehn Söhne (einer hat einen Eberzahn, was an Reymunds Begegnung mit dem Eber erinnert) Als Fabelwesen besitzt sie eine besondere Energie, welche sie auf manche ihrer Kinder überträgt indem sie sie selbst stillt. Motiv der Fortuna: Zufall gab es im Mittelalter nicht, alles war durch Schicksal bestimmt bzw. wurde von Gott gelenkt Erstmals tritt nun Fortuna auf, was andeutet, dass Glück das Leben des Menschen bestimmt, man es aber ergreifen muss. Wie am Bild erkennbar ist, ist Fortuna am Hinterkopf kahl und hat seitlich einen Dutt, was andeuten soll, dass man das Glück rechtzeitig ergreifen muss, bevor es zu spät ist. Abbildung 1, Fortuna http://pointofthegame.blogspot Sendbrief vom Dolmetschen: .co.at/2013/01/sports-ethicsÜbersetzen bedeutet den Sinn eines Textes zu erfassen und diesen in why-athletes-say-goodgrammatikalisch korrekten Sätzen der Zielsprache vernünftig luck.html, 05.05.2015. wiederzugeben. Luther war der erste, der das erkannt hat und alle Theologen belehrt hat, dass nur er den Originaltext der Bibel versteht, welcher ursprünglich in Hebräisch und Griechisch vorliegt. Die Gelehrten sprachen damals jedoch Latein und verfassten auch ihre Schriften in Latein (somit auch die Bibel); man musste sich rechtfertigen, wenn man auf Deutsch schrieb. Deutsch war nämlich eine Art Dialekt, wo es keine hochwertigen Ausdrücke oder einheitliche Grammatikregeln gab. Mit dem Buchdruck veränderten sich nun der Stil (z.B.: Pointen) und auch die Sprache, da nun mehr Leute angesprochen werden sollten. Luthers Bibelübersetzung war eines der ersten erfolgreichen gedruckten Werke, das sich verbreitete. Er galt als Spracherneuerer und verband in seinem Brief Sprachpolitik mit theologischen Inhalten, in welchem er sich mit Hohn, Spott und Empörung über die katholische Kirche äußerte. Sola fides: „Allein der Glaube“ Zugehörigkeit in der katholischen Kirche durch Taten (beten, Ablasshandel) Luther fordert die Rückkehr zum individuellen Glauben => Verinnerlichung Sola gratia: „Allein durch die Gnade“ Ob man von Gott aufgenommen wird oder nicht hat nichts mit dem Ablasshandel zu tun, es kommt nur auf die weltlichen Taten jedes Einzelnen an Luther entzieht der katholischen Kirche damit ihr Einnahmemodell Sola scripta: „Alleine die Schrift“ In der katholischen Kirche galten die Predigt und der Prunk in der Kirche Luther fordert, dass einzig die Heilige Schrift wichtig ist, daher will er diese in eine Sprache übersetzen, die für alle verständlich ist 4 Sprache der Bibel: Original in Hebräisch und Griechisch Lag damals nur in lateinischer Übersetzung vor („vulgata“) Luther übersetzte nicht von Latein nach Deutsch, wo er Übersetzungsfehler übernommen hätte, sondern von Hebräisch/Griechisch nach Deutsch => Abweichung von der lateinischen Übersetzung und Konflikt mit der katholischen Kirche Die lateinische Grammatik wurde vernachlässigt, weil sie sehr unterschiedlich zur Deutschen ist Stil „seiner“ Bibel lehnte sich an die damalige Alltagssprach an Übersetzung Luthers wurde vielfach kopiert, jedoch falsche lateinische Übersetzungen eingebaut, worüber er öffentlich seinen Unmut äußerte 5 3.Vorlesung: Barocklyrik: Die Werke jener Zeit waren größtenteils Gelegenheitsdichtung, sie entstanden also für Anlässe und vor allem auch für Todesfälle. Der Glaube hatte einen wesentlichen Einfluss auf die Dichtung, genauso wie die Umstände zu jener Zeit (Pest, Krieg,…). Die Umstände führten dazu, dass man sehr viel Wert auf das Leben danach legte. Es wurde häufig betont, dass vom Menschen nur seine Seele bleibt. Die Verfasser der bekannten deutschen Werke waren hauptsächlich Protestanten, da die Katholiken nach wie vor nur auf Latein schrieben. Bedeutende Motive in der Lyrik waren „Memento Mori“, Vanitas“ und „Carpe Diem“. Die vorherrschende Form war das Sonett (a-b-b-a, c-d-d-c, e-e-f, g-g-h) mit dem Alexandrinervers, also sechs-hebigen Jamben mit einer Zäsur in der Mitte. Man arbeitete aber auch stark mit grafischen Formen (z.B. ist „Die Sanduhr“ in Form einer Sanduhr verfasst), wobei dann der Inhalt selbst weniger wichtig war. Ein gängiges