„Gottlos“ von Florian Wagner Vorspruch Im Namen des Vaters und

„Gottlos“
von Florian Wagner
Vorspruch
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Ein Sprichwort lautet: „Wo Licht ist, da ist auch Schatten“. Das erleben wir Menschen täglich.
Nicht immer läuft alles rund in unserem Leben. Es gibt neben den sonnigen Zeiten des
Lebens eben auch schattige. Der Schatten kann so groß sein, dass wir uns fragen: „Hat Gott
mich verlassen?“ Um diese Frage geht es in dieser Andacht.
Lied
EG 134 Komm, o komm du Geist des Lebens
oder:
EG 161 Liebster Jesu, wir sind hier
Psalm
Psalm 73 ( EG 733)
In der Passionszeit: Psalm 22 (EG 709)
Ehr sei dem Vater und dem Sohn
Gebet
Herr, unser Gott, unser Leben ist nicht leicht. Immer wieder stehen wir vor
Herausforderungen, die wir bewältigen müssen. Es gibt Zeiten, da ist niemand für uns da,
der uns beisteht. Manchmal fühlen wir uns ganz allein und sind traurig, trostlos und tief
beunruhigt.
Wir bitten dich: Schenk uns Zuversicht, dass wir auf dich vertrauen können. Gib uns die Kraft,
dich in unserer Not anzurufen und das Zutrauen in dein helfendes Handeln. Sei du immer an
unserer Seite als eine starke Stütze.
Das bitten wir dich durch Jesus Christus, unseren Herrn und Bruder, der mit dir und dem
Heiligen Geist lebt und Leben schenkt von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Amen.
Lied
EG 365 Von Gott will ich nicht lassen
o der:
EG 329 Bis hierher hat mich Gott gebracht
Hinführung
Im Leben Jesu gab es nicht nur helle Zeiten. Der dunkelste Augenblick seines Lebens ist seine
Kreuzigung. Dort erlebte auch er das Gefühl, von Gott verlassen worden zu sein.
Lesung (die kursiv gesetzten Teile sollten nur in der Passionszeit mitgelesen werden)
22 Und sie brachten ihn zu der Stätte Golgatha, das heißt übersetzt: Schädelstätte.
23 Und sie gaben ihm Myrrhe in Wein zu trinken; aber er nahm's nicht.
24 Und sie kreuzigten ihn. Und sie teilten seine Kleider und warfen das Los, wer was
bekommen solle.
25 Und es war die dritte Stunde, als sie ihn kreuzigten.
(26 Und es stand über ihm geschrieben, welche Schuld man ihm gab, nämlich: Der König der
Juden.
27 Und sie kreuzigten mit ihm zwei Räuber, einen zu seiner Rechten und einen zu seiner
Linken.
29 Und die vorübergingen, lästerten ihn und schüttelten ihre Köpfe und sprachen: Ha, der du
den Tempel abbrichst und baust ihn auf in drei Tagen,
30 hilf dir nun selber und steig herab vom Kreuz!
31 Desgleichen verspotteten ihn auch die Hohenpriester untereinander samt den
Schriftgelehrten und sprachen: Er hat andern geholfen und kann sich selber nicht helfen.
32 Ist er der Christus, der König von Israel, so steige er nun vom Kreuz, damit wir sehen und
glauben. Und die mit ihm gekreuzigt waren, schmähten ihn auch.
33 Und zur sechsten Stunde kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde.)
34 Und zu der neunten Stunde rief Jesus laut: Eli, Eli, lama asabtani? Das heißt übersetzt:
Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?
(35 Und einige, die dabeistanden, als sie das hörten, sprachen sie: Siehe, er ruft den Elia.
36 Da lief einer und füllte einen Schwamm mit Essig, steckte ihn auf ein Rohr, gab ihm zu
trinken und sprach: Halt, lasst sehen, ob Elia komme und ihn herabnehme!
37 Aber Jesus schrie laut und verschied.)
(Markus 15, 22-37 [Vers 28 findet sich erst in der späteren Überlieferung])
STILLE
Besinnung
Auf der Internetseite „wo-ist-Gott.info“ kann man folgenden Text lesen: „Jeden Tag ereignen
sich viele schlimme Dinge auf unserer Erde. Menschen erleben viel Leid durch Krankheiten,
Unfälle, Kriege, Verbrechen, Hungersnöte und viele andere Katastrophen. Manche
Menschen stellen sich dabei die Frage: Wo ist Gott? Gibt es überhaupt einen Gott?“
Bei dem hier beschriebenen Leid handelt es sich um Beispiele, die tagtäglich geschehen. Es
reicht ein Blick in die Tageszeitung oder die abendlichen Nachrichten. Es genügt, irgendwo
im Wartezimmer oder auch im Bus zu sitzen und den anderen Menschen zuzuhören, um von
diesen Dingen zu erfahren. Jeden Tag erleben unzählige Menschen Leid. Mit diesem Erlebnis
verbindet sich dann – wie im Zitat – die Frage nach Gott. Wo ist er? Warum beschützt er
mich nicht? Diese Fragen drücken eine tiefe innere Not aus. Ein Mensch, der diese Frage
stellt, fühlt sich von Gott allein gelassen. Er spürt Gottes heilende Gegenwart nicht oder
nicht mehr.
