Zum Umgang miteinander

Zum Umgang miteinander
Auf dem Aktionscamp geht es um Aktionen, um Außenwirkung und um einen
möglichst großen Sandsack im Getriebe – klar.
Aber: Aktionen sind eben nicht alles, oder: zum Aktivismus gehört für uns auch ein
respektvolles Miteinander, Selbstreflexion und der Anspruch eigene verinnerlichte
Herrschaftsstrukturen zu überwinden.
Denn die von Unterdrückung und Gewalt geprägte Gesellschaft, in der wir leben,
beeinflusst uns und unser Verhalten ständig. Das gilt in gewissem Maße leider auch für
Orte, die wir als Freiräume bzw. sichere Räume gestalten wollen, wie beispielsweise
dieses Aktionscamp.
Wir wollen erreichen, so wenig wie möglich herrschaftsförmige und verletzende Praktiken
aus der Gesellschaft in unser Camp zu übernehmen. Sodass, das Camp, wenn schon kein
vollkommen sicherer, zumindest ein sichererer Ort für Betroffene von Unterdrückung und
Gewalt wird.
Klingt ja ganz nett, aber wie soll das nun umgesetzt werden?
Achtsamkeit
Gesetze, starre Regularien etc. können und wollen wir nicht vorgeben, ganz im Gegenteil,
von lebensfremdem Mist dieser Art würden wir uns gern möglichst frei machen. Uns ist ein
verantwortungsvoller Umgang miteinander wichtig – achtet darauf, wie eurer Handeln auf
andere wirkt. Deshalb ist das erste Stichwort zum Umgang miteinander Awareness, oder
Achtsamkeit. Bitte achtet auf eure eigenen Grenzen und auf die eurer Genoss_innen!
Passt aufeinander auf – das ist keine neue Losung, aber viel zu oft geht sie in der Hektik
und Hitzigkeit der Aktionsvorbereitung und -durchführung verloren. Und auch trotz der
weitverbreiteten Selbstbezeichnungen als Antisexisten oder Antirassist_innen etc. kommt
es tagtäglich auch in „linken“ Zusammenhängen zu Übergriffen – das muss sich ändern!
Persönliche Grenzen...
...sind für uns entscheidend. Das bedeutet: Ob eine Handlung übergriffig,
grenzüberschreitend, gewaltvoll war, entscheiden keine vermeintlich objektiven Kriterien.
Das Wesentliche ist das persönliche Erleben der Betroffenen; sie hat die Definitionsmacht
über das, was ihr geschehen ist. Wenn sie möchte, wird die Awarenessgruppe ihr nach
Kräften bei der Umsetzung ihrer Bedürfnisse nach einer Grenzverletzung zur Seite stehen.
Achtet auch darauf wann Menschen ansprechbar sind für euch oder wann evtl. eine
gerade Pausen benötigt werden.
Parteilichkeit
Je nach Situation ist eine Interaktion besonders stark vom Patriarchat, von Rassismus und
Konstrukten weißer Überlegenheit, von der Behinderung von Menschen mit speziellen
Bedürfnissen etc. geprägt. Diesen Faktoren soll auf dem Camp durch Parteilichkeit mit
den Benachteiligten entgegengewirkt werden. Dabei sind wir uns dessen bewusst, dass es
selten (es gibt schon derart eindeutige Fälle) ausschließlich Unterdrückende oder komplett
Unterdrückte gibt. Aber beispielsweise in einem Fall sexualisierter Gewalt zwischen einem
Mann* und einer nicht cis-männlichen* Person werden wir zunächst grundsätzlich mit der
nicht cis-männlichen Person* solidarisch sein, wenn diese einen Übergriffsvorwurf
gegenüber dem Mann* äußert. Uns ist bewusst, dass es auch Grenzüberschreitungen von
Frauen* gegen über Männern* gibt und dass auch Männer* Betroffene von sexualisierter
Gewalt sein können. Dennoch finden wir es wichtig, den gesellschaftlichen Rahmen in
dem wir aufgewachsen sind, nicht zu leugnen und als Gegengewicht zu der sexistischen
Gesellschaft in der wir leben den Frauen*/nicht cis-männlichen Personen* die
Definitionsmacht zu geben. Wenn andererseits zum Beispiel in einem Konflikt rassistische
Beleidigungen von einer Weißen gegen eine Person of Colour benutzt werden, sind wir mit
der von Rassismus negativ Betroffenen solidarisch, auch wenn sie z.B. Akademikerin und
die andere keine- sein sollte. Wenn also gesellschaftliche Privilegien gegen Menschen auf
dem Camp ausgespielt werden und deren Grenzen dadurch verletzt werden, dann lasst
uns als Camp-Community darauf parteilich mit der betroffenen Person reagieren!