Motiv war das Labyrinth, welches symbolisierte, dass die Welt im 17.Jhd. ein Rätsel war. Deutsch sollte sich nun auch als Literatursprache etablieren, deshalb gründeten sich Sprachgesellschaften. Sprachgesellschaften hatten die Aufgabe die deutsche Sprache von lateinischen Ausdrücken zu bereinigen und zu definieren, wie man Deutsch ordentlich spreche. Auch Martin Opitz war ein Mitglied der Sprachgesellschaften, Frauen waren in den Sprachgesellschaften nicht zu finden. Martin Opitz (1597-1639): Setzte sich von den vorliegenden Poetiken ab Behandelte spezifische Probleme des Deutschen „Ich empfinde fast ein Grawen“: Thematisiert werden die Vergänglichkeit und das Grauen des 17.Jhd. (30-jähriger Krieg). Es werden auch Melonen und Zucker erwähnt, welche zur damaligen Zeit als Luxusgüter galten (wie alle Früchte und Süßspeisen). Opitz meinte, man soll das Geld ausgeben und den Tag leben und genießen und fröhlich sein (Carpe Diem). Jedoch soll man diese Freude mit anderen teilen. Paul Fleming (1609-1640): „Über Herrn Martin Opitz auff Bobbernfeld sein Ableben“: Fleming weist am Anfang auf große Dichter der Antike hin und, dass Opitz sich zu den ganz Großen zählen kann. Danach spielt er auf Deutschlands Zerstückelung an (eine Folge des 30-jährigen Krieges) und die mangelnde Versorgung der Armee, welche durch das Land zieht und plündert. Die Folgen waren Hungersnot, Pest und Kälte. Die Bevölkerung sinkt um 60%. Andreas Gryphius (1616-1664): Reiste sehr viel War ein Intellektueller „Vanitas, vanitas et omnia vanitas“: Ist in der Form eines Sonetts verfasst. Es wird thematisiert, dass alles flüchtig, vergänglich und zerbrechlich ist. Es ist ein Ausdruck der Unzuverlässigkeit des Menschen. Zudem wusste man nicht was morgen war, ewig bzw. sicher war nur das spirituelle Leben. Eine spätere Variante von „Vanitas, vanitas et omnia vanitas“ spricht den Leser mit einem „Du“ direkt an, das „Ich“ ist austauschbar. „Tränen des Vaterlands“: Er verwendete sehr drastische Bilder und spielte auf die Zwangskonvertierung an. Im Gegensatz dazu steht Friedrich von Logau, der sehr ironisch betonte, dass wir alle Christen sind und die spezifische Richtung egal sei. 6 Paul Gerhardt (1607-1676): War ein Pfarrer und dadurch bekannte für seine (katholischen) Liedtexte „Sommer-Gesang“: Der Krieg ist nun zu Ende, beendet durch den Westfälischen Frieden. Die Einstellung hat sich nun geändert, man sollte feiern, weil das Leben, das Hier und Jetzt, schön ist. Gott erkennt man in der Natur, der Schöpfung. Er vergleicht die Welt mit dem Reich Gottes; das ewige Leben ist nun eine Art „Upgrade“. Friedrich von Logau (1605-1655): Seine Inhalte waren vom Alltag und dem gemeinen Leben geprägt. Er schrieb mitunter sehr politisch, ironisch und kritisch. Er schuf Epigramme Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau (1616-1679): „Sonett. Vergänglichkeit der Schönheit“: Es handelt sich um ein sehr erotisch verfasstes Sonett, das die Tradition des Petrarkismus wahrt. Die Tradition des Petrarkismus fordert, dass der weibliche Körper in Einzelheiten zerlegt wird und genau beschrieben wird. Hoffmann von Hoffmannswaldau beschreibt nun einen sehr schön, jedoch vergänglichen Körper. Am Ende schreibt er, dass die Frau ein Herz wie ein Diamant hat und dies auch von ihr bleiben wird. Das lässt sich nun zweifach deuten: Einerseits kann es heißen, dass am Ende nur der innere Wert (das Herz) zählt bzw. bleibt, andererseits kann das aber auch bedeuten, dass sie ein unerweichliches, hartes und kaltes Herz hat. Catharina Regina von Greiffenberg (1633-1694): War eine Protestantin im Habsburgerreich Sie war sehr sprachgewandt und gebildet Ihre Familie war verarmt, so dass sie zwangsverheiratet wurde Sie verfasste kaum Prosa, ihre Lyrik gilt als eine der anspruchsvollsten der damaligen Zeit In ihren Werken spielte die Theologie eine große Rolle „Frühlings-Lied“: Der Inhalt ist wie bei Paul Gerhardts „Sommer-Gesang“, nur sprachlich viel komplexer (Kompositworte). Alle auftretenden Naturphänomene werden theologisch umgedeutet. „Andachts=Aufmunterung“: Ist in der Form eines Sonetts verfasst und äußerst religiös und komplex. Sie weist ganz stark auf Luthers Forderung „Sola scriptura“ hin. Es findest eine Inkarnation des Wort Gottes in Christi statt. Das Wort Gottes ist außerdem sehr mächtig, gerät jedoch nie aus der Kontrolle des Schöpfers. Allgemein sagt Catharina Regina von Greiffenberg, dass Worte bewegen und uns zu einem Handeln führen. 