Peter und Paul 70 Liebe teuere Bianca, sollte ich heute in etwas gedrückter Stimmung schreiben, so halten Sie mir das zu Gute: ich habe schlecht geschlafen, machte mir allerlei Gedanken nur unnötige, oder mindestens nicht zu habende Sorgen und sehe verdrießlich in den herrlichen sonnigen Tag hinaus. Zudem war ich gestern durch die Abreise meines Collegen Seuffert, der sich ein paar Feiertage macht, nach meinen Amtsstunden im Min. d. Äußern noch ganzen Tag an das Bureau der Wr Ztg gefesselt und das trug nicht zu meiner Heiterkeit bei. Abends aber habe ich mich gut unterhalten. Gabillons gaben mir ein Rendezvous bei Breying & Moebus und ich traf außer ihnen den Baron und die Baronin Weber sammt Tochter, eine hübsche sehr norddeutsche und erschreckend gebildete junge Dame mit einer Art Harnisch als Taille nur natürlich auch sonst schlecht toilettiert, ferner Bauernfeld und Moriz v. Schwind, der Dichter der schönen Melusine (die du nicht gesehen) letzteren kannte ich schon von München her, er ist unverändert, jugendlich derb, heiter wie immer und durch sein schneeweißes Haar leuchtet so rosige Jugend, daß es wahrhaft herzerquickend ist. Im Ganzen sieht er so aus, als ob er weniger die Tiefe der deutschen Mährchen, als vielmehr die Tiefe einer beliebigen Anzahl Bierkrügel zu ergründen geneigt wäre. Er erzählte sehr spaßig die Genesis der Melusine und noch spaßiger ihren Verkauf. Naeff aus Stuttgart kam zu ihm, „ein sehr artiger Mensch“ sagte Schwind. „Ist die Melusine zu kaufen?“ „Ja, kostet 20.000 fl. Hier ist der Tisch, sie drauf zu legen, dort die Melusine und in der Mitte die Thür wenn Ihnen der Preis zu hoch ist“. Der Kauf war abgeschlossen. Weber ist der Sohn vom FreischützCarlMaria, sehr angenehm, fein und witzig. Seine Frau: eine echte Dresdnerin, modeste Stubenmädchenphysiognomie, man sieht ihr an, daß sie in Conzerten strickt. Bauernfeld kennen Sie wohl, der alte Herr war sehr lustig und bekam ein ganz, ganz kleines Spitzchen, in Folge dessen er mich natürlich nach Hause begleiten musste. Ich schlug vor, dass Frl. Weber ihn zu Tode küssen solle, wie Melusine den Grafen v. Lusignan, sie war sehr entsetzt über die Vorstellung, er aber gar nicht. Heute ist diese tacktlose hier und ich wiederhole Ihnen, daß ich so verstimmt und zuwider bin, als nur möglich. Wäre nur dieser Juli schon vorüber! Beiläufig gesagt, die Gabillons wissen die ganze Geschichte. Sie interpellierte mich, wollte aber nicht sagen, von wem sie die große Neuigkeit (als solche wurde sie ihr erzählt) erfahren hätte. Ich läugnete mit großer Bestimmtheit. Es ist mir völlig gleichgiltig, ob die Leute nochmals sagen, ich hätte die Unwahrheit gesprochen. Ohnedies wird uns lästiges Aufsehen in keiner Weise erspart sein. Morgen erwarte ich mit Bestimmtheit einen Brief von Ihnen. Ich möchte Sie nicht gern mit Sentimentalitäten plagen, aber es ist mir thatsächlich zu Muthe, als hätte ich Sie weiß Gott wie lange nicht gesehen. Die Melancholie eines Dudelsacks, um ein falstaffsches Wort zu gebrauchen, ist nichts gegen die meinige. Ich brauche meine Erfrischung, am Besten freilich wäre es, wenn ich mich ganz unabhängig stellen, ein völlig neues Leben beginnen könnte. Sind Sie sehr dagegen von Wien wegzugehen, ich glaub ich könnte jeden Augenblick die Chefredaktion der Allg. Ztg erlangen. Es ist nur so ein Gedanke, der mir durch den Kopf geht; in Augsburg kenne ich wenigstens keine Leute. Die Menschen auch die besten hier, sind mir jetzt unangenehm und stoßen mich ab. Verzeihen Sie, daß ich Sie mit alledem langweile, es ist eine Geister- und Gemütsmigräne, die hoffentlich bald vorübergehn wird. Jetzt ist mir aber Bedürfniß mich auszusprechen. Das Wort befreit doch, wenigstens bis zu einem gewissen Grad. Und nun sage ich Ihnen herzinnigst Lebewohl. Denken Sie an mich mit Liebe und ein bischen milder, dies brauche ich sehr nothwendig. An Mama die bekannten herzlichen Grüße An die tausend Küsse und die Versicherungen unwandlbarer treuer Liebe. Ernst
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