Es gibt Situationen, in denen sich gar nicht so leicht sagen lässt, bei wem denn nun die
größere gesellschaftliche Privilegierung liegt, wenn Menschen sich in einem Konflikt
gegenseitig verletzen. Oft aber lässt sich ein Machtverhältnis recht deutlich erkennen, und
insbesondere für diese Fälle gilt der Grundsatz.
Er ist nicht gleichzusetzen mit einer prinzipiellen (Vor-)Verurteilung aller Privilegierten,
sondern der Versuch, ein Gegengewicht zur sozialen Ungleichheit in die Waagschale zu
werfen und strukturelle Benachteiligungen einzudämmen.
Sensibilität
Grenzen sind nicht immer für alle sichtbar, und nicht alle mögen oder können ihre Grenzen
immer klar aufzeigen. Deshalb geht bitte generell sensibel mit Themen um, die Verletzung
und Unterdrückungserfahrungen wieder wachrufen können.
• Berührungen oder Umarmungen sowie Kommentare über die Körper anderer sind
nicht für alle OK – Absprachen und Nachfragen helfen dabei,
Grenzüberschreitungen zu vermeiden
• Angeblich harmlose Witze auf Kosten von Minderheiten oder benachteiligten
Menschen müssen echt nicht sein.
• Ebenso wenig wie das scheinbar selbstverständliche Um-herlaufen von Männern*
mit freiem Oberkörper, das durchaus oft als unangenehm empfunden wird – weil es
als mackrige Präsentation des Körpers empfunden werden kann, oder auch weil
viele Frauen* sich nicht wohlfühlen könnten, würden sie dasselbe tun. Weil das
Aktionscamp kein geeigneter Ort scheint, sich intensiv mit Körperlichkeit
auseinanderzusetzen, halten wir es für das beste, wenn öffentliches Nacktsein von
allen vermieden wird.
• Diskussionen und Streitgespräche bringen alle dann am meisten weiter, wenn sie
ohne dominantes Redeverhalten, ohne unnötiges um-sich-Werfen mit Fachbegriffen
und ohne persönliche Angriffe ablaufen.
• Drängt anderen nicht eure Erwartungen und Vorstellungen auf und respektiert die
Selbsteinschätzungen und Entscheidungen anderer. Achtet darauf, keinen Druck
vor und bei Aktionen aufzubauen oder auf Andere auszuüben.
• Nicht alle mögen den Geruch von Zigarettenqualm oder wenn Leute Alkohol
konsumieren. Fragt die euch umgebenden Menschen, ob es ok ist, wenn ihr raucht
oder trinkt
• Auch Sauberkeit ist ein Thema was auf Camps immer wieder auftaucht. Seht das
andere vielleicht einen höheren Anspruch an Sauberkeit haben und haltet den
Raum um euch daher möglichst sauber. Wascht euch die Hände und so weiter :).
Und, lest doch noch den Vorstellungstext der Awarenessgruppe, in dem auch nochmal
Begriffe erklärt werden!
Lasst uns das Aktionscamp gemeinsam zu einem Ort machen, an dem
sich alle möglichst wohl und sicher fühlen können!