7 4.Vorlesung: Bürgerliches Trauerspiel und Empfindsamer Roman (18.Jhd.): Ein zentrales Thema waren die damaligen sozialen Probleme in der Gesellschaft. Ein wichtiger Lyriker, der die individuelle subjektive Sicht auf die Welt thematisierte, war Barthold Heinrich Brokes. Zu jener Zeit erlebte auch die Robinsonade, bzw. der Abenteuerroman allgemein, durch Daniel Defoe seinen Aufschwung. Lesen und schreiben waren keine Spezialfähigkeiten mehr, die Analphabetisierungsrate ging immer mehr zurück und Lesen wurde zu einem Vergnügen. Die Buchtitel wurden länger und beschrieben den Inhalt nun teilweise sehr genau. Männer lasen nun die Zeitung und Frauen widmeten sich nun der Literatur, verstärkt aber dem Roman, welcher nicht selten Herzensangelegenheiten behandelt(e). Dies löste die Kritik aus, dass sich Frauen in eine Art Fantasiewelt flüchten würden und ihre eigentlichen Aufgaben (Putzen, Kochen, Kinder bekommen,…) vernachlässigen würden. Bürgerliches Trauerspiel: Bekannte Vertreter dieser Gattung waren Gotthold Ephraim Lessing (Emilia Galotti, Miss Sara Sampson), Jakob Michael Reinhold Lenz (Der Hofmeister) und Friedrich Schiller (Luise Millerin; später Kable und Liebe). Es ging darum, Komödie und Tragödie zu vermischen. Die Tragödie war bisher dadurch gekennzeichnet, dass sie oft ein schlechtes Ende hatte und ernst war, vor allem aber dadurch, dass sie nur dem Adel bzw. hochstehenden und edlen Personen widerfuhr. Es ging um keine materiellen Probleme und der Leser/Zuschauer sollte mitleiden und erschüttert werden. Die Komödie zeichnete sich dadurch aus, dass sie oft ein gutes Ende hatte und es Scherze gab, vor allem aber dadurch, dass nur niedere Stände vorkamen. Die Leute sollten etwas zum Lachen haben, wodurch man sich gleichzeitig von der Handlung bzw. den Protagonisten distanzieren konnte. Das Bürgerliche Trauerspiel vereinigte nun diese beiden Gattungen: Das Geschehen edler Personen endet eventuell tragisch, es gibt aber auf jeden Fall bürgerliche Protagonisten. Damit wurde das damalige Thema aufgegriffen, dass das Bürgertum immer mehr in den Vordergrund trat. Es kam damit zu einer Auflösung der Ständeklausel. Schiller: Schiller war der beste im Verfassen von Bürgerlichen Trauerspielen, da er das Publikum in Aufruhr versetzen und es bewegen konnte wie sonst keiner. Das war dadurch möglich, dass er sehr stark die Gefühle der Protagonisten thematisierte, sich sehr mit dem Zeitgeist befasste und die damalige Stimmung ausgesprochen gut erfasste. Kabale und Liebe: Noch recht wenig Komödie vorhanden (z.B. am Ende, als Luise und Ferdinand durch eine vergiftete Limonade sterben) Ständiger Wechsel zwischen der Welt des Bürgertums und des adeligen Hofes. Neues Selbstbewusstsein des Bürgertums wird thematisiert Das Bürgertum hält sich selbst für tugendhaft und stellt sich gegen jegliche materielle Verführung. Der Adel wird für lüstern, intrigant und luxusbesessen gehalten, während sich die Adelsschicht aber selber als rational bezeichnet. Zudem tritt das Bürgertum für eine Heirat aus Liebe ein und stellt sich somit gegen die arrangierte Ehe. Jedoch soll die Ständegrenze stets beachtet und nicht überschritten werden! Die Figur des Vaters tritt als Familienoberhaupt auf und nimmt somit eine wichtige Position ein. Er hat eine alles bestimmende Rolle. Luise und Ferdinand sprechen ständig aneinander vorbei. Sie ist sich dessen bewusst, dass ihre Beziehung keine Zukunft hat und Unheil bringen wird. Dadurch versucht sie Ferdinand zu meiden, was sie aber nicht aus Kälte oder mangelnden Gefühlen tut, sondern ihrer Tugend (und ihres Vaters) wegen. Ferdinand selbst ist bezüglich seiner Gefühle sehr euphorisch und naiv. Er versteht Luise und ihr Verhalten nicht. 