Mit Unterstützung zu mehr Selbstständigkeit

Mit Unterstützung zu
mehr Selbstständigkeit
„E s braucht M ut , zu s agen,
d as s man Hi l f e braucht .
F ür mi ch i s t das ei n Zei chen
f ür Sel bs t bew us s t s ei n. “
Juliane Holzbauer
Corina Unterkofler
Martin S. sagt, es gehe ihm sehr gut
mit dieser Hilfe: „Viele meinen, ich
bin jetzt vernünftiger und verant�
wortungsbewusster geworden. Es ist
so, dass man bei mir halt dahinter
sein muss.“ Vertrauen, gegenseitige
Wertschätzung und der respektvolle
Umgang miteinander stehen stets im
Mittelpunkt. „Man muss bedenken,
dass man einen Menschen, der einem
anfangs völlig fremd ist, zu sich in die
Wohnung und auch in sein Leben lässt
– denn Herr S. und ich besprechen
auch persönliche Probleme und reden
darüber, was ihn gerade beschäftigt“,
so Juliane Holzbauer, die stolz ist auf
die Fortschritte, die er in den letzten
Wochen gemacht hat. Sie sagt ihm
das auch immer wieder, aber er kann
das Lob von ihr oft nur schwer an�
nehmen.
Jeder Mensch braucht manchmal die Unterstützung von anderen. Das Leben bringt
oft Herausforderungen mit sich, die alleine nicht zu bewältigen sind – besonders
für Menschen mit Beeinträchtigungen.
Hilfe anzunehmen ist Vertrauens�
sache. Das weiß auch Martin S. Er
meistert sein Leben, seinen Beruf
und seinen Alltag. Und das, obwohl
es aufgrund seiner Beeinträchtigung
nicht immer leicht für ihn ist. Er ist
ein freundlicher, junger Mann, der
uns seine Geschichte erzählt – sehr
ehrlich, manchmal wird er dabei
ernst, dann aber doch wieder mit
einem verschmitzten Lächeln.
Martin S. ist 25 Jahre alt und lebt in
Villach. „Ich wohne seit ungefähr
drei Jahren alleine in meiner
Wohnung“, erzählt er uns. Trotz
schwierigem sozialen Hintergrund
und obwohl es ihm seine Beein�
trächtigung nicht leichter gemacht
hat, hat er die Lehre zur Fachlichen
Küchenhilfskraft abgeschlossen. „In
der Berufsschule war es möglich,
dass ich einfachere Anforderungen
erfüllen musste und anders benotet
wurde. Das hat mir geholfen und
deshalb konnte ich auch den Ab�
schluss machen“, erklärt er. Nach
seiner Lehre, die er in einem Wirts�
haus in Villach gemacht hat, wurde
Martin S. dort vor zwei Jahren in ein
Vollzeitarbeitsverhältnis übernommen.
„Gemeinsam mit meinem Chef
kümmere ich mich um alle Vorbe�
reitungsarbeiten für das Mittags�
und Abendgeschäft und ich bin auch
für die Salate zuständig“, führt er
weiter aus.
Gemeinsam das Leben gestalten
Martin S. stellt sich den beruflichen
Anforderungen, ist stets bemüht,
doch es zeigte sich, dass er die
Arbeiten im Haushalt nicht ohne
Hilfe erledigen kann. „Und so kam
es dazu, dass ich Herrn S. seit
Februar 2015 unterstütze“, sagt
Juliane Holzbauer, Diplomsozial�
betreuerin für Behindertenarbeit.
Sie arbeitet seit acht Jahren in der
Werkstätte Meierei und seit Juni
2014 zusätzlich bei den Mobilen
Begleitdiensten, welche Assistenz�
leistungen für Menschen mit Beein�
trächtigung anbieten.
