„SILBER: AM BODEN, ABER NICHT ZERSTÖRT“

„SILBER: AM BODEN, ABER NICHT ZERSTÖRT“
-THORSTEN SCHULTE
In den vergangenen beiden Monaten schalteten die Edelmetalle vom Seitwärts- in den Abwärtsmodus.
Silber markierte im Zuge dieser Entwicklung sogar den tiefsten Stand seit sechs Jahren. Ein chartinduzierter Verkaufsdruck blieb bislang aus – ein markanter Rebound aber auch. Was bleibt, ist ein hohes Maß an
Spannung.
von Benjamin Summa
China sorgt für miese Laune
Der chinesische Salami-Aktiencrash und die Angst vor der ersten
Anhebung der US-Leitzinsen seit
fast zehn Jahren haben den meisten Rohstoffen für 2015 zum Teil
tiefrote Vorzeichen beschert. Diesem Negativtrend konnte sich Silber nicht entziehen und verbuchte
Thorsten Schulte,
alias der „Silberjunge“
seit dem Jahreswechsel ein Minus
von fast acht Prozent. Auf Sicht von zwölf Monaten bzw. drei Jahren erhöhte sich der Kursverlust sogar auf ungefähr 30 bzw. 50
Prozent. Der Silberpreis hängt in hohem Maße vom Wohl und Wehe
der chinesischen Wirtschaft ab und dort haben sich die Perspektiven spürbar eingetrübt. Obwohl die auf Edelmetallresearch spezialisierte GFMS in ihrem jährlichen Silber-Ausblick (World Silver Survey
2015) für das abgelaufene Jahr 2014 ein Defizit von 4,9 Millionen
Feinunzen ausgewiesen hatte, profitierte das mit großem Abstand
günstigste Edelmetall davon nicht.
Seit 2005 wies ein Land einen besonders stark wachsenden Appetit
auf Silber aus: China. Auf Basis der Daten von GFMS schraubte das
Reich der Mitte während dieses Zeitraums (2005 bis 2014) die Minenproduktion von 2.103 auf 3.568 Tonnen (+69,7 Prozent) nach
oben, während weltweit lediglich ein Plus von 19.902 auf 27.293
Tonnen (+37,1 Prozent) registriert worden war. Damit sind die Chinesen bei der Minenproduktion weltweit die Nummer drei. Doch so
richtig kommt die große Rolle der Chinesen für den Silbermarkt erst
durch den Blick auf die Nachfrageseite zum Ausdruck. Hier belegt
China nämlich mit großem Abstand die Poleposition – gefolgt von
Indien, den USA und Japan. So kletterte der Bedarf der chinesischen
Wirtschaft seit 2005 von 4.307 auf 7.808 Tonnen (+81,3 Prozent).
Weltweit fiel die Nachfrage mit einem Zuwachs von 29.441 auf
33.179 Tonnen (+12,7 Prozent) deutlich weniger dynamisch aus.
Chinesische Fragezeichen
Harte Worte fand Thorsten Schulte, auch bekannt als „Silberjunge“,
bezüglich des von den Chinesen gemeldeten BIP-Wachstums für
das zweite Quartal und meint: „Sieben Prozent Wirtschaftswachst
um sind für mich eine Lachnummer. Schon im April machte ich da
rauf aufmerksam, dass der bekannte Li-Keqiang-Index im März ein
Rekordtief verzeichnete und sogar tiefer als Ende 2008 während
der Weltwirtschaftskrise notierte.“ Neben Belastungsfaktoren aus
China machte er aber auch den starken Dollar und die erhöhte Silberproduktion für den schwachen Silberpreis mitverantwortlich.
Auf der Angebotsseite sieht er mittlerweile aber erste Anzeichen
für eine Entspannung und verweist auf die im Mai gemeldete, gegenüber dem Vorjahr um 7,5 Prozent niedrigere Silberproduktion
in Höhe von 69,8 Millionen Feinunzen. Zur Erinnerung: Noch im
Dezember 2014 wurde ein um zehn Prozent höherer Förderrekord
von 77,3 Millionen Feinunzen gemeldet.
Analysten erwarten höhere Silberpreise
Die jüngste Baisse bei Silber hatten die meisten Analysten so sicherlich nicht auf der Rechnung. Laut einer Datenerhebung der Nachrichtenagentur Bloomberg liegt das Gros der abgelieferten Kursziele derzeit weiterhin deutlich über dem gegenwärtigen Niveau des
Silberpreises. So reichen zum Beispiel die von Bloomberg erfassten
Prognosen zum durchschnittlichen Silberpreis für das Jahr 2016 von
14,00 Dollar (Société Générale) bis 24,00 Dollar (Capital Economics)
und ergeben im Durchschnitt einen Wert von 18,04 Dollar. Unter
diesem Aspekt verfügt Silber über ein Aufwärtspotenzial von mehr
als 20 Prozent. Noch Anfang Juni begründeten die Analysten von
Capital Economics ihren Silber-Optimismus mit einem für das zweite Halbjahr erwarteten industriellen Nachfrageaufschwung, einem
positiven Ausblick für die chinesische Wirtschaft und dem damals
zu beobachtenden „Silberstreif“ an den Terminmärkten. Sowohl in
China als auch an den Terminmärkten hat sich die Stimmung mittlerweile jedoch massiv verschlechtert. Vor allem die Transaktionen
der Terminspekulanten der vergangenen Wochen dürften ein wichtiger Grund für die Silberschwäche gewesen sein.
Terminmärkte machen Hoffnung
Silberjunge Schulte sieht bei dem mit großem Abstand günstigsten
Edelmetall aktuell wenig Abwärtspotenzial und begründet dies vor
allem mit den Transaktionen der Hedgefonds an den Terminmärkten in den vergangenen Wochen. Diese sind derzeit mit 14.751 Kontrakten netto short und bringen dadurch ihre stark pessimistische
Markterwartung zum Ausdruck. Noch nie hat diese Gruppe von
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Marktakteuren stärker gegen Silber gewettet. Für Thorsten Schulte
stellt dies aber kein Problem, sondern ein klares Kaufargument dar.
Er meint: „Diese Leute brauchen dringend Nachhilfe. Noch am 19.
Mai 2015 waren sie so starke Käufer wie kaum zuvor und wenig
später sind sie größte Verkäufer. Sie haben alles falsch gemacht!“ Er
sieht die Hedgefonds als optimalen Kontraindikator und empfiehlt
deshalb, antizyklisch dagegenzuhalten. Nachdem er im Juli 2014,
am 24. Januar 2015 und am 25. Mai 2015 Warnungen ausgesprochen hatte, hält er die Zeit für reif, wieder Hoffnung zu machen.
Andrew Leyland, Mitautor der oben erwähnten, mehr als 100 Seiten starken GFMS-Silbermarktanalyse, prognostizierte übrigens
Anfang Mai anlässlich eines Interviews zur Studienveröffentlichung
für 2015 eine markante Silberschwäche und lag damit bislang goldrichtig. Besonders interessant: In diesem Interview traf er noch zwei
weitere Aussagen, die Silberfans Hoffnung machen dürften. Erstens: Ende des Jahres wird der Silberpreis über 17 Dollar notieren.
Zweitens: Der durchschnittliche Silberpreis des Jahres 2015 wird
seiner Meinung nach in den nächsten Jahren nicht unterschritten.
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