8 Lady Milford ist zwischen dem Adel und dem Bürgertum angesiedelt. Sie hat während ihrer Zeit am Hof durchaus versucht so mach gute Tat zu vollbringen. Am Ende ist sie die einzige Person, die sich aus ihrem Raum (dem adeligen Hof) hinaus bewegt. Der Empfindsame Roman: Wie der Name schon sagt, wurde in dieser Literaturgattung stark mit Gefühlen gearbeitet. Die Aufgabe des Autors war es, besonders die Gefühle und Gedanken seines Protagonisten zu beschreiben und den Leser somit ebenfalls zu Gefühlsregungen zu bewegen. Sophie von La Roche: Ihre Texte erscheinen uns heute teilweise altmodisch und schwer zu interpretieren, was daran liegt, dass sie nicht wie Schiller auf ihr Publikum einging. Sie war mehrmals in ihrem Leben verlobt, unter anderem auch mit Christoph Martin Wieland, der der spätere Herausgeber von „Das Fräulein von Sternheim“ wurde. Sophie von La Roche war mit nahezu allen literarischen, aber auch höfischen Persönlichkeiten bekannt, da sie selber der höfischen Welt angehörte. Sie fungierte damit als eine Art „Wanderin zwischen den Welten“. Zur Schriftstellerin wurde sie letztendlich aus rein materiellen Gründen, da ihr Mann seine Anstellung am Hof verlor und dann in weiterer Folge auch verstarb. Sophie von La Roche gründete ein Magazin nur für Frauen, mit wissenschaftlichen und inhaltlich gehaltvollen Texten. Jedoch war sie mit diesem Projekt ihrer Zeit zu weit voraus. Das Fräulein von Sternheim: Das Fräulein stammt aus einer Ehe zwischen einer englischen Adeligen und einem in den Adel erhobenen Offizier. Sie kommt vom Land und wird an den Hof versetzt. Jedoch fühlt sie sich dort fehl am Platz und lehnt den Hof alle am Hof lebenden strikt ab. Das Fräulein von Sternheim tritt für eine natürliche Bestimmung ein: Sie distanziert sich von der höfischen Gesellschaft und tritt für ein Liebesglück im Privatleben ein. Lord Seymour ist sehr kritisch gegenüber der Gesellschaft und wirkt mitunter, wie das Fräulein, naiv. Lord Derby ist ein äußerst intriganter und hinterlistiger Charakter. Er verbreitet, dass das Fräulein den Fürsten geheiratet hätte. Sie heiratet nun Derby, um ihren Ruf noch zu retten. Dabei findet aber keine echte Hochzeit statt, sie wird von Derby ausgetrickst. Das Werk ist nun einerseits eine Kritik an der adeligen Welt und deren Intrigen, andererseits aber auch an dem Bürgertum, das sich zu stark tugendhaft verhält und dadurch blind für das Leben und die Gesellschaft ist und naiv wirkt. Der Roman tritt daher als eine Art Erziehungsroman auf. 9 5.Vorlesung: Erlebnis und Dichtung: Der junge Goethe: Die Texte hatten nun Originalität und Individualität. Der Autor war bekannt; er hatte nun geistigen Besitz bezüglich seiner Werke. Dadurch kam es auch zu der Erfindung des Copyrights, welches es in England schon 1710, in Österreich erst 1846, gab. Es bietet Schutz vor Nachdruck, Übersetzung und Texteingriff. Autoren begannen nun auch an ihren Werken zu verdienen, und waren daher auch an Neuauflagen interessiert. Literatur galt nun als Ausdruck gelebten Lebens, wodurch es zur Erfindung der modernen Seele in der Literatur kam. Man unterscheidet bei der Analyse der Texte in zwei Modelle: Einerseits geht das Erlebnis des Autors in die Dichtung ein, der Leser fühlt sich nun beim Lesen ein und identifiziert sich mit der Figur im Text. Andererseits kann man sich nun aber auch nicht einfühlen bzw. unmittelbar mit der Figur identifizieren, sondern wird sich des Leseeffekts der Einfühlung in die Subjektivität des „ichs“ bewusst. Man reflektiert nun, mit welchen Mitteln der Text einem das Gefühl gibt, direkt angesprochen zu werden oder mit welchen Mitteln er arbeitet, dass man sich mit der Figur identifizieren möchte. Bei der Analyse solcher Texte sollte man besonders auf die Stilmittel achten, ob das „Ich“ durch ein anderes Pronomen ersetzt werden kann ohne Verlust der Sinnhaftigkeit und, wie das „Ich“ im Text bestimmt und eingesetzt wird. Man hat sich außerdem folgende Fragen zu stellen: Wie führt sich das „Ich“ ein? Welche Aussagen macht es über sich? Welchen Sprachstil