stimmungsmacher

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text malte sudendorf
Was bringt einen mit Preisen überhäuften Kameramann dazu, noch einmal etwas vollkommen Neues anzufangen? Tony Mitchell gilt als einer der besten Kreativen im Music Video
Business und gewann unzählige Preise mit seinen Arbeiten für Duran Duran, Tina Turner,
Nina Hagen, David Bowie, Freddie Mercury oder Aimee Mann. Der »Meister des Lichts«
drehte großartige Filme, Dokumentationen und Werbespots. Seit Neuestem interessiert
Mitchell sich für Mode. Warum eigentlich? Ein Blitzbesuch am Set.
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Tony Mitchell sieht man an, dass er in seinem Leben schon einiges gesehen hat. Trotzdem wirkt der Amerikaner ungewohnt
jugendlich und sprüht vor Energie. Ganz besonders, wenn man
ihn am Set seines neuen Film-Features »Cop Story« arbeiten
sieht. Oder wenn er in einer Pause aus seinem Leben berichtet.
Zum Beispiel seinen Weg vom Putzmann in einem New Yorker
Filmstudio zu einem der 50 besten Kameramänner weltweit.
Als Autodidakt lernt er in den 60er-Jahren bei Legenden der
Branche, dreht Kino- und Dokumentarfilme und arbeitet dann
als Kriegsberichterstatter in Vietnam. Mitchell dreht internationale Werbefilme für Mercedes, McDonalds, Pepsi, Burger
King und etliche andere große Unternehmen. Eher zufällig
wird er in den 80er-Jahren zu einem der begehrtesten Kreativen
der Musikvideo-Branche – in einer Zeit, in der das Musikvideo
zum stilbildenden Medium einer Generation wird, prägt er den
visuellen Auftritt und den Erzählstil eines ganzen Genres.
In den 90er-Jahren lernt er seine Frau Ingrid kennen, eine renommierte Fashionstylistin. Nach Jahrzehnten des Reisens
rund um den Globus leben die beiden heute in der Nähe von
Hamburg – und arbeiten nun nach 15 Jahren das erste Mal als
Team zusammen. Warum jetzt also Fashion? »Das Interessante
ist ja, dass wir uns schon immer auf beiden Seiten der Kamera
mit der Inszenierung, dem Bild beschäftigen, da bestand also
schon immer eine enge Verbindung. Irgendwann ist uns aufgefallen, dass es unzählige große Modefotografie-Produktionen
auf höchstem Niveau gibt. Doch immer geht es nur um den
einen Schuss. Wo bleibt da die filmische Inszenierung? Warum
werden nicht viel mehr großartige Fashion-Filme produziert? So
kamen wir auf die Idee, unsere Erfahrungen und Expertisen in
den Bereichen Film und Fashion zusammenzubringen«, erklärt
Tony Mitchell, während das Team die nächste Einstellung vorbereitet – eine Telefonszene.
Also haben die beiden im Sommer gemeinsam mit einem renommierten Hamburger Produzenten »Sonnenschein CC« gegründet. Das selbsternannte »Kollektiv« wird sich zukünftig auf
die Kreation und Produktion von Fashion-Filmen spezialisieren.
Da stellt sich die Frage: Wie unterscheidet sich die Arbeit für
Fashion-Brands von der für Videoclips? »Bei meiner Arbeit inteQVEST winter / 187
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ressiert mich immer die Stimmung der Bilder, die Atmosphäre,
das Licht – ganz gleich ob ich Spielfilme, Werbespots, Musikvideos oder jetzt eben Fashion-Filme drehe«, erklärt Tony. »Das
wichtigste ist immer die Stimmung, die ein Film über die Bilder
transportieren kann – die Bilder selbst sind entscheidend«.
Ingrid kommt dazu und erklärt die Idee der Zusammenarbeit:
»Uns interessiert, wie man Mode mit einfachen Mitteln und
einem kleinen Team filmisch hochwertig inszenieren kann –
wenn man die richtige Liebe zum Detail einbringt. Dazu gehört das Gesamtbild: Licht, Styling, Setting, Kamera, Story. Und
natürlich die Modelle, die, anders als bei reinen Fotoshootings,
eben auch ein gewisses schauspielerisches Talent mitbringen
müssen. Wenn der Fokus auf der Inszenierung von Mode liegt,
müssen wir auf noch mehr Aspekte achtgeben, das stellt höchste Anforderungen an das Styling. Dafür braucht man ein sehr
gutes Team.«
Während Ingrid spricht, ist Tony damit beschäftigt, den richtigen Kamerafilter zu finden. »Wir wollen Fashion-Filme entwickeln, bei denen fast jede Einstellung so exakt und hochwertig
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ist, wie bei hochwertiger Fashion-Fotografie und die dazu noch
eine ganz eigene Stimmung erzeugen«, murmelt Tony bestätigend, während er bereits die nächste Kamera-Einstellung prüft
und Ingrid schon wieder im Set umhersaust.
Das Genre »Fashion-Film«, da sind sich die beiden einig, wird
in nächster Zeit einen Aufschwung erleben, »weil die Branche
immer mehr erkennt, wie wichtig es ist, gute und stimmungsvolle Fashion-Geschichten zu erzählen – egal ob als Werbespot,
Kurzfilm oder Making-of einer Fotoproduktion«.
Auf die Fortsetzung der Geschichte und weitere Ergebnisse der
Zusammenarbeit darf man getrost gespannt sein. Einstweilen
gibt es den ersten Trailer zu »Cop Story« exklusiv zu sehen: auf
Qvest.de/copstory
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