Schon, wenn ich mich von anderen Menschen alleingelassen fühle, ist das schmerzhaft für
mich. Wenn ein Freund, eine Freundin oder andere nahestehende Personen nicht da sind,
wenn ich sie dringend brauche, kann ich mich sehr einsam und verlassen fühlen. Das ist ein
schmerzhaftes Gefühl. Aber in diesem Fall gibt es für mich immer noch die Möglichkeit, Gott
anzurufen. Auf ihn kann ich mich jederzeit verlassen. Aber was ist, wenn auch er mich
enttäuscht? Wenn ich ihn in der Not anrufe und keine Antwort bekomme? Dann bin ich
völlig verloren. Wenn Gott mir nicht hilft, dann kann mir keiner helfen.
So hat es Jesus erlebt. Bereits im Garten Gethsemane ringt er mit seiner Todesangst und
betet zu Gott: „Nimm diesen Kelch von mir.“ Allerdings fühlt er sich trotz dieser Not von Gott
getragen. So kann er sagen: „Nicht, was ich will, sondern was du willst.“ Einen Tag später ruft
er wieder zu Gott. Er hängt am Kreuz, hat Schmerzen, wird von den Menschen, die
vorbeigehen, verachtet und hat seinen Tod vor Augen. Man könnte meinen, dass er sich in
diesem Moment nicht mehr von Gott getragen fühlt. Denn seine Worte klingen nicht
sonderlich zuversichtlich, wenn er ruft: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich
verlassen?“ Scheinbar fühlt er sich von Gott allein gelassen.
Eine große Not spricht da aus ihm heraus! Erschreckend ist das. Jesus, der Sohn Gottes, der
in seinem ganzen Leben in engster Verbindung mit Gott stand, ist in so großer Not, dass er
diese Worte ruft: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Seine Not ist so
groß, dass er sie herausschreit. Dieser Schrei ist befreiend für uns. Wenn selbst Jesus seiner
Klage derart heftigen Ausdruck verleiht, dann darf ich in meiner Not dasselbe tun. Auch der
Psalmbeter des 22. Psalms hat seine Not vor Gott gebracht und ihn gefragt, warum er nicht
hilft. Aus diesem Psalm stammen diese letzten Worte Jesu. Trotzdem schimmert in einzelnen
Zeilen dieses Psalms wieder die Zuversicht auf, dass Gott eingreifen wird. Dass diese
Hoffnung berechtigt ist, zeigt Gott nach Jesu Tod. Indem er seinen Sohn von den Toten
auferweckte, verdeutlicht er gerade, dass er ihn nicht allein gelassen hat. Er hat ihn nicht
aufgegeben. Seine Beziehung zu ihm hält über den Tod hinaus. Jesus weiß darum und
verwendet folglich Worte aus Psalm 22. Er weiß, dass er gerettet wird, auch wenn es
zunächst anders aussieht.
Mir kann das, was Gott an Jesus getan hat, Zuversicht geben. Denn an seinem Tod und seiner
Auferstehung sehe ich, dass Gott da ist, auch wenn ich ihn nicht in meiner Nähe spüren
kann. Jesus fühlte sich von Gott verlassen, dabei war Gott die ganze Zeit bei ihm. So ist das
auch bei mir.
Wenn ich eine schwere Zeit durchmache, weil eine Beziehung zerbrochen ist, weil ein
geliebter Mensch gestorben ist, weil ich den Arbeitsplatz verloren haben, weil ich ernsthaft
erkrankt bin, dann kommt es vor, dass ich mich von Gott verlassen fühle. Da mag das ein
oder andere Gebet gesprochen werden und doch stellt sich das Gefühl ein, dass Gott nicht
hilft, dass er gar nicht zuhört. Schlimme Zeiten sind das im Leben. Dennoch bin ich nicht
allein. Ganz egal wie es scheint. Gott ist da und wird eingreifen. Vielleicht nicht so, wie ich es
erwarte. Aber er ist da und lässt mich nicht allein. Jesus hat vielleicht in der Stunde der Not
am Kreuz auch etwas anderes gehofft. Und am Ende hat Gott es doch wohl gemacht mit ihm,
hat ihn gerettet, indem er ihm das ewige Leben schenkte.
So hat Gott auch einen Plan mit mir, der zu einem guten Ende kommen wird.
Amen.
Lied
EG 557 Ein Licht geht uns auf in der Dunkelheit
oder:
EG 611 Harre, meine Seele
Fürbitten
Lasst uns beten für uns selbst,
dass wir nicht zerbrechen an dem Tod naher Menschen,
dass wir ihren Verlust nicht überspielen,
uns aber auch nicht in ihn versenken,
so dass er uns lähmt und einsam macht.
Gott gebe, dass wir von neuem wagen,
uns ihm und dem Leben anzuvertrauen
(Lasst uns rufen:)
Lasst uns beten für alle,
die leben müssen mit einem leeren Platz an ihrer Seite,
weil sie einen geliebten Menschen verabschieden mussten.
Lasst uns beten für die Verzweifelten,
dass sie aufgerichtet werden aus ihrer Verzweiflung,
dass Gott ihnen in Mitmenschen begegnet,
die schweigen, trösten und mittragen können.
Lasst uns beten für alle, die durch Krankheit
ausgeschlossen sind von ihrer Umwelt,
die unfrei sind sich zu bewegen,
die zurückgeworfen sind auf sich selbst.
Lasst uns beten für die Menschen,
die von der Härte ihres Schicksals entmutigt sind,
dass sie nicht anfangen, zu verbittern,
sondern ihr Herz offenhalten in Hoffnung und Erwartung.
(bearb. nach Agende I.2 , Nr. 1335)
Alles, was uns einsam macht und was uns an Gottes Barmherzigkeit zweifeln lässt, bringen
wir in der Stille vor Gott:
Stilles Gebet
Vaterunser
Lied
EG 562 Segne und behüte
oder:
EG 590 Herr, wir bitten: Komm und segne uns
Segen