hat es? Eine häufige lyrische Gattung im 18.Jhd. war die Anakreontik. Die Form der Anakreontik ist einfach und gesangsartig, es gibt drei- oder vier – hebige Jamben und häufig kommen weibliche Kadenzen vor. Entweder ist das Gedicht reimlos oder die Reime sind sehr einfach. Themen sind Genuss, Lebensfreude, Scherz, Liebe, Natur und Freundschaft. Friedrich Gottlieb Klopstock: Er war ein sehr wichtiger Dichter und verfasste oft geistliche Texte und Gedichte. Ein bekanntes Gedicht von ihm ist „Das Rosenband“: Ein Liebesgedicht Einfache lyrische Form, vier Terzette, Jamben, männliche und weibliche Kadenzen Band Motiv: Das Rosenband galt damals als erotisches Geschenk und Modeaccessoire. Zudem war es ein Zeichen der Bindung in einer Beziehung. Ort, Zeit und Personen sind unbestimmt. Eine Wiederholung der zweiten und vierten Strophe mit dem Gegenblick drückt ebenfalls Bindung aus. Kommunikation erfolgt hier nur über Blicke. Die Beziehung ist gegenseitig und gleichberechtigt. Eine sehr intime Situation wird geschildet. Johann Wolfgang von Goethe: Seine literarischen Anfänge waren 1770/71 und geprägt durch seine Erlebnisse. In dieser Zeit, vom Herbst 1770 bis Hochsommer 1771, hatte er eine Beziehung mit Friederike Brion. Goethe war Student der Rechtswissenschaften in Straßburg; er musste vom Schreiben daher nicht leben. Seine Vorbilder, Freunde und Mentoren waren Lenz, Jung – Stilling, Herder und Salzmann. Sesenheimer Lieder: Ähnlichkeit mit „Das Rosenband“ Die Rose als eine sehr schöne, jedoch sehr kurzlebige Blume Fünf Quartette, vier hebig, Trochäen, einfach Form => Anakreontik Viel verspielter als bei Klopstock Mystischer Raum Mehr Aussagen als bei Klopstock über den Raum und die Beteiligten Unmittelbare Anrede Entstand durch eine konkrete Beziehung zwischen Goethe und einer Geliebten 10 Mit der Hoffnung am Ende, dass die Liebe stärker als das Rosenband ist, macht er der Frau im Gedicht einen Heiratsantrag Dichtung und Wahrheit: Hier lässt und Goethe wissen, dass seine Werke autobiografische Züge haben und er dadurch versucht seine Erlebnisse zu verarbeiten. Willkomm & Abschied: Dieses Gedicht stellt eine Adressierung an eine Geliebte dar. Die Landschaft im Ritt verwandelt sich und steht in Abhängigkeit von den Gefühlen der Figur im Gedicht. Die gesamte Natur bekommt eine menschliche Gestalt (Anthropomorphismus). Die Leiden des jungen Werther(s): Verführung zum Selbstmord wegen starker Versuchung zur Identifikation mit Werther => Werther Effekt. Gothe schrieb deshalb an den Anfang: „Sei ein Mann und folge mir nicht.“ In der Form des Briefromans verfasst, wobei nur Werther schreibt. Werther ist ein intellektueller Bürgerlicher, der sich selber als Schriftsteller inszeniert. Er handelt nach seinen Gefühlen, mit seinem Herzen Werther liest sehr viel. Die Bücher inspirieren ihn zu all seinen Taten, da er sich selber zu stark mit den Figuren in den Büchern identifiziert und mitfühlt. Lotte verkörpert die typische neue Rolle der Frau; besonders stark in Erscheinung tritt sie in der Mutterrolle. Die Beziehung zwischen Lotte und Werther basiert komplett auf Literatur, bis sie „Ossian“ lesen, wo beide von Gefühlen überwältigt werden und Werther Lotte küsst. Das Ende wird aus der auktorialen Perspektive erzählt. Die Erzählung ist allwissend, sachlich, teilweise grauslich und ohne Mitgefühl oder Urteil. 11 6.Vorlesung: Realismus: Adalbert Stifter (Granit): Vom 17. bis zum späten 19.Jahrhundert setzte ein Wandel der Leserschaft und des Buchmarktes ein. Die Alphabetisierungsrate wuchs, was jedoch nach wie vor stark abhängig von Schicht, Geschlecht, Beruf, Region, Land und Stadt abhing. Das Buch wurde nun zur Massenware; Privatbibliotheken entstanden aufgrund sinkender Buchpreise. Die Erbauungsliteratur wird durch säkulare, unterhaltende Literatur ersetzt; das Lesen spezifischer Literatur setzte sich durch (Männer: Zeitungen, Frauen: Romane). Es kam zur Entstehung professioneller Autoren, die vom Schreiben leben konnten und wollten. Ein Beispiel hierfür wäre Schiller, der als Autor jedoch immer wieder Geldsorgen hatte. Er meinte, dass das Publikum unberechenbar sei und nicht klar sei, wie die Werke aufgenommen werden. Hauptsächlich war Schiller Theaterautor, er gründete aber auch die Zeitschrift „Rheinische Thalia“. Zeitschriften stiegen zum allgemeinen Bildungsmedium auf, da sie viele Themen enthielten. Wichtige Zeitschriften waren: „Morgenblatt für gebildete Stände (später Leser)“, „Unterhaltung am häuslichen Herd“, „Deutsche Rundschau“, „Über Land und Meer“ und „Westermanns illustrierte deutsche Monatshefte. Familienbuch für das gesamte geistige Leben der Gegenwart.