Begleitdienste bieten unter anderem
Unterstützung bei der Alltagsbe�
wältigung an, z. B. Begleitung bei
Behördengängen, beim Einkaufen
oder in der Freizeitgestaltung. So
soll gewährleistet werden, dass
Menschen mit Beeinträchtigung in
ihrer gewohnten Umgebung bleiben
können.“
„ D a s h ö ch s t e Z i e l b l e i bt im m e r
d i e S e l b s t s t ä n d i g ke it
u n d d i e A u t o n o m i e d e s K lie nte n. “
Michael Puck
Mic h a e l Pu c k mit e in e r
H o l z sk u lp t u r vo n J o s e f S t re n g ,
e in e m K lie n t e n d e r
We rk s t ä t t e M e ie re i.
„Dieses Angebot gibt es in der
Diakonie de La Tour seit Dezember
2012. Hierbei handelt es sich um
Assistenzleistungen im Sinne des
§ 12 des Kärntner Chancengleich�
heitsgesetzes. Das bedeutet, Men�
schen mit Assistenzbedarf soll ein
möglichst selbstbestimmtes Leben
in ihrem familiären Umfeld oder in
einer selbstständigen Wohnform
ermöglicht werden“, erklärt Michael
Puck, Leiter der Werkstätte Meierei
und der Mobilen Begleitdienste. Er
führt weiter aus: „Unsere Mobilen
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„Mi t Lob kann i ch nur s chw er
um ge hen und i ch kann es of t ni cht
a nne h men. Wenn mi r j emand s agt ,
da ss i ch et was f al s ch mache, s o
k a nn i ch das eher gl auben. “
Die Mobilen Begleitdienste der
Diakonie de La Tour umfassen die
Bereiche „Persönliche Assistenz“
und „Freizeitassistenz“. „Unser
Angebot richtet sich an Menschen
mit geistiger und/oder mehrfacher
Behinderung sowie an mobilitäts�
und/oder sinnesbeeinträchtigte
Personen ab dem vollendeten 18.
Lebensjahr, die Pflegegeld erhalten.
Für die Assistenzleistungen wird ein
gestaffelter Selbstbehalt verrechnet“,
erklärt Michael Mellitzer, Leiter des
Fachbereiches Menschen mit Behin�
derungen.
Martin S.
Natürlich klappt nicht immer alles und
manchmal gibt es auch Rückschritte.
„Wichtig ist, dass es danach weiter�
geht, dass man daraus lernt und daran
arbeitet. Das funktioniert aber nur so
gut, weil wir uns vertrauen“, erklärt
Juliane Holzbauer. „So geht es Schritt
für Schritt in die richtige Richtung.
Diese Stabilität gibt Martin S. Sicherheit
und steigert seine Selbstständigkeit.
Unser Ziel ist es, die Assistenzstunden
weiter reduzieren zu können und dass
er irgendwann alles alleine bewältigen
kann“, führt sie weiter aus. Martin S.
nickt und zeigt sich selbstbewusst,
wenn er über seine Wünsche spricht:
„Ich möchte die Fahrgenehmigung
für ein Mopedauto schaffen und auf
Urlaub möchte ich fahren. Vielleicht
mache ich eine Busreise, aber da
muss ich mir im Internet noch die
Angebote ansehen.“ Mögliche Ein�
schränkungen sind für ihn da, um
überwunden zu werden, manchmal
eben nicht alleine, sondern mit der
Unterstützung von anderen.
Die Mobilen Begleitdienste bedeuten
eine abwechslungsreiche und intensive
Zusammenarbeit, wie auch Juliane
Holzbauer ihre Unterstützung für
Martin S. beschreibt: „Einmal in der
Woche, immer freitags in der Früh,
komme ich für drei Stunden zu ihm
in seine Wohnung. Wir kümmern uns
dann um die Haushaltsführung und
die Hygiene. Ich leite ihn dann an,
wie man z. B. ordentlich putzt und
die Wohnung sauber hält.“ Als kleine
Erinnerung schickt sie ihm am
Donnerstag immer eine SMS, damit
er auf den gemeinsamen Termin
nicht vergisst.
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