“. „Westermanns illustrierte deutsche Monatshefte. Familienbuch für das gesamte geistige Leben der Gegenwart.“ sprach die gesamte Familie als Leser an und behandelte somit Themen für alle. Die „Deutsche Rundschau“ und „Über Land und Meer“ behandeln Bereiche aus anderen Ländern und viele Themen. Realismus: Als Epochenbegriff ca. 1840 bis 1900 Vor allem aber als Stilbegriff, poetologisches Programm Ein heiß debattierter polemischer Begriff Keine korrekte Beschreibung eines „realistischen“ Textes Widerspiegelung des Leben, Behandlung des Großen/Kleinen und der wirkenden Kräfte, Darstellung des Essentiellen, Erkennen von Zusammenhängen, Einfluss der Fantasie Bekannte Vertreter sind Storm und Hebbel. Adalbert Stifter (1805 – 1868): Ist ein österreichischer Erfolgsautor. Er lebte bis 1849 in Wien, zog dann nach Linz. Er war Hausherr bei Metternich; hatte prinzipiell viel Kontakt zu wichtigen Leuten. Stifter war als Pädagoge tätig und wurde Schulrat von Oberösterreich. Er schrieb das „Lesebuch zur Förderung humaner Bildung“, welches literarische Bruchstücke enthielt. Damals ging es um die Vermittlung bürgerlicher Werte, Sichtweisen, Kultur und der Geschichten über die Heimat. Man hatte ein Verständnis für die speziellen Interessen der Schüler. Bunte Steine: Jedes Werk erschien zuerst als Journalfassung, die Werke in Buchform unterschieden sich stark von dieser Fassung. Ursprünglich hätte die Sammlung bis Weihnachten werden sollen, was jedoch wegen der zahlreichen Abänderungen nicht gelang. Kinder bzw. Jugendliche sind fiktive Adressaten der Erzählung, daher kommen sie auch als Protagonisten vor. Die Vorrede behandelt die Thematik des Großen und Kleinen, wobei im Kleinen das Große zu sehen sei, was zum „Sanften Gesetz“ führt. Granit: Die ursprüngliche Fassung „Die Pechbrenner“ ist wesentlich grausamer. 12 Rahmenerzählung: Hier geht es um die Kindheitsepisode, das Pech und die Wanderung mit dem Großvater, was am Ende zur Reintegration des Jungen in die Familie führt. Man hat es mit dem intradiegetischen Ich Erzähler zu tun, der Teil der Welt ist, die er schildert. Die Erzählzeit spielt in der Gegenwart des Erzählers, die erzählte Zeit in der Kindheit des Erzählers. Binnenerzählung: Hier geht es um die Geschichte der Region, die Pest und die geretteten Kinder. Man hat es mit dem extradiegetischen Erzähler zu tun, der nicht Teil von der Welt ist, von der er erzählt. Die Erzählzeit spielt in der Kindheit des Erzählers, die erzählte Zeit zur Zeit der Pest, möglicherweise vor der Geburt des Erzählers. Beide Zeiten, die erzählte Zeit und die Erzählzeit, weisen in jeder Erzählung eine große Spanne auf. Die Kleinheit der Rahmengeschichte und die Größe der Binnenerzählung fallen auf. Der Pechbrenner bildet die Brücke zu seinen Vorfahren in der Binnengeschichte. Zwischen Pech und Pest gibt es eine besondere Verbindung, es liegt eine Alliteration vor. Pestliteratur: „Decamore“ (Boccaccio), „Der Findling“ (Kleist), „The Mask of the Red Death“ (Edgar Allan Poe), „Geschichte des Peloponnesischen Krieges“ (Thukydides) Die Pest befällt die Gesellschaft und zerrüttet sie. Jede Form der sozialen Bindung wird zerstört. Sie gilt nicht als göttliche Strafe, da ihre Herkunft unbekannt ist. Es kommt zum Pestbefall der Familie trotz der Isolation; nur der Junge sucht Kontakt, was ihn und das kranke Mädchen rettet. Die ist jedoch die Ausnahme, da man sich eigentlich isolieren sollte! Die Landschaft wird von Stifter sehr genau beschrieben; Landschaft gilt als Gedächtnisraum, was zu einem Bedeutungsmuster über die Landschaft führt. Der Großvater fragt das Kind über sein Wissen ab. Der Natur wird eine Bedeutung gegeben, dem Kind soll die Kunde über die Heimat vermittelt werden. Es soll sich als Teil der Landschaft fühlen. Das Wissen des Jungen in der Binnenerzählung über die Umgebung rettet ihn, weshalb der Großvater dem Jungen in der Rahmenerzählung die Umgebung so stark vermitteln will. Ungewöhnlich ist Stifters totaler Verzicht auf die Psychologie. Es gibt eine starke Tendenz zum Märchenstil (hüpfende Eichhörnchen, weinendes Reh, sprechender Vogel,…). 13 7.Vorlesung: Klassische Moderne: Franz Kafka: Bezeichnet wird ein Zeitraum ab 1900. Modern sein bedeute anders sein, sich abzusetzen. Bedeutende Autoren der klassischen Moderne waren Kafka, Hofmannsthal, Döblin, Musil, Benn, Woolf, Proust, Mallarmé, Joyce und viele weitere. Edgar Allen Poe gehört zu den Gründern des modernen Schreibens. Er entwickelte eine Poetik, die auf kompositionelle Rationalität aufbaut. Bandelaire war ein französischer Dichter, der mit „Die Blumen des Bösen“ berühmt wurde. Nietzsche bereitete die Gesellschaft darauf vor, dass das Abendland sich neu „formieren“ muss. Die nicht klassische Moderne war die Avant – Garde. Dazu zählen der Futurismus und der Dadaismus. Die Avant – Garde wagte einen Bruch zu allen etablierten Wesensmerkmalen. Die klassische Moderne setzte sich durch den italienischen Futurismus 1909 durch. In einer italienischen Tageszeitung erschien ein Bericht über den Futurismus, der sich von der Passatismus abwendete (Il faut etre absolument moderne). Passatismus bedeute, dass das Leben „öde“ war. Krise des Ich: Im 18.Jhd. entwickelte sich der Mensch als autonomes Wesen. Das 19.Jhd. entwickelte Theorien, die an der Kontrolle seines autonomen Handeln zweifeln Besonders die Psychologie befasste sich damit: Experimentalpsychologie (Ebbinghaus), Philosophie der Wahrnehmung (Mach), Psychoanalyse (Freud). Quantitative Wahrnehmung: Der Mensch wird als Datenverarbeitungsmaschine verstanden, es geht darum das Gedächtnis als ein technisch begreifbares System in den Griff zu bekommen. Der Mensch ist mathematisch beschreibbares Kognitionssystem Philosophie der Wahrnehmung: Es geht um die physiologische Analyse von Sinneswahrnehmungen. Unsere Wahrnehmung ist kein Spiegel der Realität! Psychoanalyse: Wir sind nicht Meister unseres Ich. Wir sind von unseren Trieben getrieben und haben nur einen beschränkten Zugang unsere Handlungen nachzuvollziehen Krise der Sprache: Die Sprache wird als Kontakt zu Welt kritisch hinterfragt. Sprache und Zeichen stehen in keinem notwendigen Zusammenhang. Es geht um das Verhältnis zwischen dem Menschen zur Welt Ein Brief (Hofmannsthal): Die Krise der Sprache ist eine Krise des Wissen Krise des Krieges: Vorstellung des Krieges als Reinigung Franz Kafka (1883 – 1924): Lebte in Prag War Jurist in einer Versicherungsanstalt Thematisiert die Vater – Sohn Problematik aufgrund seiner Erfahrung Er war ein unspektakulärer Beobachter der Zeit. Seine Erzählungen erscheinen oft unklar, verrückt und fordernd. Beim Bau der chinesischen Mauer: Wirkt wie eine Abhandlung Der Zeitraum ist nicht klar. Der Erzähler ist in die erzählte Situation verstrickt. Die Sprache ist sehr bürokratisch. Inkonsistenz in der Argumentation für den Mauerbau und den Vergleich mit dem Turm Der Teilbau ist unzweckmäßig, jedoch wollte ihn die Führerschaft; daraus folgt, dass die Führerschaft etwas unzweckmäßiges will, was unlogisch erscheint. Die Mauer als Darstellung eines großen, bürokratischen Systems 14 Allgemeine Mobilmachung im ersten Weltkrieg Orientierungslosigkeit des Erzählers als Bild für die Krise der Sprache Ein altes Blatt: Aus der Erzählperspektive des Schusters Sehr gleichgültige Erzählung Nomaden als Wilde dargestellt, die nicht reden können und alles plündern Behandelt die Krise des Ich und die Krise der Sprache (Nomaden sind keine Menschen, weil sie nicht kommunizieren können und ständig wandern => Darstellung des modernen Menschen) Die Gesellschaft wird vom Kaiser alleine gelassen mit den Nomaden, man erfährt jedoch nicht warum (Vergleiche die Verhaftung in „Der Prozess“). 15 8.Vorlesung: Theater der Moderne und Gegenwart: Das Theater ist eine ziemlich teure Institution (Bühne, Schauspieler,…). Das Drama fordert genau diese Institution und ist ein Auftragswerk oder wird bei der Aufführung honoriert. Das Publikum stellt die kollektive Rezeption dar und somit Richter über das Stück. Somit ist Theater eine Art soziale Kunstform. Schiller: Er dachte immer wieder über die Bedeutung von Kunst für Menschen nach. Der Mensch kann in Kontrolle/Vernunft und Triebe/Reflexe eingeteilt werden. Schiller vereinte beide Seiten. „Die Gerichtsbarkeit der Bühne fängt an, wo das Gebiet der weltlichen Gerichte sich endigt.“ Er rief unglaubliche emotionale Effekte/Regungen bei seinem Publikum hervor. Illusionstheater (Schauspieler verkörpern eine Figur; Zuschauer fühlen mit) Bertold Brecht: Er brach mit dem Illusionstheater. Episches Theater (Der Vorgang wird erzählt, nicht verkörpert; der Zuschauer soll durch Reflexion aktiviert werden) Er interessierte sich dafür, wozu der Mensch getrieben werden kann. Bekannte Lehrstücke: „Die Ausnahme und die Regel“, „Die Maßnahme“, „Jasager/Neinsager“, „Badener Lehrstück vom Einverständnis“, „Der Ozeanflug/Der Flug der Lindberghs“ Die Lehrstücke bilden eine recht kurze Phase im Leben von Brecht. Lehrstück: V Effekt: Verschiedene Mittel, um die epische Form zu erreichen: Einbauen von Kommentaren, Text wird wie ein Zitat gesprochen, der Schauspieler distanziert sich und trägt Alltagskleidung/ahistorische Kleidung Der Zuschauer ist nicht Zuschauer, er ist Lernender. Es wird gelernt indem man schauspielt. Es gibt praktisch keine Zuschauer mehr. Theaterexperiment Die Maßnahme (1930): Zentrale Frage: Was für Probleme schafft uns ein Brechen mit der politischen Ordnung? Es wird Werbung für den Kommunismus gemacht. Es gab zu jener Zeit massenhaft Versuche den Kommunismus in Deutschland, Spanien, China durchzusetzen. Es geht in dem Stück darum eine Revolution durchzuführen. Die Protagonisten sind Anspielungen auf echte Personen jener Zeit, die ihre Individualität und moralischen Werte zu Gunsten der Revolution auslöschen. Das Aufsetzen der Maske ist eine theatralische Form und bedeutet politisch zu handeln Mit dem Abnehmen der Maske durch den Jungen Genossen bekennt er sich politisch und moralisch. Es werden unauflösbare Problematiken aufgezeigt: Gegensätze zwischen politischer Notwendigkeit und Moral. Der Kontrollchor stellt das Kontrollorgan dar. Der Chor nimmt jede Illusion aus dem Stück raus, er funktioniert als politische Einheit, er urteilt und er stellt sich als Kollektiv gegenüber dem Einzelnen. 16 Post dramatisches Theater: Der Text ist nicht mehr fixiert; die Inszenierung nutzt den Text nur als Ausgangsmaterial. Die Figuren sind keine Positionen, sondern nur Text-Sprecher. Es gibt kein Schauspiel, sondern nur Zitieren. Zuordnung zur Figur im Text wird schwer bis unmöglich. Kein abgegrenzter Bühnenraum, Publikum und Bühne gehen ineinander über Kein pädagogischer Impetus und keine politische Bildung, sondern eher Experimentalraum/Präsenzraum Das Publikum wird einbezogen in das Stück Elfriede Jelinek (*1946): Nobelpreisträgerin Eine der wichtigsten Dramatikerinnen der deutschen Sprache Sie bezieht sich immer wieder auf vorhandene Texte. Sie will keine Verkörperung einer Rede oder Position; sie will sagen was los ist und erzeugt Textflächen. Ein Sportstück (1999): Der Chor wird intensiv eingesetzt, was sich in der spärlichen Anweisung als eine Notwendigkeit findet. Sport als kriegsähnliche Qualität Sportkleidung als Uniform Es gibt keine Handlung, aber Themen. Andi ist eine Anspielung auf eine reale Person, die an Anabolika gestorben ist. Er tut sich in dem Stück selbst Gewalt an, indem er den Körper verformt. Elfi Elektra: Soll an Elektra und an Elfriede Jelinek erinnern. Sport als Form von kollektiver Gewalt, der die Individualität des Einzelnen auslöscht Anspielung auf den Krieg in Jugoslawien Sprache als reine Oberfläche 17
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